Lohnt sich Karriere an der Uni noch?

BLOG: Graue Substanz

Migräne aus der technischen Forschungsperspektive von Gehirnstimulatoren zu mobilen Gesundheitsdiensten.
Graue Substanz

Schwerpunktthema “Karriere in der Wissenschaft” heute zwischen 11:00 und 11:30.

Befristeter Vertrag, halbe Stelle, wenig Geld, hohe Lehrverpflichtung und vor allem kaum Aussicht auf Karriere: Der sogenannte wissenschaftliche Nachwuchs bleibt oft im akademischen System stecken. Zwischen Doktortitel und den raren Professorenstellen tut sich ein weites Feld prekärer Beschäftigungsverhältnisse auf. Aus Liebe zu ihrem Fach nehmen viele Wissenschaftler das in Kauf. Gefährdet das deutsche System die Qualität der Wissenschaft? Warum lassen sich so viele Akademiker das gefallen?

In der Sendung “Notizbuch” wird heute auf Bayern2 einmal mehr das Thema aufgegriffen.

Hier geht es zum Live-stream und hier zum Blog der Sendung.

Ich habe mit dem Redaktuer, Tobias Henkenhaf, kurz im Vorfeld gesprochen und lenke gerne nochmal die Aufmerksamkeit auf diese Sendung.

Gefallen hat mir seine Formulierung in der Ankündigung: “sogenannter” wissenschaftlicher Nachwuchs, denn allein der Begriff “Nachwuchs” verrät den Systemfehler, worauf ich schon vor knapp 2 Jahren an dieser Stelle hinwies. Heute ist das Thema in aller Munde wieder mal. Denn eigentlich wird seit den 1970er Jahren versucht, mehr Diversifikation und Transparenz in die wissenschaftlichen Karrierewege der deutschen Hochschullandschaft zu bringen. Bisher Vergebens. Es mieft 45 Jahre weiter unter den Talaren.


Protest über längst überholte universitäre Traditionen (1967).

Es ist kein Gesetz und nicht die klamme finanzielle Lage, die die Universitäten heute daran hindert, Fachgebiete weiter aufzuteilen und einen Teil der Beschäftigten im Mittelbau zu Dozenten im Oberbau aufzuwerten mit Rechten in Lehre und Forschung, die Pflichten einer solchen Position nimmt dieser Teil ohnehin längst wahr. Es ist der Muff, der es verhindert.

Aktuelle Informationen über den Weitergang der Diskussion in Deutschland bekommen Interessierte in der facebook-Gruppe 25% akademische Juniorpositionen (seit Feb. 2011) und auf google+ 25% akademische Juniorposition. Eine statische Website mit den zusammnegefassten Forderungen ist hier.

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Markus Dahlem forscht seit über 20 Jahren über Migräne, hat Gastpositionen an der HU Berlin und am Massachusetts General Hospital. Außerdem ist er Geschäftsführer und Mitgründer des Berliner eHealth-Startup Newsenselab, das die Migräne- und Kopfschmerz-App M-sense entwickelt.

23 Kommentare

  1. Deutscher Problemlösungsversuch

    Es ist schon bezeichnend, dass man nun – viel zu spät – in Deutschland mit Tenure-Track-Stellen anfängt; bezeichnend, weil das Wort aus dem englischen Sprachraum suggeriert, dass man aus eigenen Ideen heraus keine Lösung gefunden hat.

    Kürzlich sah ich eine der (seltenen) deutschen Ausschreibungen für Nachwuchskräfte mit TT. Darin fand sich der wichtige Hinweis: “…bei gleichbleibenden strukturellen Voraussetzungen.” Will sagen: Bei der nächsten Kürzungsrunde steht die TT-Stelle dann doch wieder zur Disposition?! Vor allem in der Zeit der Finanzkrise überzeugt mich das nicht.

    Bei uns in Groningen an der Fakultät BSS ist das so, dass selbst wenn sie die Abteilung schließen, die TT-Stellen davon unbetroffen sind (natürlich nur, sofern da überhaupt noch andere Abteilungen sind, denen man zugeordnet werden könnte).

