Soziale Medien in der Wissenschaftskommunikation – der Status Quo

Mit diesem Beitrag übernehme ich die Stafette als Gastautor in diesem Blog. Während sich Jan-Hinrik Schmidt mit dem Thema „Soziale Medien als Intermediäre in der Wissenschaftskommunikation“ befasst hat, geht es in diesem und den folgenden Beiträgen um „künftige technische Rahmenbedingungen der digitalen Medien (unter Berücksichtigung für Wissenschaftsthemen besonders relevanter Kanäle)“ – so jedenfalls war ich von der ACATECH beauftragt worden. Ich hatte also Gelegenheit, mich als eine Art Zukunftsforscher zu betätigen und die aktuelle Situation der Wissenschaftskommunikation in sozialen Medien in die Zukunft „hochzurechnen“. Ich möchte mit diesem Beitrag deshalb zunächst einmal die Ausgangslage beleuchten, in der wir uns gegenwärtig befinden, und zwar bezogen auf die für die Wissenschaftskommunikation wichtigsten sozialen Medien: Blogs, Microblogs und soziale Netzwerke.

Blogs und Blog-Plattformen

Blogs haben sich frühzeitig als eine originäre wissenschaftliche Kommunikationsform im Internet etabliert. Im  Bereich der Wissenschaft treten Blogs derzeit vor allem über Blog-Portale hervor. Im deutschsprachigen Raum sind die bekanntesten und reichweitenstärksten die vom Verlag Spektrum der Wissenschaft betriebene Plattform SciLogs (sollte bekannt sein) sowie die Scienceblogs, die von der Konradin Mediengruppe („Bild der Wissenschaft“) betrieben werden. Beide Portale sind Teil eines internationalen Netzwerks von Blog-Portalen in unterschiedlichen Sprachen. Die Blogs – gegenwärtig aktiv bei den SciLogs knapp Hundert, bei ScienceBlogs 44 – werden redaktionell auf Antrag oder durch Einladung zusammengestellt, jedoch nicht weitergehend redaktionell betreut. Autoren dieser Blogs sind aktiv an Hochschulen und Forschungseinrichtungen tätige Wissenschaftler, aber in beiden Fällen auch Journalisten, bei den SciLogs sogar bei einem (allerdings derzeit nicht mehr aktiven) Blog die Forschungskommunikationsabteilung von BASF („BASF: Reactions“). Die einzelnen Beiträge dieser Blogs erscheinen nicht nur auf der jeweiligen Blog-Homepage, sondern auch in übergeordneten Aggregationsstufen, die nach Themengebieten gruppiert sind. Auf diese Weise kann ein Nutzer die Beiträge der Blogs in einem ganzen Bereich im Auge behalten.

Anzahl und Länge der Kommentierungen können von Beitrag zu Beitrag und von Blog zu Blog sehr unterschiedlich ausfallen. Die Auswertung von Beiträgen meines eigenen Blogs („Die Engelbart-Galaxis“ bei den SciLogs) zeigt eine Streuung von drei bis 202 Kommentare, wobei der Median der Kommentarzahl pro Beitrag auf den SciLogs generell bei ca. fünf liegen dürfte. Auch in der Länge variieren die Kommentare beträchtlich, von wenigen Wörtern bis hin zu mehrere Tausend Wörter umfassenden Erwiderungsartikeln. Dabei zeigt sich auch, dass die Anzahl der diskutierenden Leser bei häufig kommentierten Beiträgen nach kurzer Zeit bereits stark abnimmt und die Diskussion danach in einem zuweilen sehr kleinen Kreis über einen sehr langen Zeitraum (bis zu vier Wochen) geführt wird. Der professionelle Wissenschaftsblogger Florian Freistetter, der seinen Blog auf ScienceBlogs betreibt, erzielt mit seinen Beiträgen bis zu mehrere Tausend Klicks täglich und kann durchschnittlich 50 bis 100 Kommentare verzeichnen.[i]

Während die redaktionell ausgewählten Blogs in kommerziellen wissenschaftlichen Blog-Portalen eine gewisse Basis-Aufmerksamkeit erfahren, ist dies bei einem relativ frei nutzbaren wissenschaftlichen Blogportal wie de.hypotheses nicht unbedingt gegeben. Zu den redaktionell ausgewählten Beiträgen auf der deutschen Homepage finden sich nur in sehr wenigen Fällen einige wenige Kommentare. Das vom Deutschen Historischen Institut Paris und der Max Weber Stiftung getragene Blog-Portal umfasste Ende 2015 157 Blogs.

