Verschwörungstheorien, zweimal Quiz

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die Psychologie irrationalen Denkens
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Nach reichlich langer Zeit ohne neuen Eintrag melde ich mich heute zurück. In den vergangenen acht Monaten habe ich das Manuskript für mein neues Buch verfasst. Der enge Zeitrahmen hat mir wenig Raum für Blog-Beiträge gelassen. Aber das ist heute nicht das Thema meines Beitrags. Hier und jetzt geht es erst einmal um eines meiner Lieblingsthemen, die Psychologie der Verschwörungstheorien.

Spiegel Online hat mich gebeten, je ein Quiz zum Thema Verschwörungstheorien im Allgemeinen und in der Medizin zu verfassen. Das habe ich gerne getan, und die beiden Qiuz sind inzwischen online gestellt. Wenn ein Quiz einigermaßen spannend sein soll, muss man zusätzlich zu den richtigen Lösungen plausibel klingende Alternativen erfinden. Alle Antworten sollen wiederum auf eine Erklärung führen, die ein Aha-Erlebnis auslöst.

Ein Quiz, das einfach nur Lexikonwissen abfragt, ist dagegen langweilig. Die Fragen sollten also nicht so aussehen:

 

Ganz viel Pulver

Bei der Pulververschwörung (Gun Powder Plot) haben katholische Verschwörer versucht, den englischen König und das Parlament umzubringen. Wann war das?

a) 1605 b) 1610 c) 1620

a) richtig b) falsch c) falsch

Besser ist also die folgende Frage:

 

Aller Anfang ist schwer

Nicht alle Verschwörungstheoretiker haben von Anfang an Erfolg. Stellen Sie sich folgende Szene vor: In einer Talkshow erscheint ein bisher als durchaus rational bekannter Mann in einem türkisgrünen Sportanzug. Diese Farbe zieht bekanntlich positive Energie an. Er sei der Sohn Gottes, erklärt er. Unter dem Gelächter des Publikums prophezeit er Erdbeben, Flutwellen und Vulkanausbrüche noch im laufenden Jahr. Die Blamage ist komplett. Trotz dieses anfänglichen Desasters hatten die Bücher, die er bald darauf schrieb, international großen Erfolg. Wen suchen wir?

a) den Schweizer Erich von Däniken
b) den Engländer David Icke
c) den Amerikaner Milton William Cooper

 

Das führt dann zu folgenden Erklärungen:

a) Nein, Erich von Däniken präsentierte sein erstes Buch deutlich seriöser. Auch er hatte aber Tiefpunkte in seinem Leben: 1970 wurde er in der Schweiz wegen Urkundenfälschung und Betrug zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt.

b) In der Tat, so fing im Jahr 1991 die zweite Karriere des BBC-Sportreporters David Icke an. Außerirdische, vier Meter große Reptilienwesen hätten sich auf der Erde breitgemacht, lautete seine These. Sie tarnten sich als Menschen, unter anderem als Prinz Philip oder George Bush. Ach ja, diese Reptiloiden seien auch die „wahren“ Illuminaten.

c) Nein, wir suchen jemand anderen. Der äußerst streitbare UFO-Verschwörungstheoretiker Milton William Cooper behauptete, er habe während seiner Dienstzeit in der Marine geheime Dokumente einsehen können, die bewiesen, dass UFOs tatsächlich außerirdische Raumschiffe seien. Weiter gehe daraus hervor, dass Aliens auf der Erde wohnten und die US-Regierung Beziehungen zu ihnen pflege. In späteren Jahren spann sich Cooper immer mehr in einen Verfolgungswahn ein. Er starb am 6. November 2001 bei einem Feuergefecht mit Polizisten, die ihn verhaften wollten.

 

Auch die falschen Antworten sollten also eine spannende Begebenheit anreißen. Leider verbietet es sich, etwas weiter auszuholen und die Geschichten komplett zu erzählen. Viele Leser von Spiegel Online spielen das Quiz auf dem Weg zur Arbeit oder in der Mittagspause auf ihren Handys. Da ist kein Platz für überlange Erklärungen.

Hier jetzt die Links:

Verschwörungen allgemein:

Aliens, Illuminaten und eine geheimnisvolle Stadt: Sind Sie der perfekte Verschwörer?

Verschwörungen aus dem Bereich der Medizin:

Komplott-Quiz: Fallen Sie auf die Verschwörung rein?

 

Literatur (Auswahl)

 

Barkun M (2003) A culture of conspiracy. Univerity of California Press, Berkeley.

Ein erhellender Einblick in die Szene der Verschwörungstheoretiker und die Entwicklung ihrer Theorien in den USA bis etwa 2002.

 

Grüter T (2006) Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer. Wie Verschwörungstheorien funktionieren. Fischer Verlag, Frankfurt

Das Buch befasst sich mit den psychologischen und sozialpsychologischen Hintergründen von Verschwörungstheorien. Zudem bietet es eine Theorie der Entstehung solcher Konstrukte und beschreibt viele konkrete Beispiele.

 

Ronson J (2003) THEM. Adventures with Extremists, Simon and Schuster, New York.

Jon Ronson, unter anderem bekannt durch sein Buch „Männer, die auf Ziegen starren“, hat mehrere Extremisten und Verschwörungstheoretikern durch ihren Alltag begleitet. Seine Erlebnisse hat er diesem schreiend komischen und zugleich nachdenklich stimmenden Buch verarbeitet. Absolut empfehlenswert!

(Die deutsche Ausgabe unter dem Titel Radikal: Abenteuer mit Extremisten ist vergriffen und bei Amazon nur zu Liebhaberpreisen zu bekommen)

 

Sammons JL, Hrg. (2001) Die Protokolle der Weisen von Zion. Die Grundlage des modernen Antisemitismus – eine Fälschung. Wallstein Verlag, Göttingen.

Eine wissenschaftliche Edition der bekannten antisemitischen Fälschung aus Russland. In Deutschland wird immer wieder das Gerücht verbreitet, der Text der Protokolle sei hierzulande verboten. Das ist falsch, die wissenschaftliche Edition ist frei verfügbar.

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www.thomasgrueter.de

Thomas Grüter ist Arzt, Wissenschaftler und Wissenschaftsautor. Er lebt und arbeitet in Münster.

1 Kommentar

  1. Psychologie der Verschwörungstheorie

    Kleine Frage noch hierzu: Ist es nicht so, dass die “wilde Theorie”, die auch für die Verschwörungstheorie steht, der Normalzustand war bevor die Gesellschaft zur Aufklärung gefunden hat?

    Also auch zu wissenschaftlichen Methodik? War früher eine Sachaussage nicht immer ein Narrativ, der beschrieb, was sein soll oder stattgefunden haben soll? Auch weil das Konzept der Wahrheit [1] teilweise gar nicht bekannt war?

    MFG
    Dr. W

    [1] die es bekanntlich auf nicht tautologische Systeme bezogen nicht gibt, sondern erarbeitet werden muss, von Erkenntnissubjekten, die sich dafür interessieren, was stattgefunden hat (“Fakten”) und was nahe zu liegen scheint (“Theorien”)