    Markus, wann packst du endlich deine Koffer und gehst an einen Ort, an dem man dir deine Wünsche erfüllt?

  2. @Stephan

    Deine Frage geht ja in die Richtung der zweiten: Warum lassen sich so viele Akademiker das gefallen?

    Zum einen habe ich natürlich auch Familie und eine Frau mit Karrierevorstellungen, die bei einem Wechsel mitbestimmen. Dann laufen hier drei Drittmittelprojekte mit vielen Mitarbeitern, die nicht so flexibel transferiert werden können. Ich hoffe aber, das alles lässt sich in den nächsten Jahren lösen. Damit ist das Problem in Deutschland aber immer noch nicht gelöst und dafür setzte ich mich unabhängig von meiner eigenen Situation gerne öffentlich ein.

  3. Nur Philosophen?

    Gerade wurde ein Kommentar in dem Bayern2-Blog gepostet, der auch mal zeigt, dass es nicht nur die Geisteswissenschaftler sind, die vor dem Problem stehen:

    “Was wenn man neun (9) Jahre nach der Promotion auf der elften (11. !) befristeten Stelle gesagt bekommt, es sei ein grosser Erfolg wenn (=falls) man eine unbefristete Stelle bekaeme, denn dies waere das Ziel der derzeigen “Nachwuchs-”Stelle?”
    Sind 11 befirstete Anstellungen denn nicht genug Nachweis der Exzellenz.
    Publication record: 13 Physical Review Letters, 2 Europhysical Letters, 2 Nature Physics, 45 total, h-index 16, >700 citations received, age 37

    Das zeigt, das das System auf der ganzen Breite versagt.

  4. @Markus A. Dahlem: Anderer Schluss

    Das zeigt, das das System auf der ganzen Breite versagt.

    Zumindest scheint es nicht aus sich heraus jedem, der ein gutes Leben im Akademischen abstrebt, diesen Wunsch zu erfüllen.

    Ich würde nicht sagen, dass da ein Systemversagen vorliegt. Die Stellenkapazitäten sind schon willentlich und wissentlich geplant.

  5. @Markus

    “Zwischen Doktortitel und den raren Professorenstellen tut sich ein weites Feld prekärer Beschäftigungsverhältnisse auf.”

    Es ist meines Erachtens notwendig, daß Wissenschaftler begreifen, daß ihr häufig zweifellos unbefriedigender Zustand nicht losgelöst von der allgemeinen Entwicklung betrachtet werden kann. Wissenschaft mag es zwar, aus guten Gründen, vorziehen unpolitisch sein, aber sie darf sich nicht ausschließlich auf sich selbst beziehen, wenn sie positive Veränderungen bewirken will. Leiharbeiter, Ein-Euro-Jobber, Schlecker-“Mitarbeiter”, ALG 2-Bezieher, etc., etc. stehen in der Kette der Zumutungen weit weit vorne, haben keine (akademische) Lobby und mehr als andere unter Geringschätzung und Ausgrenzung zu leiden.

    Erst wenn eine Gesellschaft sich (nicht zuletzt durch ihre “Eliten”) grundlegend zu humanistischen Werten bekennt, die u.a. von Wissenschaftlern eingefordert werden, erst, wenn Ethik als wesentliches Agens aller wissenschaftlichen Disziplinen auch vernehmbar von den Wissenschaftlern verstanden und vertreten wird, kann sie fröhlich sein. Sonst erleben wir, wie so oft in der Geschichte, lediglich die Wiederholung, den Erfolg des unsäglichen Prinzips von divide et impera.

  6. @Markus A. Dahlem: Versprechen?

    Es zeigt, dass das System nicht hält, was es verspricht. Somit versagt es.

    Können Sie wenigstens andeuten, wie Sie auf die Idee kommen, dass das System ein solches Versprechen abgegeben hätte?

    Das Nichteinhalten eines Versprechens nennt man übrigens Wortbruch.

