Persische Hoffnung

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Die lang erwartete Meldung kam am Morgen des 3. Februar 2009: Der Iran hat seinen ersten selbst gebauten Erdsatelliten mit einer national entwickelten Trägerrakete gestartet. Der neue Erdtrabant trägt den Namen "Omid", was soviel bedeutet wie Hoffnung. Die Trägerrakete wird als "Safir 2" bezeichnet. Die Verkündung des Ereignisses, fast auf den Tag genau zum 30. Jahrestag der islamischen Revolution, war pompös. "Geliebte Iranische Nation", so konnte man Irans Staatschef Ahmadinejad vernehmen, "Deine Kinder haben den ersten selbst geschaffenen Satelliten in eine Bahn um die Erde gebracht. Mit der Hilfe Gottes und dem Wunsch für Gerechtigkeit und Frieden verkünden wir hiermit offiziell die Anwesenheit der Islamischen Republik im Weltraum".

Der Einschuss in die Umlaufbahn war auf einer südöstlichen Flugbahn erfolgt. Seitdem sind zwei neue Objekte in einem niedrigen Erdumorbit. Objekt eins auf einem Perigäum von 245 Kilometern und einem Apogäum von 378 Kilometern bei einer Bahnneigung von 55,51 Grad zum Äquator. Objekt zwei auf einer Bahn mit einem Perigäum von 245 Kilometern, einem Apogäum von 439 Kilometern und einer Bahnneigung von 55,60 Grad zum Äquator. Das eine Objekt ist die Endstufe der Trägerrakete, das andere der Satellit. Der untere Bahnpunkt ist sehr niedrig. Sollte keine Bahnanhebung erfolgen – und das ist nicht zu erwarten – dann werden die beiden Objekte innerhalb von 10-12 Wochen wieder in die Erdatmosphäre eintreten und verglühen.

 

Das Medienecho auf dieses Ereignis war gewaltig. Und das nicht nur in den Islamischen Ländern. Auch im Westen, wo die Berichterstattung das Thema Raumfahrt sonst eher links liegen lässt, gab es ein gewaltiges Rauschen in den Postillen und eine breitbandige Berichterstattung in Rundfunk und Fernsehen. Der Tenor war dabei fast überall der gleiche: Die iranische Aktion ist eine Bedrohung aller friedliebenden Länder. Es gab ziemlich gleichlautende Reaktionen aus den USA, England, Russland, Frankreich und noch einer Reihe anderen Ländern, nicht zuletzt Israels, die alle in dem Ergebnis gipfelten: Wenn der Iran Satelliten in den Weltraum schießen kann, dann können mit diesen Raketen iranische Sprengköpfe, konventionelle wie nukleare, auch Westeuropa erreichen.

Damit sind wir bei derselben Frage, die Kaiser Ferdinand I. von Österreich angesichts des protestierenden Volkes während der Märzrevolution 1848 seinem Kanzler Metternich zuraunte: „Ja, dürfen die das denn?“ Die Antwort ist klar und deutlich. Sie steht auf der Grundlage internationaler Gesetze und ob es uns passt oder nicht: Jawohl, sie dürfen. Lesen Sie dazu den Artikel "Safir, Sahab, Sindbad" des Weltraumrechtlers Alexander Soucek. Bei diesem Beitrag, sowie bei meinem Eintrag im Orion finden Sie auch eine ganze Anzahl von Bildern zu diesem Start.

Damit kommen wir zur Frage, die in den Medien deutlich weniger intensiv behandelt wurde, und wenn doch, dann falsch. Die Frage nämlich: wie "eigen" ist diese Trägerrakete "Safir 2" denn tatsächlich (wobei nicht klar ist, ob das "2" jetzt bedeutet, dass es gegenüber der "Safir" – erfolglos gestartet im letzten August – eine Verbesserung darstellt, oder ob damit einfach die zweite Flugeinheit gemeint ist)?

