Speed-Dating für die Wissenschaft

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Menschliche Verhaltensbiologie zu betreiben kann ein ganz unterhaltsames Vorhaben sein. Zum Beispiel wenn man sich das Auswahlverhalten beim Speed-Dating anschaut (Das heute St. Patrick’s Day ist, ist reiner Zufall). Allison Lenton und Marco Francesconi haben genau das nämlich gemacht. Sie wollten untersuchen wie sich Auswahlverhalten und Entscheidungsfreude, in Abhängigkeit der Anzahl und der Unterschiede der zur Auswahl stehenden Optionen, entwickeln. Und dazu haben sie die Entscheidungen von gut 3600 Teilnehmern von insgesamt 84 Speed-Dating-Veranstaltungen angeschaut.

Vor jeder der Veranstaltungen füllten die Teilnehmer einen Fragebogen aus. Darin wurden neben Alter, Größe und Gewicht auch der Bildungsstand, die Religionszugehörigkeit, die berufliche Situation und die obligatorische Frage ob man raucht abgefragt. Bei den einzelnen Veranstaltungen trafen die Teilnehmer dann, für jeweils 3 Minuten andauernde Dates, aufeinander. Innerhalb von 2 Tagen nach der Veranstaltung trafen die Teilnehmer dann ihre Entscheidungen darüber, welche der anderen Teilnehmer sie gerne erneut treffen würden.

Die Speed-Dating-Situation haben Lenton und Francesconi dann in 2 Größenordnungen eingeteilt: Mit 23 oder weniger Optionen, also Teilnehmern des anderen Geschlechts (Im Durchschnitt der betrachteten Veranstaltungen: Gut 20 Wahlmöglichkeiten für jeden Teilnehmer). Oder mehr als 23 Optionen (im Schnitt gut 27 Wahlmöglichkeiten für jeden Teilnehmer). Damit kann man dann schon mal schauen, in wie weit die Anzahl der Optionen das Wahlverhalten verändert.

Mit Hilfe der Fragebögen, die von den Teilnehmern im Vorfeld ausgefüllt wurden, kann man dann auch schauen, wie sich die Varianz unter den Teilnehmern auf das Wahlverhalten eben jener auswirkt. Jedes Event haben sie anhand der Fragebögen erneut in 2 Gruppen aufgeteilt: Solche mit großer Varianz und solche mit geringer Varianz.

Diese Grafik fasst die Ergebnisse eigentlich gut zusammen: Die beiden linken Balken zeigen die Veranstaltungen mit wenig Optionen. Die beiden rechten Balken zeigen die Veranstaltungen mit vielen Optionen. In Hellgrau sind die Veranstaltungen mit geringer Varianz, in Dunkelgrau die Veranstaltungen mit hoher Varianz. Das Maß auf der Y-Achse ist die durchschnittliche Anzahl der Entscheidungen (für ein Wiedersehen mit einem Teilnehmer) die pro Veranstaltung getroffen wurde. Wer sich wundert wieso die Zahlen größer sind als die Anzahl der Gesamtteilnehmer: Jeder Teilnehmer musste sich nicht nur für eine Option entscheiden, sondern darf mehrere andere Teilnehmer auswählen.

Bei einer steigenden Anzahl an Optionen steigt also auch die Anzahl der Entscheidungen die von den Teilnehmern gefällt wird. Allerdings sinkt die Anzahl der Entscheidungen bei steigender Varianz (die ihrerseits relativ wahrscheinlich bei einer steigenden Anzahl an Optionen steigt).

Lenton und Francesconi diskutieren in ihrer Veröffentlichung, dass Menschen zwar mehr Entscheidungen treffen, wenn die Anzahl der Optionen steigt, gleichzeitig aber eine steigende Verwirrung, wenn sie mit hoher Varianz konfrontiert sind, verhindern, dass Entscheidungen getroffen werden. Gian Gonzaga bringt dies in ihrem Artikel Variety may not be the spice of life mit dem “Paradox of Choice” in Verbindung, welches von Barry Schwartz postuliert wird.

In diesem TED-Talk geht Schwartz auf das “Paradox of Choice” ein. Grob zusammengefasst: Wenn es viele Optionen gibt, dann glauben wir, dass wir genau das finden, was wir suchen und uns zu 100 % glücklich macht. Wird man dann dazu gezwungen, sich für eine Option zu entscheiden, dann bereut man es später, weil man bestimmt eine bessere Wahl hätte treffen können. Auf das Speed-Dating übertragen: Wenn die Varianz der Optionen hoch ist, dann könnten die Teilnehmer versucht sein sich nicht zu entscheiden, sondern weiterzusuchen. In der Hoffnung den Perfect Match in der weiteren Suche zu finden.

Falls ihr bislang beim (Speed-)Dating also immer Pech hattet: Sucht euch Orte bei denen ihr nur auf geringe Varianz der Teilnehmer treffen dürftet (Veranstaltungen von angeblich so individuellen Subkulturen sollten sich dafür ganz gut eignen. Kennt ihr eine Gothic/Metal/Indie-Party kennt ihr alle, inkl. der meisten Teilnehmer). Das steigert zwar nicht die Chancen auf den 100-prozentigen Treffer, aber glaubt der Wissenschaft: Eine Hypothese mit 95 % Wahrscheinlichkeit annehmen zu können reicht meist aus

Ich weiss, das ist nicht korrekt, liebe Statistiker. Eine Nullhypothese mit p = 0.05 abzulehnen ist nicht zwingend das gleiche wie eine Hypothese mit 95% anzunehmen.

Grafik: Aus der Veröffentlichung

Lenton, A., & Francesconi, M. (2011). Too much of a good thing? Variety is confusing in mate choice Biology Letters DOI: 10.1098/rsbl.2011.0098

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Veröffentlicht von

Bastian hat seinen Bachelor in Biologie in nur 8 statt 6 Semestern abgeschlossen. Nach einem kurzen Informatik-Studiums-Intermezzo an der TU Dortmund hat es ihn eigentlich nur für ein Stipendium nach Frankfurt am Main verschlagen. Dort gestrandet studiert er dort nun im Master-Programm Ökologie und Evolution. Zumindest wenn er nicht gerade in die Lebensweise der Hessen eingeführt wird. Neben seinen Studiengebieten bloggt er über die Themen, die gerade in Paperform hochgespült werden und spannend klingen.

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