Ein Taxi zum Gehirn

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Ein Parasit befällt das menschliche Gehirn und lenkt das Verhalten seines Wirtes. Das klingt nach dem neuesten  Zombiefilm, oder nach der Gehirnschnecke von Futurama, oder Alien, doch ein Viertel der Weltbevölkerung lebt mit diesem kleinen Parasiten namens Toxoplasma gondii. Seit längerem ist schon bekannt dass es Mäuse dazu bringt, sich der Katze zum Fraß vorzusetzen. Auch Menschen scheint es zu verändern, sie springen zwar nicht sofort in den nächsten Tigerkäfig scheinen aber Risikofreudiger und neigen zu Angststörungen, Schizophrenie und Depression. Man weiß noch sehr wenig über die Mechanismen dieser Manipulation. Forscher aus Schweden konnten nun zeigen wie die Einzeller das Immunsystem kapern, um ins Gehirn zu gelangen.

Toxoplasma Zellen teilen sichToxoplasma gondii ist ein parasitärer Einzeller. Der Mensch ist für diesen Wirt eine Sackgasse da der Endwirt, in dem er sich sexuell fortpflanzt die Katze (oder andere Katzenartige)ist.  Der Mensch wie auch andere Säugetiere, besonders Nager, dienen als Zwischenwirt in dem sich T. gondii asexuell durch Teilung vermehrt. Dazu dringt er in Zellen ein und teilt sich so oft bis diese platzt. Dabei kommt es beim Menschen zu grippeartigen Symptome der Toxoplasmose. Die Parasiten finden sich dann ein lauschiges Plätzchen irgendwo im Körper unteranderem  im Gehirn oder in Muskeln und bilden Zisten. Dort warten  sie, bis ihr Gastgeber von einer Katze oder einem Löwen verspeist wird damit sie Einzellersex machen können. Von den Zysten merkt man erst einmal nicht wirklich viel. Bei Mäusen konnte man nachweisen, dass in diesem Stadium die Zysten zur Amygdala wandern und dort das Verhalten der Mäuse verändern: die Nager finden plötzlich den bis dahin verhassten Katzengeruch unwiderstehlich. So wird der Nager leichter gefressen und T. gondii erreicht sein Ziel: den Darm einer Katze. Ob es im Menschen auch eine solche Wirkung gibt, ist umstritten. Nichtdestotrotz wurde Toxoplasmose mit Schizophrenie und Depression in Verbindung gebracht. Anstecken kann man sich durch Katzen(-klos)und infiziertes Fleisch (also Zwischenwirtmuskelgewebe).  Bei Föten kann diese Infektion tödlich sein weswegen jede Schwangere auf den Parasiten getestet wird.

Jetzt fanden schwedische Forscher um  Antonio Barragan heraus diese Tierchen manipulieren auch unser Immunsystem. Sie konnten zeigen, dass die Parasiten weiße Blutkörperchen als getunetes Transportmittel benutzen um sich im ganzen Körper ihres Opfers zu verbreiten. Dazu manipulieren sie die Produktion des Moleküls GABA. Dieses Molekül kennt man eigentlich aus dem Gehirn als wichtiger Neurotransmitter. Dass der von T.gondii befallene Zellentyp, die Dendritischen Zelle , eine Immunzelle die Antigene eines Pathogens auf ihrer Oberfläche präsentieren und so andere Immunzellen aktivieren kann, diesen Neurotransmitter ausschütten ist erst seit kurzem bekannt. Im Nervensystem wird GABA, c-Aminobuttersäure, von hemmenden Synapsen z.B. im Gehirn ausgeschüttet. Bei diesen Zellen scheint GABA aber die Beweglichkeit der Zellen zu beeinflussen. So vermutet man, der intrazelluläre Parasit beeinflusse irgendwie die Regulierung der Produktion von Enzymen der GABA-Synthese und erhöht so die Ausschüttung. GABA bindet an die Rezeptoren der Zellen selbst und erhöht die Bewegung der Zellen und somit die schnellere Verbreitung über den Blutkreislauf.

Aber wie kommen die Zellen ins Gehirn? Die Bluthirnschranke zu passieren ist kein Zuckerschlecken für Mikroorganismen.  Dendritische Zellen treten manchmal ins Gehirn über aber T. gondii Zysten wurden meistens in Nervenzellen gefunden. Wie sie da hin kommen und ob die dendritischen Zellen das Taxi spielen, konnte man noch nicht herausfinden, bestätigte mir Jonas Fuks, Erstautor der Studie.  

