Buchvorstellung: Was können wir wissen? – Mit Physik bis zur Grenze verlässlicher Erkenntnis, Teil 2

BLOG: Die Natur der Naturwissenschaft

Ansichten eines Physikers
Die Natur der Naturwissenschaft

Im letzten Blogartikel habe ich den ersten Teil meines Vortrags vorgestellt, den ich auf dem 21. Göttinger Literaturherbst  gehalten hatte. Ich habe dabei mit der Beobachtung geschlossen, dass sich die Entwicklung der Physik auf zwei verschiedenen Ebenen vollzieht,  auf einer formalen, mathematischen einerseits und einer  begrifflichen, verbal formulierten andererseits. Ich hatte betont, dass die Aussagen physikalischer Theorien auf der formalen Ebene immer Relationen sind, und zwar zwischen den Eigenschaften irgendwelcher verschiedenen Dinge. Diese Relationen sind in vielen Experimenten und Anwendungen geprüft worden und können nicht im Laufe der Zeit plötzlich ungültig werden.

Meine These war nun: Diese Relationen sind es genau – und nur diese, die in der Physik unser verlässliches Wissen repräsentieren. Unser Wissen über die Natur der Kräfte, der elektromagnetischen Felder, über Zeit und Raum oder über das, was Materie eigentlich ist, alles Begriffliche also  – das unterliegt einem ständigen Wandel. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht zu abzusehen.

Der Wandel, der sich auf der Ebene der Begriffe vollzieht, kann von verschiedener Art sein.

Der Wandel führt zu einem vertieften Verständnis

Ich will das am Beispiel des Lichts erläutern: Newton und seine Zeitgenossen begannen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, sich mit der Eigenschaft des Sonnenlichts aus einander zu setzen. Es ging um die Eigenschaften und um die Natur des Lichts. Newton sagte zu beiden etwas: Er entdeckte, dass die Brechung des Lichts beim Eintritt in ein anderes Medium von der Farbe abhängt und konnte so den Farbenverlauf des Regenbogens erklären.  Und zur Natur des Lichtes hatte er eine feste Meinung: Die Lichtstrahlen bestehen aus kleinen Körpern, die von den leuchtenden Substanzen ausgesandt werden.  Interessant ist hieran, dass wir schon hier  Aussagen beiderlei Art haben:  Über die Natur des Lichts und über die Regeln, die bei der Brechung des Lichtes gelten.  Die Brechungsgesetze werden auch noch heute bestätigt, die Aussage über die Natur des Lichts wurde 100 Jahre später zurückgewiesen und machte einer neuen Überzeugung Platz.

Anfang des 19. Jahrhunderts kamen nämlich der englische Physiker Thomas Young und bald danach auch der französische Straßenbauingenieur Augustine Jean Fresnel zu der Überzeugung, dass Licht Wellen von Teilchen im Äther sind, jenem feinstofflichen Medium, dass nach damaligen Vorstellungen die ganze Welt erfüllt. Sie entdeckten Regeln für die Interferenz von solchen Wellen, die sich im Experiment immer wieder bestätigten. Auch hier also, von unserer heutigen Warte aus gesehen: richtige, immerwährend gültige  Regeln, “falsche” Vorstellungen vom Licht.

Anfang des 20. Jahrhunderts schließlich fand Albert Einstein für ein damals höchst aktuelles Experiment – Phototeffekt genannt, in dem mit Hilfe von Licht Elektronen aus einem Metall ausgeschlagen werden konnte – endlich eine schlüssige Interpretation. Er musste dazu allerdings eine revolutionierende Annahme machen: Licht besteht aus “einer endlichen Zahl von in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten, welche sich bewegen, ohne sich zu teilen und nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden können.“ 
Das war wieder eine ganz andere Aussage über die Natur des Lichtes. Nun bestand es wieder aus Korpuskeln, wenn auch ganz anderer Art.  Diese Vorstellung wurde zunächst nicht akzeptiert, zu gut passten die Ansichten von Young und Fresnel in eine Theorie, die der schottische Physiker Maxwell im 19. Jahrhundert für die elektrodynamischen Phänomene aufgestellt hatte und mit der selbst die optischen Phänomene erklärt werden konnten. Max Planck sprach deshalb davon, dass Einstein da wohl über das Ziel hinaus geschossen sei.
Einstein aber hatte hier nach Max Plancks Arbeiten über die Wärmestrahlung einen zweiten, höchst bedeutsamen Hinweis auf die Quantenhaftigkeit der Natur entdeckt. Immer mehr solcher Hinweise entdeckte man bald, der Durchbruch kam 1923 mit dem Compton-Experiment. Albert  Einstein bekam aber schon 1922 den Nobelpreis für seine Arbeit über den Photoeffekt, allerdings nicht für seine neue Vorstellung vom Licht, sondern für “die Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effektes“, also für eine Relation: Bei der war man sich sicher, bei der Interpretation eben noch nicht.

Die drei Vorstellungen darüber, was Licht denn nun eigentlich ist, stehen aber nicht im Widerspruch zu einander.  Man verstand mit der Zeit, dass sich ein Strom von sehr vielen Photonen, wie man ab 1926 die Lichtquanten nannte, wie ein Welle verhält, die allen Relationen gehorcht, die schon Young und Fresnel gefunden hatten. Ist nun die Wellenlänge des Lichtes viel kleiner als das beleuchtete Objekt, so spielt wiederum die Wellennatur keine Rolle mehr und die Phänomene des Lichts können durch die Vorstellung erklärt werden, dass das Licht sich in Form einzelner Strahlen, also wie auf Bahnen von Korpuskeln, nach bestimmten geometrischen Regeln ausbreitet. Der Übergang von einem Bild zum andern kann auf der formal mathematischen Ebene vollzogen werden. Je nach den Umständen ist die eine oder das andere Vorstellung darüber, was denn nun Licht ist, nützlich. Die Vorstellung von einem Photonenstrom ist die grundlegende, da aus ihr die anderen Vorstellungen in Form von Näherungen abgeleitet werden können.

Der Wandel führt zur Einsicht in die Beschränktheit unseres Vorstellungsvermögens

In der Klassischen Physik erforscht man die Dinge der Welt unserer Dimension und täglichen Erfahrung. Wir müssen solche materiellen Körper nicht unbedingt in die Hand nehmen können, sie sind jedenfalls im Raum auf ein Gebiet beschränkt und besitzen neben vielen möglichen Eigenschaften wie Form und Farbe eine bestimmte Position und stets auch eine bestimmte Geschwindigkeit. Außerdem sind sie teilbar, und ihre Teile haben selbst wieder solche Eigenschaften.

Dass sie teilbar sind, zeigt, dass sie zusammengesetzt sind, also Systeme von bestimmten Konstituenten, und wir wissen heute, dass wir irgendwann bei Atomen landen, wenn wir zu immer kleineren Längenskalen gehen. Bei diesem Eintauchen in die Welt der kleinsten Dimensionen traf man auf eine Eigenschaft unseres Erkenntnisvermögens, das selbst heute noch von vielen nicht wahr genommen wird.

Am deutlichsten kommt das zum Ausdruck, wenn man sich die Geschichte der Entdeckung der Schrödinger-Gleichung vor Augen führt. Erwin Schrödinger war von der de Broglie-Beziehung sehr beeindruckt gewesen. Diese ordnet jedem materiellem Teilchen auch eine Wellenlänge zu und man hatte so die Vorstellung gewonnen, dass ein Elektron eigentlich eine Welle sei. Als er dieses einmal wieder in einem Vortrag erwähnte, wurde er gefragt, wie denn seine Gleichung für eine solche Welle aussehe. Das provozierte ihn so sehr, dass er intensiv nach einer solchen Gleichung zu suchen begann. Ihm war klar, dass es eine so genannte partielle Differentialgleichung sein musste. Die Mathematiker diskutierten damals gerade intensiv, wie man das Spektrum von Lösungen einer solchen Gleichung bestimmt und er fand so eine Gleichung, die genau das Spektrum von Energie-Eigenwerten hat, das man von einem Wasserstoff-Atom kannte. Er hatte also eine Gleichung gefunden, die ihm ein richtiges Resultat lieferte. Die Funktion, die dieser Gleichung gehorchte, nannte er Psi. Er hatte aber keine Ahnung, was denn diese Funktion Psi bedeuten sollte. Heute weiß man, dass die physikalische Größe, für die dort eine Gleichung aufgestellt worden ist, eine Beschreibung des Zustandes eines Atoms ist, und zwar in einer bisher ungeahnten Form. 

Wenn man nämlich bisher in der Physik den Zustand eines materiellen Körpers charakterisieren wollte, gab man die Werte für einen Satz von Größen an, die man messen kann.  Für einen als Punkt idealisierten Körper reichten da Zahlentripel für Ort und Impuls zu gegebener Zeit aus. Nun aber stellte sich heraus, dass der Zustand eines Wasserstoff-Atoms durch eine mathematische Größe gegeben sein sollten, aus dem man nur berechnen konnte, wie groß die Wahrscheinlichkeit dafür ist, bei einer Messung einer Messgröße einen der möglichen Messwerte zu erhalten.  Bei einem “Teilchen”  auf der atomaren Ebene können wir also gar nicht immer von einem bestimmten Ort oder Impuls reden. Ein Wasserstoff-Atom würden wir gar nicht als real existierend ansehen, wenn wir mit real meinen, dass seine Eigenschaften immer wohl bestimmt sind, ob wir sie kennen, messen oder ob wir das Atom gar nicht beachten.  Realität, wie wir sie kennen, existiert offensichtlich erst für Dinge in der Welt unserer mittleren Dimensionen.

