That’s no moon: Kometen vs. Außerirdische

tldr: Einige Journalisten meinen, Astrophysiker hätten Außerirdische entdeckt. Tatsächlich haben sie etwas gefunden, was kein Planet ist. Und das kann Vieles sein.

(Bild: CC-BY-SA Rob Young/Wikimedia Commons)
(Bild: CC-BY-SA Rob Young/Wikimedia Commons)

Sternzeit 46125,3. Die Enterprise-D geht einem Notruf nach. Als sie Warpgeschwindigkeit verlässt, wird das Schiff durchgeschüttelt: Eine auf Sternkarten nicht verzeichnete Masse muss sich direkt in der Nähe befinden. Schnell findet die Crew den Grund für das Schwerefeld. – Es ist ein Stern, der von intelligenten Wesen von einer Kugel umgeben wurde, in einem Abstand von etwa einer astronomischen Einheit, dem Sonne-Erd-Abstand. Für Teleskope so gut wie unsichtbar, bietet der Stern den Erbauern auf der Innenseite der Sphäre eine fast unbegrenzte Energie- und Siedlungsfläche. Eine Dysonsphäre.

Mal vorweg: Wir bewegen uns tief im Bereich von Sciencefiction und Gedankenexperimenten. Aber auch von ganz praktischer Astronomie. Denn ein Paper von fast 20 Astronomen aus neun Ländern hat scheinbar etwas entdeckt, das eine Dysonsphäre sein könnte. Jedenfalls wird in verschiedenen Medien darüber spekuliert. Auch durchaus unseriös.

Dyson-Sphäre in ihrer wohl unmöglichen Bauform einer den Stern umschließenden Kugel (Bild: CC-BY-SA Bibi Saint-Pol/Wikimedia Commons)
Dyson-Sphäre in ihrer wohl unmöglichen Bauform einer den Stern umschließenden Kugel (Bild: CC-BY-SA Bibi Saint-Pol/Wikimedia Commons)

Die Idee der Dysonsphäre stammt aus einem Roman von 1937, ihren heutigen Namen bekam sie allerdings erst später von einem Physiker und Mathematiker. Freeman Dyson veröffentlichte 1960 ein Paper in Science, in dem er die Idee beschrieb, wie intelligente Lebewesen durch Strukturen im All die Strahlung eines Sterns beeinflussen würden [1]. Demnach würden solche Strukturen kurzwellige Strahlung nutzen (z.B. um Energie zu gewinnen) und ihrerseits eher langwellige Infrarotstrahlung (Wärme!) abstrahlen. Wer Dysonsphären suchen will, muss im infraroten Teil des Spektrums fahnden.

Freeman Dyson hielt sich damals allerdings nicht mit Bauplänen auf – und allerlei im Sciencefiction kursierende Bauformen sind wohl unmöglich. Auch die in Star Trek The Next Generation: Einen Stern komplett mit einer Hülle zu umgeben, verursacht diverse Probleme. Das feste in einem Planetensystem verfügbare Baumaterial reicht kaum. Eine Sphäre wäre dazu nicht über die Schwerkraft an den Stern gebunden, wenn sie ihn gleichmäßig umgibt – der Stern könnte also wandern und die Hülle leicht zerstören.

Aber es gibt realistischere Bauformen. Ein Ring aus Satelliten, die einen Stern umgeben, würde ja schon reichen, sehr viel seiner Energie zu ernten. Es blieben gewaltige Strukturen im Raum zu errichten, die selbst aus der Ferne auffallen müssten.

Ein Sonderling im Schwan?

Und da kommen wir zu dem aktuellen Paper [2]. Der Stern KIC 8462852 im Sternbild Schwan fällt total aus dem Rahmen. Den hat das Weltraumteleskop Kepler vielfach beobachtet, als es auf der Suche nach Exoplaneten war. Kepler suchte dabei nach Transits: Planeten, die kurzzeitig den Stern verdunkeln, wenn sie seine Oberfläche auf ihrer Bahn bedecken.

Was die Astronomen dabei interessiert, ist zunächst der Fluss: Wieviel Licht geht beim Transit verloren und wie lange. Das lässt Rückschlüsse auf die Größe und Geschwindigkeit des Planeten zu. Und das sieht normalerweise schön aus:

(Bild: Boyajian et al. 2015)
(Bild: Boyajian et al. 2015, bearbeitet K.U.)

Bei KIC 8462852 fanden sie aber auch noch etwas Anderes. Und das sieht so gar nicht nach einem regulären Himmelskörper aus:

(Bild: Boyajian et al. 2015)
(Bild: Boyajian et al. 2015)

Der Stern wurde also nicht einfach von irgendetwas bedeckt. Da bedeckte irgendetwas den Stern mal stärker, mal schwächer. Mehrfach sank der Fluss des Sterns um 20 Prozent (hier nach unten abgeschnitten). Und das Spektakel dauerte 90 Tage lang. Ein Planet ist da sicher nicht vorbeigezogen.

Nun gibt es Myriaden wahrscheinliche Erklärungen, bevor man zu Außerirdischen greifen würde. Und die gehen die Forscher durch. Aliens und Dysonsphäre tauchen im Paper auch gar nicht auf.