  7. prekär

    @Ano Nym: In dem Wissenschaftssystem sollten sich nach gewissen, vorgegebenen Kriterien Wissenschaftler durchsetzen und weiterarbeiten. Diese Vorgaben wurden gemacht, die heißen eben z.Z. Drittmittel, h-index, citations und und und.

    Die Liste (wir können streiten ob dies das Maß sein soll): “13 Physical Review Letters, 2 Europhysical Letters, 2 Nature Physics, 45 total, h-index 16, >700 citations received, age 37” zeigt überdeutlich, dass es in diesem Fall ohne größere Probleme (nach den vorgegeben Kriterien zumindest) glatt gehen muss. (Wie gesagt, wir können streiten, ob wir wirklich mit solchen Zahlen Exzellenz bewerten wollen — aber das ist z.Z. die Vorgabe). 11 Arbeitsverträge und 9 Jahren sprechen eine andere Sprache. Alles im System Richtig zu machen, nützt also (auch) nichts. Es bleibt zu einem hohen Grad völlig unvorhersehbar — auch das ist prekär.

    Kein Unternehmen würde und dürfte so mit Mitarbeitern umgehen, wie die staatlichen Unis es machen können und auch noch machen (sie müssten ja nicht).

    Und ja, ich rede vom Wortbruch. Wie viele davon meinen Sie hat es gegeben in einem System, das dermaßen intransparent ist?

    @Jörg Schütze: Ich mache Lobby-Arbeit für Wissenschaftler und nicht für z.B. Schlecker-“Mitarbeiter”. Da ich deren Situation im Hinterkopf habe, verschlucke ich mich, bei Begriffen, wie “prekärer Beschäftigungsverhältnisse” — ohne dann auch darauf hinzuweisen

    Selbst der Vergleich unter den Wissenschaftlern ist schwierig. Mein eigenes Entgeld ist üppig im Vergleich zu vielen Geiteswissenschaftlern. Ich habe nur ein paar Hundert Euro unter dem TV-L Tarif, weil die Uni meint den Tarif umgehen zu können. Das ist immer noch nicht vergleichbar mir den 600Euro pro Semester (sic), was andere bekommen.

    Solidarität ist immer gefordert, schließt aber auch die selektive Ansprache von Problemen nicht aus.

    Jeder in einer Gesellschaft sollte sich grundlegend zu humanistischen Werten bekennen, von Wissenschaftlern und den Eliten im allgemeinen aber darf man das noch viel expliziter und öffentlicher fordern.

  8. @Markus, selektive Ansprache

    “Solidarität ist immer gefordert, schließt aber auch die selektive Ansprache von Problemen nicht aus.”

    Fast bin ich geneigt dir zuzustimmen und will keine Erbsen zählen; aber ist es nicht so, daß eine dezidiert selektive Ansprache es schlicht versäumt, wesentliche ursächliche Zusammenhänge zu beleuchten? – Es sei denn, man vermutet, es gebe keine oder sie seien eben nicht wesentlich. Ich bin überzeugt, in einer im besten Sinne prosperierenden Gesellschaft sind Wissenschaftler und im Einzelhandel oder anderswo lohnabhängig Beschäftigte: beide sich ihrer Anerkennung sicher. Denn beide haben es in gleichem Maße verdient.

    Ich meine, ohne nun das Thema überstrapazieren zu wollen, das gehört zusammen.

  9. @Markus A. Dahlem

    Alles im System Richtig zu machen, nützt also (auch) nichts. Es bleibt zu einem hohen Grad völlig unvorhersehbar — auch das ist prekär.

    Ja sicher. Was haben Sie denn gedacht? Das was Sie suchen, finden Sie derzeit nur noch bei echten Monopolisten wie der GEZ, der GEMA oder der BfB. Aber auch bei denen werden N Bewerber auf M Stellen besten-selektiert mit M < N.

    [Antwort: Man selektiert aber indirekt z.B. nach: wer ist ruhig, liebt Abhängigkeit und passt sich aalglatt an, u.a. … Das ist eher untypisch für die andere Welt da draußen.]

