Stadtkernarchäologie: Archäologische Spatenstiche in Köln

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Eine archäologische Ausgrabung ist wie eine Nadel im Heuhaufen: eine einzelne Stichprobe in vergangene Zeit mit sehr vielen, nicht zuordenbaren Einzelbefunden. Köln ist ein typisches Beispiel für Stadtkernarchäologie: Es wird viel unter hohem Zeitdruck ausgegraben mit wenigen folgenden Publikationen. Unter dem heutigen Köln liegen viele vergangene Siedlungsüberreste übereinander. Für die Antike bedeutet dies 400 Jahre Siedlungsgeschichte. Ungefähr alle 30 Jahre findet ein Neubau der Gebäude statt, das bedeutet für die Antike ungefähr 14 Siedlungsschichten. Nach den 400 Jahren antiker Bebauung folgen die mittelalterliche und moderne Bebauung. Teilweise gibt es 6 bis 8 Meter Siedlungsgeschichte. Eine Besonderheit an Köln ist der U-Bahn-Bau im Tunnelverfahren zwischen 2004 bis 2010. Das Bauprojekt war ein Geschenk für Archäologen. Besonders ist der geografische Verlauf des Tunnelbaus, entlang der Severin Straße, einer römischen Hauptstraße, mit zahlreichen wichtigen Hauptgebäuden.

Frühste Siedlungsfunde in Köln stammen aus der Zeit 4-14 n.Chr. Es sind Schwellbalken und einplanierte Lehm-Terrassen. Rot gefärbter Lehm deutet auf verbrannte Ziegeln und Fachwerkhäuser. Die Straßen sind schmal und eng. Zwischen 4. und 5 n.Chr. wurde ein Steintrum gebaut, das sogenannte Ubier-Monument bzw. Hafenturm, ein Verweis auf die damaligen Bewohner, die Ubier. Angeblich wurden die Ubier unter der zweiten Statthalterhaft Marcus Vispasianus Agrippia von den rechtrheinischen Lahn-Gebieten in den Kölner Großraum umgesiedelt. Doch archäologische Beweise für eine Umsiedlung gibt es kaum. Auch die Annahme, es habe ein Gruppe mit dem Namen ‚Ubier‘ gegeben ist schwierig. Damals wie heute sind ethnische Grenzen durchlässig, fließend und kaum nachvollziehbar.

Geografisch liegt Köln am Niederrhein. In der Antike war der Niederrhein wesentlich breiter, weniger tief und mit deutlich größeren Schwemmbecken. Dadurch war der Rhein besser befahrbar und eventuelle Überschwemmungen weniger katastrophal als heute. Nicht nur die günstige Lage in Rhein-Nähe, als Versorgungs- und Handelsweg, führte zur wirtschaftlichen Blüte, auch die Landwege förderten eine positive Entwicklung. Köln war ein zentraler Knotenpunkt der Fernhandels- bzw. Limesstraßen, Cardo Maximus und Decumanus Maximus. Von 14. bis 17. n.Chr. war Köln das Hauptquartier des Kaisers Germanicus (Haus des Germanicus). Am 6. November 15. n.Chr. wurde seine Tochter Agrippina (die Jüngere), spätere Frau des Kaiser Claudius, in Köln geboren. 50 n.Chr., zu Ehren seiner Gattin, verlieh Kaiser Claudius der bisherigen Siedlung römische Bürgerrechte und erhob sie vom Oppidum zur Colonia. Es erfolgte eine Umbenennung der Siedlung in Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA) – ‚Claudische Kolonie und Altar der Agrippinensier‘. Die Bezeichnung ‚Altar‘ spiegelt die religiöse Bedeutung Kölns mit einem wichtigen Heiligtum des Kaiserkults wieder. Die neuen Stadtrechte führten zu einem deutlichen Anstieg des Wohlstandes. Die Einwohnerzahl wird auf 20.000 geschätzt. Damit war Köln die größte und bevölkerungsreichste Siedlung in Niedergermanien. Tacitus berichtete 69 / 70 n.Chr. von dem Bataver-Aufstand in der Region mit der Folge einer kurzfristigen Ausrufung des Imperium Galliarum in Köln. Bereits zwei Jahre später war der Aufstand vergessen. Archäologische Funde für den Bataver-Aufstand gibt es kaum. Um 85 n.Chr. erfolge die endgültige Provinzeinrichtung unter Kaiser Domitian. CCAA wird Hauptstadt der germanischen Provinz – Caput Provinciae der Germania inferior. Erst 89 / 90 n.Chr. erfolgte der Bau der steinernen Stadtmauer, die Stadtgebiete wurden in sogenannte Insulae aufgeteilt und ein zentrales Forum wurde errichtet.