Microblogs

Microblogging-Dienste wie Twitter oder Instagram haben in den letzten Jahren vor allem aufgrund der zunehmenden Marktdurchdringung durch Smartphones einen großen Aufschwung erlebt. Es handelt sich um Massenmedien, die sich durch kurze Text-, Link-, Bild- oder Video-Beiträge auszeichnen und die Kommunikation unter den Nutzern durch eine Art Abo-System gewährleisten. Twitter hat seine marktbeherrschende Stellung insbesondere durch die Verwendung seiner Nutzer bei Großereignissen unterschiedlicher Art erzielen können, sei es bei Katastrophen, Medienereignissen, Wahlen und sogar Revolutionen.

Im Bereich der Wissenschaftskommunikation kann sicherlich Twitter als das am weitesten verbreitete soziale Medium angesehen werden. Viele Wissenschaftler und wissenschaftliche Institutionen setzen es zum Kontakt mit der Fachgemeinschaft und für Zwecke der externen Wissenschaftskommunikation ein. Berühmtheiten wie der britische Biologe Richard Dawkins bringen es auf mehr als 1,3 Mio. Follower. Die Grenzen von Fachkommunikation und öffentlicher Wissenschaftskommunikation sind dabei fließend. Nentwich et al. sehen als Funktionen von Micro-Blogging in Forschung und Lehre die soziale Komponente, das kontextangereicherte Suchen und Veröffentlichen, die Konferenzbegleitung, die Verwendung in der Lehre und das Reputationsmanagement.[ii] Auch für die externe Wissenschaftskommunikation und die Öffentlichkeitsarbeit sehen sie erhebliche Potenziale, die seitdem (die Studie erschien bereits 2009) auch vielfach genutzt werden. Sowohl bei der individuellen als auch bei der institutionellen Nutzung sehen sie ein neues Verhältnis zwischen Beruflichen und Privatem, eine Vermischung, die auch zu einer erhöhten Personalisierung und Authentizität von Wissenschaft in der Außenwahrnehmung beitragen kann.

Holmberg et al. zeigen für die Community der Astrophysiker[iii], dass bezüglich der Twitter-Nutzung unter Wissenschaftlern bestimmte Muster zu erkennen sind. So engagieren sich intensive Nutzer weniger in Konversationen, sondern verbreiten vermehrt ohne deutliche Wertungen Informationen in ihren Netzwerken. Die Autoren stellten außerdem fest, dass trotz der fachlichen Homogenität deutliche Bündelungseffekte entlang der unterschiedlichen wissenschaftlichen Funktionen bei der Netzwerkbildung zu verzeichnen sind. In einer anderen Studie fanden Holmberg und Thelwall deutliche Unterschiede in der Twitter-Nutzung in unterschiedlichen Disziplinen[iv]. Biochemiker etwa retweeten deutlich häufiger als Wissenschaftler anderer Disziplinen, im Gebiet der Digital Humanities und der Cognitive Science werden vor allem Diskussionen geführt, in den Wirtschaftswissenschaften Links geteilt. In Bezug auf die Begleitung von Publikationsprozessen durch Twitter stellen Shuai et al. fest[v], dass die Anzahl der Erwähnungen einer Publikation in Tweets statistisch signifikant korreliert mit der Zahl an Downloads des Papiers auf Preprint-Archiven, und auch das zeitliche Verhältnis der Twitter-Erwähnungen zum Publikationszeitpunkt erlaubt Rückschlüsse auf die Zitier-Häufigkeit nach Erscheinen des Papiers. Weller et al. analysieren die Verwendung von Twitter auf Konferenzen und zeichnen anhand von Links, die in Tweets geteilt werden, die Verbreitungsdynamik dieser Informationen nach.[vi]

Soziale Netzwerke

Soziale Netzwerke, genauer: „Social Network Services“ (SNS), besitzen die primäre Aufgabe, soziale Beziehungen zwischen ihren Nutzern zu organisieren. Dies geschieht auf der Basis von Profilseiten für die einzelnen Nutzer und einer Repräsentation der sozialen Verbindungen, die dieser Nutzer unterhält. Über dieses soziale Netzwerk (im soziologischen Sinne) können Informationen und Medieninhalte verbreitet, kommentiert und bewertet werden. Der Strom der aktuellen Aktivitäten wird dabei oft in einer chronologisch sortierten Neuigkeitenliste organisiert. SNS sind Web-basiert, und die großen Anbieter integrieren zunehmend auch weitere Internet-Dienste, etwa Email, Chat, Microblogging usw., in ihre Systeme. Die Abgrenzung von SNS zu anderen sozialen Medien ist deshalb schwierig, weshalb zum Teil auch Angebote wie Twitter und Instagram den SNS zugerechnet werden. In der englischsprachigen Wikipedia werden derzeit mehr als 100 SNS aufgeführt.[vii]