  10. M.U.T.

    @Jörg Schütze: Weder Schlecker noch Opel sind ja aktuelle Probleme und — obwohl genauso wenig der Muff unter den Talaren ein frischer ist — warum diese und nicht alle, die arbeiten, in diesen Sack stecken und Solidarität fordern?

    Ich habe einen ganz anderen, schlimmen Verdacht.

    Die fehlende Zivilcourage ist ein Problem — kaum einer traut sich, mit dem Finger offen auf Missstände zu zeigen. Weil es ja einem selbst schaden könnte. Immer in der Angst um die süße Hoffnung, doch noch zum Zuge kommen zu können. Die Angst vor dem abqualifiziert zu werden, was Helmut Pape als “Koalition der Benachteiligten” ausdrückte. Das finde ich etwas erbärmlich. Wie wenig Selbstvertrauen dahinter steckt, das macht mir noch mehr Angst um die Wissenschaft als deren schlechtes Karrieresystem. Als ich mich über die Vorgänge an meiner Universität beschwerte, kam in einem Nebensatz aus einer Verwaltung: “Sie wollen ja auch nochmal Gutachten”, ob es da ratsam sei, als Querulant gelten zu können (ich fasse zusammen). Das war nett gemeint, fürchte ich. Und neulich hörte ich erst, nun keinen Topf mehr gewinnen zu können. Nun, das entscheide immer noch ich mit meiner Leistung und einen Topf will ich auch gar nicht.

    Ich würde von meinen Kollegen mehr Mut einfordern, dann klappt’s auch mit der Nachbarin, der Solidarität.

    Übrigens: Grüße an obige!

  11. @Markus: Was für eine Gemeinheit!

    …als Querulant gelten zu können (ich fasse zusammen). Das war nett gemeint, fürchte ich. Und neulich hörte ich erst, nun keinen Topf mehr gewinnen zu können. Nun, das entscheide immer noch ich mit meiner Leistung und einen Topf will ich auch gar nicht.

    Den Verweis aufs Querulantentum habe ich in ähnlicher Weise auch schon gehört – wenn es beispielsweise darum ging, sich an die im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen zu halten.

    Das zeigt ja, wie manche in Verwaltungs- oder Entscheidungspositionen (übrigens als Angestellte oder Beamte des Staates, die im letzteren Fall sogar auf die Rechtsordnung vereidigt sind) gedanklich “ticken”.

  12. @Schütze: Schlechtes Argument

    Leiharbeiter, Ein-Euro-Jobber, Schlecker-“Mitarbeiter”, ALG 2-Bezieher, etc., etc. stehen in der Kette der Zumutungen weit weit vorne, haben keine (akademische) Lobby und mehr als andere unter Geringschätzung und Ausgrenzung zu leiden.

    Was für ein selten schlechtes Argument. Aus dem Unrecht, das anderen angetan wird, lässt sich nicht weiteres Unrecht rechtfertigen. Sie sagen damit nichts anderes als: Stell dich nicht so an, anderen geht’s doch noch schlechter!

    In der Diskussion kann und muss es nur um angemessene und gerechte Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler gehen. Dass es ebenso berechtigt ist, angemessene und gerechte Arbeitsbedingungen für geringer qualifizierte Tätigkeiten (sowie andere Arbeiter und Angestellte) zu fordern, steht hier nicht zur Debatte, ist nicht Thema dieses Blogs.

    Nebenbei sei an das jüngste BGH-Urteil erinnert, das die W-Besoldungen zumindest teilweise für verfassungswidrig erklärt hat, da manche Kriterien nicht mit unserem Rechtsstaat vereinbar sind.

    Ich kann Ihnen sagen, dass meine persönliche Erfahrung (die leider von vielen anderen in ähnlicher Weise bestätigt wurde), im öffentlichen Dienst (also als Angestellter des Bundes oder eines Landes) nicht standardmäßig davon ausgehen zu können, dass Entscheidungen im Interesse des Angestellten und im Einklang mit geltendem Recht getroffen werden, sondern man im Gegenteil permanent auf der Hut sein muss, nicht übers Ohr gehauen zu werden, dass diese Erfahrung mein Vertrauen in die zurzeit bestehende Verwaltungs- und Organisationsstruktur der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig beschädigt hat.

