Mit Chimären gegen HIV und andere Viren

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Die Chimäre ist ein Wesen aus der griechischen Mythologie welches den Kopf eines Löwen, den Rumpf eines Schafes und als Schwanz den Kopf einer Schlange besessen haben soll. Aber greifen selbst angebliche Wissenschaftler auf übernatürliche Methoden zurück, weil sie festgestellt haben, dass man HIV (und fiesen Viren allgemein) nicht anders auf den Pelz rücken kann? Erfreulicherweise nicht. Stattdessen hat ein Team von Forschern vor kurzem einen neuartigen, aber wissenschaftlichen, Ansatz zur Bekämpfung von Viren vorgestellt. Denn während wir bei Bakterien, dank der Entdeckung der Antibiotika, gute Erfolge bei der Krankheitsbekämpfung haben schauen wir bei Viren leider noch viel zu oft relativ hilflos und ohne entsprechende Gegenmaßnahmen zu. Klar, durch den unverhältnismäßigen Einsatz von Antibiotika sehen wir uns immer häufiger auch bei der Bakterienbekämpfung vor größeren Problemen. Man schaue sich nur einmal die Ausbreitung von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus in Krankenhäusern an. Andererseits wäre man bei vielen Viren froh, wenn man überhaupt so weit kommen würde…

Und genau das versucht man mit den Chimären aus dem Labor, denn diese setzen auf den Mechanismus der RNA-Interferenz: Kurze RNA-Stücke können für zur Unterdrückung von Gen-Expression eingesetzt werden. Dabei lagern sich diese kleinen RNA-Stücke die zur Unterdrückung eingesetzt werden an die Ziel-mRNA und lassen diese abbauen. Und so wird auch die Protein-Biosynthese unterdrückt. Wer mehr über den Mechanismus lesen will wird hier fündig. Dieser noch relativ frisch entdeckte Mechanismus wird als potentielles Medikament für eine Vielzahl von Krankheiten gehandelt. Dabei gibt es allerdings 2 große Probleme die man lösen muss: Zum einen ist RNA ein sehr instabiles Molekül. Die Herausforderung bei dem Einsatz als Medikament ist es also diese kleinen Interferenz–RNA-Stücke bis an den Zielort zu bekommen. Und das ohne, dass sie auf dem Weg abgebaut wird und dort gar nicht erst ankommt.

Zum anderen ist es schwierig dafür zu sorgen, dass die RNA-Medikamente überhaupt wissen, wo sie hinmüssen. Denn in der Regel will man bei einer Krankheit ja nicht alle Zellen eines Organismus mit den Interferenz-RNAs versorgen, sondern entweder nur bestimmte Regionen oder nur bestimmte Zelltypen mit dem Medikament ansprechen.

Gerade für den Einsatz gegen Viren wie HIV scheint die Methode der RNA-Interferenz dabei gut geeignet. Erst einmal sind bisherige Medikamente, die bei der Behandlung eingesetzt werden, nicht nur mit erheblichen Nebenwirkungen für die Betroffenen verbunden sondern erweisen sich auch regelmässig als untauglich, wenn das Virus eine Resistenz entwickelt hat. Darüber hinaus versteckt sich HIV bei den Erkrankten in den Zellen. Besser gesagt: Direkt im Genom der betroffenen Zellen. Denn nachdem HIV in eine Zelle eingedrungen ist kopiert es sein RNA-Genom über die Reverse Transkriptase in reguläre, doppelsträngige DNA und diese wird dann einfach in das Wirtsgenom eingebaut.

Mit RNA-Interferenz könnte man nun einfach dafür sorgen, dass die eingebauten, viralen Gene nicht mehr arbeiten können und so könnte HIV sich nicht mehr im befallenen Organismus ausbreiten. Und genau so funktioniert die Chimären auch. Zumindest im Teil. Denn sie bestehen nur zur Hälfte aus der eigentlichen RNA-Interferenz. Die andere Hälfte der Chimäre besteht aus einem sogenannten Aptamer.

Aptamere sind ebenfalls kurze RNA-Stücke. Anders als die Interferenz-RNAs binden Aptamere allerdings nicht an RNA sondern sind so entworfen, dass sie eine spezifische Bindung zu Proteinen erlauben. Die Forscher haben dabei einen Aptamer entworfen der an ein HIV-Protein bindet, welches nur auf der Oberfläche von HIV-infizierten Zellen zu finden ist. Dieses Zusammenbinden der beiden funktionalen RNA-Stücke ist eine elegante Lösung um das korrekte Targeting, welches bei RNA-Interferenz nötig ist, sicherzustellen. Um die sichere Reise des RNA-Medikaments sicherzustellen wurde es chemisch so behandelt, dass der Abbau verlangsamt wird.

Was jetzt schon nach einem vielversprechenden Medikament zur Behandlung von HIV-Infektionen klingt haben die Forscher allerdings nicht nur im Reagenzglas sondern auch gleich im Maus-Modell getestet. Dazu haben sie Versuchsmäuse genutzt, die sich – Gentechnik sei dank – direkt mit solchen HIV-Stämmen infizieren lassen, die sonst Menschen befallen. Und die Ergebnisse sehen gut aus: Bis zu 5 Wochen nach der Gabe der RNA-Chimäre ist die Viruslast bei den Mäusen sehr viel geringer, sowohl im Vergleich zu unbehandelten Mäusen als auch zu „traditioneller” RNA-Interferenz-Behandlung ohne das Aptamer-Ende.