Den bisherigen acht Nationen, denen es gelang mit eigenen Trägerraketen eigene Satelliten zu starten, konnte ausnahmslos und ohne Vorbehalte das Prädikat "Eigenbau & Eigenentwicklung" für ihre Raketen verliehen werden.  Den ersten vier sowieso, der Sowjetunion, den USA, Frankreich und England. Da gab es schlichtweg noch niemanden anderen, bei dem man groß hätte "abkupfern" können. Aber auch bei den nachfolgenden Länder Japan, Indien, China und Israel basierte die Entwicklung weitgehend auf eigenen Anstrengungen, wobei man erste Abstriche bei China machen muss, das bis in die sechziger Jahre eine kräftige "Raumfahrt-Entwicklungshilfe" durch die Sowjetunion genoss. Im Großen und ganzen waren aber die Endprodukte dieser acht Weltraummächte originär national, wenn auch einzelne Komponenten aus dem weltraumtechnisch bereits weiterentwickelten Ausland zugekauft wurden.

 

Im Fall des Iran verhält sich das nun anders. Hier ist deutlich eine Verbindung erkennbar, die der amerikanische Ex-Präsiden Bush einmal als die "Achse des Bösen" bezeichnete. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, und kaum je in den Medien berichtet, lief – und läuft wohl immer noch – zwischen Nordkorea, Pakistan und dem Iran ein gemeinsames, wenngleich schlecht koordiniertes, Entwicklungs- und Beschaffungsprogramm für Trägerraketen und ihre Bauteile.

 

Allen drei Staaten fehlt das technologische Know-How für eine eigenständige Neuentwicklung, weswegen sie sich russischer und chinesischer Technologie bedienen. Keine dieser Nationen wäre heute in der Lage, vollständig aus eigenen Kräften eine solche technologische Herausforderung zu stemmen.

 

Nebenbei: interessant ist, wie sehr die ganze Aktion tatsächlich an die Adresse des Westens gerichtet ist und wie sehr das Projekt "Leuchtturmfunktion" nach außen hat. Die Beschriftung der Rakete erfolgt in gewaltigen lateinischen Lettern. Die Abkürzung IRILV ist sogar ein Akronym englischer Wörter (Islamic Republic of Iran Launch Vehicle). Bei einer Eigenbaurakete für das eigene Volk könnte man eher eine Beschriftung in Farsi erwarten. Aber gut, auch die Chinesen haben nur ganz am Anfang ihre Raketen mit chinesischen Schriftzeichen gekennzeichnet und sind schon vor einer ganzen Weile ebenfalls auf lateinische Buchstaben übergegangen. Da steht allerdings heute eher ein handfestes Geschäftsinteresse dahinter, das man dem Iran zunächst einmal nicht unterstellen kann.

 

Westliche Beobachter, unter ihnen durchaus kompetente Raumfahrtkenner, vermuteten schnell, dass es sich bei der Grundstufe der Rakete um eine modifizierte russische R-17 handelt, besser bekannt unter ihrer Nato-Bezeichnung "Scud".

         

Die beiden Bilder hier (es sind Vorschaubilder, für eine Detailansicht bitte anklicken) zeigen tatsächlich eine enorme Übereinstimmung dieser sowjetischen Militärrakete für kurze und mittlere Reichweiten mit der ersten Stufe der Safir 2. Beide Bilder wurden von der iranischen Fars News verbreitet. Interessant am rechten Bild ist, dass man sich bei diesen militärischen Scuds nicht mal die Mühe macht, die kyrillische Beschriftung an den Transportfahrzeugen zu übertünchen. Generell kommen bei allen Scuds, auch wenn es Nachbauten sind, kritischen Komponenten und Ausrüstungsgegenstände nach wie vor aus Russland. Der "Nachbau" beschränkt sich auf einfache Strukturkomponenten und Tanks.

 

Die Scud war ab 1964 in Russland im Einsatz und wurde unter anderem vom Irak und Nordkorea – mit der eben erwähnten Einschränkung – in Lizenz gebaut. Die Scud B ist die Mittelstreckenrakete, die weltweit am häufigsten in Kriegen verwendet wurde. Im Konflikt zwischen Irak und Iran kam sie, zum Teil in einer Version mit verbesserter Reichweite mit der Bezeichnung "Al-Hussein" in etwa 500 Exemplaren zum Einsatz. Im ersten Golfkrieg wurde sie etwa 100-mal eingesetzt. Eine ganze Reihe davon direkt gegen Israel.

 

Die nordkoreanische Version der Scud trägt die Nato-Bezeichnung "Scud D" und sie erreichte den Iran über Pakistan.

