Arminius: Held der Varusschlacht im germanischen Freiheitskampf?

Tacitus beschrieb Arminius in seinem Geschichtswerk Annales als „Liberator haud dubie Germaniae“[1], als „unbestrittener Befreier von Germanien“. Bis heute sind nur wenige historische Fakten über Arminius gesichert. Nach Tacitus war Arminius ein Sohn des Segimerus. Er lebte 37 Jahre, zwölf davon in einer potentia bzw. Machtstellung.[2] Weder Arminius genaues Geburtsjahr, noch sein eigentlicher Name lassen sich mit Sicherheit feststellen. Wie genau sein Leben, die römische Ausbildung oder seine Machtstellung aussah, bleibt ungeklärt. Ob Tacitus Angaben der Wahrheit entsprechen, kann nicht abschließend beantwortet werden.

In der römisch-germanischen Geschichte ist Arminius für seine Rolle 9 n.Chr. in der Varusschlacht, auch Schlacht im Teutoburger Wald oder Hermannsschlacht, bekannt. Vor der Varusschlacht erlernte Arminius die lateinische Sprache im römischen Heer. Durch seine Verdienste für Rom erwarb er das römische Bürgerrecht und den ‚Ritterrang‘.[3] Vom Römischen Reich wurde Arminius sowohl in östlichen Territorien als auch in Germanien eingesetzt. Dieter Timpe, ein deutscher Althistoriker, vermutet Arminius habe eine cheruskische Auxiliar als ‚ritterlicher‘ praefectus befohlen und diese 9 n.Chr. gegen die Einheit von Publius Quinctilius Varus geführt. ‚Auxiliar‘ bezeichnet militärische Hilfstruppen aus römischen Provinzen mit Kriegern ohne römisches Bürgerrecht. Nach Timpe habe der ‚germanische Freiheitskampf‘ gegen die römische Okkupation als ‚Meuterei‘ begonnen, der sich weitere germanische Stämme anschlossen.[4] Von einem einheitlichen germanischen ‚Volk‘ oder ‚nationalen Freiheitskampf‘ zu sprechen ist nicht möglich. Das von den Römern als Germanien bezeichnete Gebiet war von einer Vielzahl unterschiedlicher ethnischer Gruppen bewohnt. Ein einheitliches germanisches Volk hat es in der Antike nicht gegeben. Gründe für die ‚Meuterei‘ sahen antike Autoren in der Einführung des römischen Rechtswesens, das lokalen, tradierten Gesetzen oftmals widersprach, und Tributzahlungen.[5] Durch die Beschreibung von Lucius Cassius Dio Cocceianus und den topografisch gut geeigneten Bedingungen für einen Hinterhalt, wird als Schlachtort der ‚Kalkrieser Berg‘ (Wiehengebirge) angenommen.[6] Der Schlachtverlauf oder genaue Taten des Arminius sind unklar. Fest steht, die römische Seite verlor drei Legionen mit Hilfstruppen. Obwohl diese Niederlage einen Rückschlag für die römische Politik in Germanien bezeichnet, war es kein völliges Scheitern der Germanienpolitik. Kaiser Tiberius bereinigte die Situation und setzte auf eine defensive Grenzpolitik.

Das Bild des Arminius als idealisierter Held im ‚germanischen Freiheitskampf‘ muss relativiert werden. Es steht im Widerspruch zu historischen Quellendefiziten. Gründe für die Heroisierung sind im Mittelalter suchen. Im 15. Jahrhundert wurde die Geschichte von Arminius wiederentdeckt, und als ‚Herman’ in zahlreichen Gedichten, Romanen und Dramen ebenso wie Bildern oder Monumenten bis zur Moderne romantisiert. Mit dem historischen Menschen ‚Arminius‘ hat das wenig zu tun. Es muss zwischen historischem Menschen und romantischem Mythos unterschieden werden.


[1] Vgl. Tac. Ann. 2,88.

[2] Vgl. Tac. Ann. 2,88.

[3] Vgl. Vell. 2,118.

[4] Vgl. Dieter Timpe: Arminius – Studien, Heidelberg 1970, S.38-49.

[5] Vgl. Tac. Ann. 1,55,2; Vell. 2,117,4; Flor. Epit. 2,30,34-35; Cass. Dio. 56,18,2-3.

[6] Vgl. Cass. Dio. 56,18,5-19,5.

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Herzlich Willkommen! ‚Geschichte‘ ist ein Sammelbegriff für unendlich viele Geschichten: Geschichten von Menschen, Begriffen, Gruppen, Ereignissen, Ideen, Umbrüchen, Kulturen, Grenzen, Unterschieden, Mentalitäten, […]. Es gibt keine menschliche Eigenheit ohne Geschichte. Ich werde euch kurze Einblicke in die Alte Geschichte geben. Warum Alte Geschichte? Aus Leidenschaft und weil es mein Studienschwerpunkt ist. Eure Jessica Koch

12 Kommentare

  1. Wobei nicht klar ist, wie ein ‘Held des germanischen Freiheitskampfes’, wobei es seinerzeit einen ‘germanischen Freiheitskampf’ gegeben hat, hätte aussehen können, der in der (heutigen) Geschichtsschreibung als solcher anzuerkennen wäre, vermutlich hätte er zumindest: schreiben (lassen) müssen.