Diese Beschreibung, die Max Born vorgeschlagen hatte, erregte große Diskussionen. Die erste Reaktion war, dass dann die Beschreibung eines Wasserstoff-Atoms durch solch einen Zustand, wie er in der Schrödinger-Gleichung vorkommt, wohl nicht vollständig ist.  Diese Frage wurde durch das EPR-Experiment besonders akzentuiert und schließlich geklärt.  Heute müssen wir konstatieren, dass die Quantenmechanik, die sich auf der Schrödinger-Gleichung aufbaut, eine in allen Experimenten erfolgreich geprüfte Theorie ist, die uns zeigt, dass die Natur auf der atomaren Ebene durch ganz andere Gesetze beschrieben werden muss – und vor allem, dass die Objekte auf dieser Größenskala von ganz neuer Art sind, von einer Art, die mit nichts, was wir aus unserer Welt der mittleren Dimensionen kennen, vergleichbar ist.  Zwar kommen wir manchmal mit der Vorstellung, dass sie Teilchen sind, ganz gut zurecht, wenn wir ein Phänomen auf der atomaren Ebene analysieren und mit der Quantenmechanik berechnen, mal hilft auch die Vorstellung, dass sie Wellen sind.  Aber solche Vorstellung sind immer begrenzt. Wir nennen diese Objekte Quanten.  Quanten können wir  mit nichts anderem, was wir sonst im Laufe der Evolution erfahren und gelernt haben, vergleichen.

Damit ist eine Situation entstanden, die damals für die Erkenntnisgeschichte der Menschheit völlig neu war. Es gibt nun eine physikalische Theorie, mit der man verlässlich Phänomene auf der atomaren Ebene berechnen und voraussagen kann, in der sich aber die Protagonisten, die Objekte, für die man die Aussagen macht, unserer Vorstellung völlig entziehen. Wir verstehen es aber, mit Quanten umzugehen: experimentell wie theoretisch, und aufgrund dieses Verständnisses technische Geräte, z.B. so etwas wie den Laser, zu entwickeln.

Der Wandel kann komplexe Eigenschaften und Fähigkeiten als emergent entdecken

Wenn nun alle unsere Dinge, die wir im Alltag wahrnehmen, letztlich aus Quanten bestehen und diese so merkwürdige Eigenschaften besitzen, wieso spüren wir davon im Alltag nichts?  Das Stichwort dazu ist: Emergenz.

 Vergleicht man Eigenschaften und Phänomene eines Systems mit denen der Konstituenten, so findet man, dass in der Regel das System andere Eigenschaften hat und andere Phänomene zeigt als die Konstituenten. Man kann die andersartigen Eigenschaften und Phänomene des Systems als neu, besser als “emergent” bezeichnen, was so viel heißt wie “auftauchend”. Dabei sind die neuen Eigenschaften des Systems nicht irgendwie in den Konstituenten verborgen und kommen nun nur ans Licht. Nein, diese emergenten Eigenschaften sind eine Folge des Zusammenspiels der Konstituenten.

Das Paradebeispiel für den Begriff der Emergenz ist ein Gas, bestehend aus sehr vielen Molekülen. Ich bin in meinem Artikel “Emergenz” ausführlich darauf eingegangen.  Ein Gas hat ganz andere Eigenschaften als die Moleküle selbst. Entsprechend kann ein System von vielen Quanten auch solche Eigenschaften besitzen, die wir in unserer Welt menschlicher Dimensionen kennen, z.B. Realität, Farbe oder Härte. Ein Strom von Photonen kann sich als elektromagnetische Welle zeigen. Ein Großteil der naturwissenschaftlichen Forschung beschäftigt sich damit, die emergenten Eigenschaften und Fähigkeiten von Systemen aller Art aus dem Zusammenspiel von Konstituenten im einzelnen zu verstehen.

Hier haben wir es also wiederum mit einem ganz anderen Aspekt des Wandels zu tun: Eigenschaften oder Fähigkeiten wie die Realität oder die Wellennatur können als emergent erkannt werden und auf das Zusammenspiel von einfacheren Konstituenten zurückgeführt werden.

Was können wir wissen?

Unser verlässliches Wissen ist also auf Relationen und Beziehungen beschränkt. Die „neue Wissenschaft“ von Galilei ist die bisher einzig bekannte Methode, solches Wissen zu schaffen.  Die Verwertung dieses Wissens für die Entwicklung technischer Geräte hat zur Industrialisierung und zur heutigen globalisierten Welt geführt. Das ist das sichtbare geschichtliche Erbe Europas. 

Der Wandel auf der Ebene der Begriffe und Vorstellungen führt zu einer ständigen Vertiefung und Klärung, wird aber wohl nie zu einer endgültigen Klarheit führen. Denn die  „wirklich“ fundamentalen Objekte der Natur werden uns aufgrund der Tatsache, dass auch die Erkenntnisfähigkeit der  Menschen durch Evolution entstanden ist, für immer verborgen bleiben.

 

 

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Veröffentlicht von

Josef Honerkamp war mehr als 30 Jahre als Professor für Theoretische Physik tätig, zunächst an der Universität Bonn, dann viele Jahre an der Universität Freiburg. Er hat er auf den Gebieten Quantenfeldtheorie, Statistische Mechanik und Stochastische Dynamische Systeme gearbeitet und ist Autor mehrerer Lehr- und Sachbücher. Nach seiner Emeritierung im Jahre 2006 möchte er sich noch mehr dem interdisziplinären Gespräch widmen. Er interessiert sich insbesondere für das jeweilige Selbstverständnis einer Wissenschaft, für ihre Methoden sowie für ihre grundsätzlichen Ausgangspunkte und Fragestellungen und kann berichten, zu welchen Ansichten ein Physiker angesichts der Entwicklung seines Faches gelangt. Insgesamt versteht er sich heute als Physiker und "wirklich freier Schriftsteller".

72 Kommentare

  1. Wie die Welt wirklich ist ..

    können wir nicht nur nicht wissen, weil unsere Erkenntnisfähigkeit durch unsere evolutive Herkunft limitiert und gebahnt ist, sondern auch darum, weil es die “wirklich” fundamentalen Objekte ohne objektive, von jedem Subjekt losgelöste Erkenntnis gar nicht geben kann.
    Es ist schon ein Wunder, dass ein Geschöpf dieser Welt glaubt, diese Welt verstehen zu können. Vielleicht ist ja der Prozess der Autopoiese ein viel fundamentalerer als wir gemeinhin annehmen.

  2. Wissen

    Sehr schön wieder diese Vorstellung! – Klare Sprache, verständlich & nachvollziehbar, gerade auch für den Laien, was will man mehr? – Dieses Weblog entspricht seinem Titel: ‘Die Natur der Naturwissenschaft’.

    MFG
    Dr. W (der davon ausgeht, dass zum Begriff des ‘Wissens’ an anderer Stelle noch ein wenig ergänzt worden ist)

  3. Wirklichkeit und Welt

    > Wie die Welt wirklich ist .. können wir nicht nur nicht wissen,

    Die Wirklichkeit, also das Wirken der Welt auf das erkennende Subjekt, wir erinnern uns auch an Meister Eckhart, ist schon weitgehend bestimmbar – wenn man fortlaufend an der Erfassung interessiert bleibt. >:->

    > weil unsere Erkenntnisfähigkeit durch unsere evolutive Herkunft limitiert und gebahnt ist,

    Jetzt ist von Erkenntnis die Rede, ein Erkennender kann sich bezogen auf “sein” System, auf das System an dem er teilnimmt, nie sicher sein.

    > sondern auch darum, weil es die “wirklich” fundamentalen Objekte ohne objektive, von jedem Subjekt losgelöste Erkenntnis gar nicht geben kann.

    Das gilt nicht für den Betreiber und umfänglich Begleitenden eines Systems.

    HTH
    Dr. W

  4. Scilogs-preiswürdig

    Ich möchte hiermit gerne “Die Natur der Naturwissenschaft” als Scilogs-Preisträger vorschlagen. Josef ist m.E. einer der fachlich interessantesten und sprachlich präzisesten Scilogger. Danke auch für diese hervorragende Artikelserie zum neuen Buch!

  5. @Blume

    Auch wegen Ihren ständigen Herabsetzungen, Sie mussten ja zuletzt ‘Rassistische Stichwortgeber wie Thilo Sarrazin und Heinz Buschkowsky (beide SPD)’ durch ‘Stichwortgeber für Rassismen wie Thilo Sarrazin und Heinz Buschkowsky (beide SPD)’ ersetzen, kommen Sie selbst leider zurzeit weniger in Betracht für eine Bepreisung.

    Oder waren Sie schon mal Preisträger hier? Ja? – Aber sicherlich, als Sie noch sachnäher waren, oder?

    MFG
    Dr. W

  6. @Blume

    Sie sollten aber schon die Richtigen treffen, sonst bleiben Ihre Beitrag kontraproduktiv.

    Zudem: Mal die Finger von den spekulativen Herabsetzungen lassen, es muss nicht jeder nationalsozialistisch, rechtsradikal, rassistisch, sozialdarwinistisch und was Ihnen sonst so gefällt, sein, wenn Religionskritik geübt wird.

    Ihre Vorträge bleiben dem Schreiber dieser Zeilen in unguter Erinnerung,
    MFG
    Dr. W

    PS: Dass Sie nicht immer so waren, wird Ihnen ja gerne geglaubt. Sonst wäre es bestimmt nicht zur hier erörterten Bepreisung gekommen; Sie können ja was, wie Sie auch oft gezeigt haben.