Aufgrund der Vielzahl an Funktionen und der flexiblen Erweiterungsmöglichkeiten hätte sich Facebook durchaus auch als ein vollwertiges SNS im Bereich der Wissenschaftskommunikation etablieren können. Dies ist jedoch nicht geschehen, vermutlich wegen der von Anfang an dominierenden privaten Nutzung dieses Netzwerks. Im deutschsprachigen Bereich wurden parallel zum Aufstieg von Facebook einerseits an Hochschulen spezielle Lehr-/Lernplattformen wie etwa Stud.IP eingeführt, die zumindest in der ersten Zeit ähnliche Funktionen zum Aufbau und Verwaltung von sozialen Netzwerken besaßen und intensiv genutzt wurden. Andererseits entstand mit Xing (unter diesem Namen seit 2007, gegründet 2003 als „OpenBC“) ein „professionelles“ SNS, das sich auf die Verwaltung beruflicher Kontakte konzentrierte und auch in der Wissenschaft genutzt wurde und wird.

Erst 2008 entstand mit ResearchGate das erste und heute erfolgreichste SNS, das sich speziell an Wissenschaftler richtet. Es hatte 2015 nach eigenen Angaben acht Millionen Mitglieder. Eine zentrale Funktion ist die Verknüpfung von Publikationen und deren Autoren; monatlich werden zwei Mio. Paper dem Netzwerk von Nutzern zugefügt.[viii] Diese Publikationen werden nicht als PDF-Dokumente angezeigt, sondern intern in das „RG Format“ konvertiert, dass eine zeichengenaue kollaborative Kommentierung und Zitierung erlaubt. In diesem durch Publikationen „befeuerten“ sozialen Netzwerk werden ständig neue Verbindungen berechnet und dem Nutzer vorgeschlagen, sowohl zu Personen als auch zu Publikationen. Darüber hinaus besteht auch ResearchGate bei der zentralen persönlichen Einstiegsseite aus einer Chronik und einer Art Email-System. Die aus Facebook bekannte Statusnachricht erscheint hier als die Möglichkeit, das eigene soziale Netzwerk mit einer Frage zu konfrontieren. Entsprechend werden auf einer eigenen Seite Fragen anderer Nutzer präsentiert, deren Beantwortung diesen nahegelegt werden. Auch Publikationen, die für einen Nutzer aufgrund seiner im Profil angegebenen Arbeitsgebiete von Interesse sein könnten, werden auf einer eigenen Seite algorithmisch zusammengestellt. Ähnlich wie bei Xing spielt auch ein integrierter Stellenmarkt eine herausgehobene Rolle.

Ein wichtiges Element der Nutzung von ResearchGate ist die kontinuierliche Berechnung eines Wertes, der den Impact der eigenen Publikationen, aber auch deren Anzahl und die kommunikative Intensität des Nutzers kennzeichnet. Damit soll über den reinen Publikationsimpact hinaus den Angaben des Netzwerks zufolge jeder wissenschaftliche Diskussionsbeitrag beim Reputationsaufbau berücksichtigt werden. Dieser sogenannte RG Score ist realisiert als ein dezimaler Zahlenwert größer Null, die Nutzer des Systems können gegenseitig ihre Werte sehen. Darüber wird für den eigenen Score ein Perzentilwert errechnet. Der RG Score hat verschiedene Kritik auf sich gezogen. Murray zeigt etwa, dass selbst ein „schlafender“ Nutzer aufgrund der automatischen Verbindung zu vermeintlichen Koautoren hohe Werte bei seinem Score erzielen kann.[ix] Auf der anderen Seite zeigen Beiträge wie der von Hoffmann et al., dass eine solcher „Altmetrik“ genannter alternativer Reputations- bzw. Impact-Maßstab tatsächlich genutzt werden kann, um den Impact einer Person bzw. Publikation in der Wissenschaft differenzierter zu erfassen.[x]

