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Raumfahrt: Informationen – Meinungen – Hintergründe
Astra's Spacelog

Michael Khan hat es gestern schon befürchtet: Das war‘s jetzt, mit der amerikanischen Mond-Initiative. Fast auf den Tag genau sechs Jahre, nachdem George Bush jr. das Programm startete wurde es nun – passend zum Jahrestag der Columbia-Katastrophe – eingestellt. Neun Milliarden Dollar wurden bisher dafür ausgegeben. Eine weitere Milliarde wird es kosten, all die vielen Verträge des Constellation-Programms als „cancellation for convenience“ abzuwickeln. Die bemannte US-Raumfahrt ist nun ohne eine Mission.

Surrender

Dieses Logo schlug ein enttäuschter amerikanischer Blogger als Logo für Obamas NASA-Haushaltsentwurf vor.

Obamas neuer Weg in den Weltraum führt…ja, wo führt er hin? Im Haushaltsentwurf ist keine programmatische Struktur zu erkennen. Alles ist vage und angedeutet. Die Meinungen der Kommentatoren schwanken denn auch zwischen blankem Entsetzen und völliger Orientierungslosigkeit, hin und wieder unterbrochen von der Schadenfreude derer, die schon immer gegen die bemannte Raumfahrt waren. Es scheint, als sei es Obamas Plan, durch ein Maximum an Verwirrung den völligen Zusammenbruch des NASA-Apparates zu bewirken und dann zu hoffen, dass aus der Asche der in sich zusammenfallenden Behörde irgendetwas kreatives Neues entsteht.

Häufig wird auch die Frage gestellt, warum das Weiße Haus und die Administration der NASA derart lange gebraucht haben, um zu diesem vagen und uninspirierten Dokument zu kommen. Die meisten hatten erwartet, dass in dieser langen Zeit der Beratung (in der noch Milliarden für das bisherige Programm ausgegeben wurden) etwas wirklich Gutes und Neues entstehen würde.

Eines ist auf jeden Fall klar: Constellation ist tot. Jetzt wird man kleinere Brötchen backen. Vielleicht backt man auch überhaupt keine Brötchen mehr.

Die vierte und fünfte Woche des Jahres scheinen für die NASA generell eine desaströse Zeit zu sein. Am 27. Januar 1967 ereignete sich das Apollo 1-Feuer, am 28. Januar 1985 die Challenger-Katastrophe. Am 1. Februar 2003 verunglückte die Columbia. Obamas Ankündigung des 1. Februars 2010 dürfte eines Tages in den Annalen einer auf ein technologiestudienschnippselchen verteilenden Weltraum-Amtes namens NASA ein ähnlich schwarzes Datum sein.

Was aber für die US-Raumfahrtpolikit nur als "ganz gewöhnlicher Scherbenhaufen" dastehen könnte, wie er in der Politik nun eben manchmal vorkommt, kann für die Crews der noch ausstehenden fünf Shuttle-Missionen lebensgefährlich werden. Der Obama-Plan wird mit Sicherheit verheerende Auswirkungen auf die Moral der Techniker und Ingenieure am Kennedy Space Center haben. Es gibt genug Beispiele wo es nach Programmeinstellungen und den damit bevorstehenden Massenentlassungen bei den noch ausstehenden Missionen zum Desaster kam, weil ein Tel der Belegschaft sich schon nach anderen Jobs umsah, die Besten bereits gegangen waren,  und der verbliebene Rest ohne Motivation war. Die letzten Missionen des Titan IV-Programms beispielsweise waren mit rauchenden Trümmern im Wert mehrerer Milliarden Dollar gepflastert.

Unternehmen wie Orbital Sciences und Space X, Blue Origin oder die Sierra Nevada Corporation, die möglicherweise einzigen Gewinner dieser rätselhaften Ankündigung, werden zu den wenigen gehören, die einen moderaten Aufbau betreiben können. Doch wie viele der hochqualifizierten NASA-Ingenieure und Techniker können diese Unternehmen, die momentan nur zwischen einem Dutzend bis maximal 650 Menschen beschäftigen überhaupt aufnehmen? Diese kleinen Start-ups dürften jetzt von tausenden von Stellenanfragen überschwemmt werden. Der weitaus überwiegende Rest der erfahrenen Workforce wird sich aber in alle Winde zerstreuen und versuchen irgendwo sonst in der maroden Wirtschaft der USA einen Job zu finden. Für die Raumfahrt sind sie dann verloren. Erfahrung und Know-How sind extrem verderbliche Güter. Sie beginnen vom ersten Tag, an dem sie nicht mehr gepflegt werden, zu faulen.

Was aus Amerikas bemannter Raumfahrt werden soll, ist jetzt noch völlig unklar. Aus dem wolkigen Geschwurbel kann für das erste nur folgendes abgeleitet werden:

  • Die NASA bekommt insgesamt geringfügig mehr Geld als bisher.
  • Ein Teil davon ist für die Entwicklung eines bemannten privaten Raumtransportsystems vorgesehen. Ein Plan dafür liegt derzeit nicht vor.
  • Zusätzliches Geld bekommt auch ein Krabbelsack von Technologievorhaben wie etwa der (tatsächlich vielversprechende, aber noch weit von einer praktischen Anwendungen entfernte) Vasimir-Antrieb, aufblasbare Raumstations-Habitate (die allerdings mangels geeigneter Raumtransportsysteme gar nicht angesteuert werden können) und Grundlagenforschung für zukünftige Schwerlastsysteme, die eine signifikante Kostenreduzierung mit sich bringen sollen (seit Mitte der sechziger Jahre gibt es hier Studie um Studie, die allesamt nie realisiert wurden. Gerade beschäftige ich mich mit dem Konzept "Hyperion" von McDonnell aus dem Jahre 1967) sowie Techniken wie die Einrichtung von Treibstoffdepots im Orbit und dem Transfer von Treibstoff (aber für welchen Zweck?)
  • Der Shuttle wird noch in diesem Jahr seinen Dienst einstellen.
  • Ares 1 und Ares 5 werden eingestellt.
  • Die Entwicklung des Orion-Raumschiffs und des Altair-Mondlanders werden eingestellt.
  • Die internationale Raumstation wird bis mindestens 2020 betrieben. Die Frage ist nur: Wie wollen die amerikanischen Astronauten dorthin kommen? Die Antwort liegt auf der Hand: Heute wird in Russland zunächst so manches Glas Wodka geleer werden. Danach werden bei Energia, Samara und Chrunitschew die gegenwärtigen Ressourcen- und Auslastungsplanungen nach oben angepasst. Innerhalb des letzten  letzten Jahres sind – wenig überraschend – die Preise für die Plätze in den Sojus-Raumkapseln schon mal um 60 % gestiegen.
  • Es werden zusätzliche Mittel – drei Milliarden Dollar – für nicht genannte robotische Missionen, für Erdbeobachtung und „grüne“ Vorhaben bereitgestellt. Klingt viel, aber nur mal zum Vergleich: Drei Milliarden Dollar kostet die bevorstehende Mission des Mars Science Laboratory schon ganz alleine.

Meine persönliche Einschätzung der Lage nach dieser Budgetankündigung: Die NASA bricht auf dem Weg nach vorne alle Brücken hinter sich ab. Das vollständige Desaster ist damit vorprogrammiert. Die geplante amorphe Förderung von hier ein bisschen und dort ein wenig ohne den straffen Rahmen einer "Mission" wird direkt ins Nirgendwo führen. Beispiele dafür gab es in der Vergangenheit viele.

Zunächst einmal, davon kann man mit Sicherheit ausgehen, erfolgen jetzt bis in den Herbst hinein endlose Debatten über den weiteren Weg der NASA ohne dass etwas in Richtung einer klaren Programmstruktur bewegen wird. Der Kongress wird dieses Programm, das keines ist, so nicht hinnehmen und den Budgetentwurf des Weißen Hauses anfechten. Positiv kann dieses Desaster jetzt nur dann noch ausgehen, wenn Unternehmer wie Robert Bigelow oder Elon Musk Mut haben und viel Geld einsetzen. Und sie brauchen Fortune. Ansonsten war es das, mit Amerikas bemannter Raumfahrt.

NASA-Administrator Boldens Rede zum Neuen Budget: http://www.nasa.gov/pdf/420994main_2011_Budget_Administrator_Remarks.pdf

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

55 Kommentare

  1. Scherbenhaufen

    Noch ist zwar das letzte Wort nicht gesprochen, doch fürchte ich, dass eine wirkliche, energische Weiterführung des Constellation-Programms – also nicht das, was bis jetzt geboten wurde, sondern etwas, das erkennen lässt, dass man eine klare Zielsetzung und einen ehrgeizigen Zeitplan vor Augen hat – gar keine Option ist.

    Sicher gibt es Widerstände im Kongress, die sind aber erwartungsgemäß politischer Art. Der Kongress ist eine politische, keine wissenschaftliche Veranstaltung.

    Probleme haben Abgeordnete oder Senatoren allein damit, dass in ihren Heimatstaaten Arbeitsplätze verlorengehen, notfalls lassen sie sich ihre Zustimmung durch Zugeständnisse an anderer Stelle abhandeln. Die langfristige Vision der amerikanisch geführten Erforschung des Weltalls hat keine wirkliche Lobby, die Wissenschaft auch nicht.

    Ich kann nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass die jetzige Entscheidung, wenn sie bestand hat, auch durch spätere Administrationen nicht mehr umkehrbar sein wird. Zumindest in den drei kommenden Jahren wird sich nichts mehr tun.

    danach aber wird die industrielle Kapazitát aus der Shuttle-Aera verloren sein. Die Fertigungsanlagen werden abgebaut oder konvertiert sein, eingespielte Teams und Konsortien aufgeloest, die Fachleute in andere Arbeitsgebiete abgewandert und keine jungen Leute mehr ausgebildet. Will man dann aber wieder zurück, so wird das erstens nicht so einfach und zweitens viel langwieriger und kostspieliger, als wenn man das Ganze jetzt konzentriert durchgezogen hätte.

    Zoegern, Hickhack, Hin-und-Her, das hält den ganzen Laden auf und kostet im Endeffekt immer nur Geld. Apollo war deswegen im Kosten- und Zeitrahmen, weil man sich auf solche Spielchen nicht eingelassen hat.

    Beim Shuttle und der ISS und auch beim europäischen Galileo-Navigationssystem waren dagegen alle Pläne schnell Makulatur und die Kosten liefen aus dem Ruder, weil man den immer gleichen fehler machte, auf die Bremse zu treten, wo man hätte Gas geben müssen.

  2. Planlos

    Obamas Plan? Der Haushaltsentwurf macht in meinen Augen klar, dass er (abgesehen von ein bisschen Kommerzialisierung und etwas internationaler Zusammenarbeit) keinen Plan hat, und dass ihm die Raumfahrt letztlich auch egal ist. So lange er ein bisschen Geld verteilen und dadurch Arbeitsplätze in für ihn wichtigen Staaten sichern kann, passt das schon… Entsprechend pragmatisch und gleichzeitig auch beliebig ist der Entwurf.