  7. Unschuldsvermutung

    Gelungener Start, aber Ihre Begründung im letzten Satz gefällt mir nicht. Vielleicht sollten Sie sich diesen gänzlich sparen oder zumindest noch mal umformulieren.

    “Denn die „wirklich“ fundamentalen Objekte der Natur werden uns aufgrund der Tatsache, dass auch die Erkenntnisfähigkeit der Menschen durch Evolution entstanden ist, für immer verborgen bleiben.”

    Wenn die Erkenntnisfähigkeit nicht durch die Evolution entstanden wäre, sondern sagen wir z.B. durch eine technische Konstruktion oder einen einmaligen, glücklichen Zufall, dann könnte der Mensch eventuell doch die “wirklich” fundamentalen Objekt erkennen? Heißt das auch, Sie geben der Künstlichen Intelligenz eine Chance irgendwann einmal die “Wirklichkeit” zu erkennen? – Ich nicht.

    Ich finde, man sollte am Ende nicht den Eindruck hinterlassen, die Evolution sei Schuld an allem.

  8. @Joker

    Das mit dem ‘für immer verborgen bleiben’ ist Platonischer Herkunft und referenziert den üblichen Erkenntnisvorbehalt.

    Sie wissen ja sicherlich auch, dass “allmächtige” Götter zumindest pjiposophisch unter diesem zu leiden hätten – könnten sie doch selbst im Rudel und höherschichtig von einem (koyotenköpfigen) Gott verwaltet werden, der sich auf “allmächtige” Götter spezialisiert hat.

    Sofern Sie folgen können…, …, …, hmmm, das mit der Evolution und dem Evlutiven können Sie natürlich im hiesigen Zusammenhang vergessen, das spielt hier nicht hinein, das Erkennen betreffend.

    HTH
    Dr. W

  9. Beobachtungen vs. begrifflicher Überbau

    Beobachtungen von Relationen (Beziehungen zwischen Dingen und ihrem Verhalten) sind also die ewigwährenden Wahrheiten während der begriffliche Überbau, also beispielsweise die Maxwell’schen Gleichungen zum Elektromagnetismus, Wandel unterworfen ist. Im konkreten Beispiel wäre das, was die Maxwell-Gleichungen an Phänomen “berechnen” ewiggültig, während die spezielle Gestalt der Maxwell-Gleichungen (System von partiellen Differentialgleichungen so wie es jetzt formuliert ist) dem Stand der momentanen theoretischen Einsicht und Sichtweise entspricht.
    Diese Unterscheidung zwischen sicherem Wissen als Wissen über das gesetzliche Verhalten der Dinge und der Darstellung und Stellung dieser Gesetze innerhalb eines theoretischen Überbaus ist vor allem auch deshalb wichtig, weil es in der Öffentlichkeit und bei dem, was ich “Physikphilosophie” nennen möchte, diesbezüglich Diskussionen und Widersprüche gibt. So verkürzen bestimmte Kreise die Aussagen von Popper und Kuhn zu: “Was in der Wissenschaft gestern richtig war, kann morgen schon falsch und durch eine andere Version ersetzt worden sein”.

    Es gibt allerdings Grenzfälle, wo meiner Ansicht nach die Zuordnung zu ewigwährenden Relationen oder aber theoretischer Sicht nich ganz leicht fällt.
    So war die Beobachtung der Periheldrehung des Merkurs schon lange bekannt aber ungeklärt. Einstein erklärt sie nun als Gravirationsphänomen.
    Hier darf wohl angenommen werden, dass jede zukünftige Form der Gravitationstheorie die Periheldrehung des Merkurs als Gravitationsphänomen erklären wird.

  10. @ Joker

    »Ich finde, man sollte am Ende nicht den Eindruck hinterlassen, die Evolution sei Schuld an allem. «

    Wer oder was soll denn sonst an unserer begrenzten Erkenntnisfähigkeit schuld sein?

    Die logische Folgerung daraus (dass die Evolution schuld ist) ist aber, dass es einen echten Zuwachs an Erkenntnisfähigkeit nur durch die zukünftige Evolution geben kann.

    Schlechte Aussichten also… 😉

  11. @Joker / Was wir wissen können …

    »… gefällt mir nicht.«

    Die Sache wird bedenklich

    Sokrates, der alte Greis,
    Sagte oft in tiefen Sorgen:
    »Ach, wie viel ist doch verborgen,
    Was man immer noch nicht weiß.«

    Und so ist es. – Doch indessen
    Darf man eines nicht vergessen:
    Eines weiß man doch hienieden,
    Nämlich, wenn man unzufrieden. –

    – Wilhelm Busch

  12. @ Chrys: Bedenkenswert

    Wenn ich lustig drauf bin vertrete ich manchmal die Position, dass ein Subjekt sich über seine eigenen mentalen Zustände irren kann. Da wird die Sache dann erst richtig bedenklich. Die Grenze verlässlicher Erkenntnis wäre, wenn das stimmen würde, noch enger gezogen, als uns das Herr Honerkamp hier schon aufgezeigt hat.

    Vielleicht gefällt mir sein letzter Satz ja doch irgendwie und ich bin eigentlich ganz zufrieden – wer weiß?

  13. “dass auch die Erkenntnisfähigkeit der Menschen durch Evolution entstanden ist, für immer verborgen bleiben.”
    Gleichsam zwei Anmaßungen in einem Satz: Der Mensch ist Ebenbild Gottes, er ist keineswegs Produkt einer Evolution! Gott WOLLTE den Menschen. Woher nehmen sie das Wissen, dass Gott uns nicht einmal das schauen lässt, was unserem Verstand noch verborgen ist.

  14. Verlässlichkeit

    In der ‘verlässlichen Erkenntnis’ steckt ja das Sich-Verlassen, das Erkennen ist ein sozialer Vorgang.

    Die Validität dagegen betont die Stärke einer Erkenntnis, also nicht das absolut Richtige einer Erkenntnis.

    Hmm, Ihre Einwände sind natürlich OK, sie haben zwar nichts mit der Evolution zu tun, es ist ja auch nicht die Evolution, die die Erkenntnisgewinnung der Systemteilnehmer erschwert, sondern bereits die Teilnahme, aber die “inneren Vorgänge” der Erkenntnissubjekte können natürlich auch falsch sein, die dafür genutzte Sprachlichkeit (“Logik”) ebenso.

    In diesem Sinne, schönen Abend noch!
    MFG
    Dr. W

  15. @Joker

    »Wenn ich lustig drauf bin …«

    Also praktisch immer 😉

    »… vertrete ich manchmal die Position, dass ein Subjekt sich über seine eigenen mentalen Zustände irren kann.«

    Ja, so etwas soll gelegentlich vorkommen: Das Wissen um die eigenen mentalen Zustände ist nicht unbedingt verlässlich. Doch das greift auch über den empirischen Sektor hinaus, wo die Methoden der Physik irgendwelche Erkenntnisse liefern können.

    Aber konkret. Um uns mit ontologischen Fragen wie der nach der “wirklichen” Beschaffenheit der Welt sinnlos herumquälen zu können, bedarf es der Sprache. Doch wie kommt es, dass dass unsere natürliche Sprache überhaupt über so ein Wort wie “Wirklichkeit” verfügt? Der Umstand, dass wir solche Wörter haben, lässt sich meines Erachtens, wenn überhaupt, dann nur durch die Evolution unseres Wahrnehmens, unseres Denkens, unseres Sprechens halbwegs rational begründen.

    Okay, die Religïösen haben da bestimmt noch ein paar alternative Vorschläge im Sack, aber das wäre dann aus meiner Sicht keine “halbwegs rationale” Begründung mehr.

  16. @ chrys

    Der Begriff „Wirklichkeit“ hat der Dominikanermönch Meister Eckhart (1260-1328) geschaffen, als Übersetzung für den griechischen Begriff „energeia“, lateinisch „actualitas“.

  17. @fegao & @chrys

    So ist es, @fegalo. Wie ja auch die Theoria ursprünglich eine Schau der Gottheit bezeichnete…

    Wissenschaft hat (auch) religiöse Wurzeln, zumal es nie eine blühende, nichtreligiöse Hochkultur gab (und demografisch auch nicht gibt). Die wirklich spannenden Debatten rund um evolutionäre Erkenntnistheorie liegen noch vor uns! 🙂

  18. @Michael Blume & @fegalo

    Dass es auch gemeinsame Wurzeln von Wissenschaft und Religion hat, soll auch nicht bestritten sein. Das wird gestützt durch unser Wissen über Kulturgeschichte, und beispielsweise hinter dem auffälligen populären Interesse an Geschichten zum Urknall steckt m.E. nach wie vor dieselbe Motivation, die sich auch hinsichtlich religiöser Schöpfungsmythen findet.

    Aber das war gar nicht mein Punkt. Vielmehr, die Berufung auf Metaphysik jeglicher Art liefert aus meiner Sicht keinen vernünftiger Einwand gegen Josef Honerkamps Argument einer durch Evolution geprägten menschlichen Erkenntnisfähigkeit. Wer will, mag hinter der Evolution das Wirken transzendeter Kräfte sehen — das liegt ausserhalb dessen, was wir empirisch-wissenschaftl. erfahren und beurteilen können. Die Rolle von Evolution für die Ausprägung aller menschlichen Kultur halte ich aber für rational unbestreitbar.

  19. @Chrys

    Die Rolle von Evolution für die Ausprägung aller menschlichen Kultur halte ich aber für rational unbestreitbar.

    Die Evolutionslehre soll ja nicht in Frage gestellt werden, aber es könnte auch anders sein. Wie sich gedankenexperimentell feststellen ließe.