Diese Scud D kann aber nicht die Basis des Satellitenträgers Safir sein, allen optischen Übereinstimmungen zum Trotz. Die Scud D hat ein maximales Startgewicht von 6.800 Kilogramm, ihr Durchmesser beträgt etwa 90 Zentimeter und der Startschub liegt bei knapp 120 Kilonewton. Laut Aussage von Fars-News, und dem kann man angesichts der durch die Bilder belegten Abmessungen der Rakete ohne weiteres glauben, hat die Safir 2 aber ein Startgewicht von etwa 26 Tonnen, und hat Durchmesser von 1,25 Meter. Diese Angaben enthalten einen kleinen Unsicherheitsfaktor, denn sie sind von den iranischen Medien zunächst grob über den Daumen in imperiale Einheiten umgerechnet und von der westlichen Presse wahrscheinlich ebenso grob wieder zurück auf das metrische System gerechnet worden. Eine Verlautbarung von Fars News gab den Durchmesser mit "a little over four feet" an.

 

Damit wird die Scud-Theorie hinfällig, denn dann stimmen schon die allerersten Basisdaten nicht.

 

Zurück zu Bush’s "Achse des Bösen", denn da existiert es eine Rakete, die genau der Spezifikation der Safir-Erststufe entspricht. Es handelt sich um die Nordkoreanische No-Dong, die in Pakistan unter dem Namen Ghauri firmiert (und in einer etwas verlängerte Version unter der Bezeichnung Ghauri II) und die im Iran seit einer Weile unter der Bezeichnung Shahab 3 und Shahab 3M eingesetzt wird (neuerdings auch häufig unter dem Namen Ghadr). Diese Rakete hat einen Durchmesser von etwa 1,35 Metern und ihr YF-2 Triebwerk chinesischen Ursprungs leistet 280 kN. Und das passt, wenn man sich die ersten Startsekunden der Safir ansieht ganz gut. Das Schub-Gewichtsverhältnis lag tatsächlich nicht wesentlich über 1, so langsam wie die Rakete am Startturm entlang schlich. Die 280 Kilonewton Schub passten also auch. 

 

Diese Rakete wurde schon in der Vergangenheit, wahrscheinlich wegen ihrer frappierenden optischen Ähnlichkeit, von westlichen Beobachtern mit der Scud D verwechselt. Von der No-Dong übrigens wurde auch der (nicht erfolgreiche) nordkoreanische Satellitenträger Taepo-Dong 1 abgeleitet. Die Triebwerke könnte der Iran aber auch über Saudi-Arabien bezogen haben, das im Jahre 1987 etwa drei bis vier Dutzend chinesischer DF-3 Raketen kaufte.

 

Und nur nebenbei: aus der DF-3 wurde auch die chinesische Long March 1 entwickelt, der erste Satellitenträger dieses Landes. Das YF-2 Triebwerk kommt dort in einer Bündelung von vier Einheiten zum Einsatz.

Sehen wir uns nun die zweite Stufe an.

Auch dafür scheidet die Scud, trotz häufig geäußerter Vermutung westlicher "Spezialisten" aus. Der spezifische Impuls ihres Isayew R-17 Triebwerks liegt nur bei etwa 250 Sekunden, damit ist ein Orbit mit einer Geschwindigkeitsanforderung von etwa 7,8 km/sec (Gravitationsverluste und Luftwiderstand nicht eingerechnet) nicht erreichbar. Die Vermutung liegt damit nahe,  dass auch hier auf den nordkoreanischen Nachbau eines russischen Produktes zurückgegriffen wird, oder aber dass dieses russische Produkt schlichtweg direkt beim Hersteller gekauft wurde.

 

Die bislang verfügbaren Bilder legen nahe, dass es sich beim Zweitstufen-Motor um das Zweikammer-Steuertriebwerk der russischen R-27 handelt  Die R-27 ist eine von U-Booten der Yankee-Klasse eingesetzte Mittelstreckenrakete, die selbst für sowjetische Verhältnisse in immensen Stückzahlen gebaut und gestartet wurde. Zwischen 1968 und 1988 wurden nicht weniger als 492 Testabschüsse gezählt. Es ist sicher nicht abwegig anzunehmen, dass noch große Stückzahlen dieses Triebwerks auf Halde liegen und ohne Probleme zu erwerben sind. Genausoviel spricht aber für eine nordkoreanische Variante dieses Motors, da das russische Designbüro Makejew den Nordkoreanern ausgerechnet für die R-27 in den 1990er-Jahren umfangreiche Unterstützung bei der Entwicklung einer landgestützten Variante zukommen ließ. Das machte sich bezahlt, denn im Jahre 2005 verkaufte Nordkorea 18 Stück dieser Rakete unter der Bezeichnung Musudan-1 an niemand anders als den Iran.