    Nur, weil im WebLog-Artikel einmal kurz der Begriff ‘Wahrheit’ aufschien, kurz angefragt, wie hat man’s so unter Historikern mit der historischen Wahrheit? – In etwa so wie unser Yoav Sapir sie beschrieben hat? – Oder, falls dies nicht zK genommen worden ist, eher als Erkenntnis und Sicht auf einstmals persistierte Datenlagen?

    MFG + schönes WE,
    Dr. W

  2. “Gründe für die Heroisierung sind im Mittelalter suchen.”

    Ich würde das nicht mehr direkt mit dem “Mittelalter” in Verbindung bringen, sondern mit der Humanismus der Renaissance, den es im 15. Jh. auch nördlich der Alpen gab, auch wenn in der Kunst noch die Spätgotik regierte. Arminius wurde schon im 16. Jh. zu einem germanischen Nationalhelden stilisiert, der nicht so dekadent und verweichlicht wie die Italiener war. Deutsche Humanisten wollte damals den Italienern eins auswischen, die die Deutschen noch immer für unkultiviert hielten.

  3. Vielleicht könnte man Arminius tatsächlich als einen der ersten Deutschen bezeichnen , zumindest ist er einen sehr deutschen Weg gegangen . Zuerst hat man ihn nach vorne geschickt , als er aber anfing , patriotisch zu werden und die Macht der lokalen “Fürsten” beschneiden wollte , wurde er ganz schnell beseitigt.

    • Wie wollen Sie für seine Zeit “deutsch” definieren”. Nicht einmal die Bezeichnung gab es. Patriotismus und eine Art von Nationalismus gab es sicherlich auch schon in der Antike, aber man muss schon aufpassen, wo man dies mit welchen Gründen verortet. Dazu braucht es eine Gruppe, die sich aufgrund von gewissen Eigenschaften als eine Einheit, als eine Nation versteht, das wäre in den griechischen poleis, oder in Rom oder bei den Juden denkbar.
      Aber bei den alten Germanen zur Zeit des Augustus?
      Was Sie beschreiben passierte und passiert immer und überall. Bei den Griechen ging es ähnlich zu. Die benutzte Ideologie für die Oberherrschaft ändert sich im Laufe der Zeiten: “Patriotismus”, “wahre Religion”, “Berufung”, “bessere Abstammung” etc. etc.

      • @Paul Stefan

        So im exakten Wortsinn wollte ich das nicht definieren , eher auf den deutschen Hang zur Kleinstaaterei abzielen , der offenbar schon in der Antike vorhanden war , was diejenigen angeht , die auf heutigem deutschen Boden leben.
        Einer wie Arminius hat seine hochpriveligierte Position geopfert , um seinen Landsleuten zur Seite zu stehen , als er dafür was wollte , wurde er hinterrücks ermordet , vermutlich sogar aus seinem eigenen Stamm heraus.
        Sicher gibt es diese Vorgehensweisen auch in anderen Völkern , aber ich habe schon den Eindruck , daß die Deutschen diesbezüglich , sagen wir , etwas intensiver aufgestellt sind.
        Nur so als Spekulation , man könnte ja mal die böse Frage stellen , ob Arminius gerade wegen seiner langen Abwesenheit zum Vorkämpfer wurde , weil er aus der Ferne seine Landsleute idealisierte , hätte er daheim bleiben können , hätte er sich vielleicht zurückgehalten , weil er seine Pappenheimer besser gekannt hätte.

        • Sicher gibt es diese Vorgehensweisen auch in anderen Völkern , aber ich habe schon den Eindruck , daß die Deutschen diesbezüglich , sagen wir , etwas intensiver aufgestellt sind.

          Herkunft kann post festum, wenn eine Volkszugehörigkeit im Sinne eines Germanischen seinerzeit nicht gefordert worden ist, über die Kultur versucht werden herzustellen, auch das Sprachliche meinend.
          Der Deutsche scheint einen gewissen Hang zum Kollektivistischen zu haben, aus heutiger Sicht, dennoch muss dbzgl. nicht extrapoliert werden, das Historische meinend.
          Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und andere Wesensmerkmale des Vergangenen, auch bspw, das Jiddisch ist deutsch oder germanisch grundiert, Yoav Sapir hat dem Schreiber dieser Zeilen erläutern können, ischt ja auch oft unterschätzt, wie A mit B genau zusammenging seinerzeit, hat heutzutage unklar zu bleiben.

          ‘Relativieren’ ist im Historischen eigentlich nie verkehrt, wenn es nicht Heutiges und Politisches bestimmen möchte.
          Im Germanischen ergibt sich insgesamt schon eine gewisse Folge.

          MFG
          Dr. W

  4. DH
    “ich habe schon den Eindruck , daß die Deutschen diesbezüglich , sagen wir , etwas intensiver aufgestellt sind.”