    Wenn bei Obama, wie Nasa-Chef Bolden gestern gesagt hat, Innovation und Raumfahrt tatsächlich in den Genen liegen sollten, warum hat er seine (angebliche) Vision gestern nicht selbst vorgestellt – oder sich während seiner Amtszeit überhaupt einmal für die bemannte Raumfahrt ausgesprochen?

  3. Vielleicht auch ein notwendiger Umbau?

    Man ist ja immer versucht, das Positive zu sehen. Ich als Laie frage mich, ob hinter den Kürzungen nicht auch ein notwendiger Umbau steckt. Die NASA betreibt im Land des Kapitalismus und freien Unternehmertums derzeit eine Raumfahrt, die technisch durchaus in Reichweite von privaten Unternehmen ist, oder? Warum sollte nicht eine Privatfirma wie SpaceX den Taxidienst zur ISS übernehmen? Vielleicht ist es wirklich klüger, der NASA Mittel an die Hand zu geben, solches Unternehmertum zu fördern, statt alles selbst zu machen. Das ist vielleicht ein ähnlicher Prozess wie bei der Privatisierung der Telekommunikation. Erinnert sich noch jemand an die Bundespost?

    Die NASA ist ein Relikt aus dem Kalten Krieg. Sie MUSS sich neu erfinden. Die Vorstellung erst zum Mond und dann darüber hinaus wurde ja schon 1972 begraben und hat wohl auch zum Bruch von Wernher von Braun mit der NASA geführt. Seit 1972 produziert die NASA nichts als Animationen und tolle Graphiken was die bemannte Raumfahrt jenseits des LEO anbelangt. Ich denke es ist an der Zeit hier mal ganz grundsätzlich über Sinn und Zweck der NASA nachzudenken, statt sich immer neue Programme auszudenken, mit denen amerikanische Präsidenten protzen, ohne sich um deren Finanzierung zu kümmern. Was Obama derzeit macht schmerzt, aber es ist ehrlich.

  4. Warum denn so negativ?

    Man kann die Dinge auch positiver sehen.

    Das NASA-Budget soll mitnichten “geringfügig” sondern um sechs Milliarden Doller (!) in fünf Jahren erhöht werden, und das entgegen aller Sparvorgaben im Gesamt-Haushalt. Das ist doch was! Wir Europäer sollten ganz ruhig sein: Das ESA-Budget wird gegenüber 2010 zurückgefahren und in den kommenden zwei Jahren auf dem Niveau von 2009 eingefroren, wie man hört [1]. Um mal die Relation aufzuzeigen: allein die in Aussicht gestellte Mittelaufstockung der NASA ist größer als der ESA-Etat eines Jahres.

    (3) Es gibt eine ganze Reihe professioneller Beobachter, die die Neuausrichtung willkommen heißen, siehe z.B. [2] und [3].

    Ob der neue Weg zum Erfolg führt hängt jetzt davon ab, was NASA, Industrie und die internationalen Partner daraus machen. Das sollte man doch erst einmal abwarten! Man kann ja wohl nicht behaupten, daß Apollo on Steroids das Non-Plus-Ultra gewesen wäre, mal ganz zu schweigen davon, daß Constellation unseriös (d.h. gar nicht) finanziert war.

    [1] http://www.spaceflightnow.com/…01/15esaspending/

    [2] http://www.planetary.org/…Welcomes_New_NASA.html

    [3] http://www.universetoday.com/…ns-thats-a-relief/

  5. @Elias Kernchen

    Danke für den Link zu universe today, da ist eine lebendige Diskussion im Gange:
    http://www.universetoday.com/…ns-thats-a-relief/

    Aussagen wie diese hier zielen in die Richtung, an die ich in meinem ersten Kommentar dachte:

    “If you want to get political about it, show me in the constitution where it says that my government should run a space program…. I am all for private venture.”

  6. @Stefan Taube und Elias

    Sicher ist es immer notwendig, Technologien in den privaten Sektor übergehen zu lassen. Wäre das nicht so, würde die ESA immer noch geostationäre Ssatelliten bauen und betreiben. Das koennen mittlerweile private Betreiber viel besser, und sie tun es auch.

    Auch die Taxi-Dienste zur ISS sind in privaten Händen vielleicht besser aufgehoben … wer weiß. Da weder die Falcon 9 noch die Dragon geflogen ist, ist das schwer zu beurteilen. Allerdings verkaufen ja auch russische Stellen Plátze in der Sojus wie private betreiber – ein Indiz, dass es für die staatlichen Agenturen Zeit ist, sich weiter zu bewegen, hin zu ferneren, hoeheren Zielen.

    Aber genau da liegt ja das Problem. Die USA verzichten bis auf Weiteres auf alles, was über das LEO hinausgeht. Und gerade da bezweifele ich, dass die Sache in privaten Händen besser aufgehoben wäre.

    Und @Elias:

    Sicher, verglichen mit den erbärmlichen europäischen Aktivitäten ist die Situation der NASA immer noch ausnehmend gut. Aber wer sich an den Europäern misst, hat wirklich schon allen Ehrgeiz aufgegeben.

    Und: Sicher, eine Erhoehung des NASA-Budgets ist gut. Allerdings kann man sich schon fragen, ob ohne eine klare Ausrichtung, ein Flagschiffprojekt, über das sich die NASA definiert, es ihr auch gelingt, sich “neu zu erfinden”. Bis jetzt hatte sie jedenfalls immer jeweils einen klaren Auftrag.

    Mag sein, dass ein “Apollo on Steroids” nicht das Allerbeste ist, was man sich denken koennte. Aber erstens ist das allemal besser als “ISS auf Krücken”. Zweitens bestanden durchaus belastbare Konzepte zu viel weitergehenden Missionen unter Nutzung der Constellation-Technik.

  7. @Michael Khan: Sorry eine kleine Polemik

    “Die USA verzichten bis auf Weiteres auf alles, was über das LEO hinausgeht. Und gerade da bezweifele ich, dass die Sache in privaten Händen besser aufgehoben wäre.”

    Hmm, also ich traue dem privaten Sektor Flüge bis zum Mond zu. Es müsste halt ein Geschäftsmodell dafür geben. Wir Europäer unterschätzen ja auch gerne die Dynamik der Unternehmerkultur in den USA. Ich meine, da tummeln sich zuhauf Multimillionäre, die einem Roman von Schätzing entstiegen zu sein scheinen. Typen wie Musk, Branson und wie sie alle heißen. Was haben wir? Ackermann&Co.! Graue Mäuse, die rumlaufen wie Sparkassendirektoren und sich wie weiland Zumwinkel beim Steuerhinterziehen erwischen lassen oder noch blöder beim Schmieren der FDP. Was machen unsere Reichen eigentlich mit ihrer ganzen Kohle? So teuer können die Yachten in Monaco doch gar nicht sein und die Tresore in der Schweiz nicht so groß für das ganze Geld dieser Langweiler. Haben die denn keine Träume außer Schampusbaden mit Heidi Klum?

    Okay, das war jetzt eine polemische Entgleisung. Ich will damit nur sagen, dass in einem Land wie Amerika sich Geldeliten tummeln, die viel mehr bewegen und nicht so trantütig sind wie unsere.

    Ich bin immernoch optimistisch, den ersten Menschen auf dem Mond live zu sehen. Es ist nur nicht sicher, ob auf seinen Anzug NASA oder Google (etc.) aufgenäht ist. Mir ist das eigentlich egal, man kennt das ja vom Fußball.

  8. @Stefan Taube

    Das waren alles Fakten … wo war da Polemik? 🙂

    Mag sein, dass die Bigelows und Musks tatsächlich auch Mondreisen zustandebekommen. Ich gönne es ihnen. Aber ich bezweifele, dass es dann billiger oder zugänglicher wird als wenn eine Agentur so etwas macht. Eine Vision ist schön und gut, aber was diese Leute bis jetzt in der Raumfahrt gemacht haben, ist entweder keine (Virgin Galactic) oder es auch nur eine Kopie dessen, was die Raumfahrtagenturen bereits seit Jahrzehnten können.

    Man tut immer so, als sei der Dragon billiger als Orion, weil das Ding von einer Privatfirma entwickelt wird. Aber wir müssen erst noch einmal sehen, was das Ding leistet und wie es um die Sicherheit bestellt ist. Bis jetzt habe ich noch keine Falcon 9 fliegen sehen und auch noch keinen wie auch immer gearteten Praxistest des Dragon. Und vor allem ist noch einmal festzustellen, wie das mit den Kosten aussieht.

    Branson ist übrigens Europäer!

  9. Scherbenhaufen – Planlos – Umbau

    Ich kann mich besonders gut an eine Aussage von Mike Griffin erinnern, zu einem Zeitpunkt, als er das Constellation-Programm gerade aufgesetzt hatte. Er sagte, dass große technischen Aufgaben vor dem Programm stünden. Das Hauptproblem werden aber nicht die technischen Probleme sein. Die würde man immer irgendwann und irgendwie in den Griff bekommen. Das wahre Problem bestünde darin, das Programm über mindestens sieben Legislaturperioden zu transportieren, bis endlich Menschen auf dem Mars landen könnten. Seine Aussage stimmte. Schon in der ersten Legislaturperiode hielten sich die Politiker nicht an ihre Vorgaben. Schon in der zweiten wurde es aus diesem Grund storniert.
    Raumfahrtprogramme brauchen einen langen Atem. Raumfahrt ist nicht für vierjährige Legislaturperioden geeignet und schon gar nicht für Politiker. Ihr Denken geht – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nie über die nächste Wahl hinaus. Raumfahrt braucht Raum. Und Zeit. Zum Scheitern und zum Gelingen. Und wichtiger noch: Sie braucht ein Ziel. Dieses Ziel hat Obama der amerikanischen Raumfahrt genommen.
    Im Grunde sind alle der hier genannten Argumente richtig. Michael Khan arbeitet in der Raumfahrt genauso wie ich. Wir sehen es täglich, was passiert, wenn man Expertise nicht intensiv pflegt. Raumfahrt ist wie Hochleistungssport. Schon am zweiten Tag, an dem man nicht gefordert wird, ist man schlechter als am Tag zuvor. Nach nur wenigen Wochen Fertigungsunterbrechung klappen Vorgänge, die über Jahre hinweg einwandfrei gelaufen sind, aus unerklärlichen Gründen plötzlich nicht mehr. Doch sind diese Gründe gar nicht so unerklärlich. Es ist nur dieses eine einzelne Prozent verloren gegangen, das in der Raumfahrt oft den Erfolg vom Scheitern trennt. In der Raumfahrt kann man nicht einfach den Reset-Knopf drücken, ohne gleich sehr, sehr weit abzustürzen.