Für Archäologen war der späte Bau der Stadtmauer eine große Überraschung. Erst anhand von dendrochronologischen Daten (Untersuchung von Jahresringen bei Bäumen), die während des U-Bahn-Baus gefunden wurden, konnte der späte Stadtmauerbau bewiesen werden. Der U-Bahn-Bau förderte Holzverschalungen einer Baugrube an der Stadtmauer zutage. Diese Holz konnte in das Jahr 89 / 90 n.Chr. datiert werden. Bei dem Holz selbst handelte es sich um Fichtenholz aus dem Schwarzwald, welches über den Rhein geflößt wurde.[1] Durch verbaute Steine, beispielsweise Steine der Stadtmauer, kann kein Bauzeitraum ermittelt werden, außer es gibt handwerkliche Markierungen oder eine bestimmte Bauweise. Zur gleichen Zeit wie die Stadtmauer wurde auch die Hafenanlage neugebaut. Ein Turm in der Stadtmauer markierte den Eingang zur Stadt. Durch das aufwendige Mauerwerk (Mosaik) wird er der Turm als Prestige-Symbol für Reichtum und Schönheit der Stadt gewertet. Heute sichtbare bzw. rekonstruierte Gebäude sind die Wasser- bzw. Abwasserleitungen, die Stadtmauer, der Römerturm, das Ubier-Monument / Hafenturm, die Altenburg (Haus Germanicus), Grabsteine und der Hafen.[2]

Es bleibt zu hoffen, dass neue Stadtbauprojekte weitere archäologische Funde zutage fördern.


 

[1] Vgl. Uwe Süßenbach: Die Stadtmauer des römischen Köln, Köln 1981.

[2] Vgl. Heinz Günter Horn (Hrsg.): Die Römer in Nordrhein‐Westfalen, Stuttgart 1987; Gundolf Precht: Baugeschichtliche Untersuchung zum römischen Praetorium in Köln, Rheinische Ausgrabungen 14 (Köln/Bonn 1973); Werner Eck: Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum.

Geschichte der Stadt Köln 1 (Köln 2004).

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Herzlich Willkommen! ‚Geschichte‘ ist ein Sammelbegriff für unendlich viele Geschichten: Geschichten von Menschen, Begriffen, Gruppen, Ereignissen, Ideen, Umbrüchen, Kulturen, Grenzen, Unterschieden, Mentalitäten, […]. Es gibt keine menschliche Eigenheit ohne Geschichte. Ich werde euch kurze Einblicke in die Alte Geschichte geben. Warum Alte Geschichte? Aus Leidenschaft und weil es mein Studienschwerpunkt ist. Eure Jessica Koch

6 Kommentare

  1. Hallo Frau Koch, falls hier kein künstlerisches Stilmittel angewandt wurde, das sich mir nicht erschliesst, ist im dritten Wort der Überschrift ein “r” zuviel. Gruß aus Hannover,hajo.

  2. ‘Spatenstich’ womöglich gemeint, sofern kein besonderer Gag übersehen worden ist, in der ‘Sparte’ steckt tatsächlich Sparta.

    MFG
    Dr. W

  3. Eine fränkische Schwellbalkenkonstruktion wurde 1972 bei der Grabung auf dem Quartermarkt (gegenüber der Kirchenruine St. Alban) freigelegt. Sie befand sich fast 5 m unter dem heutigen Straßenniveau und war unter anderem durch einen Pestfriedhof (Gebeine in Zweitbestattung) überlagert.

  4. Pingback:Leben am Limes: Die Römer in Baden-Württemberg » Antikes Wissen » SciLogs - Wissenschaftsblogs

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