 

Aber auch mit diesem recht leistungsfähigen Motor könnte nur sehr knapp (wenn überhaupt) ein Orbit zu erreichen sein. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass noch ein zusätzlicher kleiner Feststoff-Kickmotor verwendet wurde, der nach dem Einsatz fest mit dem Satelliten verbunden blieb. Dies würde begründen, warum von westlichen Beobachtern nur zwei Objekte ausgemacht wurden.

 

All diese Schlussfolgerungen mögen im Detail noch Korrekturen erfahren, sobald mehr Daten vorliegen. Fakt bleibt: Der Iran ist derzeit – und auch für die nächste Zukunft – nicht in der Lage eine eigene Trägerrakete zu entwickeln und zu bauen. Durch das Üben mit diesem chinesisch-nordkoreanisch-russischen Baukasten lässt sich aber Expertise, Können und Erfahrung gewinnen, durch das nach und nach die ausländische Komponenten durch Eigenentwicklungen ersetzt werden könnten. Das wird die iranischen Ingenieure eines Tages zu einer wirklich eigenständigen Entwicklung führen. Eine rasche und deutliche Leistungssteigerung des derzeitigen Designs wäre aber jetzt schon möglich. Beispielsweise durch die Verwendung einer leistungsfähigen dritten Stufe und den Einsatz von Starthilfs-Boostern.

 

Weitere Satellitenstarts des Iran sind schon bald zu erwarten und es ist spannend, zu beobachten, wie rasch die iranischen Ingenieure hier vorankommen.

 

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

8 Kommentare

  1. Hallo Eugen,

    ich muss gestehen, dass ich aus vielfältigen Gründen kein Freund der iranischen Regierung bin, aber nichts desto trotz ist das eine gute Nachricht für den Frieden. Der Iran kann auf unabsehbare Zukunft weder wegen seines Öls noch wegen seines Atomprogramms angegriffen werden, dafür ist er einfach schon viel zu stark.

    Einige Quellen vermuten, dass der Iran bereits jetzt im Besitz von einer Atombombe ist, da aus Zeiten des Schahs spaltbares Material in die Hände des Mullah-Regimes gefallen ist. Kannst Du das bestätigen?

    mfg
    Luchs

  2. Eine interessante Analyse

    Vielen Dank für die tief gehende Analyse, die darlegt, wieviel von der moeglichen oder vielleicht auch nur scheinbaren technischen Leistung reine Propaganda ist, und wo der Iran wirklich stehen koennte.

    Apropos Propaganda: Interessanterweise haben sowohl die Machthaber im Iran (der die Rolle der regionalen Großmacht anstrebt) als auch die USA (die de facto die regionale Hegemonialmacht darstellen) dasselbe Interesse, mämlich das angebliche technische Potenzial des Iran moeglichst groß darzustellen – wenn auch natürlich aus unterschiedlichen Gründen.

    Eine Sache, die mir nicht einleuchtet, ist die Wahl des Orbits.

    http://www.heavens-above.com/…ET&SatID=33506

    Eine Inklination von knapp 56 Grad und ein Start aus Nord-Iran bedeuten einen Start in Richtung Nordosten, über Festland und auch ausländisches Territorium hinweg.

    Dabei hat doch der Iran aufgrund seiner günstigen geografischen Lage die Moeglichkeit, direkt in ein für die Erdbeobachtung besonders geeignetes sonnensynchrones Orbit mit einer Inklination von rund 97 Grad zu starten, und zwar von der Südküste aus fast genau nach Süden, wo nur noch Meer liegt. Warum hat man nicht so einen Start gewählt?

    @”Luchs”: Selbst wenn der Iran unter dem Shah noch spaltbares Material gehabt hätte (Hatte er?), das wäre ja mittlerweile über 30 Jahre alt. Ist es plausibel, dass so altes Plutonium noch waffenfähig ist, oder sitzen besagte Quellen (Welceh sind das?) nur Propagandabehauptungen auf?