    Den Russen war das übrigens bekannt. Die einzige Industrie, die durch die Wirren des Zusammenbruchs der Sowjetunion kam, war die Raumfahrtindustrie. Es gab für nichts Geld. Aber was man zusammenkratzen konnte ging in die Raumfahrt. Sie blieb die Keimzelle für die russische Hochtechnologie und sie bringt Russland jedes Jahr Milliarden mit steigender Tendenz.

    Was Alexander Stirn sagt ist wahr: Obama wird mit der NASA kein Problem mehr haben. Er muss nun nicht mehr die Staffelstab des Constellation-Programms an seinen Nachfolger weitergeben. Er ist einfach stehengeblieben und hat ihn weggeworfen.
    Und auch Stefan Taube hat Recht: Die NASA hat versäumt, das, was zu privatisieren möglich gewesen wäre auch zu privatisieren. Aber deswegen darf man ihr nicht die Mission nehmen. Nun ist sie nichts anderes mehr als ein Amt. Wie jedes andere auch.

  10. @Eugen Reichl

    Schon mal darüber nachgedacht, warum Buzz Aldrin den vorgesehenen Richtungswechsel begrüßt? Ist er am Ende auch ein Gegner der bemannten Raumfahrt …?

  11. Jan Hattenbach @Stefan

    Hier ist natürlich klar, wie’s gemeint war,aber letzthin – bei einer Firmenführung – hat mich ein Schüler allen Ernstes gefragt, wann denn meiner Meinung nach der erste Mensch auf dem Mond landen würde.

    Ich kann ihm die Frage nicht verübeln. Für ihn ist das soweit entfernt wie für mich der erste Motorflug von Wilbur Wright.

  12. Thorsten Dambeck @Eugen Reichl

    Klar, Buzz Aldrin steht mit 80 einfach über den Dingen. Und er hat auch komplett recht: das mittelfristige Ziel der bemannten Raumfahrt sollte der Mars sein. Und er kann das auch völlig locker äußern. Egal wo die Reise nach dieser wahrscheinlich sehr langen Unterbrechung auch immer hingehen wird, er wird es sowieso nicht mehr erleben.

  13. Augustine … schon vergessen?

    Ich bin, gelinde gesagt, ziemlich bestürzt, auf welch Stammtischniveau gerade die ‘Experten’ hier über Obamas unvermeidbaren Befreiungsschlag lästern – was, bitte schön, wäre denn die Alternative gewesen? Der Augustine-Report hat ja nun unmissverständlich klar gemacht, dass Constellation nicht in 20 Jahren aus dem LEO heraus geführt hätte. Und dann wäre doch allenfalls nur ein ‘Apollo 2.0’ ohne wirklich fundamentale Innovation herausgekommen.

    Jetzt steht der Raumfahrt der Welt (Bolden hat immer wieder betont, dass die großen Sprünge fürderhin nur noch in internationalem Rahmen gemacht werden, und dies u.a. auch gerade dem DLR-Chef versichert) eine Vielzahl von möglichen Wegen offen, und der “flexible path”, der jetzt im Wesentlichen gegangen wird, könnte tatsächlich die gewünschte Inspiration für die Jugend (Amerikas) entfalten. Wie ernst ihm dies ist, hat Bolden kürzlich bei einer Rede vor 3000 US-Astronomen eindrucksvoll zur Schau gestellt und damit rasant an Sympathien gewonnen.

    Die erstaunliche Bewegung, die in die US-Raumfahrt-Szene gekommen ist, konnte man bereits heute beim gemeinsamen Auftritt Boldens mit dem Wissenschaftsberater Obamas in Washington erleben. Da steht plötzlich der Chef von Blue Origins auf der Bühne, einem bis dato praktisch geheimen Raumfahrtprivatprojekt des Gründers von Amazon. Und der Mann von Boeing nennt als wichtigstes Ziel für die von seiner Firma zu bauende kommerzielle bemannte Rakete … nicht die ISS sondern die Weltraumhotels, die der etwas verrückte Unternehmer Bigelow bauen will. Kann alles Schall und Rauch sein. Oder aber der Beginn einer wirklich interessanten Ära.

  14. @Thorsten Dambeck @Daniel Fischer

    @Thorsten: Um es böse zu formulieren: Buzz Aldrin war schon immer loyal zu seiner Präsidenten – im Zweifelsfall zu denen, die ihn von den Dollarscheinen anlächeln. Natürlich hat er gute Verbindungen zur privaten Raumfahrt und mischt im Weltraumtourismus selbst mit. Und er war schon immer ein Gegner des neuen Mondprogramms. Würde ja auch irgendwie an seinem Vermächtnis kratzen, wenn auf einmal Krethi und Plethi über den Mond spazierten 😉

    @Daniel Fischer: Ich kritisiere ja nicht, dass Constellation getilgt wurde (das von Anfang unterfinanziert und z.T. auch dilettantisch umgesetzt wurde), sondern dass es keine klare Alternative gibt, keine Leuchtturmmission, keine Ziele. Ich glaube halt nicht, dass so etwas Abstraktes und Unkonkretes wie “flexible path” inspirierend wirken kann. Vielleicht stehe ich aber auch noch zu sehr unter dem Eindruck der Pressekonferenz vom Montag, bei der Bolden und Garver Unmengen von heißer Luft abgesondert haben.

    Die Kommerzialisierung kann wirklich einiges in Bewegung bringen. COTS (mit all seinen Schwierigkeiten) war ja schon ein guter Anfang. Wenn das klappt, wird es die bemannte Raumfahrt (und die Nasa) grundlegend verändern – allerdings nicht in Richtung Wissenschaft und Exploration.

  15. Wir haben noch gar nicht alles gesehen

    Ich bitte diejenigen, die über “heiße Luft” in den Dokumenten (und Boldens Reden) klagen, zu bedenken, dass wir noch gar nicht den kompletten Etat-Plan gesehen haben – weil es der nämlich noch gar nicht fertig ist.

    Zum Vergleich: Die Unterlagen, die vor einem Jahr am Budget-Request-Tag vorgelegt wurden, waren rund 600 Seiten stark – und diesmal ist das detaillierteste Papier eine 22-seitige PPT-Präsentation gewesen. (Offenbar gibt es keine Vorschrift, dass Anfang Februar alles parat zu sein hat?)

    Man hört, dass die eigentlichen Informationen in einigen Wochen nachgereicht werden sollen; da gibt es wohl auch noch Abstimmungsbedarf mit der Industrie: Vielleicht klingt bald alles weniger nebulös als im Augenblick.

  16. Buzz Aldrin

    Grandseigneur Buzz Aldrin hat schon seit Jahren seinem Unbehagen Ausdruck verliehen, wobei sich dieses insbesondere gegen die geplanten Raketen, insbesondere die Ares I wendet.

    http://www.chron.com/…mpl/chronicle/5906199.html

    Ich stelle in dieser Diskussion eins fest, nämlich dass gerade die Leute, die aus einem industriellen Umfeld kommen, darunter Eugen Reichl und ich, die tiefsten Sorgenfalten in der Stirn haben. Wahrscheinlich hat das damit zu tun, dass wir aus eigener Erfahrung wissen, dass ein großes industrielles Projekt wie ein Ozeanriese ist.

    Wenn man da ploetzlich von “volle Kraft voraus” (bzw. im Fall von Constellation ehrlicherweise “halbe Kraft voraus” auf “volle Kraft zurück geht und gleichzeitig das Steuer voll herumlegt, dann kann man davon ausgehen, dass der ganze Riesenkasten quer zur Dünung dümpelt und es lange dauert, bis man ihn wieder in die richtige Richtung gedreht und Fahrt aufgenommen hat.

    Leute mit wissenschaftlichem Hintergrund sehen das alles etwas lockerer und messen industruiellen Prozessen weniger Bedeutung bei. Das habe ich immer wieder erlebt.

    Ich denke nach wie vor: Jedes Projekt schleppt immer eine Erblast mit sich, und für sich betrachtet, mag das alles erheblich suboptimal aussehen. Bloß habe ich – pragmatischerweise – lieber ein suboptimales Projekt als gar keins.

  17. Richtige Entscheidung!

    Ich glaube, in der Wissenschaft wird die neue Nasa-Marschrichtung mit Erleichterung gesehen. Nach den Nachwehen der in jeder Hinsicht unseligen Bush-Ära scheint wieder etwas mehr Rationalität ins Weiße Haus eingekehrt zu sein. Man kann Obama nach seinem ersten Jahr sicher so einiges vorwerfen, die Beerdigung von Bush-Juniors Mond- und Marslandephantasien gehört für mich nicht dazu.

    In den Wissenslogs hat sich Mierk Schwabe ebenfalls zu dem Thema geäußert, und ihr kann ich mich inhaltlich nur anschließen: http://www.wissenslogs.de/…-weltraum-ist-beendet

  18. Reaktion der Wissenschaft

    Mag sein, dass die Fans der ISS (war Reagan so viel besser als W?) sowie andere Wissenschaftler meinen, sich jetzt die Hände reiben zu koennen.

    Bei den ISS-Leuten ist das eher albern. Gerade das Ding war doch ein Geldschlucker par Excellence. Um wieviele Hundert Prozent wurde doch gleich jeder Zeiit- und Budgetplan überschritten? Wievielen anderen Projekten fehlte deswegen das Geld? Das wird gern vergessen, lieber stellt man die ISS als durch Constellation gefáhrdet dar … ob das überhaupt stimmt, muss erst noch einmal belegt werden.

    Kritisch wird’s, wenn es um den Ersatz der ISS geht. Wenn die wirklich wichtig ist, die ihre fans behaupten, ist ja wohl auch der nachfolger wichtig. Wenn der ab 2020 oder kurz danach operationell sein soll, müsste man schon mal anfangen. Hm … mit welcher Schwerlastrakete soll die dann doch gleich gestartet werden? Ach, oder soll genau der Fehler der jetzigen ISS nochmal wiederholt werden? Das wird wohl so kommen.

    Freunde der Marswissenschaft werden sich freuen? Einen groeßeren Freund der Marswissenschaft als mich kann man sich nicht vorstellen, und ich freue mich keineswegs. Denn mir sind, im Gegenteil zu den wirklich allermeisten Wissenschaftlern in ihren Elfenbeintürmen, auch etwas von der technischen Herausforderung, die darin besteht, nennenswerte Hardware zum Mars zu bekommen.

    Mars Sample Return beispielsweise, die wirklich große Herausforderung der unbemannten Marsforschung in den kommenden 15-20 Jahren, ist mit vorhandener Raketentechnik eine erhebliche Herausforderung udn nur mit Verzicht an allen Ecken und Enden zu machen.

    Mit einem einzigen Ares V-Start dagegen ließe sich das Projekt in 3 statt mindestens 5 Jahren, mit satten Massenmargen statt verzweifeltem Schaben an jedem Gramm und mit einer anständigen(TM) zurückgebrachten Probenmasse statt lächerlicher 500 Gramm durchführen. Klar, die Rakete wäre teurer als die zwei mittelgroßen Raketen, die uns jetzt maximal zur Verfügung stehen werden. Aber wichtig sind nicht allein die Startkosten, sondern die gesamten Missionskosten, und DIE koennten, wenn man mit einer Ares V starten kann, sogar geringer sein.

