Virgin Galactic hebt ab

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Die „VSS Enterprise“ führte kürzlich unter dem Rumpf ihres Trägerflugzeugs "VMS Eve" ihren Erstflug durch. VSS, das steht für „Virgin Galactic Space Ship“. VMS für „Virgin Galactic Mothership“ Die „Enterprise“ ist die erste Flugeinheit einer zukünftigen Flotte suborbitaler Raumfahrzeuge des Typs "SpaceShipTwo". Gebaut werden Raumschiff und Trägerflugzeug von Scaled Composites, einem hoch kreativen Flugzeugbau-Unternehmen das unter der Leitung des legendären Konstrukteurs Burt Rutan steht. Bestellt und bezahlt wird das Ganze von dem Flugunternehmer und Abenteurer Sir Richard Branson. Der durfte dafür den schnittigen Vehikeln dafür auch die Namen geben.

Die Bezeichnung des Raumflugzeug ist eine Hommage an die „USS Enterprise“ aus dem Star Trek-Universum (da steht das USS übrigens für "United Star Ship"). Captain Kirks knapp unter Warp 10 schnelles Raumschiff trägt ja bekanntlich diesen Namen. Auch der allererste Space Shuttle hieß übrigens so. Auch damals schon zu Ehren der Fernsehserie.

Richard Bransons "VSS Enterprise" wird nicht ganz so schnell sein, und auch nicht ganz soweit kommen wie Captain Kirks fiktives Raumschiff. Und auch die Bezeichnung „Raumschiff“ mag ein wenig hochtrabend sein, für ein Vehikel, das grade mal für einige Momente eine Gipfelhöhe von 130 Kilometer erreichen kann. Dennoch ist SpaceShipTwo alias Enterprise der gerade Realität werdende erste Schritt in die Richtung, auch dem Normalbürger (zugegeben: anfangs nur dem ziemlich "betuchten“ Normalbürger) den Zugang zum Weltraum zu ermöglichen.

Burt Rutan nennt das kleine Raketenflugzeug firmenintern übrigens recht nüchtern „Model 339“. Das Trägerflugzeug ist – Scaled Composite intern das  „Model 348“. Für die Öffentlichkeit lautet die Typbezeichnung „WhiteKnightTwo“. Und auch das ist eine Hommage, denn mit diesem seltsamen Namen erinnert er an die beiden Testpiloten William Knight und Robert White, die im Flugforschungsprogramm der X-15 in den sechziger Jahren Geschwindigkeits- und Höhenrekorde hielten. Soweit es den Geschwindigkeitsrekord für bemannte Fluggeräte innerhalb der Erdatmosphäre betrifft: Den hält William Knight übrigens nach wie vor. Seit dem Jahre 1967. Robert Whites Höhenrekord (für bemannte Raketenflugzeuge) wurde jedoch schon übertroffen: Von Scaled Composite Testpilot Brian Binnie mit SpaceShipOne im Oktober 2004.

Der erste Testflug des Trägerflugzeugs liegt schon 15 Monate zurück. Er fand am 21. Dezember 2008 statt. Es war das angekündigte Bestreben von Burt Rutan, erst einmal den "WhiteKnightTwo" alleine ausgiebig zu testen, bevor er es mit dem kleinen Weltraumschiff bestückt. Mit dem nun am 22. März erfolgten Erstflug der gesamten Kombination begann die Flugtestphase auch für den schnittigen Weltraum-Liner.

Dieser Jungfernflug war keineswegs ein vorsichtiges erstes Abtasten der Flugeigenschaften. Hier hätte man eher zwei, drei Platzrunden in niedriger Höhe und eine Landung nach wenigen Minuten erwartet. Doch es ging schon richtig zur Sache und so gab es einen Einsatz von fast drei Stunden Dauer der bis hinauf in die Stratosphäre ging. Das Gespann erreichte eine Flughöhe von 13.500 Metern.