    Für mich stand daher gegen Ende meiner Promotionszeit fest, dass ich entweder den Beruf oder das Land wechsle. Das habe ich bis heute an keinem Tag bereut, ganz im Gegenteil; zumindest karrieremäßig wurden meine Vorstellungen bei weitem übertroffen.

    Zum Schluss noch ein Gedanke mit auf den Weg, der Ihrem Denken vielleicht besser zugänglich ist: Wir reden hier über die Arbeitsbedingungen von Menschen, die in den meisten Fällen eine hervorragende Schul-, Hochschul- und Wissenschaftsausbildung abgeschlossen haben sowie eine große Portion Idealismus mitbringen, um das Wissen, den Wohlstand und in vielen Fällen auch den Reichtum an Kulturgütern unserer Gesellschaft zu vermehren.

    Dennoch können viele dieser Menschen, auch in Oxford, wo ich gleich ankomme, mit ihrem vorhandenen Gehalt nicht mal mehr die lokalen Wohnpreise bezahlen (hier gerade auf den Fall eines Lecturers mit Festanstellung an der University of Oxford verwiesen).

  13. “Was für ein selten schlechtes Argument. Aus dem Unrecht, das anderen angetan wird, lässt sich nicht weiteres Unrecht rechtfertigen. Sie sagen damit nichts anderes als: Stell dich nicht so an, anderen geht’s doch noch schlechter!”

    Eine erstaunlich oberflächliche und umso mehr offensive Einschätzung. Ich erkenne sehr wohl, s.o., den “zweifellos unbefriedigenden Zustand” der Wissenschaftler, wie Markus ihn treffend beschreibt und rechtfertige das in keiner Weise, schon gar nicht durch einen plumpen Vergleich, der die törichste aller Tröstungen darstellt.

    “Dass es ebenso berechtigt ist, angemessene und gerechte Arbeitsbedingungen für geringer qualifizierte Tätigkeiten (sowie andere Arbeiter und Angestellte) zu fordern, steht hier nicht zur Debatte, ist nicht Thema dieses Blogs.”

    Ich weiß nicht, wie Sie das eine vom anderen trennen. “Was zur Debatte steht”, ist kein isoliertes Phänomen. Das ist meine Ansicht. Ich verstehe nicht, wie man darüber so eifrig werden kann. “Das ist nicht Thema, Punkt!”, ist eine zweifelhafte Auseinandersetzung mit Aussagen, die gesellschaftliche Zusammenhänge bezeichnen; Aussagen, denen sich, nebenbei gesagt, auch argumentativ begegnen ließe.

    “Wir reden hier über die Arbeitsbedingungen von Menschen, die in den meisten Fällen eine hervorragende Schul-, Hochschul- und Wissenschaftsausbildung abgeschlossen haben”

    Fein. Und ich erlaube mir, in genau diesem Zusammenhang, von Menschen der “2. Klasse” zu reden, denen diese hervorragende Ausbildung eben nicht nicht zuteil geworden ist – aus welchen Gründen auch immer.

    “Dennoch können viele dieser Menschen, auch in Oxford, wo ich gleich ankomme, mit ihrem vorhandenen Gehalt nicht mal mehr die lokalen Wohnpreise bezahlen”

    Eben das isoliert zu betrachten, ist eine erstaunliche intellektuelle Leistung.

  14. @Schütze: kein Vorwurf

    Für mich las sich Ihr Kommentar

    …notwendig, daß Wissenschaftler begreifen, daß ihr häufig zweifellos unbefriedigender Zustand nicht losgelöst von der allgemeinen Entwicklung betrachtet werden kann…

    als ein Vorwurf gegenüber Markus Dahlem, dass er sich hier nur mit der Lage der Wissenschaftler beschäftigt, nicht mit derjenigen der Arbeitnehmer allgemein. Markus ist eben Wissenschaftler und kennt sich damit am besten aus.