    Honerkamp sagt zudem: ‘Denn die „wirklich“ fundamentalen Objekte der Natur werden uns aufgrund der Tatsache, dass auch die Erkenntnisfähigkeit der Menschen durch Evolution entstanden ist, für immer verborgen bleiben.’ – korrekt ist aber, dass ein Systemteilnehmer, ein Erkenntnissubjekt, bedingt eben bereits durch seine Teilnahme, die den Betrieb und umfängliches Systemwissen ausschließt, nicht in der Lage sein kann die ‘”wirklich” fundamentalen Objekte der Natur’ zu verstehen.

    MFG
    Dr. W (der die Texte Josef Honerkamps ganz großartig findet, …, und eher wie ein blindes Huhn ein wenig herumpickt)

  20. @Joker

    – “Wenn die Erkenntnisfähigkeit nicht durch die Evolution entstanden wäre, sondern sagen wir z.B. durch eine technische Konstruktion oder einen einmaligen, glücklichen Zufall, dann könnte der Mensch eventuell doch die “wirklich” fundamentalen Objekt erkennen? Heißt das auch, Sie geben der Künstlichen Intelligenz eine Chance irgendwann einmal die “Wirklichkeit” zu erkennen?” : Nein, wieso? Das lässt sich logisch ja auch nicht folgern.
    – “Ich finde, man sollte am Ende nicht den Eindruck hinterlassen, die Evolution sei Schuld an allem.”: Ein Grund ist noch keine Schuld. Aber das war wohl auch nicht so gemeint.
    – “Vielleicht gefällt mir sein letzter Satz ja doch irgendwie und ich bin eigentlich ganz zufrieden – wer weiß?” : Das freut mich 🙂
    Ich habe “wirklich” in Anführungsstriche gesetzt, wohl wissend, welch ein vager Begriff das ist. Hier soll es andeuten, dass einerseits die Bilder, die wir in der Physik für bestimmte Entitäten oder Wirkungsquellen verwenden, sich wandeln und dass es dabei eine Richtung in Vertiefung und Verallgemeinerung gibt (Teilchenbahnen, Wellen, Photonenstrom, ???, …) , andererseits, dass es immer Bilder bleiben werden, auch ??? ein Bild sein wird.
    Zur Evolution: Schließlich ist die Evolution ein Faktum. Wenn Sehvermögen und andere Fähigkeiten dadurch geprägt sind – wieso dann denn nicht unser Erkenntnisvermögen?

  21. @Michal Blume

    “Die wirklich spannenden Debatten rund um evolutionäre Erkenntnistheorie liegen noch vor uns! :-)” : Genau – und daran kann man sehen, wie langsam die Rezeption mancher Einsichten verläuft.

  22. @Dr. W

    Es lässt sich auf unterschiedliche Weisen lesen.

    (a) Die “wirklich” fundamentalen Objekte der Natur existieren, sind unserem Wissen durch die Limitierung unserer Erkenntnisfáhigkeit aber verborgen.

    (b) Die Limitierung unserer Erkenntnisfähigkeit erlaubt uns nicht, etwas über die “wirklich” fundamentalen Objekte der Natur zu wissen, was sogar Aussagen zu deren Existenz einschliesst.

    Aber in welchem Sinne liessen sich überhaupt Existenzaussagen zu Objekten treffen, über die man nichts wissen kann? Was wir unter “Existenz” verstehen können, ist auch wieder nur durch unsere Erkenntnisfähigkeit determiniert. Die Fundamente unseres Weltbildes bleiben letztlich irgendwo im Nebel der Ungewissheit verborgen.

  23. @ Balanus; @ Chrys: Grenzziehung

    Chrys:
    “Die Rolle von Evolution für die Ausprägung aller menschlichen Kultur halte ich aber für rational unbestreitbar.”

    Balanus:
    “Wer oder was soll denn sonst an unserer begrenzten Erkenntnisfähigkeit schuld sein?”

    Ich würde der Evolution schon eine gehörige Portion Schuld am Entstehen unserer Erkenntnisfähigkeit unterstellen und betrachte sie auch als eine wesentliche Voraussetzung für unsere Kultur(en). Sie ist aber nicht an jeder Grenze unserer Erkenntnisfähigkeit schuld. Es gibt zwar einige Grenzen, die ich der Evolution anlaste, so z.B. dass wir Menschen über kein Sinnesorgan für Röntgenstrahlung verfügen oder dass wir uns verdammt schwer tun, uns einen 20-dimenisionalen Raum vorzustellen. Ich würde die Evolution aber freisprechen, wenn die Frage verhandelt wird, wer oder was ist Schuld daran, dass uns die “wirklich” fundamentalen Objekte der Natur verborgen bleiben. Diese Grenze, die im letzten Satz angesprochen ist, ist weder durch biologisch-evolutionäre Prozesse noch physikalische errichtet worden und sie kann auch weder durch die Hilfe der Biologie noch der Physik überschritten werden – sie ist immanent.

  24. @Chrys

    Der Schreiber dieser Zeilen versucht’s mal daran aufzuhängen: ‘Aber in welchem Sinne liessen sich überhaupt Existenzaussagen zu Objekten treffen, über die man nichts wissen kann?’

    Der Systemteilnehmer, der wie oben beschrieben limitiert ist, kann als sogenanntes Erkenntnissubjekt nur das erkennen, was ihm wirklich erscheint. Der Begriff der Wirklichkeit ist in diesem Kommentarstrang mehrfach beschrieben worden und deckt sich nicht mit dem “wirklich” (Anführungszeichen J. Honerkamp) des Artikels.

    Existenzaussagen zu Objekten sind letztlich aus Sicht des Konstruktivisten nie zuverlässig zu treffen.

    Existenzaussagen zu Objekten, über ‘die man nichts wissen kann’, wir vergleichen mit der Meister Eckhartschen Wirklichkeit, erst recht nicht.

    Man stochert demzufolge mit theoretischen Entitäten (oder: außerempirischen Akteuren, Michael Blume) ein wenig herum. Oft hilfreich zwar, aber eben stochernd.

    Zurückkommend zur Evolution, was ist das?, ist die Evolution das kausale Prinzip, das “Es ist, weil es ist, und es ist so wie es ist, weil es so ist wie es ist.” (Fichte), vermutlich ja, denn in “chaotischen” Systemen würde nie jemand etwas erkennen, wenn er denn überhaupt entstehen würde.

    Die Evolution selbst hat aber mit den Erkenntnismängeln der versuchenden Subjekte nichts zu tun. Man versteht halt wenig, Herr Honerkamp beschreibt regelmäßig sehr schön, wie der Schreiber dieser Zeilen findet, was wissenschaftlich geht, aber letztlich helfen nur kulturalistische Sichten, wenn man das Sollen meint.

    Hmm, das war vielleicht etwas wirr, aber dem doch eher untergeordneten Kommentarbereich noch halbwegs angemessen. Zwischen der Evolution und den Grenzen der Erkenntnis gibt es keinen klaren Zusammenhang.

    Die Wissenschaft funktioniert jedenfalls und man muss sie im Kulturkontext verteidigen.

    MFG
    Dr. W

  25. Evolutionäre Erkenntnistheorie

    “Die wirklich spannenden Debatten rund um evolutionäre Erkenntnistheorie liegen noch vor uns! :-)” : Genau – und daran kann man sehen, wie langsam die Rezeption mancher Einsichten verläuft. (Michael Blume und Josef Honerkamp)

    Hier in der Diskussion wird der Begriff Evolution zuweilen rein in Hinsicht auf das historische Ereignis, also im Sinne einer Entwicklungsgeschichte verwendet, andererseits aber auch als Erklärung und Ursache – auch für Abwesenheit – aufgeführt. Wenn der Begriff Evolution in der zweiten Weise – also zur Erklärung – verwendet wird, dann ist jedoch nicht eigentlich von der Evolution als solcher die Rede, sondern von der Theorie ihrer Begründung – dem Selektionsprozess.

    Eine „evolutionäre Erkenntnistheorie“ welche nur behaupten würde, dass das menschliche Erkenntnisvermögen im Laufe der Entwicklungsgeschichte entstanden ist, wäre vollkommen trivial.

    Daher besteht die eigentliche These dieser Theorie auch darin, dass das menschliche Erkenntnisvermögen durch den Prozess von Mutation und Selektion entstanden sei.
    Und hier wird es problematisch. Die Entstehung von Konzepten wie „Wahrheit“ und „Wirklichkeit“ – welche übrigens nach unserer historischen Kenntnis erst wenige tausend Jahre alt sind, lässt sich nur schwer oder gar nicht plausibel darstellen mittels einer „Selektionsstory“, welche nur über die Begründungskriterien „Überlebens-„ bzw. „Reproduktionsvorteil“ verfügt.

    Ein Blick in die Natur (und auch in die menschliche Gesellschaft) zeigt: Weder zum Überleben noch zur Fortpflanzung ist Intelligenz erforderlich. Die Evolutionsbiologie schweigt zu der Frage, woran etwa die Entstehung des Bewusstseins eine Anpassung gewesen sein soll.

    Mithin: Der Bezug auf die Evolution im Sinne einer Begründung für die spezifische Leistungsfähigkeit oder Unfähigkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens ist phantastisch spekulativ. Wir verfügen mit Sicherheit über keinerlei empirische Erkenntnisse, welche die Theorie einer Entstehung des Erkenntnisvermögens mittels Selektionsprozessen stützen könnten.