Im Gehirn angekommen scheinen sie jedoch eine Wirkung auf die Hirnzellen zu entfalten. Aber ob sie auch in Nervenzellen die GABA Produktion anregen können ist unbekannt.  Schon 2009 fanden Forscher aus Leeds, dass die Toxoplasmazellen Enzyme besitzen die in die Dopamin Produktion eingreifen können. Seit 1985 war bekannt, dass die Konzentration dieses wichtigen Neurotransmitters im von Toxoplasmose befallenen Mausgehirn verändert ist. Dopamin spielt eine sehr wichtige Rolle bei Erkrankungen wie Schizophrenie und Depression- die Erkrankungen die auch bei Toxoplasmose infizierten Menschen gehäuft vorkommen.  Bei so vielen Menschen die den Erreger in sich tragen ist es unglaublich spannend zu klären was und wie die Parasiten in unserem Gehirn so anstellen ohne dass wir es merken. Es zeigt sich immer öfter wie sehr das Nervensystem mit dem Immunsystem auch chemisch in Verbindung steht. Zu was dieser kleine Organismus in seinem Wirt alles fähig ist, fängt man erst an zu verstehen und wir können gespannt bleiben. Doch, dass er uns zu willenlosen Zombies macht glaube ich nicht. Und es gibt ja sogar eine Behandlung dagegen. Also KEINE PANIK.

Quellen:

Fuks JM, Arrighi RBG, Weidner JM, Kumar Mendu S, Jin Z, et al. (2012) GABAergic Signaling Is Linked to a Hypermigratory Phenotype in Dendritic Cells Infected by Toxoplasma gondii. PLoS Pathog 8(12): e1003051. doi:10.1371/journal.ppat.1003051

Henriquez SA, Brett R, Alexander J, Pratt J, Roberts CW:
Neuropsychiatric Disease and Toxoplasma gondii Infection.
Neuroimmunomodulation 2009;16:122-133 (DOI: 10.1159/000180267)

http://www.sciencedaily.com/releases/2011/09/110921120056.htm

 

 

 

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Mit einem Diplom in Biologie in der Tasche, einer halben Doktorarbeit und viele Ideen will ich meinen Senf dazugeben. Meine irrsinnige Begeisterung für Lebewesen und des Lebens Wesen, möchte ich weitervermitteln. Und das an JEDEN. Jeder soll wissen, wie unglaublich Grottenolme sind und warum auch Gliazellen unserer Aufmerksamkeit bedürfen, dass Ratten nicht nur ekelig sind und die heimische Topfpflanze vielleicht bald schon die Nachttischlampe ersetzt. In Tübingen habe ich studiert, in Bern der Forschung den Rücken gekehrt. In Berlin bin ich nun auf der Suche nach Alternativen im Feld der Biologie und Kommunikation. Ganz besonders nach meinem Geschmack sind verrückte, unglaubliche oder einfach nur lustige Geschichten aus Ökologie, Evolution, Medizin und Technik. Schmeckt euch der Senf? Sonst mischt doch mal mit! Mathilde Bessert-Nettelbeck

9 Kommentare

  1. Ich hab Katzen und mag Katzen – bin ich gar vielliecht infiziert… Vielleicht ist das aber auch die Methode der Katze sich dem Menschen gefügig zu machen. 😉

  2. Ob es im Menschen auch eine solche Wirkung [Katzengeruch unwiderstehlich finden] gibt, ist umstritten.

    Zumindest erkennt dieser Katzenhalter keine ihm bewusste Unwiderstehlichkeit.

    Kann man das Risiko irgendwie quantifizieren, wenn also bspw. 10 Katzen gehalten werden, die auch mal rausgehen?

    MFG
    Dr. W

  3. @ Gustav 16.12.2012, 15:33

    …sich DEN Menschen gefügig zu machen.

    Denn tátsächlich ist der Mensch der Katze hörig und nicht umgekehrt, wie beim Hund.

    Was das Thema Nervensystem und Immunsystem angeht, ist es noch viel bedingter, als bisher angenommen und bekannt.
    Die Funktionalität und Intensität des Nervensystems ist Bedingung für organische Stabilität.

    Möglicherweise geht das soweit, dass neuronale Funktion und Intensität direkt auf Parasiten einwirken können. Ist das Nervensystem geschwächt, folgte daraus die vermehrte Ausbreitung von Parasiten – oder gar die Mutation derer, die wir alle reichlich im Körper haben sollen. Abgesehen vom oben beschriebenen Einzeller ist unserer körper im Schnitt mit 1,5 kg bakterien besiedelt. Veränderungen im Nervensystem bedeuten auch veränderungen im restlichen Körper. Das Biotop als Umwelt der Bakterien verändert sich, also verändert sich auch das Bakterium.
    Andersrum kann auch das neuronal nicht mehr kontrollierte Bakterium plötzlich seine Umwelt/das Biotop verändern – allein durch Menge wird das Biotop seine Zusammensetzung verändern, weil mehr Bakterien auch mehr Stoffwechsel haben. Aber auch durch freigewordene Lebensräume aufgrund von fehlenden Widrigkeiten wegen geschwächtem Nervensystem kann der Parasit sich leichter entfalten und seine eigene Lebenserwartung und dessen mögliche Entwicklung der Fähigkeiten und Funktionen ausschöpfen

    @ Dr.W

    Das dürfte mehr an der Qualität und Quantität der Katzenklos liegen. Oder an einer Kulturtechnik, die sich seit den alten Ägyptern schon unterschwellig und listig ans Volk verdingten.