    Sich jetzt zu freuen, ist vielleicht etwas zu kurz gedacht und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ein fall von “zu früh gefreut”.

  19. @Michael Khan

    Von “Freude” oder gar Schadenfreude soll auch nicht die Rede sein. Die Emotionen seien lieber den Fans der Raumfahrt überlassen. Es geht um eine rationale Bewertung von Kosten und Nutzen. Die wurde nun endlich einmal gemacht.

    Ich begrüße allerdings die Möglichkeiten, die die Abkehr von den bemannten Landeplänen für die Wissenschaft eröffnet.

    Zum Thema ISS bleibt schließlich zu sagen, dass sie ihrem Anspruch als Wissenschaftsplattform für die gesamte Menschheit bislang kaum nachgekommen ist. Bislang ging es hauptsächlich darum, die aufzubauen und am Leben zu erhalten. Nun ist sie aber da, und es wäre töricht, jetzt, da sie auch für die Wissenschaft immer nutzbarer wird, schon ihr Ende einzuläuten.

  20. @Jan

    Ich habe lediglich dargelegt, welchen Vorteil das Vorhandensein der Constellation-Infrastruktur auch für diverse unbemannte Missionen hätte, und im Umkehrschluß, was der unbemannten Raumfahrt entgeht, wenn man diese Infrastruktur nicht zur Verfügung hat.

    Das hat mit Emotion wenig zu tun, es ist eine nüchterne Betrachtung.

    Gleiches gilt übrigens auch für orbitale Teleskope. Wenn man dank einem stärkeren und groeßeren Startvehikel (Der Durchmesser der Nutzlastverkleidung ist ein kritischer Parameter) das Teleskop solider bauen kann und nicht filigrane und komplexe Entfaltungsmechnismen braucht, dann ermoeglich das ganz andere Leistungsklassen. Denkbar wäre auch ein mit einer Ares V gestartetes Array im L2. Auch wieder ein Beispiel, wo die Wissenschaft sehr wohl profitiert hätte.

    Das Gespenst von der angeblichen Einstellung der ISS wird gern beschworen. Ist das wahrscheinlich? Wurde schon einmal ein funktionierendes, aufgebautes System solcher Groeße vorzeitig eingestellt? Warum soillte das bei der ISS so sein? Das Gerede ist nur der übliche Theaterdonner, die Mittel hätten sich finden lassen.

    Kritisch sieht es allerdings mit dem abzusehenden Nachfolger der ISS aus, dessen Notwendigkeit jetzt schon abzusehen ist. Wie kriegt man den ins Orbit, ohne dass der Aufbau wieder eine Hundert-Milliarden-Veranstaltung über mehr als ein Jahrzehnt hinweg wird?

    Das sind ganz konkrete Fragen, auf die ich in Abwesenheit einer Schwerlastrakete und ohne konkrete Pläne zum Bau einer solchen keine Antwort weiß.

    Hoffentlich wissen diejenigen, die behaupten, dass die Einstellung der bemannten Mondpläne, also des Constellation-Programms der Wissenschaft neue Chancen eroeffnet, die Antwort auf diese Fragen. Falls nämlich nicht, weiß ich nicht, worauf sich deren Optimismus begründet.

    Ich sehe es genau andersherum. Die Einstellung des Programms Constellation macht viele Chancen für Wissenschaft im Weltraum, die gleichzeitig anspruchsvoller und preiswerter als das ist, was mit verfügbarem technischen Niveau denkbar ist, auf absehbare Zeit zunichte. Darüber freue zumindest ich – als großer Anhänger auch der unbemannten Erforschung des Weltraums – mich nun gar nicht.

  21. @Michael

    Ich denke, ich verstehe Deinen Punkt. Nur teile ich nicht den Pessimismus, dass das nun alles gleich das Ende der US-Weltraumambitionen sein muss. Wie Daniel Fischer schon sagte: Warten wir doch erst einmal die Konkretisierung der Pläne ab!

  22. Bestürzung

    Ich sehe mit Freude, dass sich hier eine rege Diskussion entwickelt. Nur ganz kurz, muss dann gleich für den Rest des Tages weg, zu Daniel Fischers “Bestürzung”:

    Sechs Milliarden Dollar mehr (insgesamt) für die NASA in den nächsten sechs Jahren: Stimmt. Aber wofür wird dieses Geld ausgegeben? 1-2 Milliarden kostet alleine die Stornierung des Constellation-Projektes und die Schließung von Anlagen wie beispielsweise die am Kennedy Space Center. Heerscharen von Juristen und Kaufleuten werden jetzt erst einmal ausschwärmen um mit den hunderten von Unterauftragnehmern die finanziellen Bedingungen der abgebrochenen Verträge auszuhandeln.

    Eine Milliarde erhalten die Russen, damit pro Jahr überhaupt noch eine handvoll amerikanischen Astronauten in den Weltraum kommen (Anstatt etwa 30-40 wie bisher).

    Mindestens 500 Millionen wird die Luftfahrtforschung erhalten. Vollkommen zu Recht übrigens, denn sie wurde in den letzten Jahren wegen des chronisch unterfinanzierten Constellation-Programms permanent kannibalisiert.

    Der Rest landet, hoffentlich, bei den privaten Unternehmen. Wer meine Blogs verfolgt, weiß, dass ich ein unbedingter Befürworter der privaten Raumfahrt bin, vor allem sympathisiere ich hier mit der Bastlerecke der Armadillos, Masten Space und anderen. Aber das Schaffen einer Transportleistung für den niedrigen Erdorbit ersetzt doch kein übergeordnetes Programm

    Diese Transportleistung der Privaten, wenn sie denn in etlichen Jahren bereit steht, wird bei weitem nicht den von Daniel Fischer geschmähten Apollo 2.0 – Standard erreichen. Auch nicht Apollo 1.0 Standard, denn diese Vehikel – wenn sie denn in fünf oder sieben Jahren bemannt zum Einsatz kommen – sind, anders als Orion und seinerzeit Apollo, nicht in der Lage in den tieferen Weltraum zu fliegen oder von dort zurückzukommen. Technologisch also eher Gemini 2.0., oder in etwa so gut wie die Sojus, die seit 1967 fliegt (Eigentlich noch nicht einmal so gut wie die, denn auch die Sojus ist mondflugfähig ausgelegt).

    Die Privaten sind – soweit es bemannte Systeme betrifft – allesamt noch in der Powerpoint-Phase, wie dieses Konzept http://www.flightglobal.com/…v%20hires%2005b.jpg einer verkleinerten Orion-Kapsel zeigt, an dem Bigelow Aerospace und Boeing gerade arbeiten.

    Orion dagegen war schon auf einem guten Weg, die Konzeption stand und das Projekt war bereits in einer detaillierten Erprobungsphase. Im letzten Jahr fand ein beeindruckender Test eines alternativen Startabbruchsystems statt, in wenigen Wochen wäre das primäre Rettungssystem in New Mexico getestet worden.

    Ganz generell übrigens noch zu Jan Hattenbachs Argument, denn ich habe das auch in der Vergangenheit erlebt: Mittelkürzungen bei der bemannten Raumfahrt bedeuten nicht automatisch Mittelaufbau bei der unbemannten Raumfahrt. Die beiden Bereiche liefen in der Vergangenheit immer schön parallel nach oben oder nach unten.

  23. @Jan

    Gut, du teilst meinen pesimismus nicht, ich dagegen teile deine Freude nicht. Einverstanden? 🙂

    Meine Punkte in Bezug auf die dibersen Einsatzmoeglichkeiten einer Ares V halte ich aufrecht, solange bis mir jemand beweist, dass ich damit falsch liege.

  24. @Eugen Reichl

    Velen Dank für ein paar harte Zahlen, Daten und Fakten.

    Und vielen Dank für diesen Hinweis:

    >Mittelkürzungen bei der bemannten
    >Raumfahrt bedeuten nicht automatisch
    >Mittelaufbau bei der unbemannten
    >Raumfahrt. Die beiden Bereiche liefen
    >in der Vergangenheit immer schön
    >parallel nach oben oder nach unten.

    Das ist nämlich genau der Punkt. Raumfahrt (und generell Forschungs-) Ausgaben sind kein Nullsummenspiel, weil man schon an der Grenze des vorhandenen Kapitals angekommen ist. Die Annahme, die Streichung der sicher nicht billigen bemannten Raumfahrt würde zu in großem Maße Mittel für die unbemannte Weltraumforschung freisetzen, erfüllt sich nicht.

    Ohne Leuchtturm generell weniger Geld für die Forschung. Das sieht man sehr schoen in Europa.

  25. @Michael

    Einverstanden 🙂 (wobei ich micht nicht von “Freude” gesprochen habe, sondern von Erleichterung, aber das wäre jetzt ein wenig Haarspalterei)

    Deine Bedenken bezüglich der Trägerrakete teile ich inzwischen (da hat mir die Diskussion schon etwas gebracht). Warten wir, wie gesagt, mal ab was da noch kommt…

  26. Kein Einfluss auf das Geschehen?

    “Ich zumindest habe keinerlei Einfluss auf den Ausgang des Geschehens”, sagt Michael Khan – ja, warum eigentlich nicht? Einer der interessantesten – aber hier bislang unter den Teppich gefallenen – Aspekte des NASA-Richtungswechsels ist m.E. die künftig viel stärkere Einbeziehung ausländischer Partner auch in kritischen Bereichen, und das hat zumindest den DLR-Chef bereits überzeugt: “[E]s zeigte sich erneut, dass die USA wirklich bereit sind, bei zukünftigen Missionen Deutschland und Europa den Platz eines Partners einzuräumen.” Wenn dem so ist, dann sollte doch wohl gerade die ESA ein Wörtchen, wenn nicht zwei, mitzureden haben, oder? Und irgendwie um 2030 aus dem LEO raus will man doch auch auf dieser Seite des Atlantiks, wenn ich mich da vage an ein gewisses Aurora-Programm erinnere …

  27. @Michael Khan: Nochmal Virgin Galactic

    Sorry, ich komm erst jetzt wieder zum Lesen der Kommentare.

    Ich wollte zu meiner Ehrenrettung nur feststellen, dass ich weiß, dass Branson Europäer ist. Trotzdem zieht er sein Raumfahrtgeschäft in den USA auf, aus gutem Grund. Ich weiß auch, dass Virgin Galactic eigentlich keine Raumfahrt ist und hier in den Kommentaren von weit schwergewichtigeren Technologien gesprochen wird. Aber als Marketing-Mensch begeistert mich, wie Richard Branson mit Virgin Galactic einen Traum verkauft, um so positive PR für die Raumfahrt zu machen (man schaue zum Beispiel hier: http://www.sonja-rohde.de/ Hat die ESA eine Astronautin mit einer so positiven Ausstrahlung?). Wie die Flüge zur ISS ist sein Konzept eine gute Methode, um an privates Geld heranzukommen und er wird schon irgendwas im nächsten Schritt daraus machen, vielleicht echte Orbitalflüge anbieten. Das kommt dann schon.