  26. @fegalo

    Wie Sie wissen, stimme ich in der Ablehnung eines übersteigerten Reduktionismus völlig mit Ihnen überein. Allerdings scheint mir, dass Sie der modernen, interdisziplinären Evolutionsforschung Positionen unterstellen, die sie nicht (oder nicht mehr) vertritt.

    So schreiben Sie: Weder zum Überleben noch zur Fortpflanzung ist Intelligenz erforderlich. Die Evolutionsbiologie schweigt zu der Frage, woran etwa die Entstehung des Bewusstseins eine Anpassung gewesen sein soll.

    Das ist schlicht falsch. Selbstverständlich wird evolutionär erforscht, wie und warum sich unterschiedlichste Formen der Intelligenz (ein Sammelbegriff für Fähigkeiten der Informationsverarbeitung) entwickelt und durchgesetzt haben. Denn ausschlaggebend ist ja nicht, ob ein Merkmal “notwendig” für Überleben und Fortpflanzung ist, sondern ob es diese relativ zu erhöhen und sich damit auszubreiten vermag.

    Gerade die Evolution des Bewusstseins thematisierte bereits Darwin und lag nach heutigem Erkenntnisstand weitgehend richtig: Lebewesen, die sich in einem sozialen Umfeld behaupten müssen, werden die folgenreichen, sozialen Erwartungen unweigerlich internalisieren und Fähigkeiten der Selbstbeobachtung (Bewußtsein, Gewissen, sehr viel später Religion etc.) evolvieren. Entsprechend sind Vorstufen des Bewußtseins auch schon bei anderen, sozialen Tieren zu beobachten.

    Wie es der Zufall will, behandelt mein aktuelles Lehr-sciebook für meine Studenten in Jena & Köln genau die Evolution von Psyche & Fantasie:
    https://scilogs.spektrum.de/…in-sciebook-f-r-die-lehre

    Und wie gerade Josef Honerkamp zu Recht aufzeigt: Durch Emergenzprozesse treten auch ständig neue und unerwartete Systeme und Systemeigenschaften ins Dasein. Die Evolutionsgeschichte ist nicht platt oder vorhersagbar, sondern “nach oben offen”. Auch wenn z.B. @Chrys und ich in allen Details der Evolutionsgeschichte einer Meinung sind oder wären, so könnten sich unsere philosophisch-religiösen Deutungen, Erwartungen und Hoffnungen dennoch gravierend unterscheiden. Evolution schließt nicht, sondern öffnet.

  27. “Allerdings scheint mir, dass Sie der modernen, interdisziplinären Evolutionsforschung Positionen unterstellen, die sie nicht (oder nicht mehr) vertritt.“

    Da wäre ich überrascht. Schließlich ist und bleibt Selektion der Dreh- und Angelpunkt aller kausalen Argumentation innerhalb der Evolutionstheorie. Ich kann keine Ansätze erkennen, die dazu Alternativen anbieten, sondern höchstens Tendenzen, das sperrige Thema Selektion schlicht unter den Tisch fallen zu lassen. Was aber niemand als Erkenntnisfortschritt verkaufen kann.

    “Selbstverständlich wird evolutionär erforscht, wie und warum sich unterschiedlichste Formen der Intelligenz (ein Sammelbegriff für Fähigkeiten der Informationsverarbeitung) entwickelt und durchgesetzt haben.“

    Was heißt „wird evolutionär erforscht“? Das heißt bestenfalls, dass irgendeine Art von Hypothesenbildung stattfindet. Diese Hypothesen bestehen üblicherweise aus Versuchen, für bestimmte Verhaltensweisen oder Vermögen einen Selektionsvorteil plausibel zu machen. Allerdings ist es weder möglich, nachzuweisen, dass überhaupt ein „Selektionsvorteil“ bestand, noch irgendwelche empirischen Belege für die Existenz, den Zeitraum oder den Verlauf des dazugehörigen Selektionsprozesses zu liefern.

    “Denn ausschlaggebend ist ja nicht, ob ein Merkmal “notwendig” für Überleben und Fortpflanzung ist, sondern ob es diese relativ zu erhöhen und sich damit auszubreiten vermag.“

    Richtig, es geht um geringfügige statistische Steigerungen der Überlebensfähigkeit bzw. des Fortpflanzungserfolgs. Um genau zu sein, muss man hier streng unterscheiden zwischen den Merkmalen, die tatsächlich nur das Überleben betreffen und damit die Voraussetzung schaffen, beim Fortpflanzungsgeschäft überhaupt an den Start gehen zu können, und solchen, die dazu beitragen können, sich nachhaltiger fortzupflanzen. Es handelt sich dabei um durchaus verschiedene, meist klar definierbare Merkmale des Organismus und um zwei ganz verschiedene Prozesse der Selektion.

    “Gerade die Evolution des Bewusstseins thematisierte bereits Darwin und lag nach heutigem Erkenntnisstand weitgehend richtig: Lebewesen, die sich in einem sozialen Umfeld behaupten müssen, werden die folgenreichen, sozialen Erwartungen unweigerlich internalisieren und Fähigkeiten der Selbstbeobachtung (Bewußtsein, Gewissen, sehr viel später Religion etc.) evolvieren.“

    Diese Darstellung kann ich in keiner Weise nachvollziehen. Soziale Verbände gibt es schon bei den Insekten (Bienen, Ameisen, Termiten) ohne den geringsten Bedarf an Bewusstsein, und auch Säugetiere (Wölfe, Hirsche) kommen ohne Selbstbewusstsein aus.

    Dagegen setzt „eine soziale Erwartung an jemanden haben“ selbst schon ein Bewusstsein voraus, daher kann eine solche Erwartung nicht ursächlich für die evolutionäre Entwicklung von Bewusstsein sein.

  28. @fegalo

    Ganz ehrlich: Ich kenne keine Kollegin oder Kollegen, die Evolution noch auf Selektion verkürzen würden. Denn “Selektion” – in den frühen, deutschen Übersetzungen: Zuchtwahl – setzt ja schon ein (ggf. bewusst) Auswählendes voraus und passt also zu vielen Formen der Selbstorganisation gerade nicht. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen verwenden daher diesen Begriff nur sparsam (zum Beispiel im Kontext von Partnerwahl, wo ja tatsächlich gegenseitige Auswahlprozesse stattfinden können).

    Evolution lässt sich sehr viel allgemeiner als Zweischritt von Variation und unterschiedlichem Reproduktionserfolg beschreiben.

    Und bei den sozialen Lebewesen schrieb ich ausdrücklich von der Bedeutung von sozialen “Erwartungen”, die – wie Sie zu Recht bemerken – bereits ein komplexes Nervensystem voraus setzen. Wenn dies gegeben ist, setzt der entsprechende Prozess der Bewusstseinsbildung ein.

    Sehr schön lässt sich das am von Ihnen gewählten Beispiel des Wolfes aufzeigen: Hier handelt es sich bereits um hoch intelligente und soziale Tiere, die durchaus schon Individuen unterscheiden können. Und jene Wölfe, die dann sogar über Generationen hinweg den sozialen Erwartungen von Menschen ausgesetzt waren, entwickelten die entsprechenden Fähigkeiten noch sehr viel weiter – und wurden zu Hunden, deren Bewußtsein sehr weit entwickelt ist. Beim Menschen kommt noch die Sprache hinzu, mit der wir Erwartungen an andere und auch an uns selbst verbalisieren können und narrative, interaktive Identitäten aufbauen.

  29. Evolution

    Die hier gemeinten Relationen oder Theorien bzw. deren Fortentwicklung haben ja wenig bis nichts mit biologisch-menschlichen Evolution der letzten 500 Jahre zu tun.

    Theorien emergieren, stehen miteinander im Wettbewerb, am besten bleiben sie dabei empirisch adäquat, und folgen etwas, das der Schreiber dieser Zeilen das Evolutionäre Prinzip nennt und sich von der Evolutionslehre grundsätzlich unterscheidet. – In den letzten 500 Jahren hat sich bezogen auf den Menschen i.p. biologische Evolution vermutlich eher wenig getan.

    Aus philosophischer Sicht bleiben Aussagen wie ‘Der Wandel führt zur Einsicht in die Beschränktheit unseres Vorstellungsvermögens’ und der letze Satz des Artikels ein wenig störend.

    Korrekt natürlich, dass Erkenntnissubjekte in ihrer eigenen Wirklichkeit (die sich idealerweise vergrößert, vs. Welt) navigieren und dass ihre biologischen Eigenschaften (inkl. Präferenzen) die Grenzen der ihnen möglichen Theoretisierung bilden.

    MFG
    Dr. W

  30. “Ich weiß, das ich nichts weiß.”
    statt “Was können wir wissen”. So müsste der Titel heißen. Alles andere ist Schönsprech.

  31. @ Josef Honerkamp

    Bei meinem letzten Beitrag hatte ich Ihre Replik auf meinen ersten Kommentar noch nicht gelesen. Betrachten Sie sich bitte davon ebenso angesprochen wie die im Betreff explizit Genannten. Ich hoffe es ist darin etwas klarer geworden, worin genau meine Kritik besteht.

    Noch ergänzend; Sie schrieben:

    “Ich habe “wirklich” in Anführungsstriche gesetzt, wohl wissend, welch ein vager Begriff das ist.”

    Dem habe ich versucht Rechnung zu tragen, indem ich nicht explizit bezeichnet habe, auf was sich der von mir verwendete Begriff “immanent” bezieht. Da könnte z.B. die Welt, das Universum oder auch ein Land der Ideen gemeint sein (wohl wissend welch vage Begriffe auch das wieder sind).

