Was von der Woche übrig bleibt [4]

BLOG: Con Text

Wörter brauchen Gesellschaft.
Con Text

Über die innige Verwandtschaft von Kunst und Wissenschaft

Ernst Mach ist den meisten Lesern der Scilogs sicherlich ein Begriff. 1896 veröffentlichte er sein Buch Die Prinzipien der Wärmelehre, in dem ich auf folgendes schönes Zitat stieß:

Die Kunstgeschichte aller Zeiten lehrt, wie auch auf diesem
Gebiet die zufällig sich darbietenden Formen in den Gebilden  
der Kunst Verwerthung [sic!] finden, und Leonardo da Vinci hat dem
Künstler Anleitung gegeben, in den zufälligen Formen der  
Wolken, fleckiger rauchiger Wände, das für seine Pläne und  
Stimmungen Passende zu erkennen. Es ist dies ein Vorgang,
der mit dem oben betrachteten[1] eine gewisse Verwandtschaft hat.

[…]

Auch der Musiker schöpft gelegentlich aus unregelmässigen Geräuschen Anregung, und gelegentlich kann man auch von einem berühmten Musiker hören, wie derselbe durch zufälliges Fehlgreifen auf dem Clavier auf neue werthvolle melodische oder harmonische Motive geführt worden ist.

Ernst Mach, Die Principien der Wärmelehre, 1896. S. 440, Kapitel ‘Correctur wissenschaftlicher Ansichten durch zufällige Umstände’. [Alle Rechtschreibauffälligkeiten im Original]

[1] Beim ‘oben betrachteten’ handelt es sich um die Frage, wie neue [persönliche] Erfahrungen auf bekannte Verfahrens- und Denkweisen Einfluss nehmen. Oder auch: Zum Glück sind wir lernfähig.

Über Interpretation als Kenntnis von Perspektiven und deren Wechsel

Die satirische Site McSweeney’s hat sich daran gemacht, nicht verwendete Audiokommentare zu Filmen zu veröffentlichen. Sie fanden unter anderem je einen zu The Fellowship of the Ring und The Return of the King; Zwiegespräche der bekannten Sozialisten Noam Chomsky und Howard Zinn:

  1. FotR, Teil 1
  2. FotR, Teil 2
  3. RotK, Teil 1
  4. RotK, Teil 2
  5. RotK, Teil 3
  6. RotK, Teil 4

Die beiden unterhalten sich u.a. über die Gründe, warum die Rüstungen der Soldaten offenbar nichts taugen

Armor? Most likely armor manufacture is outsourced to Haradrim children down south. No wonder it can’t stop an arrow!

Sofort dachte ich daran, dass es auch einen völlig anderen Grund geben könnte. Vielleicht ist der Militarismus Gondors nur noch ein aufgesetzter Ritus, mit dem eine kriegerische Männlichkeit demonstriert werden soll, die gar nicht mehr vorhanden ist. Die Patrizier tragen glänzende, ornamentierte Zeremonienwaffen, die im Grunde nichts taugen.

Über Amateure und Profis, sowie den schlechten Einfluss von Fans

In der Popkultur sind Fans wichtig, gar keine Frage. Ohne lautstarke Fans hätte es die hervorragende TV-Serie Chuck nie über eine – vermutlich verkürzte – zweite Staffel geschafft. Dr Who lebte nach seinem TV-Ende 1989 weiter in Hörspielen, Comics, Romanen, die so erfolgreich wurden, dass die BBC überzeugt werden konnte, den Gallifreyer im TV aufleben zu lassen. Mit großem Zuschauer- und Kritikererfolg.

Aber Fans sind auch die größten Feinde ihres Liebesobjekts. Sie wollen sehen, was sie lieben, worin sie sich verliebt haben. Sie sind konservativ. Jeder Fan findet den Doktor am besten, mit dem er die Serie kennengelernt hat; wie bei James Bond.[1]

I’m really glad that when all creative decisions about Who are made I can’t participate and ruin everything with my taste and narrow views. Cause it’s true that amateurs ask “why haven’t you done something else?” while professionals ask “why have you done exactly that?”

Kommentator Megachi zu einem Den-of-Geek-Artikel über die Fans von Dr Who. [Rechtschreibung von mir korrigiert]

[1] Ausnahmen: Peter Cushing, dessen Doktor außerhalb der Serie steht und nur zweimal im Kino auftrat, und George Lazenby als James Bond.

Über das Leben als Sichtweise eigener Freuden

Tragedy: If I cut my finger. Comedy: If another one’s head gets cut off. [Derek Leveret]

Nach dem Abitur habe ich an der Universität Hamburg Anglistik, Amerikanistik, Soziologie und Philosophie studiert. Den Magister Artium machte ich 1992/93, danach arbeitete ich an meiner Promotion, die ich aus verschiedenen Gründen aufsteckte. Ich beschäftige mich meist mit drei Aspekten der Literatur: - soziologisch [Was erzählt uns der Text über die Gesellschaft] - technisch [Wie funktioniert so ein Text eigentlich] - praktisch [Wie bringen wir Bedeutung zum Leser] Aber auch theoretische Themen liegen mir nicht fern, z.B. die Frage, inwieweit literarische Texte außerhalb von Literatur- und Kunstgeschichte verständlich sein müssen. Oder simpler: Für wen schreiben Autoren eigentlich?

3 Kommentare

  1. “…wie neue [persönliche] Erfahrungen auf bekannte Verfahrens- und Denkweisen Einfluss nehmen.”

    -> Es kommt wohl immer darauf an, wer denn diese neuen Erfahrungen der Öffentlichkeit mitteilt. So manchen würde man auch bei bestem Willen und reinstem Gewissen nichts glauben, was man so an neuen Erfahrungen machen kann.

    Neue Erfahrungen kann man ja fast täglich machen (so man an Erfahrung noch nicht reich ist). Nur weiß man manchmal nicht, ob sie schon jemand anderes gemacht hat.

  2. Mach

    Oh, wie schön. Du beschäftigst dich jetzt auch mit den Grundlagen der Relativitätstheorie. Die Allgemeine Relativitätstheorie gehört zu den schöneren Künsten. Die Spezielle ist mehr Gebrauchskunst.

  3. Wissenschaft als Kunst?

    Mich überrascht etwas, dass grade bei diesen Thema Feyerabends “Wissenschaft als Kunst” nicht erwähnt wurde. Auch er war ein großer Fan von Ernst Mach.