    Intensivere Kleinstaaterei als z.B. bei den antiken Griechen, die sich ständig bekriegten und mit Mühe zu einem Abwehrkampf gegen die Perser fanden?

    Aber meine Kritik an ihrer Spekulation zielt auf Grundlegenderes: für Kleinstaaterei braucht es Kleinstaaten und als Kontrast dazu trotzdem ein Gefühl davon, dass alle etwas gemeinsames verbindet, wie z.B. bei den alten Griechen. Nichts davon ist bei den alten Germanen meines Wissens nachweisbar. Bei den Galliern schon eher, die standen kurz vor der römischen Eroberung schon an der Schwelle zur der Entwicklung einer Stadtkultur oder überschritten sie gerade.
    Die Entwicklung zur deutschen Kleinstaaterei lässt sich dagegen ab dem späten Mittelalter verfolgen. Der Kaiser wurde gewählt und versprach dafür den Kurfürsten Rechte und Freiheiten. Seine faktische Macht wurde immer weiter zurückgedrängt, zugunsten der Fürsten und von Reichsinstitutionen.
    Kollektive Mentalitäten wandeln sich sehr, so wie sich die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse wandeln. Man sollte sie nicht in ferne Vergangenheiten interpolieren.

  5. @Paul Stefan

    Stimmt , diese “germanische Zusammengehörigkeit” war wohl eher römischer Mythos als Realität.Für ein gewisses Nähegefühl spricht allerdings die Begründung , daß sich viele Stämme gleichermaßen verletzt gefühlt haben in der Mißachtung ihrer rechtlichen Gebräuche , von einem “deutschen” (oder vergleichbaren) Gefühl ist das natürlich meilenweit entfernt , da haben Sie Recht.
    Der Hinweis auf die Stadtkultur ist interessant , es gibt , soweit ich weiß , nicht wenige Historiker , die Roms Grenzen der Expansion immer genau dort sehen , wo die Stadtkultur noch nicht ausreichend vorhanden war , Rückständigkeit als Schutz vor Eroberung .

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  7. „Das Bild des Arminius als idealisierter Held im ‚germanischen Freiheitskampf‘ muss relativiert werden. Es steht im Widerspruch zu historischen Quellendefiziten. Gründe für die Heroisierung sind im Mittelalter suchen.“

    Naja, immerhn hat Tacitus, in einer der nur drei vorliegenden Quellen, Arminius als „Befreier Germaniens“ bezeichnet. Außerdem kann eine überregionale Wirkung daraus abgeleitet werden, dass die Römer sich eben nicht nur aus dem Gebiet der Cherusker zurückziehen mussten, sondern aus ganz Germanien rechts des Rheines. Beispielsweise die Zerstörung von Waldgirmes in Hessen war sicherlich eine Folge der Siege des Arminius in den Kriegen (bzw., streng nach den Quellen, Befreiungskriegen) gegen die Römer. Die Befreiung des rechtsrheinischen Germaniens war halt keine Erfindung des Mittelalters.

  8. Arminius hätte sich seinen Landsleuten zuliebe geopfert?

    Sehen wir es doch einmal so:
    Er war Berufssoldat und hatte frühzeitig in römischen Diensten so viel erreicht, wie seinesgleichen nur erreichen konnte. Der Mann hatte offenbar das Zeug zum Feldherrn, doch obwohl er von Augustus das römische Bürgerrecht und den niederen Adelsrang bekommen hatte, konnte er sich auf eine solche Karriere im römischen Militär keinerlei Hoffnung machen. Solche Positionen standen damals nämlich nur Männern zu, die den römischen Senatorenfamilien entstammten, wie Varus zum Beispiel. Es sah also ganz danach aus, dass Arminius ungeachtet seiner glänzenden strategischen Begabung schon mit nicht einmal 30 Jahren das Ende der Fahnenstange erreicht hatte.

    Was tun?
    Er hatte 3 Möglichkeiten:
    – Er hätte auf Landwirt umschulen und einen Bauernhof an der Weser bewirtschaften können.
    – Er hätte – wie sein Bruder Flavus – bei dem bleiben können, was er gelernt hatte, nämlich den Soldatenberuf, dann aber die Kröte hätte schlucken müssen, dass die höchsten militärischen Ränge nur dem römischen Hochadel erreichbar waren.
    – Oder er setzte durch, das zu sein und zu tun, wozu er wie kaum ein Anderer befähigt war – das dann allerdings nicht in Roms Diensten, sondern als Feldherr und Politiker gegen Rom.

    Möglicherweise beruht Arminius’ Kampf gegen Rom also auf seinem Ehrgeiz, vielleicht auch der Lust darauf, es Rom “zu zeigen”.
    Bin mir ziemlich sicher, dass es die “Varusschlacht” nicht gegeben hätte, wenn Arminius die Möglichkeit gehabt hätte, bis in den römischen Feldherrenrang durchzustarten. Wo hätte er dann wohl gekämpft?

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