  32. @ fegalo: Wirkliche Erkenntnis

    “Der Begriff „Wirklichkeit“ hat der Dominikanermönch Meister Eckhart (1260-1328) geschaffen, als Übersetzung für den griechischen Begriff „energeia“, lateinisch „actualitas“.”

    Möglicherweise hat allerdings bis heute eine Bedeutungsverschiebung stattgefunden, den Begriff “Wirklichkeit” betreffend. Woran könnte man diese festmachen, erkenntnistheoretisch?

    Sehr schön auch, dass Sie hier, passend zum Thema, eine weitere Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit implizit beschrieben haben. Selbst gebildete Leute sollen ja manchmal das Griechische oder das Lateinische für den Ursprung einiger Begriffe des Deutschen halten. Dabei waren das nur Vorläufer (neben vielen anderen Sprachen), die selbst wieder Vorläufer hatten. Die zeitlich viel weiter zurückliegenden Ursprünge lassen sich aufgrund mangelnder mündlicher und schriftlicher Überlieferung schlicht und einfach nicht mehr erkennen, und damit auch nicht die ursprünglichen Bedeutungen der Termini, die wir heute gebrauchen.

    “Allerdings ist es weder möglich, nachzuweisen, dass überhaupt ein „Selektionsvorteil“ bestand, noch irgendwelche empirischen Belege für die Existenz, den Zeitraum oder den Verlauf des dazugehörigen Selektionsprozesses zu liefern.”

    Sie kritisieren damit zurecht die Evolutionäre Erkenntnistheorie. Aber andererseits, welche Erkenntnistheorie könnte denn empirische Belege für ihre Richtigkeit liefern? Geht es dabei nicht immer nur um Plausibilität? Und was jeder einzelne Mensch für plausibel hält, darin unterscheiden wir uns eben?

  33. @Joker: Wirklichkeit

    Sehr schön auch, dass Sie hier, passend zum Thema, eine weitere Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit [“Wirklichkeit”] implizit beschrieben haben.

    So wichtig ist diese Wirklichkeit nun auch nicht, Herr Honerkamp, der einmal ‘wirklich’ schrieb, aber das letztlich Existierende (die Welt) meinte, nicht die Wirklichkeit als Konzept im Sinne Meister Eckharts (der sich zudem einen darauf religiös rührte, nicht immer günstig, wie der Schreiber dieser Zeilen findet), äh, …, …, also Herr Honerkamp kam ohne dieser Begrifflichkeit aus.

    Die Wirklichkeit als Menge dessen, was von den Erkenntnissubjekten erfasst wird [1], kann auch einfach als Erkenntnisvorbehalt abgehandelt werden.

    Dieser Erkenntnisvorbehalt ist ohnehin jedem Systemteilnehmer geraten.

    Klar, die Evolutionäre Erkenntnistheorie darf durchaus abgelehnt werden, es gab hierzu weiter oben hierzu ein paar Hinweise.

    MFG
    Dr. W

    [1] oder erfasst werden wird, diese Menge wird immer kleiner sein als das zu erfassen Mögliche

  34. Selektionsvorteil /@Joker

    “Allerdings ist es weder möglich, nachzuweisen, dass überhaupt ein „Selektionsvorteil“ bestand, noch irgendwelche empirischen Belege für die Existenz, den Zeitraum oder den Verlauf des dazugehörigen Selektionsprozesses zu liefern.” (fegalo)

    Sie kritisieren damit zurecht die Evolutionäre Erkenntnistheorie. (Joker)

    Hier wird weniger die Evolutionäre Erkenntnistheorie kritisiert, als vielmehr die Vorstellung, die Zunahme an Intelligenz, Lernvermögen und Bewusstsein in den vergangenen fünf Millionen Jahren sei durch einen bestimmten evolutionären Mechanismus bewirkt worden, nämlich den der differentiellen Reproduktion (vulgo Selektion).

    Es ist sicherlich keine allzu gewagte Annahme, dass der rezente Mensch intelligenter ist als sein Vorfahre vor, sagen wir, drei Millionen Jahren. Wenn höhere Intelligenz keinen Selektionsvorteil bot (etwa beim Heranwachsen und/oder bei der Paarung), dann bleibt doch nur noch der Zufall oder Gott als Erklärungsmöglichkeit für die stetige Intelligenzzunahme übrig. Oder hätten Sie eine andere, halbwegs plausible Erklärung parat?

  35. @ Joker

    „Sie kritisieren damit zurecht die Evolutionäre Erkenntnistheorie. Aber andererseits, welche Erkenntnistheorie könnte denn empirische Belege für ihre Richtigkeit liefern? Geht es dabei nicht immer nur um Plausibilität? Und was jeder einzelne Mensch für plausibel hält, darin unterscheiden wir uns eben?“

    Das Besondere an der evolutionären Erkenntnistheorie als Erkenntnistheorie ist, dass es in ihr primär gar nicht darum geht, wie wir wissen können und dieses Wissen begründen, sondern es handelt sich bei ihr um das Projekt, die Entstehung der Erkenntnisfähigkeit zu naturalisieren, also in die große naturalistische Gesamterzählung Darwinsche Evolution zu integrieren. In Hinblick auf das Erkennen selbst wirft sie mehr Probleme auf, als sie löst. So ist etwa schwierig zu begründen, warum ein Selektionsprozess in Richtung auf Wahrheitssuche gehen sollte, und nicht eher auf das Praktische, Funktionale, das Mächtige oder etwas dergleichen. Die Entstehung eines Konzepts von „Wahrheit“ passt denkbar schlecht zu ihrer Ableitung aus der Konkurrenz von Reproduktionsvorteilen. Wie jeder weiß, sind gerade leidenschaftliche Wahrheitssucher, ob säkularen oder religiösen Zuschnitts, teils notgedrungen, teils absichtlich – kinderlos.

  36. @ Dr. W: Wirkliche Semantik

    @ Dr. W

    Ihre Einfügung [“Wirklichkeit”] in das Zitat von mir ist falsch. Das Problem mit der “Wirklichkeit” ist zwar auch eine Grenze (die ja auch andernorts diskutiert wird), die weitere Grenze der Erkenntnisfähigkeit, die implizit von @fegalo beschrieben wurde, ist jedoch die der Sprachforscher. Sie können keine ursprüngliche Bedeutung auch nur irgend eines Wortes erkennen.

    Das hätte der Einfüger der Einfügung, meiner Meinung nach, aber “wirklich” erkennen können.

    PS. Eine Parallele zwischen Sprachforschung und Physik sind übrigens die Relationen. Auch in der Sprachforschung werden ja zum einen Relationen zwischen Begriffen untersucht, als auch Relationen zwischen Begriffen (und damit gebildeten Sätzen) und Handlungen von Menschen.

    Und das alle Begriffe vage bleiben, war auch schon Gegenstand der Diskussion hier im Blog. Das trifft nicht nur die Physik.
    https://scilogs.spektrum.de/…riffe-und-begriffsbildung

  37. @ fegalo

    „Der Bezug auf die Evolution im Sinne einer Begründung für die spezifische Leistungsfähigkeit oder Unfähigkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens ist phantastisch spekulativ. Wir verfügen mit Sicherheit über keinerlei empirische Erkenntnisse, welche die Theorie einer Entstehung des Erkenntnisvermögens mittels Selektionsprozessen stützen könnten.“
    Ganz richtig finde ich das nicht: Ob nun Selektionsprozesse als Begründung angeführt werden oder genetische Drift oder irgend etwas anderes: Die erkenntnistheoretische Frage ist trivialerweise einfach deshalb nicht empirisch zu lösen, weil sie keine empirische Frage ist, sondern die Frage nach der Geltung von Gedanken oder von Sätzen ist, u. a. solchen, die sich auf Empirie stützen. So richtig (und trivial) ein Satz wie der, daß das menschliche Erkenntnisvermögen im Laufe der Entwicklungsgeschichte entstanden ist, als ein Satz der empirischen, d. h. sich auf die phänomenale Welt beziehenden Wissenschaft ist, so unbeantwortet ist dadurch doch die Frage, durch welche Erkenntnis sich ihrerseits die Wissenschaft rechtfertigt. Die evolutionäre Erkenntnistheorie und alle ähnlichen Theorien begreifen diese Frage (bzw. den Unterschied zwischen der quid facti- und der quid juris-Frage) nicht. Sie meinen, die Frage nach der Geltung wäre durch den Verweis auf die Genesis beantwortet, was ein Kategorienfehler ist.

  38. @ Joker “Wirklichkeit”

    “Möglicherweise hat allerdings bis heute eine Bedeutungsverschiebung stattgefunden, den Begriff “Wirklichkeit” betreffend. Woran könnte man diese festmachen, erkenntnistheoretisch?“

    Ihr Einwand ist prinzipiell richtig, im vorliegenden Falle ist aber recht gut nachzuvollziehen, was mit dem griechischen „energeia“ – vornehmlich bei Aristoteles gemeint ist, denn wir verfügen über ausreichen Textmaterial, in dem dieser Begriff diskutiert wird. Und in der Tat hat dies wenig gemein mit dem Begriff „Wirklichkeit“ in seiner heutigen Bedeutung (die auch nicht dieselbe ist wie bei Meister Eckhart). Die lateinische Übersetzung „actualitas“ stammt vermutlich von Cicero und ist wohl mit Thomas von Aquin wieder in die westeuropäische Theorie zurückgekehrt.