Andere SNS für den wissenschaftlichen Bereich sind Academia.edu, das einen Schwerpunkt legt auf dem Austausch wissenschaftlicher Publikationen unter den Bedingungen von Open Access, und Mendeley, das inzwischen von der weltweit größten wissenschaftlichen Verlagsgruppe Elsevier übernommen wurde.[xi] Sowohl ResearchGate als auch Academia.edu sind derzeit noch unabhängige, von Investorenkapital getragene Unternehmen ohne ein tragfähiges Geschäftsmodell. Allerdings suchen sie offenbar die Nähe zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen, um mit diesen Kooperationen zu vereinbaren. Bekanntester Partner von ResearchGate ist etwa die Max Planck-Gesellschaft.[xii] Mit dieser Strategie treten derartige SNS zumindest potentiell in Konkurrenz zu den sogenannten Forschungsinformationssystemen (FIS), die von Forschungseinrichtungen derzeit mit einer anderen Zielsetzung eingeführt werden.

 

Anmerkungen:

[i] Vgl. Freistetter, Florian (2014). Pionier der Wissenschaftsblogs: “Artikel, die Medien angreifen, haben gute Quoten”. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/florian-freistetter-scienceblogs-interview-blogs-und-journalismus-a-993887.html (29.12.2015), zum Thema überhaupt auch Littek, Manon S. (2012). Wissenschaftskommunikation im Web 2.0. Eine empirische Studie zur Mediennutzung von Wissenschaftsblogs. Europäische Hochschulschriften. Band 104: Peter Lang.

[ii] Nentwich, Michael, Jana Herwig, Axel Kittenberger & Jan Schmirmund (2009). Microblogging und die Wissenschaft. Das Beispiel Twitter. Steckbrief 4 im Rahmen des Projekts “Interactive Science”. Wien.

[iii] Holmberg, Kim, Timothy D. Bowman, Stefanie Haustein & Isabella Peters (2014). Astrophysicists’ conversational connections on Twitter. PLoS ONE 9 (8): e106068.

[iv] Holmberg, Kim & Mike Thelwall (2014). Disciplinary differences in Twitter scholarly communication. Scientometrics 101 (2): 1027–1042.

[v] Shuai, Xin, Alberto Pepe & Johan Bollen (2012). How the scientific community reacts to newly submitted preprints: article downloads, Twitter mentions, and citations. PLoS ONE 7 (11): e47523.

[vi] Weller, Katrin, Evelyn Dröge & Cornelius Puschmann (2011). Citation Analysis in Twitter: Approaches for Defining and Measuring Information Flows within Tweets during Scientific Conferences.

[vii] Vgl. Wikipedia (2015). List of social networking websites. https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_ social_networking_websites (31.12.2015).

[viii] Vgl. Kerkmann, Christof (2015). Wissenschaftsportal Researchgate: Facebook statt Schreibtischschublade. http://www.wiwo.de/unternehmen/it/wissenschaftsportal-researchgate-face­book-statt-schreibtischschublade/11364926.html (31.12.2015).

[ix] Murray, Meg (2014). Analysis of a Scholarly Social Networking Site: The Case of the Dormant User. Proceedings of the Seventeenth Annual Conference of the Southern Association for Information Systems (SAIS) (Paper 24).

[x] Hoffmann, Christian P., Christoph Lutz & Miriam Meckel (2015). A relational altmetric? Network centrality on ResearchGate as an indicator of scientific impact. Journal of the Association for Information Science and Technology.

[xi] Vgl. Lunden, Ingrid (2013). Confirmed: Elsevier Has Bought Mendeley For $69M-$100M To Expand Its Open, Social Education Data Efforts. http://techcrunch.com/2013/04/08/con­firmed-elsevier-has-bought-mendeley-for-69m-100m-to-expand-open-social-education-data-efforts/ (31.12.2015).

[xii] Vgl. Hohensee, Matthias (2010). Facebook des Wissens. http://www.wiwo.de/technologie/for­schung-facebook-des-wissens/5680788.html (31.122.2015).