    Ausserdem … schwacher Geist befolgt schwache Argumente. Wer sich von seinen Kätzchen an der Nase herumführen lässt, dem waren die Argumente doch zu stark.

    Andersrum … geschwächte Katzenliebhabergeister sind geschmeidige Sozialstrukturteilnehmer. Sie haben viel am Kätzchen geübt und das Verhaltensmuster verstärkt.

    Ob das auch für Löwendompteure gilt, ist mir unbekannt. Tendenzeil aber nicht für Hundehalter, so hier nicht auch ein Parasit den falschen Endwirt erreicht hat…(korrekt?)

    Und Achtung: Bedenken sie die auch noch mögliche Ansteckungskette…! Etwa durch vorsätzlicher Kontamination durch Menschen. Da spielt es dann auchkeine Rolle, ob die Katzen freigänger seien – was m.E. sowieso nur Artgerecht sei.

  4. unklarheiten

    @chris
    Was genau meinst du damit, das das Nervensystem direkt auf Bakterien wirkt? Das klingt sehr rätselhaft.

    Es wäre interessant zu wissen wie denn überhaupt unser Verhältnis zum Katzengeruch ist. Bei Mäusen gibt es eine erlernte/ angeborene Abneigung die moduliert werden kann. Aber beim Menschen? Vielleicht wirkt der Parasit auch nur angstlindernd, was sich dann auch auf die Geruchswahrnehmung auswirken.
    Wie wirkt denn der Geruch eines Löwen auf den Menschen? Gibt es da noch anzestrale Angstreflexe?

  5. @ Mathilde

    “Wie wirkt denn der Geruch eines Löwen auf den Menschen?”

    -> Also der Geruch von wilden raubtieren ist im allgemeinen geraderzu erstickend widerlich – es stinkt bestialisch. Die Redewendung “Löwenkäfig” für eine Wohnung die unangenehm riecht, ist dafür bekannt, dass sie diesen Bezug herstellt.

    Aber was wir bewusst riechen, ist nicht immer das, was uns daran auch unbewusst irgendwie manipulieren würde können.

    Deswegen ist es so ein Problem zu erklären, wie das mit der Hauskatze und ihren Exkrementendüfte so ist. Aus gewisser Hygieneideologie wissen wir ja, dass diese nicht erwünscht sind. Das ist aber “besseres Wissen” und nicht intuitive Reaktion.
    Grenzwertiges Beispiel sei aber Katzenpisse (nur vom Kater?), die wir scheinbar nicht mehr aus unserer Kleidung bekommen, sodass wir sie nicht mehr riechen würden. Eine besondere Phänomenologie, trotz Hightech-Waschmittel.

    Nervensysteme, die direkt auf Bakterien wirken…

    Damit meine ich, dass in unserem Körper sich Bakterien/Parasiten ansiedeln, die auch nur in unserem örper überleben/vorkommen werden. Solcherart hochspezialisierte Organismen passen sich den Bedingungen erfahrungsgemäß in besonderer Weise an.
    Und dass das Nervensystem ausschlieslich (innerhalb einer solch besonderen Situation) dann nicht auch Einfluß auf den Parassiten hätte, ist bisher wohl weder bedacht worden oder gar ausgeschlossen werden können. Symbiosen solch komplexer Art haben sicher mehr gemeinsam, als nur eine Lücke im Gesamtorganismus / die ökologische Niesche…

    Und Nervensysteme haben m.E. alle Lebewesen. Bei solchen simplen aber kommt hinzu, dass sie aufgrund ihrer Reproduktionsrate und ihrer Einfachheit im Aufbau Mutationsraten höher sind, die eine biologische Anpassung begünstigen. Ein Austausch von Information zwischen dem Nervensystem der Lebewesen hat nur leider noch niemand ins Auge gefasst. Solcher ist aber nicht unmöglich. Die Problematik besteht hier im Erkennen des Austauschs…weil dieserart Informationsgehalt nicht so recht verstanden wird.

  6. anzestrale Angstreflexe?

    … das finde ich verwirrend verallgemeinernd. Hat jemand schon mal etwa ein Angstgen gefunden? Die genetisch bedingte Vererbung von Erregungsempfindungen ist bis heute nur statistisch korelliert herleitbar.

    Das ganze Geninformationsvererbungskonstrukt ist eine behelfsmäßige Struktur, die aber nicht den Kern der Sache beschreibt. Wir mögen hoffen, dass das bald vorrüber sei und trefflichere Erkenntnis besteht.

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