Der "WhiteKnightTwo" alias "VSS Eve" als ist ein Doppelrumpfflugzeug. Gesteuert wird die Maschine von der linken Kabine. Nur dort befindet sich ein Cockpit. Im rechten Rumpf können, sobald die Einsatzphase erreicht ist, Passagiere mitfliegen. Zwischen den beiden Kabinen ist "SpaceShipTwo" aufgehängt. Ein künftiger Einsatzflug wird so ablaufen, dass das Trägerflugzeug das kleine Raumfahrzeug auf eine Abwurfhöhe von gut 15 Kilometern bringt und dann ausklinkt. Gleich danach zündet das Hybridtriebwerk für etwa 100 Sekunden und beschleunigt das Vehikel auf gut 4.000 Kilometer pro Stunde. Nach dem Brennschluss folgt "SpaceShipTwo" der einmal eingeschlagenen parabelförmigen Bahn im freien Fall und erlebt dabei für knapp fünf Minuten Schwerelosigkeit. Danach landet die Maschine auf einem Fahrwerk das aus Kufen und Rädern kombiniert ist.

Über das künftige Flugtestprogramm hält sich Burt Rutan bedeckt. Es dürfte aber wie folgt weitergehen: Zunächst werden noch einige unbemannte Captive Carry-Flüge durchgeführt. Danach folgte eine Reihe dieser Flüge mit Besatzung an Bord. Danach wird man eine größere Anzahl von Gleitflügen unternehmen um die Flug- und Landeeigenschaften der VSS Enterprise zu überprüfen. Schließlich beginnen die Test mit dem Raketenantrieb. Der wird bei den ersten Flügen zunächst nur für wenige Sekunden gezündet, später folgen immer längere Brennphasen. Danach werden die Testpiloten die etwas abgelegeneren Ecken der so genannten „Betriebsbox“ erkunden. Das heißt, dass man gegen Schluss des Testprogramms die Leistungsgrenzen erfliegen wird. Ganz am Ende wird eine Einsatzflug-Testprogramm stattfinden. Ohne Passagiere. Ende nächsten oder anfang übernächsten Jahres sollten dann  die Passagierflüge aufgenommen werden.

Die Herausforderung ist groß. Nie zuvor ist ein Raketenflugzeug für den Passagier-Einsatz getestet worden. Noch nie ist ein Flugzeug mit Passagieren bis in solche Höhen vorgestoßen und hat solche Geschwindigkeiten erreicht.
 

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

5 Kommentare

  1. Erfreulich

    Es ist natürlich erfreulich, dass die Privatindustrie mehr leistet, als die lahme NASA.

    4000 Kilometer pro Stunde sind 1111 Meter pro Sekunde.

    Von der Orbitalgeschwindigkeit von 7900 Metern pro Sekunde ist das rund 1 geteilt durch 7,11.

    Man benötigt also nur noch die 50,56-fache Energiemenge für das Erreichen der Erdumlaufbahn.

  2. Ironisch

    Die Privatindustrie leistet natürlich keineswegs mehr als die „lahme“ NASA. Sondern – vielleicht – in absehbarer Zeit das selbe. Aber dann hoffentlich für erheblich weniger Geld. Aber auch dann dürfen die suborbitalen Flüge von Scaled Composites/Virgin Galactic (und den Unternehmen, die ihnen bald nachfolgen werden) nicht mit Orbitflügen gleichgesetzt werden. Das ist eine völlig andere Kategorie. Will man hier einen realistischen Vergleich zwischen institutioneller und privater Raumfahrt anstellen, dann empfiehlt es sich derzeit, die Bemühungen von Elon Musks „SpaceX“ zu beobachten (über die ich kürzlich auch einen Blogbeitrag geschrieben habe: http://tinyurl.com/yld4bg5).
    Die Suborbitale Raumfahrt erfüllt aber eine wichtige Aufgabe für die weitere Entwicklung der Raumfahrt und ihrer Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Vom Tourismus einmal abgesehen (dessen wichtigste Funktion in meinen Augen durch die bewirkten Mengeneffekte nach und nach die Senkung der Startpreise sein werden) ermöglicht es die suborbitale Raumfahrt erstmals, auch für Universitäten und andere Forschungseinrichtungen staatlicher und privater Art bezahlbare, kurzfristig planbare Weltraumexperimente durchzuführen, die – ein sehr wichtiger Aspekt – begleitet werden können und immer wieder einsetzbar sind. Ein suborbitaler Raumflug liefert, ohne den um ein vielfaches größeren technischen und energetischen Aufwand eines orbitalen Einsatzes, die meisten wesentlichen Aspekte eines orbitalen Fluges.