    Klar, private Unternehmen werden sicher nicht mehr leisten können, als Agenturen. Umgekehrt wird aber ein Schuh daraus: Warum sollten Agenturen etwas machen, was auch private können? Agenturen sollen sich große Ziele setzen. Da sind wir uns wohl einig. Das ist ja in anderen Forschungsbereichen auch so. Private Vereine betreiben Sternwarten mit Teleskopöffnungen, die früher die Spitze der Forschung waren. Dafür stehen die großen Teleskope heute bei der ESO &Co. Es gibt private Krankenhäuser mit Kernspintomographen, die großen Supraleiter stehen aber am CERN und so soll auch die NASA eben die richtig dicken Raketen bauen, die Branson&Co. (noch nicht) stemmen können.

    @Jan: Soso, Du wettest dagegen. Vielleicht sollte man via Kosmologs wirklich eine Art Wettbüro aufmachen, in dem wir unsere Raumfahrtprognosen in Form spaßiger Wetteinsätze verbindlich(!) für die nächsten Jahre abgeben. Ich bleibe dabei: Ich werde einen Menschen auf dem Mars landen sehen! (Und die Wiederkehr von Halleys Komet erleben)

  28. Ein paar Schnipsel…

    Netter „Quote“ aus den USA: „Das einzige bemannte Raumfahrtsystem, das Obama nicht storniert hat, ist die russische Sojus“.

    Hier http://www.nytimes.com/…010/02/01/us/budget.html eine nette Grafik für diejenigen, die glauben, wenn man nur genügend in der Raumfahrt einspart, dann stehen alle Geldmittel zur Rettung des Planeten zur Verfügung. Der Haushaltsentwurfs des Weißen Hauses für das US-Staatsbudget 2011. Die NASA zu finden bedarf einigen Suchaufwandes, deshalb ein kleiner Tip: In der rechten unteren Ecke gucken. Die NASA nimmt hier insgesamt drei Positionen ein und die Rubrik „Space Operations“ ist dabei am leichtesten zu finden, denn die ist – dem Anlass angepasst – in prägnantem Tiefrot gehalten.

    Noch ein Gedanke: Er stammt von Ed Kyle, einem bekannten US-Raumfahrtblogger. Ich gebe ihn hier wörtlich wieder:

    “After watching Mr. Bolden today, my fear is that Congress is going to end up giving NASA even less money than requested by Obama. Constellation is a goner. Now, NASA has to worry about how much R&D funding Congress will cut from its sadly ill-defined program, how long Congress will support ISS, etc.. Since NASA isn’t going to the Moon, after all, there must be some extra money in there that Congresspeople can get at for their own purposes”.

    Dann hätten wir hier, von einem anderen US-Blogger, eine bittere Parodie auf John F. Kennedys berühmte Mondrede:

    “We choose not to go to the moon. We choose not to go to the moon in this lifetime and not do the other things, because they aren’t going as well as we hoped, and because my party’s base doesn’t believe in it. Because not having that goal will serve to disorganize and disperse the best of our energies and skills, because that challenge is one that we are not willing to accept, one we are willing to postpone, and one which we intend to let other countries surpass us on, and the others, too”.

    Noch bitterer, aber ein echtes kleines Kunstwerk ist dieser „Bericht aus dem Constellation Bunker”: http://www.youtube.com/…;feature=player_embedded

  29. @Stefan Taube

    Ehrenrettung ist nicht noetig, ich hatte schon verstanden, wie es gemeint ist und auch einen Smiley and meine Antwort gesetzt.

    Dass solche Aufgaben von Privaten übernommen werden sollte, die die mittlerweile besser machen kkoennen, hatte ich auch geschrieben, also gibt es da keinen Widerspruch.

    Die Frage ist allerdings, ob das bei Missionen zum Mond und weiter auch schon zutrifft. Ich bin sehr dafür die Privaten das Feld der diversen bemannten Anwendungen im LEO beackern zu lassen, was nicht nur Tourismus, sondern auch Wissenschaft beinhalten kann.

    Ich koennte mir beispielsweise vorstellen, dass ein großes Pharmauntermehmen sich mittelfristig eine eigene Raumstation leistet, um dort ihre eigene Forschung zu betreiben, wann und wie sie das will. Warum nicht?

    Aber es ist doch nicht so, dass Constellation das verhindert hätte. Im Gegenteil, wenn private Unternehmen die Startkosten um Groeßenordnungen senken koennen, dann werden sie es tun, ob es Constellation gibt oder nicht.

    Wenn es aber so ist, dass Raketenbau mittlerweile eine ausgereifte Technik ist, und wenn dieselben physikalischen Gesetzmäßigkeiten für private wie für staatliche Betreiber gelten (ich weiß ja nicht, vielleicht ändert die FDP hieran etwas), dann wird es ihnen nicht gelingen, auf der basis bestehenden physikalischen Wissens wirklich dramatische Verbesserungen zu erreichen, solange, bis der nächste Sprung im physikalischen Wissen erfolgt sein wird, wovon allerdings wieder alle profitieren.

    Wie auch immer, wenn die Privaten wirklich das Gleiche für sehr viel weniger Kosten leisten koennen, dann wird sie nichts und niemand daran hindern.

  30. Raumfahrt

    Vielleicht ist es endlich an der Zeit, dass sich die Raumfahrenden Nationen zusammentun und und die Erforschung des Weltalls und der Planeten gemeinsm in Angriff nehmen. Alles andere ist wahrlich vergeudete Zeit und vergeudetes Geld. Keiner kann die Kosten für ein solch gewaltiges Unternehmen allein tragen. Ich denke, die militärischen Weltraumambitionen sollten gänzlich eingestellt werden. Niemand braucht einen Krieg der Sterne. Die ISS ist ein guter Anfang, da weitermachen.

  31. @Melanie B

    Raumfahrt wird nicht nur betrieben, damit das Weltall erforscht wird. Sie wird auch deswegen betrieben, weil sie einen technologischen Motor darstellt.

    Da kommt es schon erheblich darauf an, ob eine Nation oder eine andere von dem gewonnenen technischen Fortschritt profitiert.

    Beispielsweise konkurrieren alle Nationen um die besten und klügsten jungen Leute. Die gehen von den Nationen weg, die nicht ausreichend in den technischen Fortschritt investieren, und lassen sich in den Nationen nieder, die eine innovative und offensive Bildungs- und Forschungspolitik betreiben.

    Dass sich keine Nation mehr solche Programme leisten kann, stimmt überhaupt nicht. Die Kosten sind verglichen mit anderen Ausgaben nicht hoch. Die USA, Europa, China, und bald vielleicht auch Indien und Russland, koennten sich sehr wohl eigene Explorationsprogramme leisten.

    So wird es auch kommen. Wer nicht will, bleibt halt zurück.

  32. Es ist ein Trauerspiel. das ein Land wie die USA lieber Milliarden in ihre Kriege steckt, als in die friedliche Weltraumforschung. Und das bei den Demokraten, deren Präsident Kennedy einst zum bemannten Fkug zum Mond aufrief. Welche Schäden dadurch langfristig entstehen, ist momentan noch gar nicht absehbar.

    Das Ganze erinnert ein wenig an die Nach-APOLLO-Ära, als es außer den damals noch nebulösen Shuttle-Plänen und SKYLAB nichts mehr gab und viele fähige Leute in die Wüste geschickt wurden.

    Diesen Flurschaden, der hier gerade angerichtet wird, wird die bemannte Raumfahrt der USA auf Jahrzehnte hinaus zurück werfen. Die Hoffnung vieler an eine bemannte Marsmission oder auch die Wiederaufnahme der Mondflüge ist damit zerstört.

    Wenn sich einer der Nachfolger Obamas vielleicht dereinst dazu entschließen würde, doch wieder bemannte Raumfahrt zu betreiben, wird das sehr sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich werden.

    Ein Rückblick auf alte Tugenden muss ja nicht falsch sein. Aber offenbar will Obama sein Land mit Gewalt in den Rückschritt zwingen. Im Krieg werden andere Kulturen in die Steinzeit zurückgebombt, Obama macht das durch Haushaltsbeschlüsse …

    Dann muss man sich über die deutsche Technologiefeindlichkeit auch keine Gedanken mehr zu machen, wenn selbst die USA auf technologische Weiterentwicklungen verzichen …

  33. @Manfred Holl

    Man sollte es auch nicht überdramatisieren. Die USA betreiben ja weiterhin bemannte Raumfahrt. Sie haben sich allerdings bis auf Weiteres aus der bemannten planetaren Forschung verabschiedet und den Anspruch auf alles, was über das LEO hinausgeht, in die unbestimmte Zukunft verschoben.

    Aber wir sollten schon vorsichtig sein, wenn wir uns darüber beschweren. Was machen wir denn in Europa, immerhin der groeßten Volkswirtschaft der Welt? Das US-Raumfahrtbudget ist doch immer noch ein Mehrfaches der gesamten europäischen Raumfahrtausgaben (ESA und nationale Programme), und deren Budget steigt sogar noch, wohingegen unsere eingefroren bleiben.

    Wenn wir irgendjemanden kritisieren wollen, sollten wir es schon besser machen. Ansonsten wird Kritik leicht zum Bumerang….

    Und: natürlich muss man sich über die deutsche Technologiefeindlichkeit (oder besser “Indifferenz”, denn wir meinen anscheinend wirklich, unser Wohlstand bleibe erhalten, selbst wenn wir uns nicht dafür interessieren und auch nicht genug in Bildung und Forschung investieren) Sorgen machen.

    Egal, was die USA machen, auch wir stehen in direkter Konkurrenz mit den kommenden Riesen der Weltwirtschaft. Ich moechte nicht, dass Deutschland und Europa weit abgeschlagen bloße Satelliten Chinas werden, sondern ich wünsche uns einen Platz am Tisch der Welt, als Gleicher unter Gleichen.

    Nur, vom Wünschen und Fordern allein kommt das nicht, sondern man muss etwas dafür machen.

  34. @Melanie B

    Nur kurz zum Thema militärische Raumfahrt. Ich stelle häufig fest, dass das in der Öffentlichkeit ein wenig überschätzt wird. Ronald Reagans Krieg der Sterne hat nie stattgefunden. In der Praxis kommen – vor allem bei den Amerikanern und Russen – Abhör- und Beobachtungssatelliten zum Einsatz, leistungsfähige Sensoren, mit denen Raketenstarts auf der Erde festgestellt werden können und vor allem Nachrichtensatelliten die sich von kommerziellen Vehikeln dieser Art eigentlich nur dadurch unterscheiden, dass einige Kanäle verschlüsselt sind und der Eigentümer nicht Intelsat, Inmarsat oder Eutelsat heißt, sondern Bundeswehr, US-Airforce oder VKS. Manche dieser “militärischen” Produkte werden auch durchaus friedlich von uns allen genutzt, denken wir nur an GPS und Glonass oder wenn wir über den SatCom Bw mit einem Bundeswehrangehörigen in Afghanistan sprechen.

