Zum Weltfrauentag

BLOG: Anatomisches Allerlei

Kopflose Fußnoten von Helmut Wicht
Anatomisches Allerlei

♀.

Angesichts des heutigen Weltfrauentages sollte ich wohl eher schreiben:

!

Meinen tu’ ich aber:

?

Nein, ich will damit nicht die auf die vielbeschworene “Frau als ewiges Rätsel” hinaus – ich meine das Symbol selbst. Was soll das? Warum steht just dieses Symbol für “Frau”/”weiblich”? Ich weiss es nicht. Aber vielleicht kriegen wir es ja hier, mit der vielbeschworenen Schwarmintelligenz, ‘raus.

Ich kenne des Rätsels Lösung nicht. Ich kann die werte Leserin/den werten Leser nur auf die Spur setzen, die ich auch fand, die aber rasch wieder abriss.

Hier geht’s los.

Eine alte Publikation eines Herrn Stearn über die Symbole in der Biologie und der Nachweis, dass es Linnaeus (1707-1778) war, der das Venus-Symbol erstmals in der Biologie verwendet hat. Den Mars () übrigens auch. Die Symbole sind freilich älter, schon in der Renaissance (Alchemie) standen sie für Planeten und Metalle. In Herrn Stearns Paper finde ich auch seine (mich überzeugende) Meinung, dass das “” nichts mit dem “Spiegel der Venus” zu tun habe. Auch schon deshalb nicht, weil Spiegel in der Antike ganz anders aussahen. So

nämlich. Was sollte auch eine Querstrebe am Griff, haben wir an modernen Handspiegeln ja auch nicht.

Und dann präsentiert der Autor folgendes (er zitiert damit eine andere, noch ältere Publikation):


Da wird versucht, das Venus-Symbol aus dem griechischen Buchstaben Φ (Phi) abzuleiten, denn “phosphorus”  (“Lichtbringer”) ist der griechische Name des Morgensterns bzw. der Venus. Aber die graphische Ableitung überzeugt mich ganz und gar nicht, schon wegen des komischen “k”-förmigen Schnörkels am Ausgangs-Phi, der da nicht hingehört und der später zur Querstange des Spiegelgriffes werden soll. Die Ableitung des Marssymboles aus dem Theta (Θ) des “thouros” – (Was soll das eigentlich heissen? Ich kenne dieses griechische Wort nicht – Mars heisst bei den Griechen doch “Ares”) – finde ich auch nicht gerade schlagend evident.

Weiss es jemand hier besser?

(Postskriptum – oha! Der Weltfrauentag war ja schon gestern, heut’ ist ja schon der Neunte im Dritten. Egal. Die Thematik des Beitrags ist ja auch eher geschichtslastig als aktuell.)

 

(Noch ein Postskriptum [vom 12.3.] wer sucht, wird fündig:)

Die Abbildung stammt von hier, aus einer Arbeit über die “Oxyrhynchus-Papyri“, ein Konvolut von Manuskripten, die ca. 500-100 v.Chr. in Ägypten verfasst wurden. Die drei rechten Spalten zeigen die Symbole in den Papyri, links sind zum Vergleich frühmittelalterliche Planetensymbole zu sehen. Venus hat in den Papyri noch keinen Querstrich und Mars ist schildlos bzw. ein seltsamer Schnörkel.

Die Venus ist jetzt wirklich näher am Spiegel – aber die Ableitung aus dem griechischen “Phi” (s.o.) wirkt jetzt doch noch unwahrscheinlicher.

Ich hab’ auch nachgeschaut, was das altgriechische “thouros” heisst, das Wort, aus dem sich das Marssymbol entwickelt haben soll (s.o.). Es ist recht ungebräuchlich und heisst u.a. “kampfstark”, “streiterisch”. Naja, ein wenig angestrengt … mit anderen Worten:Iich traue Renkema (1942, s.o.) immer weniger. Blöderweise ist sein Originalpaper auf finnisch und mir nicht zugänglich.

 

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Veröffentlicht von

Gedankenfragmente von Helmut Wicht, Dozent an der Frankfurter Universität, über Neurobiologie, Anatomie, Philosophie, Gott und die Welt. Seine eigentliche Expertise bezieht sich auf die (Human-)anatomie und die vergleichende Anatomie des Nervensystems.

11 Kommentare

  1. Schwarmintelligenz

    Interessante Frage, die ich leider auch nicht beantworten kann. Habe die Frage aber mal über Google+ weitergeleitet – vielleicht kommt ja ein hilfreicher Schwarm zustande.