  39. Kategoriesuche

    Ludwig Trepl schrieb (19.11.2012, 14:32):
    > […] die Frage nach der Geltung von Gedanken oder von Sätzen
    > […] die Frage, durch welche Erkenntnis sich ihrerseits die Wissenschaft rechtfertigt.
    > […] den Unterschied zwischen der quid facti- und der quid juris-Frage

    Sind solche Fragen evtl. schon im SciLog https://scilogs.spektrum.de/…log/landschaft-oekologie/ thematisiert worden? (Als Experimentalphysiker könnte ich das übersehen haben …)

    Mich interessiert in diesem Zusammenhang besonders der Unterschied zwischen dem,
    was experimentell prüfbar/falsifizierbar ist (Hypothesen, Modelle, Erwartungen hinsichtlich Messwerten) und
    was nicht experimentell prüfbar/falsifizierbar ist, weil es selbst Grundlage des Experimentierens bzw. des Gewinnens von Messwerten ist, sondern sich nur durch Mitteilbarkeit und Nachvollziehbarkeit rechtfertigen lässt (Definitionen von Messoperatoren, und die systematische Darstellung ihrer Zusammenhänge, d.h. Theorien).

  40. @Joker

    Sehr schön auch, dass Sie hier, passend zum Thema, eine weitere Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit [“Sprachlichkeit”] implizit beschrieben haben.

    Gut, lol, an die Sprachlichkeit (auch: Logik) hat der Schreiber dieser Zeilen nicht gedacht, war sie doch immer Teil der Ausführungen des hiesigen Gastgebers.

    Tja, die Situation ist verfahren, die Sachlichkeit steht nach den Worten Honerkamps auch nur in den ‘mittleren Dimensionen‘ zV.

    MFG
    Dr. W

  41. @ Frank Wappler

    Hypothesen, sei es über Gesetze oder über Singulären, und Theorien über Empirisches können grundsätzlich auf zweierlei Weise geprüft werden: empirisch, d. h. durch Beobachtung und Experiment, und im Hinblick auf ihre Konsistenz, d. h. ob sie ganz unabhängig von allem Empirischen den Anforderungen von Logik und Mathematik genügen. Ob und in welchem Sinn diese und die Empirie nun wiederum mit „Wahrheit“ zu tun haben, ist ein – heute wie seit eh und je umstrittenes – Thema der Erkenntnistheorie und geht die empirische Wissenschaft nichts an.

    Sie scheinen mir aber mit „Grundlage des Experimentierens bzw. des Gewinnens von Meßwerten“ noch etwas anderes zu meinen: Nicht nur den „context of justification“, sondern auch den „context of discovery“, in den alles fällt, was zur Aufstellung der Hypothesen oder Theorien führt und vor deren Prüfung auf wahr/nicht wahr liegt. Dazu kann Ruhe oder Kaffee oder ein anregendes Umfeld gehören, vor allem aber ist hier das Gebiet der Metaphern, mit denen man sich den Gegenstandsbereich aufschließt oder zurechtmacht.

    Solche Metaphern haben es in sich. Sie können zu Irrtümern verleiten, vor allem wenn man nicht merkt, daß es sich um Metaphern handelt (ein Beispiel, von dem ich mir das denken könnte, wäre die Verwendung von Begriffen wie Energie oder Kraft in der Psychologie, was dazu verleiten kann, etwas Physikalisches zu vermuten, wo es sich um etwas ganz anderes handelt, oder umgekehrt anthropomorphe Metaphern in den Naturwissenschaften, etwa wenn „die Selektion“ als handelnde Instanz gedacht wird). Sie können aber auch Einsichten eröffnen. Ein Beispiel ist die soziomorphe Metapher des „Kampfs ums Dasein“ in der Biologie.

    Gewöhnlich entfalten die Metaphern ihre Kraft (auch schon wieder eine anthropomorphe Metapher), ohne daß sich die Wissenschaftler dessen bewußt sind, sie lenken deren Gedanken und auch ihre experimentelle Praxis quasi hinter ihrem Rücken, und die wichtigsten Metaphern dürften soziomorph sein in dem Sinne, daß sie der Erfahrung der Menschen mit ihrer Gesellschaft und damit dem Zeitgeist bzw. Weltanschauungen entstammen (etwa jene darwinschen Metaphern oder die einige Zeit früher allgegenwärtige Uhrmacher-Metapher).

  42. [1] Was dem Affen die Banane, …

    Ludwig Trepl schrieb (19.11.2012, 18:27):
    > Hypothesen, sei es über Gesetze oder über Singulären, und Theorien über Empirisches können grundsätzlich auf zweierlei Weise geprüft werden: empirisch, d. h. durch Beobachtung und Experiment, und im Hinblick auf ihre Konsistenz, d. h. ob sie ganz unabhängig von allem Empirischen den Anforderungen von Logik und Mathematik genügen.

    Sollte der deutliche Unterschied zwischen diesen “zweierlei Weisen” nicht auch durch einen Unterschied in der (Konvention zur) Benennung dessen zum Ausdruck gebracht werden, das (nur) auf die eine oder die andere “Weise” geprüft werden kann?

    Warum unbedingt von “Theorien über Empirisches” schreiben, wenn “Modelle über Empirisches” genügt; und mit dem Wort “Theorie” allein das benennen, was evtl. zur Modellbildung gebraucht wird und entsprechende Anforderungen erfüllen sollte?

    > Sie scheinen mir aber mit „Grundlage des Experimentierens bzw. des Gewinnens von Meßwerten“ noch etwas anderes zu meinen: Nicht nur den „context of justification“, sondern auch den „context of discovery“, in den alles fällt, was zur Aufstellung der Hypothesen oder Theorien führt und vor deren Prüfung auf wahr/nicht wahr liegt.

    Ja; aber im obigen Sinne eher alles, was zur Aufstellung der Hypothesen oder Modelle “über Empirisches” führt bzw. gebraucht wird.

    > Dazu kann Ruhe oder Kaffee oder ein anregendes Umfeld gehören,

    Hmm …
    Ich dachte eher an Begriffe, Axiome, Messdefinitionen. (Na — vollkommen Banane. [1].)

    Aber natürlich jedenfalls den Ansatz, nur Solches als “axiomatisch” zu nehmen, das man (auch) jedem (anderen) zugestehen müsste, der den Versuch unternehmen wollte, die Axiomwahl in Frage zu stellen.

    > vor allem aber ist hier das Gebiet der Metaphern, mit denen man sich den Gegenstandsbereich aufschließt oder zurechtmacht.
    > […] anthropomorphe Metaphern in den Naturwissenschaften
    > […] soziomorphe Metapher

    Da fällt mir vor allem der “Beobachter”-Begriff (in der Physik) ein;
    also die als axiomatisch betrachtete Fähigkeit, zumindest im begrifflichen Prinzip “das Selbe” von “Verschiedenem” unterscheiden zu können, “Koinzidenz” von “Reihenfolge” unterscheiden zu können, andere Beteiligte/Beobachter beobachten, unterscheiden, wiedererkennen zu können.

    > Solche Metaphern haben es in sich. Sie können zu Irrtümern verleiten

    Im Allgemeinen bestimmt.
    Was aber sind denn zunächst die Grundlagen, die z.B. zum Aufstellen, Mitteilen, Nachvollziehen des Wortes “Irrtum” führen vzw. gebraucht würden?

    Jedenfalls — Verzeihung, Prof. Honerkamp — fände ich es interessant, wenn sich ein SciLog mit solchen Fragen beschäftigen würde.

  43. @ Frank Wappler

    „Warum unbedingt von “Theorien über Empirisches” schreiben, wenn “Modelle über Empirisches” genügt …“

    Ich habe hier „Theorie“ in der im Hinblick auf empirische Wissenschaften recht üblichen Weise gebraucht, daß eine Theorie ein System aus mehreren Gesetzen bzw. Gesetzeshypothesen ist. Natürlich wird „Theorie“ auch ganz anders gebraucht. Beispiel: wenn der Kommissar eine Theorie hat, dann ist ein sich auf einen singulären Sachverhalt beziehender Satz gemeint, bzw. die eine Geschichte, die das einzelne Ereignis, das er aufklären soll, richtig beschreibt.

    Auf „Ruhe und Kaffee“ kam ich, weil die Wissenschaftstheoretiker der positivistischen Tradition gern betonen, daß im context of discovery völlige Beliebigkeit herrscht; alles ist möglich, wenn es nur auf weiterführende Gedanken bringt, ob das nun chemische Rauschmittel sind oder religiöse Glaubensüberzeugungen. Aufgeräumt, das Wahre vom Falschen getrennt, wird erst im context of justification, da geht es dann nicht mehr wild, sondern streng zu.

    „Aber natürlich jedenfalls den Ansatz, nur Solches als “axiomatisch” zu nehmen, das man (auch) jedem (anderen) zugestehen müßte …“

    Heutzutage wird ja „Axiom“ eher so gebraucht, daß es ein beliebig zu Setzendes, nicht weiter Begründbares ist. Ich vermute, Sie haben eher etwas im Sinn, was in den empiristisch-positivistischen Wissenschaftstheorien nicht vorkommt: daß es außer Logik und Mathematik noch anderes gibt, das wir alle gezwungen sind zu denken, und zwar a priori, vor aller Empirie und als Bedingung derselben (z. B. synthetische Sätze a priori). In diesem Bereich scheint mir auch diese Frage zu verorten: „Was aber sind denn zunächst die Grundlagen, die z.B. zum Aufstellen, Mitteilen, Nachvollziehen des Wortes “Irrtum” führen vzw. gebraucht würden?“ Da liegt die Aufgabe der Erkenntnistheorie als einer nicht-empirischen Wissenschaft. Dagegen ist die Frage des faktischen Auftretens von Irrtümern eine Sache empirischer Wissenschaften, insbesondere der Psychologie oder einer sozialwissenschaftlichen Ideologie-Forschung.