Da sind erstmal Instrumentfehler des Keplerteleskops. Dazu könnte der Stern sehr aktiv gewesen sein: Auch wenn die Sonne stark ausbricht, bilden sich auch Sonnenflecken, die ihre Oberfläche leicht verdunkeln. Spezielle Sterntypen machen sowas schon mal monatelang – aber die fallen meist durch ihr Spektrum auf, während KIC 8462852 ein extrem unauffälliges Spektrum besitzt.

Da sind auch diverse feste Objekte denkbar. Zerbrochene und zerbröselte Asteroiden oder Kometen, die von Staubwolken umgeben sind. Vielleicht sogar die Überreste einer Kollision, die auch den Erdmond gebildet haben, als die junge Erde mit einem marsgroßen (sic!) Planeten zusammenstieß. Nun ist das aber vor allem bei sehr jungen Sternen der Fall, deren Planetensysteme sich gerade erst bilden. KIC 8462852 scheint aber deutlich älter als 20 Millionen Jahre zu sein; seine Planeten und Asteroiden müssten sich längst gebildet und auf stabile Bahnen gefunden haben.

Kometen und ein Begleiter

Nun gibt es aber in vielen Planetensystem auch Objekte, deren Bahnen weniger stabil sind: Kometen. Die kommen der Sonne sehr nahe, einige stürzen dabei sogar in die Sonne. Kometen um andere Sterne (sogenannte Exokometen) sind bereits vielfach entdeckt worden. Bei reifen Planetensystemen treiben sich die meisten von denen allerdings eher außerhalb der Planetenbahnen herum (weniger Stress da draußen!). Bei uns driften die durch die Oortsche Wolke, bis zu 100.000 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt.

Und da wird die Sache schlüssig: Denn es scheint einen Grund zu geben, warum ein hier scheinbar größerer Komet – oder gar eine Kometenfamilie – seinem Stern nahe kam: Dort fliegt nämlich momentan ein roter Zwergstern vorbei. Und der hat sich KIC 8462852 auf gerade noch 1.000 Astronomische Einheiten genähert. Die Kometen in der dortigen Oortschen Wolke müssen in Stress geraten sein: Viele wurden wohl in Richtung des Sterns abgelenkt, wo sie entweder zerrissen sind oder sich schlicht auf neuen Bahnen einfanden.

Dieses Modell klingt plausibel: Auch in der Geschichte unseres Planetensystems gab es eine Zeit, als Asteroiden und Kometen wild herumwirbelten. Vermutlich wurde die durch Bahnveränderungen der großen Gasriesen Jupiter und Saturn ausgelöst: Das Late Heavy Bombardment vor über 3,8 Milliarden Jahren. Auch auf der Erde hagelte es damals Steine; Mond, Mars und Merkur erhielten einen Großteil ihrer Krater.

Alles geklärt?

Die Forscher sind noch nicht völlig sicher, ob ihre Interpretation mit der abgelenkten Kometenfamilie zutrifft. Denn von ihr müssten nahe am Stern eigentlich unüblich viel Infrarotstrahlung ausgesehen. Und davon hat das Infrarot-Weltraumteleskop WISE beim letzten Nachsehen nichts gesehen. KIC 8462852 ist unauffällig, auch sein infrarotes Spektrum.

Das unauffällige Infrarotspektrum ist übrigens auch ein Problem für die Dysonsphäre – die ja im Paper selbst keine Rolle spielt. Denn schon in Dysons Paper von 1960 ging es darum, die Dinger aufgrund ihrer auffälligen Infrarot-Abstrahlung zu suchen. Tja.

Für alle Träumer unter euch, die nicht ganz überzeugt sind: Astronomen haben viel Zeit, sich den Stern noch genauer anzusehen. Denn selbst wenn wir heute eine Nachricht an KIC 8462852 senden, kommt die erst nach 1480 Jahren dort an. Frühestens im Jahr 4975 gibt es Antwort.

Captain Picard würde vermutlich auf seinen überlichtschnelle Subraumsender setzen. Aber von dessen Entwicklung hält uns ja momentan noch die Physik ab.

Drüben bei Florian gibt es eine ähnliche Einschätzung zu den Kepler-Daten.

Quellen

[1] F. Dyson: Search for Artificial Stellar Sources of Infrared Radiation, Science (1960)

[2] T. Boyajian et al.: Planet Hunters X: KIC KIC 8462852-Where’s the Flux?, preprint (2015)

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https://www.astrogeo.de

Karl Urban wäre gern zu den Sternen geflogen. Stattdessen gründete er 2001 das Weltraumportal Raumfahrer.net und fühlt sich im Netz seitdem sehr wohl. Er studierte Geowissenschaften und schreibt für Online-, Hörfunk- und Print-Publikationen. Nebenbei podcastet und bloggt er.

3 Kommentare

  1. KIC 8462852 als grosser Medien-Kick. Aber schon die nächste Generation von Grossteleskopen (EELT, Magellan,Webb) wird das Rätsel um die selstamen Begleiter von KIC 8462852 wohl lösen.

  2. Pingback:KIC 8462852 – Den “mysteriösesten Stern unserer Galaxie” selbst beobachten! › Himmelslichter › SciLogs - Wissenschaftsblogs

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