  2. Flaschenöffner

    Das eine Ende des Spiegelgriffs erinnert an einen modernen Flaschenöffner. Es scheint, dass hier jemand vor langer Zeit eine Lösung antizipiert hat, ohne das dazu gehörige Problem zu kennen.

  3. @ Radcke

    Das Ankh – ich weiss nicht. Das liegt zwar graphisch nahe, aber ich suche nach bildlichen/schriftlichen Belegen.

    Das älteste, was ich bislang auftreiben konnte, ist das:

    http://tinyurl.com/7f78hfd

    Da ist – mittendrin – ein Facsimile aus dem Kodex phil. Vindobonensis. Eine Handschrift aus dem 4. Jhdt., darin das Horoskop des Kaisers Hadrian. Ich kann einige Symbole des Tierkreises ausmachen (Widder, Schütze, Wassermann), aber keines der klassischen Planetensymbole, weder Mars noch Venus.

    Soweit mich meine (Internet-) Recherche bislang gebracht hat, kann ich nur sagen, dass diese Symbole in der Renaissance plötzlich auftauchen. Im mittelalterlichen Bildmaterial, das mir zugänglich war, fand ich sie nicht.

    Wir bräuchten einen Spezialisten für die Geschichte der Symbole der Astronomie-/logie.

  4. Planetensystem

    Kreis und Kreuz in Kombination stehen oft in unseren Planetensymbolen:

    Sonne: Kreis mit Punkt in Mitte
    Merkur: Kreis, oben mit Kreissegment, unten mit angefügtem Kreuz
    Venus: Kreis, mit unten angefügtem Kreuz
    Erde: Kreis, oben mit angefügtem Kreuz
    Mond: Kreissegment/Mondsichel
    Mars: Kreis, mit schräg angefügtem Pfeil
    Uranus: Kreis mit Punkt in Mitte, oben darauf angefügt Kreuz/Pfeil
    Neptun: Dreizack, darunter Kreis oder Kreuz

    Möglicherweise braucht man nicht nach tieferer Bedeutung zu suchen, da diese Symbole lediglich eine Schrift sind; wie das ABC.
    Dazu kommen Sekundärbedeutungen:
    Venus: Weiblichkeit, Kupfer
    Mars: Männlichkeit, Eisen

    Per Google (Unicode Block Alchemistische Symbole) findet man noch ein paar Kombinationen von Kreis/Kreuz. Symbole sind eine Art Steno/Kurzschrift.

  5. Schmuck

    Per Google ´Kreuz Tahoua´ bzw. ´Kreuze agadez´ finden Sie Schmuckstücke, welche dem Venus-Zeichen ähneln – schöne Beispiele aus der Tuareg-Kultur.
    Zitat: “Sie beinhalten keinen christlichen Symbolismus; die vier Vektoren weisen auf die vier Ecken der Welt, und Anspielungen auf die zwei Geschlechter sind offensichtlich.” aus: Marc Ginzberg, Afrikanische Formen, ISBN: 88-8118-751-5

  6. @ KRichard

    Das ist alles sehr schön anzusehen.

    Aber ich suche halt nach einer handfesten, mit Dokumenten belegbaren Ableitung des Venus- oder Marssymboles.

  7. Venusspiegel und Marsschild

    Hallo Helmut,

    nach kurzer Recherche möchte ich folgenden Text aus dem WDR zitieren:

    “[…] Aber woher kommen diese Zeichen für männlich und weiblich?

    Ihren Ursprung haben sie in der Götterwelt der alten Römer. Das Symbol für die Frau – Kreis mit Kreuz darunter – stellt einen Handspiegel dar. Das Runde zeigt die Spiegelfläche und das Kreuz darunter den Handgriff. Es ist aber nicht irgendein Handspiegel, sondern der, der Liebesgöttin Venus – daher auch der Name Venussymbol. Seit jeher wurde die Venus mit Schönheit, Harmonie und Sexualität verbunden. Eigenschaften, die man klassischerweise als “weiblich” bezeichnet.

    Der Kreis mit dem Pfeil, der nach oben rechts hinausragt, geht auf Mars zurück. Mars war der Gott des Krieges der alten Römer. Hier steht der Kreis sinnbildlich für das Schild und der Pfeil für Pfeil und Bogen. Der Kriegsgott Mars stet für Tatkraft, Durchsetzungsvermögen und Kampf. Eigenschaften, die man klassischerweise als “männlich” bezeichnet.