    Was die ISS betrifft: Der organisatorische Aspekt, vor allem in den frühen Phasen des Projektes, ist sicher nicht gerade vorbildlich gelaufen. Vorbildlich ist aber das Zusammenwirken vieler Nationen für ein gemeinsames Ziel. Allein dafür hätte sich die Internationale Raumstation gelohnt.

    Ich selber, da steh ich aber vielleicht alleine auf weiter Flur, bin aber durchaus auch Anhänger einer gewissen sportlichen Rivalität in der Raumfahrt. Meiner Ansicht nach ist das der Kreativität förderlich. Vor allem werden dann auch straffe Zeitpläne aufgestellt und halbwegs eingehalten. Und das wirkt sich wieder unmittelbar auf die Kosten aus.

  35. @ Michael Khan

    Da gebe ich Ihnen durchaus recht. Allerdings hat die bemannte Raumfahrt in den USA auch einen ganz anderen Stellenwert als hier in Europa.

    Ohne die MERCURY-, GEMINI- und APOLLO-Missionen der USA hätte es auch kaum eine eigenständige Entwicklung in Europa gegeben. Das hat teilweise auch historische Gründe, ganz klar, doch erste zaghafte Bemühungen seitens der Europäer gab es erst in den spätern 60er Jahre Versuche, eigenständig ins All zu kommen.

    Der Motor für die Eigenständigkeit kam damals aus den USA (wenn es dort auch in ertser Linie Europäer waren, die die rasante Entwicklung erst ermöglichten). Und nun soll dieser Motor abgewürgt werden. Zwar wird es dem Vernehmen nach wohl weiterhin eine bemannte Raumfahrt mit russischen Raketen geben, spätestens wenn die Shuttles endgültig außer Dienst gestellt werden. Aber was dann?

    Dass die momentan so hochgehaltene internationale Beteiligung wirklich so funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Denn nach den Amerikanern sind nur die Russen in der Lage sind, entsprechende Kapazitäten zur ISS zu bringen. Auf Dauer kann das aber keine Lösung sein. Und nichts ärgert die Amerikaner auf Dauer mehr, als von anderen abhängig zu sein.

    Wir werden die kommenden Wochen abwarten müssen, ob der Haushaltsplanentwurf denn auch wirklich in der vorliegenden Form genehmigt wird.

    Wenn ja, dann dürfte man davon ausgehen, dass in den kommenden Jahren trotz Budgeterhöhung versucht wird,den Etat wieder herunterzufahren. Schließlich muss man ja auch noch diverse Kriege und die (in meinen Augen aber auch sinnvolle) Gesundheitsreform in den USA finanzieren.

    Die Folgen beim Ausstieg aus weiten Teilen der bemannte Raumfahrt sind m.E. noch nicht einmal im Ansatz abzusehen. Denn wer sagt denn, das es bei einer weiteren Förderung der ISS und der unbemannten Raumfahrt bleibt, wenn wieder mal Geld fehlt? Man kann Dinge auch stückweise finanziell so lange trocken legen, bis nicht mehr übrig bleibt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ihr

    Manfred Holl

  36. @Manfred Holl

    Im Beitrag von Manfred Holl sind gleich mehrere wichtige Punkte angesprochen worden:

    1. Am Ende kann es gut sein, dass die NASA noch weniger Geld bekommt, als der gegenwärtige Haushaltsentwurf des Weißen Hauses vorsieht. Schließlich hat sie jetzt keine Aufgabe mehr sondern verwaltet nur noch ein Sammelsurium kleiner Technologievorhaben. Die können zur leichten Beute für Abgeordnete werden, die im Haushalt nach Geld für eigenen Zwecke suchen.

    2. Der “Antreiber” ist weg. Speziell die europäische Weltraumbehörde kann sich jetzt hinter dem Argument verstecken: “Wenn selbst die Amerikaner ihre Mond- und Mars-Initiative aufgeben, warum sollten dann wir etwas in diese Richtung unternehmen?”.

    3. Nur die Russen können ab dem Ende dieses Jahres noch die ISS anfliegen. Das treibt schon jetzt die Preise steil nach oben.

    4. Was ist, wenn das Sojus-System aus irgendeinem Grund “gegrounded” ist? Man stelle sich nur vor, es ereignet sich ein Großbrand in den Werken von Energia oder Samara. Oder in Baikonur. Oder es kommt zu einem schwerwiegenderen Fertigungsproblem. Die Produktion der Sojus ist derzeit “auf Kante genäht”. An diesen Raumfahrzeugen ist kaum die Farbe trocken, wenn die zum Startplatz kommen. Die Sojus ist jetzt das einzige Raumfahrzeug, das Besatzungen zur ISS bringen kann. Wenn damit etwas schiefgeht, dann ist ein 100 Milliarden-Investment in Gefahr.

    5. Und sollte erstmal die ISS aufgegeben werden, dann bräuchte man auch die Sojus nicht mehr.

  37. @Manfred Holl

    Solange, bis das private Unternehmen Space X seine Falcon 9 und sein Raumschiff Dragon noch nicht zur Einsatzreife gebracht haben, werden nur Russland und China am Ende dieses Jahres, wenn die Shuttles nicht mehr fliegen, bemannte Raumfahrt betreiben.

    Wenn der Dragon fliegt, haben die USA wieder eigenen bemannten Zugang zum niedrigen Erdorbit, aber auch nicht mehr als das.

    Die Europäer sollten endlich mal was machen, sonst ist Europa nicht einmal die vierte, sondern vielleicht nach Indern und vielleicht auch noch nach den Japanern erst die fünfte oder sechste Nation, die ihre eigenen Astronauten selbst ins Weltall befoerdern kann.

    Eine wirkliche Ausrede, nicht aktiv zu werden, haben die Europäer nicht. Eigentlich haben sie schon fast alles, dessen es bedarf.

    http://www.kosmologs.de/…09-05-31/esa_raumschiff

    Außer dem politischen Willen.

    Bevor also wir Europäer allzu vollmundig an den USA herumkritisieren – und DAS (Herumkritisieren) ist nun wirklich so ziemlich eine der wenigen Sachen, in denen wir absolute Weltklasse sind! – sollten wir Schnarchsäcke uns mal an die eigene Nase fassen.

    Wenn wir unsern Laden hier in Ordnung haben, ist zum Kritisieren immer noch Zeit.

    Für die Bibelfesten unter uns bietet sich an: Matthäus 7, 3.

  38. @Michael Khan: Europa ist keine Nation

    … und vielleicht ist das ja das Problem, wenn ich das mal so ketzerisch fragen darf? Wäre ein nationales Raumfahrtprogramm mit ausgesuchten internationalen Partnern schon längst weiter?

    Ich bin ja kein ESA-Insider, aber die Frage drängt sich schon auf: Wer beschleunigt und wer bremst eigentlich in diesem Vielstaatenverein. Herr Wörner vom DLR macht auf mich jedenfalls den Eindruck, als wollte er am liebsten persönlich auf den Mond 😉

  39. @Astra

    Zu Ihrem Punkt 2:

    Der “Antreiber” fehlt in der Tat. Das ist ein Novum in der Geschichte der NASA. Bis jetzt war immer ein großes Leuchtturmprojekt da, übar das sich die NASA, das Raumfahrtprogramm der USA und nicht zuletzt auch die USA selbst definierten: Apollo, das Shuttle, dann die Raumstation.

    Was die Ausrede für die Europäer angeht, teile ich Ihre Ansicht nicht …. in Europa sind wir mittlerweile so weit, dass es keiner Ausrede für das Nichtstun, für das Vergeben von Chancen und fuer das Nicht-Ergreifen der Initiative bedarf, denn solche Erwartungen hegt schon niemand mehr.

    Eine Ausrede braucht man hoechstens, wenn man mal die Initiative ergreift und feststellt, dass man damit einen ganzen Haufen Bedenkenträger aus dem Tiefschlaf geweckt hat.

    Zu Punkt 5.:

    Vielleicht wird die Sojus ohne die ISS wirklich überflüssig, vielleicht aber auch nicht. Zuallererst wird natürlich die Progress überflüssig. Solange, wie aber die Dragon noch nicht fliegt und auch noch nicht bewiesen hat, dass sie überhaupt so sicher und zuverlässig ist wie die Sojus, haben die Russen nach meinem Dafürhalten gar nicht so schlechte Chancen, im Geschäft zu bleiben. Nur koennte ihr Kunde dann Bigelow heißen.

  40. @Stefan Taube

    > Ich bin ja kein ESA-Insider, aber die
    > Frage drängt sich schon auf: Wer
    > beschleunigt und wer bremst eigentlich
    > in diesem Vielstaatenverein.

    Das predige ich immer wieder. Was hier bremst, ist Kleinstaaterei. Keine europäische Nation ist allein groß genug, um gegen die großen anzustinken. Das gilt in der Wirtschaft ebenso wie in der Raumfahrt. Deswegen gibt es ja auch die EU.

    Wenn man nun aber eine ESA hat, dann sollten die großen Mitgliedsnationen sich nicht nebenbei noch eigene Raumfahrtagenturen leisten, die mal mit den Amerikanern, mal mit der ESA, mal allein, mal gegen die ESA agieren.

    Allein ist jeder deutlich unter der kritischen Masse, die man braucht, um große Projekte durchzuziehen. Mit großen projekten meine ich nicht nur bemannte, die wir technologisch sehr wohl heben koennten, sondern auch große unbemannte Projekte. Das Trauerspiel um die Finanzierung des ESA-Mars-Rovers ExoMars spricht da eine deutliche Sprache.

    Die kleinen Projekte, die man schafft, interessieren aber nicht wirklich, deswegen wird man nicht wahrgenommen und bleibt klein.

    Aber natürlich will kein Politiker eines Nationalstaats die nationale Raumfahrtagentur aufgegeben sehen. Deswegen bleibt alles beim Alten.

  41. @ Astra

    Die Methode, Projekte und Vorhaben durch finanzielle Austrocknung peu a peu zu beerdigen, wenn man es anders nicht schafft, ist nicht aktiziert. Meist gibt es dann andere politische Vorgaben und wenn erst ein Teil weg ist, kommt meist der Rest hinterher.

    Zwar kriegt die NASA mehr und wird bei der unbemannten Raumfahrt noch einige Zeit die Nase vorn haben. Aber wenn da was passiert, ein Instrumententräger verloren geht, wird es garantiert Politiker geben, die das als Geldverschwendung sehen und kürzen wollen. Ein Teufelskreis, in den sich Obama ganz alleine hineinmanövriert.