    Wenn Sie das nicht als Vorwurf meinten, dann habe ich daran auch nichts auszusetzen – wie ich schon schrieb, geht es mir insgesamt durchaus um das allgemeine Prinzip, alle Menschen fair und gerecht zu behandeln, auch wenn das meines Erachtens den Rahmen dieses Blogs sprengen würde.

    Dennoch ist die Lage der Wissenschaftler m.E. insofern anders, als diese schlechter organisiert sind, da man als solcher mehr eine Art Selbstständigendasein hat. Ich habe beispielsweise noch nie einen Kollegen getroffen, der in einer Gewerkschaft ist.

    P.S. Übrigens erfuhr ich gerade von dem Kollegen aus Oxford, der sich hier in der Region mit seiner Anstellung als Lecturer kein Haus kaufen konnte, dass er jetzt eine Professur in einer anderen Stadt erhalten hat.

  15. @Stephan Schleim

    Ich habe – einst – mit Markus eine durchaus schöne Zeit im selben Institut verbracht und schon damals, bei moussierenden Getränken sitzend, eine Trennung von Wissenschaft und Ethik leichthin als auszuschließen gefordert (jugendlich, Sturm, Drang, Hoffnung). Für ihn las sich mein Posting also hoffentlich eher als angenehme Erinnerung denn als Beleidigung.

    Am Rande: Wie Äußerungen anderer Teilnehmer einzuschätzen sind, funktioniert in Foren nicht selten überhaupt nicht. “Echte” Dialoge funktionieren strikt anders und führen entprechend zu wesentlich anderen Ergebnissen, betreffend (sogar) Thema, Konsenz und Dissenz. Also ist Behutsamkeit kein schlechter Ratgeber.

  16. Es lohnt sich

    Aus meiner Erfahrung kann ich die Frage “Lohnt sich Karriere an der Uni noch” so beantworten: auf jeden Fall.

    Es gibt keine andere Position, die in dieser Gesellschaft zu vergeben ist, die Freiheit, Sicherheit und ein ganz gutes Auskommen so verbindet wie die des Professors – nicht annähernd. Mit niemandem hätte ich tauschen mögen, wirklich mit niemandem. Das gilt, obwohl dieser Beruf in den letzen hundert Jahren an Ansehen gewaltig verloren hat, die Bezahlung relativ zu den meisten anderen Berufen gewaltig gesunken ist und die Freiheiten, die es einst gab, zum erheblichen Teil in einem Wust von Bürokratie – die mit jedem der neoliberalen Versuche, sie zurückzudrängen, größer wird – erstickt wurden.

    Gemeint ist mit der Frage in der Überschrift aber sicher nicht, ob es sich gelohnt hat, wenn man angekommen ist (das hat es), sondern ob es sich lohnt, den Weg einzuschlagen. Der ist in der Tat sehr riskant und mühsam und da gäbe es einiges zu verändern. Allerdings sehe ich nicht, daß das früher anders war. Das “noch” in der Überschrift verstehe ich also nicht ganz.

  17. zwischen den (Lehr)Stühlen

    @Jörg und Stephan wir müssten das in gemeinsamer Runde besprechen und es würde spannend. Ich habe Jörg verstanden.

    @Ludwig Trepl Ich habe die Überschrift schlicht übernommen, wobei ich sofort über das “noch” gestolpert bin. Sauber hätte ich die Überschrift also in Anführungszeichen setzen müssen. Mehr als ein Hinweis auf die Bayern2 Sendung war es ja nicht (abgesehen vielleicht von der Werbung noch der Gruppe “25 akademische Nachwuchsposition”).

    Ich stimme also zu: ich sehe nicht, dass es früher leichter war. Aber wohl doch anders. Bei mir ist die Interdisziplinaität ein großes Problem (s. kennen ja eine andere Geschichte, die Kulturgeschichte der Dinosaurier.), waren früher z.B. auch schon so viele Leute zwischen den (Lehr)Stühlen unterwegs?

