Von Supernovae und Gezeitenschweifen – die Whirlpoolgalaxie M51

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 Die Whirlpoolgalaxie M51 ist unter Amateurastronomen eines der beliebtesten Beobachtungsobjekte überhaupt. Schon mit einem kleinen Teleskop oder mit einem guten Fernglas ist sie sichtbar. Auch ich nehme sie mit meinem Dobson immer wieder gerne ins Visier. Mit 16 Zoll lassen sich problemlos die ausgeprägten Spiralarme der Hauptgalaxie NGC 5194 ausmachen, Verdickungen zeigen an, wo sich Sternentstehungsgebiete konzentrieren. Die kleinere Begleitgalaxie NGC 5195 erscheint dagegen als diffuser Fleck und scheint über eine schwache "Brücke" mit einem der beiden Spiralarme der Hauptgalaxie verbunden zu sein.

In unseren Breiten ist im Moment Saison für die Beobachtung des ungleichen Duos. In den kurzen Frühsommernächten stehen die zwei im Sternbild Jagdhunde fast im Zenit, knapp unterhalb der Deichsel des Großen Wagens. Auch für die Astrophotographen bietet sich das 8.4 Magnituden helle Galaxienpärchen derzeit an. Selbst ich habe mich mit meinen beschränkten Bildbearbeitungskenntnissen vor einigen Jahren an diesen Klassiker gewagt. Unter Hamburger Stadthimmel kann allerdings auch ein 1.20m-Teleskop nur wenig ausrichten, immerhin, die Spiralarme werden sichtbar.

Die Whirlpoolgalaxie M51, aufgenommen als Vierfachmoisaik mit je 600 Sekunden Belichtungszeit am 21. April 2007 mit dem Hamburger 1,20m-Oskar-Lühning-Teleskop

Seit nun knapp zwei Wochen ist die Whirlpoolgalaxie nochmal verstärkt ins Fadenkreuz nicht nur von Amateuren sondern auch von Profiastronomen gerückt. Der Anlaß? Am 31. Mai 2011 entdeckte der französische Amateurastronom Amédée Riou in Aufnahmen vom Vortag einen Lichtpunkt mitten in dem Spiralarm, der sich von der Hauptgalaxie zum Begleiter fortsetzt – an einer Stelle, an der eigentlich keiner sein sollte. Schnell konnte seine Beobachtung von anderen bestätigt werden. Die inzwischen mit der Bezeichnung SN 2011dh versehene Supernova erreichte eine Helligkeit von knapp 13.5 Größenklassen, so hell also in etwa wie die Pluto. Unter guten Beobachtungsbedingungen war sie demnach mit einem typischen Amateurfernrohr von 20cm Öffnung zu sehen. Inzwischen ist die Helligkeit schon wieder unter die 14. Größenklasse abgesunken und man muß größere Geschütze auffahren oder photographieren. Auch Kevin Gräff von Pictures of the Sky hat M51 vor einigen Tagen aufs Korn (oder besser gesagt auf den Kamerachip) genommen.

Mich erreichte die Nachricht von SN 2011dh auf dem diesjährigen Internationalen Teleskoptreffen Vogelsberg, und wie wohl die meisten dort habe auch ich M51 in den folgenden Beobachtungsnächten immer wieder aufgesucht und die Supernova beobachtet. Auch die Profis waren nicht untätig: Anhand ihres Spektrums konnten sie feststellen, daß es sich bei SN 2011dh um eine Supernova vom Typ II handelt, also die "normale" Explosion eines einzelstehenden massereichen Sterns am Ende seines Lebens. In der bekannten hochaufgelösten Hubble-Aufnahme von 2005 hat man einen Kandidaten für einen Vorgängerstern ausmachen können, vermutlich war es ein gelber Überriese mit etwa 18-24 Sonnenmassen.