  42. Wohin die Reise gehen wird …

    … werden wir am 24./25. Februar auf Anhörungen des US-Kongresses von der NASA erfahren – und der NASA-Chef hat’s gerade schon mal verraten: Fernziel bleibt (wie übrigens auch im Augustine-Report konstatiert) eine bemannte Marslandung. Und die hält Bolden bereits für 2030 oder kurz danach für möglich, wenn es besonders günstige Startfenster gibt: Auch bei der ESA und selbst in Indien, wie ich gerade höre, schielt man darauf.

    Bei den Hearings sollen auch die ganzen Detailzahlen zum FY2011-Haushalt vorgelegt werden, die am 1.2. fehlten – der Grund war offenbar, dass der neue Kurs der NASA erst wenige Tage vorher festgelegt worden war. Also *ich* finde das alles wesentlich spannender als noch eine Fortschreibung der angestaubten Constellation. Und sehe auch dem ersten Falcon-9-Start (mutmaßlich im März) mit leicht erhöhtem Blutdruck entgegen …

  43. Angestaubt?

    Also, egal wohin man will, sofern man bemannt dorthin will: Man braucht zuerst einmal zweierlei: Ein Raumschiff, das für mehr geeignet ist als für Flüge ins LEO und zurück und eine große Rakete, mit der man ordentliche Nutzlasten starten kann: als Anhaltspunkt kann man da die Nutzmassen nehmen, die man für eine bemannte Mission zum Mond braucht, mindestens 50, eher 70 Tonnen in den Mondtransfer, woraus sich dann so 150-200 Tonnen im LEO ergeben.

    Mit so einer Rakete und so einem Raumschiff und noch weiterer Hardware – beispielsweise einer Mondlandemodul für Missionen zum Mond oder einem Habitat von etwa der Größe des Columbus-Moduls an der ISS mit eventuell noch einer weiteren Antriebsstufe lassen sich schon eine ganze Menge Missionen machen, solche zum Mond und solche zu einem ganzen Haufen Asteroiden, d.h., durchaus schon interplanetar.

    Wennman zum Mars will und wieder zurück, reicht das natürlich nicht, aber mit der Startkapazität könnte man mit einer überschaubaren Anzahl Starts ein komplettes Marsschiff im LEO zusammenbauen.

    Die obige Beschreibung der Großrakete passt schon ganz gut zur Ares V. Das bemannte Raumschiff beschreibt ganz gut die Orion.

    Also, was soll’s? Warum nicht ganz einfach diese Sachen (weiter-)bauen und loslegen? Weil jemand das angestaubt finden könnte? Na wenn schon, ich habe nie gehört, dass in der Raumfahrt irgendwelche Schönheitspreise zu vergeben sind.

    Entweder man hat die nötige Hardware, mag sie den Ästheten gefallen oder nicht: Dann kann’s losgehen.

    Oder man hat sie nicht, dann bleibt man halt unten.

    Den Kommentar zu den Startfenstern verstehe ich nicht. Die unterscheidlichen Fenster unterscheiden sich, wenn man alles zusammennimmt (Hin- und Rückflug), gar nicht so wesentlich.

    Wenn das alles so auf Kante genäht ist, dass man wirklich nur in dem etwas besseren Startfenster hinkommt, dann sollte man es entweder gleich lassen – oder vielleicht noch einen Start mehr spendieren und damit ein Antriebsmodul mehr ans Raumschiff hängen.

    Also, wenn’s schon daran scheitert, dann ist eine Ankündigung von einer bemannten Marslandung in 20 Jahren so Ernst zu nehmen wie die vielen gleichlautenden aus den vergangenen 50 Jahren oder so, nämlich gar nicht.

  44. Wohin geht die Reise?

    Klar ist, dass die ganze Sache geradezu schrecklich dilettantisch verkauft worden ist. Und so was passiert den Amerikanern, den Schöpfern der modernen Public Relations. Charlie Bolden, verschreckt von den öffentlichen Reaktionen, ist schon kräftig am “zurückrudern”. Aber wenn er sagt, eine Landung auf dem Mars ist unter den Bedingungen wie sie jetzt mit dem neuen „Programm“ geschaffen werden sollen schon kurz nach 2030 möglich, dann glaubt er das selbst wahrscheinlich am allerwenigsten.

    Werfen wir einfach mal einen kurzen Blick auf einige der Haushaltszahlen für 2011 und die Planung der NASA bis 2015. Und sehen wir uns nur die größeren Sachen an.

    1. Einstellung des Constellation-Programms. Im Jahre 2011: 1.9 Milliarden $, 2012: 0,6 Milliarden $. Das kann man nun nicht gerade als Wertschöpfung bezeichnen und liegt noch um einiges über meinen ersten Schätzungen. Zweieinhalb Milliarden Dollar. Eine solche Menge Geld, nur um Leute zu entlassen, Verträge abzuwickeln und Anlagen stillzulegen. Da blutet einem das Herz.

    2. Deutlich mehr Geld als bisher bekommt Luftfahrtforschung und ein neues Ding, das den zeitgemäßen Titel “Green Aviation” trägt. In den kommenden fünf Jahren jeweils um die 600 Millionen Dollar. Das ist eine kräftige Erhöhung der bisherigen Budgets (gut 20 %) und dagegen kann man nicht anmeckern, dieser Bereich ist in den letzten Jahren wirklich schlimm kannibalisiert worden.

    3. Sonnenphysik erhält zwischen 2011 und 2015 im Schnitt 700 Millionen $ jährlich. Das ist in etwa der inflationsbereinigte Betrag der letzten Jahre. Nun gut, auch ein Freund der bemannten Raumfahrt wie ich muss zugeben: Das Geld ist gut angelegt. Unter anderem muss das Projekt der “Solar Probe” jetzt endlich mal losgetreten werden und so ein wichtiges Raumfahrzeug wie das Solar Dynamics Observatory, das morgen hoffentlich sicher in den Orbit kommt, kostet auch nicht grade einen Pappenstiel.

    4. Astrophysik wird auf schwächerem Level finanziert als bislang. Das ist ein wenig erstaunlich, denn momentan müssen da 15 laufende Missionen finanziert werden, NuSTAR steht an und Astro-H und vor allem das James Webb Telescope. Für all das gibt es im Schnitt der nächsten Jahre jeweils 1,1 Milliarden Dollar. Preisbereinigt sind das 20 Prozent weniger als 2009.

    5. Planetenwissenschaften legen zu, wenn auch nicht sensationell. Die Produktion von Plutonium 238 wird wieder aufgenommen (ich frage mich allerdings immer, warum es der NASA nicht möglich ist, hier die sicher immensen militärischen US-Bestände anzuzapfen). Derzeit müssen 11 laufende interplanetare Missionen finanziert werden und einiges kommt neu dazu. Außerdem erhält die Entwicklung des Stirling Radioisotopen-Generators endlich eine Finanzierung. Alles in allem gibt es jedes Jahr für all diese Dinge im Schnitt 1,6 Milliarden Dollar.

    6. Einen leichten Zuwachs gibt es für die Erd- und Klimaforschung. Derzeit gibt es 15 Raumfahrzeuge, die schon im Weltraum sind und betrieben werden müssen. Einiges soll neu dazu kommen. Für einen Absturz im letzten Jahr (OCO) gibt es Ersatz. Alles in allem im Schnitt 2 Milliarden Dollar jährlich mit nach oben steigender Kurve (2011: 1,8 Milliarden, 2015: 2,3 Milliarden).

    7. Komplett neu ist ein Titel namens “Space Technology”. Die Beschreibung der NASA für diesen Budgetitel ist so wischiwaschi, dass man mit Fug und Recht davon ausgehen kann, dass das einfach ein Platzhalter ist und man noch keine Ahnung hat, was man damit eigentlich machen will (Beispiel: enable far-term technologies, spawn game-changing innovations, include Small Business Innovative Research usw.). Geld gibt es aber dafür jede Menge: 2011: 572 Millionen Dollar, 2015 1,218 Milliarden.

    8. Sehr interessant ist der der “21st Century Launch Complex”. Hier erhalten die Kennedy Space Center Facilities im Schnitt 300 Millionen Dollar jährlich für…ja für was? Keine Ahnung. Auch hier sind die Beschreibungen ziemlicher Bullshit. Oder was soll man mit Bezeichnungen wie: Improvements to the effectiveness of the complex’s range, changes to the KSC perimeter, enhanced environmental cleanup und Ähnlichem anfangen? Und dafür 300 Millionen im Jahr. Jedes Jahr. Will die NASA einen Erholungspark draus machen oder doch eher ein Industriegelände?

    9. Auch der Space Shuttle bekommt 2011, das Jahr in dem er gar nicht mehr fliegt, noch eine ganze Milliarde Dollar. Und 2012 auch noch mal fast 100 Millonen. Das läuft unter “transition efforts”. Ich nehme mal an, der Sozialplan für die Workforce, die nun entlassen wird.

    10. Commercial crew und cargo. Erhält eigentlich viel zu wenig für das was man davon erwartet. Zwischen 812 Millionen (2011) und 1,400 Milliarden (2013). Im Jahr 2015 übrigens schon wieder weniger (1,2 Milliarden). Das Geld, mit dem die Industrie mindestens ein bemanntes Raumtransportsystem entwickeln soll, besser aber noch zwei. Viel ist das nicht.

    11. Nutzung der ISS. Zwischen 2,8 Milliarden im Jahre 2011 und 3,2 Milliarden im Jahre 2015. Was man mit diesem immensen Geld machen will, wenn man in diesem Zeitraum praktisch nichts an Material und Ausrüstung hinbringen kann, ist mir ein Rätsel. Allerdings muss die NASA den Russen einiges zahlen, dass ihre Astronauten jetzt mit der Sojus zur ISS transportiert werden. Und was der US-Steuerzahler wahrscheinlich nicht weiß: Die NASA muss den Russen auch dafür zahlen, damit sie die Europäer und Japaner zur ISS mitnehmen. Ein Resultat der Barter-Agreements. Aber auch dann bleibt noch jede Menge Geld übrig, das in wattigen Begriffen wie “increase Station capabilities through upgrades to both ground support and onboard systems”, “Support extension of lifetime of the ISS in concert with our international partners“ usw.) eingepackt ist.

    12. Robotic precursor Missions. Die werden jetzt als die Vorläufer des “Flexible Path” bezeichnet, sind aber mager finanziert. 2011 gibt es dafür ganze 125 Millionen Dollar. 2015 sollen es immerhin schon 923 sein. Wer aber weiß, wie viel eine wirklich anspruchsvolle unbemannte Mission kostet (denken wir hier in Europa nur mal an Herschel & Planck) der weiß, dass man sich damit keine Flotten neuer unbemannter Sonden leisten kann.