  3. Luchs

    Ich steh diesem Satellitenstart im Prinzip auch positiv gegenüber. Konkurrenz belebt das Geschäft, auch wenn die Konkurrenz in diesem Fall weit überbewertet wird. Was die Frage nach spaltbarem Material aus Schah-Zeiten betrifft: Davon ist mir nichts bekannt. Ist allerdings auch nicht grade mein Spezialgebiet. Wenn man sich die Nuklearkapazitäten des Iran ansieht, dürfte die Menge an spaltbarem Material insgesamt noch sehr gering sein. Sehr weit war das Atomprogramm zu Zeiten des Schah sicher nicht und gezielte Urananreicherung mittels Zentrifugen wurde damals wohl auch nicht betrieben. Damit fängt man wohl jetzt erst an. Sollte es, aus welchen Quellen auch immer, Plutonium zu Schah-Zeiten gegeben haben, löst sich das Problem bald von selbst. Und neues dürfte noch kaum erbrütet worden sein.

  4. Interessante Analyse

    Besonders günstig liegt der Iran für Satellitenstarts tatsächlich nicht. Ein Abflug genau nach Osten, was am vorteilhaftesten wäre, und zu einer Inklination von ungefähr 36 Grad führt, würde bedeuten, dass der Abwurf der ersten Stufe über Afghanistan erfolgen muss.

    Flugbahnen nach Norden haben eine Stufentrennung über Turkmenistan oder Usbekistan zur Folge, was dort nicht grade auf Wohlwollen stoßen dürfte. Der Start der Safir erfolgte vom neuen Raumforschungszentrum in der Provinz Semnan südöstlich von Teheran (35.23 Grad Nord 53.92 Grad Ost). Ein Bild der Flugbahn habe am Schluss meines Beitrags neu eingefügt. Sie führt dann zu einer Inklination von etwa 56 Grad (südlich) zum Äquator. Auf dieser Route werden auf einer Strecke von 1000 Kilometern eine Reihe von Bahnverfolgungsstationen passiert, die schon in anderen iranischen Raketenprogrammen, beispielsweise dem der Shahab 3B, Verwendung fanden. Auf der Strecke ist also eine sehr genaue Vermessung der Flugbahn möglich. Anlagen dieser Art sind insbesondere die für die Orte Tabas und Kerma bestätigt. Dies macht auch den Start der Safir in der Nacht plausibel, da dann eine optische Beobachtung (des hell leuchtenden Abgasstrahls) wahrscheinlich besser erfolgen kann, als unter möglicherweise diesigen Tageslichtbedingungen. Auf dieser Flugbahn fällt die erste Stufe fällt etwa 600 Kilometer vom Startort entfernt in die menschenleere iranische Salzwüste.

    Es ist denkbar, dass zukünftig Starts mit leistungsfähigeren Trägern in sonnensynchrone Bahnen von der Küste aus erfolgen. Für die Safir in ihrer jetzigen Konfiguration ist aber eine sonnensynchrone Polarbahn weit außerhalb ihrer Leistungsfähigkeit.

  5. Wo lag die Startbasis?

    Der in der Grafik im Blog-Artikel gezeigte Startazimut würde zu einer deutlich groeßeren Inklination führen als die 55.5 Grad, um die die Bahnebene tatsächlich geneigt ist.

    Ich habe mal die Subspur einer Bahn gerechnet, die durch die genannte Lokation in der Provinz Semnan (36 Grad Nord, 54 Grad Ost gehen würde.

    http://www.kosmologs.de/…e/erdorbit/gtrclose.gif

    Wie man sieht, ist diese Subspur nicht so stark geneigt, überquert pakistanisches Gebiet und geht dicht an Indien vorbei. Diese Subspur gilt auch für die Aufstiegsbahn. Da beißt die Maus keinen Faden ab, auch der Aufstieg muss, wenn man nicht (sehr ineffiziente) Bahnänderungsmanoever fliegen will, muss der Aufstieg in derselben Ebene erfolgen wie die eigentliche Bahn.

    Die mir zunächst vorliegende Information, nach der der Start in Richtung Nordosten erfolgt haben sollte, ist offenbar falsch. Diese hatte mich zuerst erheblich verwirrt, daher meine ursprüngliche Frage.

    Aber auch die Annahme des so weit noerdlich gelegenen Startorts kann nicht zutreffen, wie die Subspur belegt.

    Ein Überflug nicht-iranischen Gebiets wird nur vermieden, wenn nach Süd-Osten gestartet wird, aber von einem wesentlich weiter südlich gelegenen Ort innerhalb des Iran.