  3. Namenswahl erfolgreich

    Der Hype um diese Parabelflüge beeindruckt mich weniger, aber in Punkto Namenswahl wird eindeutig die volle Punktzahl erreicht. “Virgin Galactic Mothership”, das rollt von der Zunge, und dann auch noch “Eve”, nach Richard Bransons Mutter: so erreicht man nicht nur die SciFi-Fans, sondern auch noch die Frauenzeitschriften.

    Die PR ist bei dieser Sache ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als die Technik, denn letztere ist durch Verzicht auf 97% des Problems, das wirkliche Raumfahrt nun einmal mit sich bringt, deutlichst entschärft.

    Verbleibt das Problem, mit so einem Angebot wirklich einmal Geld zu verdienen, und das wird nur mit sehr guter PR gehen, solange man als Einziger in diesem Markt agiert. Wenn es irgendwann einem Konkurrenten gelingen sollte, mit einem ähnlichen Gefährt senkrecht hoch zu fliegen und dann nach ein paar Minuten wieder zur Erde zu stürzen und dabei ein paar Minuten schwarzen Himmel und Schwerelosigkeit zu erzeugen, dann wird es, bei aller PR, aber sehr eng werden.

  4. @Karl Bednarik

    Ja, in der Tat, das ist beeindruckend.

    Um 100 km im Parabelflug zu erreichen, muss man etwa 3% der Energie aufbringen, die man für einen orbitalen Flug bräuchte.

    http://www.kosmologs.de/…ery/4/potkinenergie.gif
    http://www.kosmologs.de/…/4/potenergieanteil.gif

    Und natürlich muss man bei der Rückkehr auch nur diesen relativ geringen Energiebetrag wieder loswerden, was einem fast noch mehr Probleme erspart.

    Da leistet die Privatindustrie in der Tat eine ganze Menge mehr als die NASA. Zwar nicht im technischen Bereich, aber dafür allemal in der PR. Immerhin schaffen sie es, selbst in der seriösen Presse so beworben zu werden:

    http://www.sueddeutsche.de/reise/487/491850/text/

    “Unter den Anbietern findet sich auch die Gesellschaft Virgin Galactic, die dem britischen Multimilliardär und Unternehmer Richard Branson gehört. Der will die ersten Urlauber schon 2010 in die Umlaufbahn schicken.”

    Na dann …

  5. Richard Branson in die Umlaufbahn

    Dieser Beitrag der DPA-Mitarbeiterin Silvia Liebrich ist schon nicht mehr ganz frisch. Ich erinnere mich, den schon letztes Jahr als Beispiel dafür diskutiert zu haben, wo denn die Menschen (und leider auch viele Medien) beim Thema Raumfahrt abgeholt werden müssen.

    Suborbital oder orbital. Jacke wie Hose. Hauptsache orbital :-). Bei der Bandbreite, welche diese Journalistin abdeckt (hier ein paar Beispiele: http://www.tagesspiegel.de/…utor=Silvia+Liebrich), kann man nur hoffen, dass Raumfahrt das einzige Thema ist, von dem sie keine Ahnung hat.

    Aber um nochmal auf das Wesentliche zurück zu kommen: Suborbitale Raumfahrt bringt genau deswegen Menschen vergleichsweise preiswert auf mehr als 100 Kilometer Höhe (und erzeugt nebenbei – genauso preiswert – ununterbrochene Mikrogravitationbedingungen für die 10-15 fache Dauer eines Parabelfluges mit einem Jet) eben weil es die meisten Probleme der orbitalen Raumfahrt nicht bewältigen muss. Für den “Weltraumtouristen” sind fast alle Bedingungen eines Raumflugs erfüllt, wenngleich natürlich sehr kurz, und für die Wissenschaft ist es die Chance zur Durchführung eines Höhenforschungsraketen-Programms bei dem die Nutzlast vom Experimentator begleitet werden kann, und das dabei trotzdem weniger kostet als eine ebenso suborbitale durchschnittliche Höhenforschungsraketen-Kampagne beispielsweise in Kiruna.

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