  18. @Jörg Schütze: Behutsamkeit

    Behutsamkeit ist ‘was für Elefanten im Porzelanladen. Zu diesem Thema will ich nicht behutsam sein, sondern mich ordentlich streiten. Das ist einer Wohlstandsnation wie der Bundesrepublik Deutschland einfach nicht würdig, wie man dort in vielen Fällen mit seinem akademischen Nachwuchs umgeht.

    Bestellen Sie doch einstweilen mal so ein virtuelles moussierendes Getränk auf meine Rechnung. 😉

  19. @Trepl: Einspruch!

    Ich bin an den Unis schon so manchem Akademischen Rat begegnet, der Zeugnis dafür ablegt, dass es früher durchaus unbefristete Stellen im akademischen Mittelbau gab.

    Ferner sind die Konsequenzen der Bologna-Reform, beziehungsweise deren Interpretation mit Blick auf Standardisierung und Tests, neu – und zum Teil hausgemacht, wenn man die Situation mit den Fakultäten des Rechts und der Medizin vergleicht, die die Reformen nicht als alternativlose Vorgabe geschluckt haben. Von den Versprechen, mit denen man für das neue System warb (z.B. bessere Überschaubarkeit, einfacherere Austauschprogramme), ist fast nichts eingetroffen; von den Befürchtungen, vor denen wir Studierendenvertreter damals gewarnt haben (z.B. Studierende verlieren Freiheit, weniger Zeit für breites, in die Tiefe gehendes Studium), beinahe alles. Durch den Prüfungswahn, zu dem das vielerorts geführt hat, haben sich viele Professoren langfristig ins eigene Fleisch geschnitten.

    Auch ist die Grundbesoldung (W- statt C-Tarife) schlechter geworden (und kürzlich in vielen Fällen für verfassungswidrig erklärt worden).

    …und du sagst, es sei früher nicht besser gewesen?

  20. Karrierewege

    Ich denke, die Karrierewege waren früher nicht besser oder leichter begehbar. Denn bis auf das Argument mit dem Akademischen Rat betreffen Deine Argumente ja nicht (direkt) das Problem des Flaschenhalses in den Karrierewegen.

    Abhängigkeit und Selektion nach falschen Kriterien war wohl schon immer ein Problem. Rebellische Typen mit eigenen, abseitigen Meinungen hatten es wohl immer schwer, nur ist das eben gerade ein (nicht der der einzige) wichtiger Input, den das Wissenschaftssystem braucht.

  21. @ Dahlem @ Schleim

    @ Stephan Schleim: Natürlich ist es an den Universitäten alles in allem erheblich schlechter geworden. Hätte man jemandem vor 50 Jahren eine heutige Universität vorgeführt, er hätte mit Sicherheit gesagt, daß das gar keine ist. Vielleicht hätte er gesagt, das ist eine Fachhochschule, oder es ist eine Großforschungseinrichtung mit angeschlossenem Ausbildungsbetrieb, aber eine Universität auf keinen Fall.

    Meine Aussage mit dem “früher nicht besser” bezog sich allein auf die Situation des sogenannten wissenschaftlichen Nachwuchses. Dadurch, daß immer mehr Fächer nach dem Vorbild der experimentellen Wissenschaften umgestaltet werden, gibt es immer mehr Institute mit Projektstellen. Die meisten Wissenschaftler reihen ziemlich lückenlos eine Stelle an die andere, bis sie eine feste haben oder rausfliegen.

    Demgegenüber gab es früher viel mehr “freie” Privatdozenten (wie heute noch in manchen geisteswissenschaftlichen Fächern). Ich z.B. war zwischen Abschluß des Studiums und Antritt einer Professur zusammengenommen über vier Jahre arbeitslos, und die restliche Zeit hatte ich selten mehr als eine halbe Stelle oder ein entsprechendes Einkommen als “freier Gutachter” oder ähnliches. Solche Situationen sind, glaube ich, heute seltener.

    @Markus Dahlem: Das Problem, zwischen den Fächern zu sitzen, hat sich sicher verschärft. Es ist grotesk: Je lauter das Jubelgeschrei um Interdisziplinarität, desto schwieriger wird es für die, die sich darauf einlassen.

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