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Henning Lobin ist seit 2018 Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim (Mitglied der gemeinsam vom Bund und allen 16 Bundesländern finanzierten Leibniz-Gemeinschaft) und Professor für Germanistische Linguistik an der dortigen Universität. Zuvor war er ab 1999 Professor für Angewandte Sprachwissenschaft und Computerlinguistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seine Forschungsschwerpunkte bilden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Sprache, Texttechnologie, Grammatik, Wissenschaftskommunikation und Politolinguistik. Er ist Sprecher der Sektion "Geisteswissenschaften und Bildungsforschung" und Präsidiumsmitglied der Leibniz-Gemeinschaft, Mitglied germanistischer Fachbeiräte von DAAD und Goethe-Institut und des Forschungsbeirats der Stiftung Wissenschaft und Politik. Lobin ist Autor von neun Monografien und hat zahlreiche Sammelbände herausgegeben. Zuletzt erschienen sind Engelbarts Traum (Campus, 2014, polnische Übersetzung 2017, chinesische Übersetzung 2018), Digital und vernetzt. Das neue Bild der Sprache (Metzler, 2018) und Sprachkampf (Duden, 2021). Bei den SciLogs ist Henning Lobin seit 2014 Autor des Blogs "Die Engelbart-Galaxis", nachdem er dort bereits ab 2008 am Gruppenblog "Interactive Science" beteiligt war.

11 Kommentare

  1. Dann mach ich es mal so, wie ich es von den Leichtathletik-Übertragungen im Fernsehen her kenne, und rufe nach Übergabe des Staffelstabs laut: “Lauf, lauf, LAUF!” (bzw. hier ja wohl besser: “Blog, Blog, Blog!”) 🙂

  2. Vielen Dank für diesen Überblick – oder den Versuch eines Überblicks, denn ich würde mutmaßen, dass für die Wissenschaftskommunikation in den offenen Netzen eine Art Eisbergverteilung gilt. Was für mich als lediglich wissenschaftlich Interessierten schwer ist abzuschätzen: Gibt es die “Disruption” in der Wissenschaftskommunikation oder nicht? Oder neigen Wissenschaftler, zieht man die besonders Kommunikationsfreudigen einmal ab, in der Mehrheit eher zur Distanz zu den sozialen Medien (wie z.B. Manager und viele andere Professionals auch – “not my crowd”)? Dabei kommuniziert die forschende Wissenschaftler ja weiterhin in erster Linie in ihren Ausarbeitungen (und dem was unter Umständen davor an Kommunikation stattfindet), weswegen ja die Forderung nach Open Access auch eine Aufforderung zu offener Kommunikation darstellt. Und wenn man das “Netz des Wissens” von diesem Quellpunkt her betrachtet, gibt es natürlich durch die Digitalisierung eine gewaltige Disruption, zumindest auf globaler Ebene (zumal seit sich Englisch als Wissenschaftssprache immer mehr durchsetzt), insofern seit etwas 10 bis 15 Jahren so gut wie alle wissenschaftlichen Texte prinzipiell überall auf der Welt verfügbar sind. Das erhöht produktive Vernetzungschancen, denn Wissenschaftlern kommt es, anders als in den allgemeinen Social Networks, selten darauf an, mit Hunderttausenden ins Gespräch zu kommen (TED Talks könnte man da auch erwähnen), sondern mit den möglichst Richtigen. Das ist eine andere Zielsetzung an Vernetzung: Wie finde ich die 100 oder 200 Leute weltweit, die ebenfalls gerade an dem Thema X forschen? Wie können sich heute in den offenen Netzen hoch spezialisierte Fachöffentlichkeiten bilden als “Teamchannel” der professionellen Leserschaften, die sich rund um die teilweise extrem spezialisierten Journale bilden? Das ist wohl auch die Idee von Researchgate, aber man sieht da auch, wo die wissenschaftliche Netze wohl noch am häufigsten “reißen” und ihren Dienst versagen – bei der Bereitschaft zur Teilnahme. Es wird spannend sein zu beobachten, ob die “extrovertierteren”, stärker vernetzten Wissenschaftler künftig häufiger auch die Erfolgreicheren sind (NICHT im Sinne von Bekannter und Gefragter, sondern im Sinne von qualitativ besseren/originelleren wissenschaftlichen Arbeiten).

    • Von Disruption im strengen Sinne des Wortes (s. Christensen) würde ich bislang nicht sprechen. Dies würde ja bedeuten, dass die bisherige Art, Wissenschaft bzw. Wissenschaftskommunikation zu betreiben, komplett verdrängt würde durch etwas Neues. Dies ist bislang nicht geschehen – trotzdem ist es eine interessante Fragestellung, ob eine Szenario denkbar ist, in dem es möglich wäre. Kann man sich ein vollständig netz- oder crowd-basiertes Forschungsinstitut vorstellen, das ein Max-Planck-Institut verdrängt? Im Bereich der akademischen Lehre ist das vielleicht eher denkbar, aber die Natur disruptiver Wandlungsprozesse umfasst auch die Undenkbarkeit des Wandel, solange dieser noch nicht eingetreten ist.
      Auch Ihr zweiter Punkt ist wichtig und momentan ebenso wenig klar zu beantworten: Gelingt es einzelnen Wissenschaftlern, neue Wege des Reputationsaufbaus zu gehen und damit tatsächlich – als Wissenschaftler – erfolgreicher zu sein? Hier spielen meines Erachtens die neuen Reputationssysteme eine wichtige Rolle, die sogenannten Altmetriken, mit den ich mich in meinem nächsten Posting befassen werde.

