Vom Schreiben in Knoten

BLOG: Anatomisches Allerlei

Kopflose Fußnoten von Helmut Wicht
Anatomisches Allerlei

Das ist mir aufgefallen: Der Gedankenknoten ist die Essenz sowohl guter als auch schlechter Texte. Bei den guten merkt man, dass der Autor die Einzelfäden in der Hand hatte, bevor er den Knoten schürzte. Knoten knoten: Das ist Kunst.

Bei den schlechten merkt man, dass der Autor den Knoten, so wie er ihn in seinen Gedanken vorfand, quasi unverdaut absondert. Das sind dann die Scheiss-Texte. Denn Knoten koten ist keine Kunst.

“Nur, was wir zu Knoten woben,

soll’n die Rezensenten loben.

Was an Knöddeln wir geschissen,

werd’ jedoch zurecht verrissen.”

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Veröffentlicht von

Gedankenfragmente von Helmut Wicht, Dozent an der Frankfurter Universität, über Neurobiologie, Anatomie, Philosophie, Gott und die Welt. Seine eigentliche Expertise bezieht sich auf die (Human-)anatomie und die vergleichende Anatomie des Nervensystems.

11 Kommentare

  1. Gedichtsbetreff und Hitzewelle

    Ach ja, die Lyrik.

    Ich selbst dichte nicht. Zu warm oder zu kalt. Und ich denke, dies wird Sie zurecht nicht interessieren: Ich möchte nämlich anregen, auch “Rezenten” durchaus mal zu kosten, also:

    “mögen die Rezenten loben”

    Damit hätten Sie ein Apostroph gespart, es sei denn natürlich, Sie wollten es an dieser Stell’ unbedingt haben; außerdem kann man dann auf den Klappentext des Gedichtbandes etwas Witziges dazu schreiben, weil Sie ja Biologe sind und gerade auf Begriffe der Biologie begründete Wortspiele sich immer gut verkaufen.

  2. @ Lektoratsassistent

    Also – der Übergang von “rezent” zu “Rezensent” erschliesst sich mir, mal abgesehen von dem offenbaren vokalischen Anklang, nicht so recht.

    Und auch der Biologe in mir ist ein weit hergeholter Knoten .. äh: Bogen.

    Eine richtige, aber zugleich mir etwas bedenkliche Beobachtung, ist meine Vorliebe für Apostrophen. Das setzt einen immer gleich so in Deppennähe. Ich hoff’ aber, dass ich mit meiner Auslassungszeichenvorlieb’ mich nicht zum orthographischen Deppen mache, wie ich das andererorts hier im Blog schon mir anderen Mitteln getan habe.

    Meine “ss” / “ß” – Schwäche ist genetisch. Ich kann da nichts ‘für. Mir fehlt noch der Name für das Szyndrom, aber vielleicht ist er das ja schon: “ss/ß-yndrom”.

  3. Selbstreflexion ist das was den Menschen

    .. vom Tier unterscheidet. Besonders schön natürlich, wenn die Reflexion das eigene Selbst bebauchpinselt und einem aufgeht, was für tolle Knoten man kotet – äh knotet.

    Ein Text über das Texten also. Auch solch ein Metatext ist ein Text. Und auch der ist gut oder schlecht geknotet. Oder spricht man bei Knittelversen nicht vom knoten sondern vom knitteln. Na dann: Gut geknittelt.

  4. @Wicht

    “Also – der Übergang von “rezent” zu “Rezensent” erschliesst sich mir […] nicht”

    Es ist ja auch, umgekehrt, der Übergang von “Rezensenten” zu “Rezenten” gemeint. Dann erschliesst es sich. Für den Fall: im Sinne einer lyrischen Kondensation: daß nämlich “rezente Arten” durchaus kurz als die “Rezenten” behandelt werden können. Also alle, die gegenwärtig mithören oder mitlesen (das sind, hört man jetzt häufiger, heutzutage durchaus einige).

    Disclaimer:
    Ich schrieb nur aus einer temperaturinduzierten Laune heraus (irgendwas im Gehirn) und möchte auf nichts festgenagelt werden, das mein berufliches Fortkommen behindern könnte.

  5. nocheinmal @Wicht

    “Das [Apostroph] setzt einen immer gleich so in Deppennähe.”

    Solange sich nicht “Snake’s” für “Snacks” wählen (dieser Fall ist bezeugt), oder “Entgeld” für “Entgelt” hinschreiben (auch dieser Fall ist bezeugt), gibt es da (mittlerweile) wenig zu befürchten.

    Glaube ich. (Hier gehört dann als semantische Unterstützung, d.h. normalerweise, ein Zwinkersmiley hin, aber ohne mich!)

  6. Knoten und Routen

    Der Knoten als Metapher für gedankliche Fix- und Fokuspunkte innerhalb des Schreibprozesses ist für mich neu. Vergisst man den Gordischen Knoten, den es zu durchtrennen gilt, dann hat das Bild des Knotens viel für sich. Schreiben ist ja ein Prozess der Klärung und dabei müssen auch Dinge entwirrt werden und in eine neue Ordnung gebracht werden. Aus einem Gewirr von Fäden wird dann ein von kunstvollen Knoten durchzogenes Netz. Da Texte aber im Wesentlichen doch linear sind,  ist ein Bezug zum Klettern vielleicht noch naheliegender. Ein Text wäre dann eine Route, streckenweise mit Haken gesichert, streckenweise  als Freikletterroute vorgesehen, wo man sich mit Fingerlöchern zufrieden geben und in senkrechten, gar überhängenden Partien  die Froschtechnik einsetzen muss, um den Sturz ins Fangseil oder gar ins Leere zu vermeiden. 

  7. Anatomie der (schriftlichen) Äußerungen

    Helmut Wicht schrieb (04. August 2013, 14:41):
    > Der Gedankenknoten ist die Essenz sowohl guter als auch schlechter Texte.

    Die nachvollziehbare Verknüpfung unterscheidbarer Gedankenstränge zu einem Text(-Element) findet ihren wohl einfachsten, deutlichsten und geläufigsten Ausdruck als (eine einfache Form der) “strukturierte(n) Wikilink” (vor Entdeckung der entsprechenden Funktionalität des Doppelkreuzes unter der Bezeichnung “wikibriq” publiziert):

    [[<Strang_A>#
    <Strang_B in Verknüpfung zu Strang_A>|
    <Text(-Element) zur namentlichen Identifikation der Verknüpfung>]].

  8. Knoten

    sollen hier wohl die möglichen “1:1”, “1:n” und “n:m”-Beziehungen zwischen den von den Primaten erkannten Sachen [1] inklusive ihrer erkannten Attribute meinen.

    Hmmm, metaphorisch natürlich nur, insgesamt gibt es natürlich dann schon die von Ihnen erkannten Sachen, np. [2]
    Aber erheben wollen Sie sich nicht, gell?!

    Wars eine Büßernachricht?!

    MFG
    Dr. W

    [1] können auch theoretische Entitäten sein
    [2] no prob(lem)

  9. Wir sind Knoten:

    “I am doing it

    the it I am doing is

    the I that is doing it

    the I that is doing it is

    the it I am doing

    it is doing the I that am doing it

    I am being done by the it I am doing

    it is doing it”

    R.D.Laing Knots (►http://www.oikos.org/knots6.htm)

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