Hubble ACS-Aufnahme von M51 vom Januar 2005, in voller Auflösung das vermutlich detailreichste Bild der Galaxie überhaupt. Image Credit:NASA, ESA, S. Beckwith (STScI), and The Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

SN 2011dh ist nach SN 1994I und SN 2005cs die dritte Supernova in der Whirlpoolgalaxie innerhalb von nur 17 Jahren. Auf den ersten Blick eine erstaunlich hohe Zahl, warten wir doch seit nunmehr 400 Jahren darauf, daß vor unserer kosmischen Haustür – sprich in der Milchstraße – endlich mal wieder ein Stern sein Leben aushaucht. Dankenswerterweise ist uns M51 mit knapp 27 Millionen Lichtjahren noch vergleichsweise nah, so daß wir auch dort auftretende Supernovae noch relativ gut untersuchen können.

Das gehäufte Auftreten der Supernovae in der Whirlpoolgalaxie kommt aber nicht von ungefähr. NGC 5194 und NGC 5195 sind Paradebeispiele wechselwirkender Galaxien. Die Hauptgalaxie hat den kleinen Begleiter im wahrsten Sinne des Wortes in seinen Bann gezogen. Die Begleitgalaxie NGC 5195 ist gravitativ an die Hauptgalaxie NGC 5194 gebunden und dabei kommt es immer wieder zu Kollisionen. Mindestens zweimal hat die kleine Galaxie in den letzten 500 Millionen Jahren die große durchquert. Im Moment befindet sie sich perspektivisch gesehen etwas hinter der Hauptgalaxie. Die "Brücke" zwischen den beiden ist also in Wirklichkeit gar keine.

Wann immer sich zwei Galaxien begegnen oder gar durchdringen, hat das starke Auswirkungen auf das Aussehen der Beteiligten, so auch bei M51. Einzelne Sterne sind bei Kollisionen normalerweise nicht betroffen – die Wahrscheinlichkeit, daß sich zwei von ihnen begegnen ist sehr klein. Den Gas- und Staubwolken allerdings, die einen großen Teil der Galaxienmaterie ausmachen, geht es völlig anders. Auch die Arme einer Spiralgalaxie können in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch wenn NGC 5194 mit ihren beiden Spiralarmen auf den ersten Blick aussieht, als wäre sie völlig unbehelligt vom Treiben ihres kleinen Begleiters, das Gegenteil ist der Fall. Vielleicht haben die Kollisionen der Vergangenheit die Spiralarme in ihrer jetzigen Form überhaupt erst entstehen lassen. Deutlich sichtbar ist zudem, daß es überall in den Spiralarmen vermehrt zu Sternentstehung kommt, wesentlich intensiver als in der Milchstraße. Das intensive blaue Leuchten der Spiralarme stammt von heißen, massereichen Sternen, die auf diesem Weg entstanden sind. Wo viele massereiche und damit gleichzeitig auch kurzlebige Sterne entstehen, muß es natürlich auch häufiger zu Supernovaexplosionen kommen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß es der Begleitgalaxie anscheinend völlig anders ergangen ist. NGC 5195 zeigt kaum noch Struktur und ist von orange-gelber Farbe – ein deutlicher Hinweis darauf, daß sie nur noch ältere rötliche Sterne enthält. Von dem Gas, das sie einmal enthalten haben könnte, scheint nichts mehr vorhanden zu sein – neue Sterne können sich also nicht mehr bilden. Die Antwort auf die Frage wo es geblieben sein könnte, ist einfach, die Hauptgalaxie hat es sich einverleibt. 

M51 mit Gezeitenschweifen und der Supernova SN 2011dh, aufgenommen mit einem 0.50m-RCOS-Teleskop. Die Belichtungszeiten betrugen unglaubliche 480 Minuten in Luminanz und jeweils 120 Minuten mit Rot-, Grün- und Blaufilter. Bild mit freundlicher Genehmigung von R. Jay GaBany.