      • Ja, Disruption ist vielleicht ein zu großes Wort. Ich überlegte eher, um die vernetzte Kommunikation wissenschaftlich erheblich effizienter sein könnte, z.B. in dem wissenschaftliche Erkenntnis sich gleichsam beschleunigt (schon der Buchdruck hat ja einen Beschleunigungseffekt).
        Dazu gerade heute dies im Twitter-Stream gehabt:
        “Peer review is scientific policing in action: A journal shares a submitted paper with a group of scientists and returns their comments to the author, who uses those suggestions to make the paper better. That’s the best case scenario. Worst case, that editorial back-and-forth takes months, holding scientific information hostage and slowing the pace of discovery. On top of that, journals tend to publish only the most exciting papers, … Print journals used to be the only way to share new science. But today, scientists communicate much more rapidly— and directly — than before. “Something’s changed … It just doesn’t make sense that we don’t publish our work immediately.”
        Case in point: Back in July, Ron Vale, a biologist … simultaneously sent a paper to the relatively new preprint server bioRxiv.org and the open-access, peer-reviewed journal Proceedings of the National Academy of Sciences. It went up on bioRxiv the next day. It took PNAS a month and a half. In that time, Twitter users sent 600 tweets about the preprint and 6,000 people viewed it. In the same six weeks, Vale got responses from two referees at the journal. “By the time I got this feedback from the journal, it was dwarfed by the amount of feedback that I got through other mechanisms,” … I integrated all that information, and it produced a better final article in the journal.”
        Still, the biology community—and other fields—have been slow to pick up the practice. … What would a new system look like? It’s not “publication.” Is it … release? Posting? Version control, a la GitHub? …Eisen and Vosshall plan to roll out a server that will integrate preprint studies with post-publication peer review—kind of like the feedback that Vale got on his bioRxiv paper. It’s the same model that a number of new publishers, including PeerJ and F1000 Research, are trying to promote. Science is supposed to be an iterative process,
        (Katie Palmer, A Rainbow Unicorn Wants to Transform Biology Publishing, http://goo.gl/lYhBn7 )

        • Dieses Beispiel zeigt sehr schön, wie die Digitalisierung der Kommunikation auch in der Wissenschaft ganz wesentlich die zeitlichen Dimensionen verschiebt. Vielen Dank dafür! Besonders interessant wird es in meinen Augen dann, wenn durch die veränderte Dynamik des Publikations- bzw. Diskussionsprozesses tatsächlich Rückwirkungen auf den Forschungsprozess zu verzeichnen sind.

  3. Woher kommen die Aussagen zu Facebook? In der Astronomie wird das durchaus als soziales Netzwerk genutzt, auch zur Kommunikation der Wissenschaftler untereinander. Als die BICEP2-Diskussionen liefen, konnte man nirgends bessere und aktuellere Informationen zum Thema finden als dort. Gerade weil insbesondere in den USA auch viele Schwergewichte unter den Astronomen auf FB mitdiskutiert haben. Einfach mal die frühen Beiträge hier nachlesen, müsste ja alles erhalten sein: https://www.facebook.com/groups/574544055974988/

    Was die Verbreitung von Wissenschaftsmeldungen angeht (also den Massenkommunikations-Teil) spielt Facebook bei mir und in meinem dortigen Netzwerk eine ähnliche Rolle wie Twitter. Mal kommen die Hinweise auf interessante Artikel/Themen/Entwicklungen via Twitter, mal via Facebook zuerst.

    • Vielen Dank für diesen Hinweis. Hier scheinen tatsächlich Unterschiede in den Fach-Communities vorzuliegen, die noch nicht ausreichend beachtet werden. Einige der in meinem Beitrag zitierten Arbeiten befassen sich ja mit den unterschiedlichen Arten, wie in einzelnen Disziplinen in sozialen Medien diskutiert wird. Was allerdings empirisch unterbelichtet ist, ist die Frage, wie sich die Kommunikationsströme auf die verschiedenen Plattformen verteilen.

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