    Auch hier wird von einem Startort im südlichen Iran gesprochen, was mir angesichts der geometrischen Gegebenheiten plausibel erscheint:

    http://www.zarya.info/Tracking/Omid/Omid.php

  6. Wo lag die Startbasis?

    Genaue Angaben für den Startort sind tatsächlich noch etwas spekulativ und so präzise Angaben wie die gestern genannte gehen unter den Analysten wahrscheinlich im Kreis rum. Trotzdem halte ich es für sehr sicher, dass der Start im Nordiran erfolgt ist, etwa 150 Kilometer südostlich von Teheran in der Wüste südlich von Semnan. Alle früheren Versuchsstarts mit Raketen längerer Reichweite erfolgten von dort.

    Ich halte Ihre Überlegung – einen Überflug des Südzipfels von Pakisten – durchaus plausibel. Er wäre zwar mit einem relativ kleinen Dogleg-Manöver zu vermeiden, aber das ist wahrscheinlich unnötig. Das Einverständnis mit Pakistan ist gut, die Erststufe der Safir entspricht ohnehin weitgehend der pakistanischen Ghadr-1 und damit wäre auch für Pakistan ein Interesse gegeben eine gemeinsame Bahnvermessung durchzuführen, und einen Überflug auf einer ohnehin nur sehr kleinen Strecke nicht als Affront zu empfinden. Dies würde den östlichsten Azimuth ermöglichen, der ohne die Berührung der indischen Westküste möglich ist.

    Der sehr seriöse Analyst Greg Forden, bei dem ich die gestern genannte Ortsangabe zuerst gesehen habe hat auch eine Grafik angefertigt, die Ihrer ziemlich genau entspricht http://www.armscontrolwonk.com/images/1270.jpg. Die weitaus meisten anderen Quellen benennen den Startort nur grade mal so ungefähr über den Daumen und sprechen dann von einem „Startort südlich von Semnan im Nordteil der Dast-e-Kavir Wüste“. Leider ist Fordens Bild ein wenig grieslig und es sind auch keine Grenzkonturen eingezeichnet. Aber auch bei ihm scheint die Bahn über den Südzipfel von Pakistan zu laufen. Die Unschärfe macht auch hier einer wirklich erhellenden Betrachtung den Garaus (während ich diese Überlegungen mache, schaue ich grade in meinen alten Schulatlas, aber wenn wir den Punkt noch eine Weile weiter diskutieren, lohnt sich bald der Kauf einer wirklich guten Iran-Karte). Der in Fordens Bild gelb gekennzeichnete Punkt, sein vermuteter Startpunkt, bezieht sich auf die Startposition der Kavoshgar (die Kavoshgar ist die einstufige Testversion der Safir, die im Laufe des letzten Jahres mehrmals geflogen wurde) und von der er mit aller Berechtigung annimmt, dass von dort auch die Safir gestartet wird. Der Platz ist auch sehr logisch. Er liegt logistisch günstig nahe an Teheran, aber trotzdem in einer menschenleeren Wüste und hat nach Süden hin eine lange Testrange in einer dünn besiedelten Gegend mit einer ganzen Reihe von Messstationen vor sich.

  7. Detektivarbeit 🙂

    Wenn dieser Bahnverlauf zutrifft ….

    http://www.armscontrolwonk.com/images/1270.jpg

    … dann passt er sehr gut zu der von mir berechneten Subspur:

    http://www.kosmologs.de/…/gallery/4/gtrclose.gif

    … nach der in der Tat ein Teil von Pakistan ueberflogen und dicht an der indischen Kueste entlanggeschrammt wird. Damit ist ein Start im Norden Irans dann doch plausibel.

    Folgende Webseite gibt etwas Informationen zur iranischen Bodeninfrastruktur fuer Starts:

    http://www.globalsecurity.org/…ch-facilities.htm

    Die Skizze gegen Ende des Artikels (hier vergroessert) …

    http://www.globalsecurity.org/…unchfacility3.jpg

    … scheint aber nahezulegen, dass die benoetigte festinstallierte Infrastruktur sich in Grenzen haelt – das ganze Konzept scheint an militaerische Verfahren angelehnt zu sein und ist robust gegenueber einer Explosion auf der Startrampe oder einen feindlichen Angriff – danach baut man das Ganze sehr schnell wieder auf, am selben Ort oder anderswo.

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