    13. Ein eigenartiger Titel ist “Heavy Lift and Propulsion R&D”. Hier soll zwischen 560 Millionen (2011) und 750 Millionen (2015) ausgegeben werden. Doch wofür? Die NASA fängt ja jetzt wieder mit Phase A-Studien an, und wo um alles in der Welt will man da nur für Antriebstechnik über eine halbe Milliarde ausgeben? Will sie 1000 Studien beauftragen? Nur für Antriebe von Schwerlasttransportern? Die Beschreibung dieses Budgettitels deutet aber darauf hin, dass sie auch nur ein Platzhalter ist. Alles ist sehr fluffig, da gibt es “new approaches to first-stage propulsion”, “Foundational propulsion research”, intra-governmental partnerships“ und ähnliches Geschwurbel.

    14. Für „Technology Demonstrations“ werden zwischen 652 Millionen (2011) und 2,1 Milliarden (2015) ausgegeben. Hier wird zwischen zwei Programmlinien unterschieden, den Flagship Demonstration Programs wie Orbit-Treibstofftransfer und Treibstofflagerung, aufblasbaren Raumstationsmodule, geschlossene Lebenserhaltungssysteme und ähnliches und den Enabling-Technologies, wie dem Vasimir-Antrieb und In-Situ-Ressourcennutzung auf Planeten und Monden. Nachdem zumindest ein Teil dieser Technologien für bemannte Systeme bestimmt sind, wäre es natürlich auch gut, die auch tatsächlich bemannt zu testen, was aber mangels bemannter Raumtransportsysteme bedauerlicherweise nicht möglich ist.

    Alles in allem macht dieses Budget den Eindruck eines hastig zusammengeschusterten Konstruktes, das zum großen Teil aus Platzhaltern besteht, die man vielleicht in absehbarer Zukunft mit Fleisch füllen will. Dabei hätte die NASA in dem halben Jahr, das seit der Bekanntgabe des Augustine-Reports vergangen ist, ohne weiteres einen sinnvollen und öffentlichkeitswirksamen Plan ausarbeiten können. Damit fängt sie aber offensichtlich erst jetzt an und will sich in den nächsten Monaten damit in der Öffentlichkeit melden.

    Alles in allem muss man sich wirklich fragen: Was zum Teufel ist eigentlich los mit diesem Laden?

  45. gemischte Gefühle

    Puuh, erstmal ordnen, war eine ganze Menge zu lesen.

    Ich träume schon immer davon, mal eine Mondlandung live zu sehen – und hoffe daß das geschehen wird, vielleicht sogar eine Marslandung. Die Voraussetzungen dafür sind momentan denkbar schlecht. Aber das will nichts heißen. Wir steuern auf dunkle Zeiten zu. Nicht nur, daß unser Wirtschaftssystem völlig aus dem Ruder gelaufen ist, nein, das größte Problem des 21. Jahrhunderts wartet in naher Zukunft auf uns. Die Nahrungsmittelkanppheit wird viele Pläne erstmal zunichte machen. Zwei der größten Getreideanbaugebiete der Welt werden in den nächsten 10 bis 20 Jahren (wieder) trocken fallen. Sowohl der Ogallala-Aquifer und der unter Nordchina sind bald leer. Als fossile Grundwasseraquifere haben sie die Eigenschaft, nicht aufgefüllt zu werden. Traditionell sind solche Trockengebiete durch ihre Schwarzerde besonders gut für Ackerbau geeignet. Wenn aber nicht schnell Technologien für Wassertransfer gefunden und errichtet werden, gibt es Hungersnöte, deren sich wohl kaum vergleichbare finden lassen.

    Egal, es wird einen Weg geben. Was ich mich in punkto Raumfahrt schon immer gefragt hab. Warum will man mit Retros zum Mars? Lange Flugzeit… Mit moderneren Triebwerken wäre das erheblich schneller möglich und würde auch die Kosten extrem senken.

    Was meiner Meinung nach auch fehlt, ist ein echter “Anreiz”. Vielen Menschen kann man den Reiz der Raumfahrt nicht vermitteln und ich denke besonders in unserem Land wird das immer schlimmer. Mit sinkendem Bildungsgrad wird es auch schwerer, Wissenschaft zu vermitteln.

    “Und: natürlich muss man sich über die deutsche Technologiefeindlichkeit (oder besser “Indifferenz”, denn wir meinen anscheinend wirklich, unser Wohlstand bleibe erhalten, selbst wenn wir uns nicht dafür interessieren und auch nicht genug in Bildung und Forschung investieren) Sorgen machen.”

    Das wird bei uns ein großes Problem. Dank unseren “Freunden” bei der FDP will man in Deutschland high-tech zu “low-loans” machen. Das wird nicht funktionieren. Der Bildungsstandart sinkt immer mehr – und da hat man das here Ziel, besonders in F&E Weltspitze zu bleiben. Wir Leben, was das angeht, schon sehr lange über unsere Verhältnisse und der Lebensstandard wird hierzulande mit Sicherheit steil nach unten gehen, wenn das so weitergeht. Da frag ich mich: Ist da überhaupt noch was da für echte Wissenschaft? Wenn die Welt nur noch von der Hand in den Mund lebt, ist da noch Platz für die Verwirklichung von Träumen? (Beispiel Indien: Da werden in den nächsten Jahren aufgrund sinkender Grundwasserspiegel an die 180 Millionen Menschen vom Hunger bedroht sein – das wird Gelder u.a. auch von Weltraumprojekten abziehen. Oder man riskiert einen Bürgerkrieg, wenn großflächig Menschen verhungern.)

    Auf der einen Seite machen wir große Fortschritte und Träume rücken in greifbare Nähe. Auch wenn die Parabelflüge von Virgin Galactic keine “echten” Raumflüge seien werden (so sie denn stattfinden, was ich inständig hoffe), so kann man sich für vergleichbare geringe Preise einen Hauch von Weltraum holen. Damit kann man Gelder akquirieren, um buchstäblich “höhere Ziele” zu erreichen. Andererseits stehen so viele, das Leben direkt betreffende Probleme im Raum, daß ich manchmal die Befürchtung habe, daß die Träume im Ringen um Macht und zum Teil auch Überleben zerschlagen werden.

    Was ist übrigens mit Alternativen zum Transport von Gütern in den Orbit? Da war mal was mit einem lasergestützen Startsystem oder die Variante, ein Raumschiff erst auf einer Magnetschwebebahn auf hohe Geschwindigkeiten zu beschleunigen. Ich nehme an, die sind auch dem Rotstift zum Opfer gefallen.

    Ein “Anreiz” wäre zum Beispiel der Nachweis außerirdischen Lebens. Den kann man auf verschiedenerlei Weise erbringen, oder zumindest es versuchen. Ich war begeistert, als eine unbemannte Mission zu Europa im Gespräch war oder von der Entdeckung von möglichem flüssigen Wasser auf Enceladus. Desweiteren kann man mit fernerkundlichen Methoden, also Spektralanalysen, Exoplaneten genauer Abbilden. Wenn es gelänge, ein Hochleistungsteleskop in den Orbit zu bringen (der Stichpunkt wurde bereits angesprochen), dann könnte man z.B. Planeten direkt abbilden. Mit entsprechender Auflösung wäre man in der Lage, die Oberfläche zu deuten. Abhängig von den Eigenschaften des Muttergestirns kann man abschätzen, was eine photosynthebetreibende Lebewelt für spektrale Eigenschaften besitzt. Vorausgesetzt man hat genug “Land” auf dem Bild, wäre das ein direkter Nachweis von Leben. Solch ein Ereignis, da bin ich mir sicher, wäre ein Anlaß, die Raumfahrt neu anzuheizen und auch Mittel dafür zu mobilisieren.

    Ich bitte um Verzeihung für den chaotischen Schreibstil – es ist etwas ungeordnet…

    dja mata – Daniel…

  46. Nachtrag

    Ich setze darauf, daß die Neugier des Menschen doch irgendwann siegen wird. Niemand ist zufrieden damit, etwas von fern zu sehen, das man selbst “anfassen” kann. Das spricht auch gegen die endgültige Festlegung auf Automaten zur Erforschung des Alls. Der Mensch geht selbst – schon immer.

  47. Gemischte Gefühle

    Das mit den „Träumen“ bringt es schon ziemlich auf den Punkt. Jede große wissenschaftliche Unternehmung, nicht nur das US-Raumfahrtprogramm braucht ein Ziel, auf das hin es sich ausrichten kann. Dieses Ziel muss Anreiz und Inspiration sein. In den USA, und sogar ein wenig hier in Europa, ist die Enttäuschung groß, dass Obama den Menschen dieses Ziel genommen hat. Aber abgesehen davon scheint es dem gesunden Menschenverstand einfach haarsträubend unvernünftig, alles was bisher geschaffen wurde wegzuwerfen und darauf zu hoffen, dass sich etwas Besseres dann schon irgendwie von selbst ergeben wird.

    Im übrigen beginnt jetzt der Kampf auf dem Capitol Hill. 29 Abgeordnete des Repräsentantenhauses haben einen Brief an NASA-Administrator Charlie Bolden geschrieben. Die Aussage: Der Budgetentwurf Obamas ist genau das. Ein Entwurf, ein Vorschlag, und mehr nicht. Die Abgeordneten warnen Bolden, jetzt schon irgendwelche irreversiblen Maßnahmen zu treffen, denn nicht Obama habe über den Haushalt zu entscheiden, sondern der Kongress. Und solange der Kongress nicht darüber abgestimmt hat, erwarten diese Abgeordneten, dass die Budgetmittel des Jahres 2010 so ausgegeben werden, als wäre das Constellation-Programm weiterhin in Kraft.

    Der Brief kann hier eingesehen werden: http://www.spaceref.com/news/viewsr.html?pid=33477

    Die Phase der Agonie, in der es weder vor noch zurück geht, ist damit wohl eingeläutet.

  48. Unterzeichner des Briefs an Bolden

    Die Liste der Unterzeichner des Briefs an NASA-Administrator C. Bolden ist interessant.

    http://www.spaceref.com/news/viewsr.html?pid=33477

    Unter den 27 Unterzeichnern sind 20 Republikaner und 7 Demokraten.

    Interessant ist die Aufteilung nach Staaten:

    12 aus Texas (Da ist das Johnson Space Center, das vorwiegend mit bemannter Raumfahrt befasst ist)

    7 aus Alabama (das ist das Marshall Space Center)

    2 aus Florida (Kennedy Space Center)

    2 aus Utah (Die Firma Thiokol, die die Booster herstellt)

    4 aus Ohio (Glenn), Louisiana (Michoud), Kalifornien und New Jersey

    Ist es zynisch, davon auszugehen, dass es eher die Sorge um die wirtschaftlichen Auswirkung auf den Heimatstaat als das gemeinsame Interesse an der führenden Rolle der USA in der Weltraumforschung ist, die Unterzeichner motivierte?

  49. Wer unterzeichnet?

    Einen ähnlichen Grundsatz hatte schon Walter von der Vogelweide vor 800 Jahren, als er meinte “Wes Brot ich ess, des Lied ich sing”. Seine Lieder sind noch heute bekannt, die Tatsäche, dass er ideell eher ein Weichei war, tut dagegen nach all der Zeit nichts mehr zur Sache.

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