Aber NGC 5194 gibt sich damit nicht zufrieden und fordert weiteren Tribut. Langsam zerreißt es NGC 5195 und ihre Sterne werden in alle Winde verstreut. In sogenannten Gezeitenschweifen (auf englisch Tidal Streams) verteilen sich die Sterne auf langgestreckte, lichtschwache Bögen, die erst auf langbelichteten Aufnahmen und oft nur nach sorgfältiger Ausarbeitung sichtbar werden.

Auf diesem Wege bin ich auch auf das eindrucksvolle Bild von M51 mitsamt Supernova SN 2011dh von R. Jay GaBany gestoßen. Die Anzahl und Form der Gezeitenschweife liefert den Astrophysikern nämlich Hinweise darüber, wann und wie die Zusammenstöße abgelaufen sind. David Martinez-Delgado vom Max-Planck-Institut für Astronomie beschäftigt sich mit den Gezeitenschweifen von Galaxien, bei denen es gar nicht so offensichtlich ist, daß sie solche Kollisionen hinter sich haben, da die Galaxien sich ihre ehemaligen Begleiter inzwischen nahezu vollständig einverleibt haben. Dazu arbeitet er mit mehreren Astrophotographen zusammen, unter anderem mit GaBany. Dessen M51-Aufnahme fand gestern seinen Weg zum Astronomy Picture of the Day, zwar ohne die eindrucksvollen Gezeitenschweife rund um die Begleitgalaxie, die selbst in der Hubble-Aufnahme nicht sichtbar werden, dafür aber in doppelter Ausfertigung – zusammen mit einer weiteren Aufnahme von M51 aus dem Jahr 2005, diesmal mit der Supernova SN 2005cs.

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Astronomin in vielerlei Hinsicht, so könnte man mich mit wenigen Worten beschreiben. Da ist zunächst einmal die Astrophysikerin, die an der Hamburger Sternwarte über die Aktivität von Sternen promoviert und dabei hauptsächlich mit den Röntgensatelliten Chandra und XMM-Newton gearbeitet hat, aber auch schon am Very Large Telescope in Chile beobachten durfte. Auslöser ihres beruflichen Werdegangs war ein engagierter Lehrer, dessen Astronomie-AG sie ab der 7. Klasse besuchte. Ungefähr zur selben Zeit erwachte auch die Hobbyastronomin, die anläßlich des Einschlags des Kometen Shoemaker-Levi 9 auf den Jupiter begann, mit einem russischen Feldstecher vom Flohmarkt den Tanz der Jupitermonde zu verfolgen. Heutzutage freut sie sich über jede Gelegenheit, mit ihrem 16-zölligen Dobson tief im Odenwald fernab der Lichter der Rheinebene auf die Jagd nach Deep-Sky-Objekten zu gehen. Und da Amateurastronomen gesellige Wesen sind, treffe ich mich gerne mit Gleichgesinnten, zum Beispiel zum gemeinsamen Beobachten. Auch nach meinem Umzug von der Großstadt Hamburg in das schöne Universitätsstädtchen Heidelberg halte ich engen Kontakt zu meinen Vereinskameraden von der Hamburger Gesellschaft für volkstümliche Astronomie und dem Astronomieverein meiner Jugend, dem Arbeitskreis Sternfreunde Lübeck. Seit einigen Jahren bin ich außerdem in dem Internetforum Astrotreff aktiv, wo ich Teil des Moderatorenteams bin. Um meine Faszination an der Astronomie an andere weitergeben zu können, besonders an Kinder und Jugendliche, habe ich mich seit Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert, habe populärwissenschaftliche Vorträge gehalten und Schülergruppen betreut, die in Hamburg das Institut besucht haben. Diese Leidenschaft habe ich nun zu meinem Beruf gemacht. Hier in Heidelberg arbeite ich in einem kleinen aber feinen Team am Haus der Astronomie. Hiermit lade ich Sie ein, lieber Leser, an all diesen Facetten meines Astronomendaseins teilzuhaben. Mal witzig, mal spannend oder nachdenklich, manchmal auch persönlich oder mit Aha-Effekt. Carolin Liefke

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