    Das scheint auch den schwedischen Naturforscher Carl von Linné inspiriert zu haben. Im 18. Jahrhundert führte er das Mars- und das Venussymbol als biologische Zeichen für männlich und weiblich ein. Er war nämlich der Erste, der die Natur in verschiedene Bereiche einteilte: in Pflanzen, Tiere und Mineralien. Dabei untersuchte er auch, wie sich Pflanzen vermehren und ordnete sie nach ihren Geschlechtsorganen, also danach, ob sie männliche (Staubblätter) oder weibliche Blütenteile (Fruchtblätter) hatten. Seine Unterteilungen kennzeichnete er mit den Symbolen.

    Linnés Symbole für männlich und weiblich sind bis heute in der Biologie erhalten geblieben. […]”

    —–

    Der Spiegel ist ein Attribut der römischen Göttin Venus. Verweise auf Aphrodite, die ebenfalls den Spiegel als Attribut besitzen soll, weise ich vorsorglich zurück. Die zu Grunde liegende griechische Mythologie erwähnt besagte Figur im Zusammenhang mit dem Trojanischen Krieg. Demnach wäre sie jüngeren Datums, als die zuvor benannte Venus.

    ABER nach andauernder Recherche nun Folgendes:

    Die Älteste bekannte Aufzeichnung des Planeten Venus begann schon 1600-1700 v. Chr. und stammt aus dem alten Babylon (Venus-Tafeln des Ammi-saduqa).

    Zitat:
    “[…] Die Keilschrifttexte des babylonischen Königs Ammi-saduqa, entdeckt in der Bibliothek des Assurbanipal in Ninive, beinhalten insbesondere Beobachtungen der Venus, die in der mesopotamischen Mythologie als Stern der Göttin Ninsianna galt und im sumerischen Pantheon als weibliche Gottheit der Liebe und Fruchtbarkeit die führende Position einnahm. […]”

    Es ist trefflich anzunehmen, dass die Römer -Jahrhunderte später- die Darstellung der “weiblichen” Venus in ihre Mythologie integriert haben. Man sprach ja auch von Romanisierung.
    Unter Marcus Ulpius Traianus (Römischer Kaiser) erlebte das Römische Reich seine größte Ausdehnung. Später wurde auch zunehmend der Norden “romanisiert”.

    Somit konnte die Venus (-Mythologie) samt ihrer Attribute in das heutige Europa überführt werden.

    In Europa wurde zu Beginn des 17.Jahrhunderts das “Weltbild” neu geordnet und alte Schriften wurden herangezogen und ausgewertet. Natürlich nicht nur die oben genannten. Jedoch scheinen nur diese hier von Bedeutung.

    Es lässt sich also nicht von der Hand weisen, dass der Spiegel das eigentliche Attribut der weiblichen Gestalt darstellt und das der Naturforscher Carl von Linné 200 Jahre später diese Symbolik in die Biologie überführte.

    Ich hoffe, wenn auch nicht komplett gelöst, dem Rätsel hier eine plausible, obgleich mutmaßliche These, über die Herkunft der Symbole, zu Grunde gelegt zu haben.

    (Es ist spät/früh, mein Tag war lang und ich vermag mich kaum noch zu konzentrieren. Ich hoffe der Text war nicht allzu phonemisch.)

    Mit besten Grüßen

    Florian Abram

  8. “Weiss es hier jemand besser ?”

    Ich leider nicht, aber vielleicht schlechter. (auch nicht “handfesten, mit Dokumenten belegbaren Ableitung des Venus- oder Marssymboles.”)
    “thourus” klingt fuer mich wie Taurus (Stier), was vllt. mit der Zuschreibung kampfstark/streiterisch d’accord geht, aber auch nix bringt, weil es zwar laut Wikip. auch ein astronom. Zeichen fur dieses Sternbild gibt, das aber aus einem Kreis mit “2 Hoernern” besteht.

  9. Thouros

    Thouros ist anscheinend der Name für Ares bei den Thrakern, gemäß Homer. Es ist auch ein gängiges Epithet für Ares: http://www.theoi.com/Cult/AresCult.html

    Thouros hat in anderen Kulturen auch als Tiras, Thuras oder in der Edda als Thor Einzug gehalten.

    Soviel konnte ich bisher zu dem Herrn in Erfahrung bringen. Ganz willkürlich scheint die Verwendung von Thouros zumindest nicht zu sein.

    Interessant wäre in dem Zsh. wohl auch die Publikation “Sex symbols ancient and modern: their origins and iconography on the pedigree” von GD Schott, kann ich aber leider nicht zugreifen.

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