Und auch dem Problem der wachsenden Resistenzen haben sich die Forscher gleich mit gewidmet. Denn natürlich kann HIV so mutieren, dass die Interferenz-RNA-Stücke nicht mehr binden können. Und damit wäre HIV immun gegen die Chimären. Aber so wie es aussieht entsteht durch die Behandlung zwar ein Selektionsdruck in den Bereichen, die von der Chimäre attackiert werden, allerdings ein verhältnismässig geringer. Damit könnte das Problem zumindest geringer sein, als bei anderen antiviralen Behandlungsmethoden.

Bevor solche Chimären jetzt bei erkrankten Patienten eingesetzt werden können wird aber trotzdem noch einige Zeit vergehen. Denn erstmal wird man jetzt schauen müssen welche Dosis der Chimären man geben sollte, in welchen Abständen und so weiter. Und danach wird man es wohl zu erst an Patienten testen, welche eine Resistenz gegen die anderen anti-retroviralen Medikamente entwickelt haben.

Was an dieser Methode aber sehr schön ist: Prinzipiell lässt sich sich für fast jede Art von Virus anwenden. Man benötigt nur eine Ziel-Sequenz des Virus die man mit der Interferenz-RNA angreifen kann und ein Ziel-Protein, welches von dem Aptamer-Ende erkannt werden kann. Es ist auf jeden Fall spannend, welche Viren man als Nächstes damit angreifen wollen wird.

Neff, C., Zhou, J., Remling, L., Kuruvilla, J., Zhang, J., Li, H., Smith, D., Swiderski, P., Rossi, J., & Akkina, R. (2011). An Aptamer-siRNA Chimera Suppresses HIV-1 Viral Loads and Protects from Helper CD4+ T Cell Decline in Humanized Mice Science Translational Medicine, 3 (66), 66-66 DOI: 10.1126/scitranslmed.3001581

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Veröffentlicht von

Bastian hat seinen Bachelor in Biologie in nur 8 statt 6 Semestern abgeschlossen. Nach einem kurzen Informatik-Studiums-Intermezzo an der TU Dortmund hat es ihn eigentlich nur für ein Stipendium nach Frankfurt am Main verschlagen. Dort gestrandet studiert er dort nun im Master-Programm Ökologie und Evolution. Zumindest wenn er nicht gerade in die Lebensweise der Hessen eingeführt wird. Neben seinen Studiengebieten bloggt er über die Themen, die gerade in Paperform hochgespült werden und spannend klingen.

7 Kommentare

  1. Das mit dem gezielten Transportieren ist echt so eine tricky Geschichte, die wohl das größte Problem darstellt. Ansatzpunkte für Therapien bestehen eigentlich zu Genüge, bloß steht man dann kurz oder später vor dem Problem des effektiven Transports in das Zielgewebe. Ich denke, wenn dieses Problem endlich einmal gelöst ist, steht ein richtiger “Medizin-Boom” bevor, da dann auch Gentherapien endlich greifen würden. Schauen wir mal, Aptamere sind auf jeden Fall eine gute Sache und weitere Forschung in dieser Richtung sicherlich sinnvoll.

  2. Ja, Ansätze gibt es ja mittlerweile einige. Ganz Erfolgreich ist ja so weit ich weiss auch der Ansatz die Reverse Transkriptase zu blockieren, damit HIV sich gar nicht erst ins Genom einschleichen kann. 🙂

  3. Antikörper

    An Stelle der Aptamere könnte man auch Antikörper zur Zielerkennung verwenden.

    Antikörper können neben der Bindung an das Antigen auch noch das Complementsystem oder die Killerzellen aktivieren.

  4. z.B. Protamin-Antikörper

    Da gibt es z.B. die Protamin-Antikörper, deren basische Protamine siRNAs binden können. Diese werden dann eben durch den Antikörper ins Zielgewebe gebracht und so Gene ausgeschaltet. Angewendet wird dies vor allem bei Brustkrebs, aber es hat sich auch gezeigt, dass dieses Transportsystem für den Transport von siRNAs zu Leukozyten gut geeignet ist, wie es bei HIV gebraucht wird.

  5. Oh, von der Methode mit Antikörpern hatte ich noch gar nichts gehört. Das klingt auch nach einer guten Lösung, aber ich vermute, dass solche Chimären einfacher bzw. günstiger herzustellen sind als die immer noch relativ aufwendig herzustellenden Antikörper, oder irre ich da?

  6. Isoelektrischer Punkt

    Der isoelektrische Punkt von Protaminen liegt ungefähr bei pH 12, und von RNAs ungefähr bei pH 5.

    Das erklärt auch ihre hohe Bindungsfähigkeit zu einander.

    Es besteht daher aber auch die Möglichkeit, dass die Aptamere Zielgruppen mit niedrigem isoelektrischen Punkt schlecht binden können, und andererseits beliebige Gruppen mit hohem isoelektrischen Punkt unspezifisch binden.

  7. @Bastian: Habe keine Ahnung wie die Kosten so sind, aber ich vermute mal das Gleiche wie du.

    @Karl Bednarik: Mich würde mal interessieren, ob diese unspezifischen Bindungen mal getestet wurden. Es ist ja in manchen Fällen offensichtlich, dass sie sehr gezielt binden, daher muss eine unspezifische Bindung ja irgendwie verhindert werden.

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