  44. Unerbittliche Chance des Mediums

    Ludwig Trepl schrieb (20.11.2012, 12:37):
    > […]

    Danke für die Erläuterungen.
    Für mich besonders relevant und nützlich finde ich die klare Charakterisierung

    > […] der Erkenntnistheorie als einer nicht-empirischen Wissenschaft.

    Das nehm ich mir zum Vorbild, und werde in diesem Sinne z.B. auch “Geometrie” und “Relativitätstheorie” als nicht-empirische Wissenschaften einordnen (oder vielleicht als “prä-empirische”?);
    in Unterscheidung und Abgrenzung zu empirischen (bzw. “angewandten”) Wissenschaften wie Kosmologie, Astronomie/Astrophysik, Geologie/Geographie/Architektur, Chemie/Mineralogie, Nuklear- und Teilchenphysik (usw.), mit ihren jeweiligen (Standard-)Modellen.

  45. @ Frank Wappler

    Geometrie ist sicher eine nicht-empirische Wissenschaft. Man mißt ja nicht an wirklichen Dreiecken nach, ob der Satz des Pythagoras stimmt, wenn man ihn beweisen möchte (da käme man schon deshalb nicht weiter, weil es keine wirklichen, d.h. empirischen Dreiecke gibt, sondern nur Dinge, die Dreiecken, die Konstruktionen im Geist sind, nahekommen; darum bekäme man immer nur ungefähre Werte beim Messen).

    Aber die Relativitätstheorie? Ich habe zwar von Physik keine Ahnung, aber ich dachte immer, die befaßt sich mit empirischen Phänomenen wie Licht und konnte auch empirisch, durch eine astronomische Messung, überprüft werden?

  46. Auf den Punkt gebracht

    Ludwig Trepl schrieb (20.11.2012, 15:23):
    > Geometrie ist sicher eine nicht-empirische Wissenschaft. Man mißt ja nicht an wirklichen Dreiecken nach, ob der Satz des Pythagoras stimmt, wenn man ihn beweisen möchte

    Ganz recht. (Wobei … siehe “p.s.”, unten.)

    Genauso wenig misst man doch an wirklichen Schwellen eines Bahngleises und Sitzbänken eines Personenzuges nach, ob (oder wie genau) es z.B. stimmt, dass …
    — Leute, die von Physik doch etwas Ahnung haben, sollten soviel schon wissen — …
    dass die Distanz zwischen zwei bestimmten Schwellen, die von zwei bestimmte Sitzreihen gleichzeitig passiert wurden, als gleich dem
    Sqrt[ 1 – beta^2 ]-fachen der Distanz zwischen diesen beiden Sitzreihen gilt,
    und dass (gegenseitig einvernehmlich) die Distanz zwischen zwei bestimmten Sitzreihen, die von zwei bestimmte Schwellen gleichzeitig passiert wurden, als gleich dem
    Sqrt[ 1 – beta^2 ]-fachen der Distanz zwischen diesen beiden Schwellen gilt.
    (Wobei “beta” ein Maß gegenseitiger Bewegung ist; und von eingehenderen Betrachtungen zum eventuell von 1 verschiedenen Brechungsindex der betreffenden Versuchsregion mal abgesehen.)

    Sondern man kann unter Einsatz dieses Theorems bzw. dieses Messoperators u.a. messen, ob die Distanz zwischen zwei bestimmten Schwellen und die Distanz zwischen zwei bestimmten Sitzreihen einander gleich waren, oder welches Verhältnis sie zueinander hatten.

    > da [beim Satz des Pythagoras] käme man schon deshalb nicht weiter, weil es keine wirklichen, d.h. empirischen Dreiecke gibt, sondern nur Dinge, die Dreiecken, die Konstruktionen im Geist sind, nahekommen;

    Das käme wohl u.a. sehr darauf an, in wie fern man sich bremsen würde, irgendwelche tatsächlich wahrnehmbare und einzeln unterscheidbare Beteiligte “Punkte” zu nennen.
    Jedenfalls kennt jeder sicherlich (mindestens noch) zwei weitere, tatsächlich wahrnehmbare, verschiedene “Zeitgenossen”;
    aber sicherlich sind nicht alle Trios von tatsächlichen Beteiligten (und erst recht nicht alle vorstellbaren Trios) zueinander ruhend, so dass sie überhaupt Distanzverhältnisse untereinander feststellen könnten,
    und sicherlich gilt wiederum nicht für alle Trios von (tatsächlichen, und erst recht von vorstellbaren) zueinander ruhenden Beteiligten, A, B und C, dass z.B.

    (AB/BC)^2 + (AC/BC)^2 == 1.

    > ich dachte immer, die [RT] befaßt sich mit empirischen Phänomenen wie Licht

    Das wohl. Erkenntnistheorie beschäftigt sich aber doch auch empirischen Phänomenen, oder? …

    > und konnte auch empirisch, durch eine astronomische Messung, überprüft werden?

    So wie (entsprechend) Erkenntnistheorie? …
    Nein. Gewonnene Messwerte könnten allenfalls bestimmte Modelle prüfen und ggf. widerlegen (astronomische, oder kosmologische, oder geographische, oder architektonische, oder mineralogische, oder …); aber nicht den Messoperator, durch dessen Anwendung (auf gegebene Beobachtungsdaten) der jeweilige Messwert überhaupt erst gewonnen wurde.

    p.s.
    Da es beim “Satz des Pythagoras” ja sowieso um bestimmte Distanzverhältnisse geht:

    wenn man erst einmal unter Einsatz/Voraussetzung von (gegebenen) Distanzverhältnissen definiert hat, was es überhaupt heißen soll, dass ein bestimmter “Punkt P” auf einer “durch Punkte A und B definierten Gerade lag”, und “zwischen A und B”, nämlich als
    (AP/AB) + (PB/AB) == 1,

    und man auch entsprechend definiert hat wie verschiedene “Winkel” z.B. “Winkel APQ” und “Winkel QPB” überhaupt miteinander verglichen werden könnten, nämlich (z.B.) anhand des Vergleiches der Zahl
    2 + 2 (AQ/AP)^2 + 2 (AQ/PQ)^2 – (AP/PQ)^2 – (PQ/AP)^2 – (AQ/AP)^2 (AQ/PQ)^2
    mit der Zahl
    2 + 2 (BQ/BP)^2 + 2 (BQ/PQ)^2 – (BP/PQ)^2 – (PQ/BP)^2 – (BQ/BP)^2 (BQ/PQ)^2,

    und man auch entsprechend definiert hat, was es überhaupt heißen soll, dass vier verschiedene Punkte zueinander “eben” wären, nämlich durch das Verschwinden der entsprechenden Cayley-Menger-Determinante,

    und sowohl “Winkel APQ” als auch “Winkel QPB” genau dann “recht” heißen sollen, falls sie gleich sind und P “gerade zwischen” A und B liegt,

    dann sollte man ja vom “Satz des Pythagoras”, d.h. von
    (AP/AQ)^2 + (PQ/AQ)^2 == 1 sowie
    (BP/BQ)^2 + (PQ/BQ)^2 == 1,
    regelrecht angesprungen werden.

    (Wird man auch; und mit der zusätzlichen Bedingung “AP == BP” sogar ausschließlich …)

  47. @Joker / Paul Watzlawick

    »Möglicherweise hat allerdings bis heute eine Bedeutungsverschiebung stattgefunden, den Begriff “Wirklichkeit” betreffend. Woran könnte man diese festmachen, erkenntnistheoretisch?«

    Da kommt einem Paul Watzlawick in den Sinn mit seiner These, die sogenannte Wirklichkeit sei lediglich ein Ergebnis von Kommunikation. Allerdings beansprucht Watzlawick für diese Einsicht keine Originalität und beruft sich dabei u.a. auch auf einen relativ bekannten Physiker:

    Es muss allerdings gesagt werden, dass diese Feststellung keineswegs neu ist, sondern schon in der Antike von verschiedenen Philosophen vertreten wurde. Man war sich schon damals klar darüber, dass das, was wir Wirklichkeit nennen, im Grunde genommen etwas Angenommenes, etwas Gestaltetes und nicht etwas voraussetzungsfrei Erfasstes ist. Auch findet man im Laufe der Philosophiegeschichte – verwiesen sei nur auf Immanuel Kant und Arthur Schopenhauer – zahlreiche Äußerungen, die diesen erkenntniskritischen Zweifel stützen. Kant und Schopenhauer haben immer wieder betont, dass die Wirklichkeit ein Ergebnis der Zuschreibung von Bedeutung an unbekannte Dinge ist. Und auch in der theoretischen Physik – einem Fach, das der Laie für die objektivste wissenschaftliche Disziplin halten mag – lassen sich ähnliche Aussagen entdecken. Albert Einstein soll in einem Gespräch mit Werner Heisenberg, das 1927 in Kopenhagen stattfand, gesagt haben, dass es falsch sei zu glauben, dass eine Theorie sich auf Beobachtungen aufbaut; das Gegenteil sei der Fall. Die Theorie bestimme, was wir beobachten können. Das heißt, diese These ist längst bekannt.

    Gespräch mit Paul Watzlawick: “Wir können von der Wirklichkeit nur wissen, was sie nicht ist”.
    In: Bernhard Pörksen. Die Gewissheit der Ungewissheit: Gespräche zum Konstruktivismus. Carl-Auer Verlag, 2002.

  48. Wirklichkeit

    > die sogenannte Wirklichkeit sei lediglich ein Ergebnis von Kommunikation

    > dass die Wirklichkeit ein Ergebnis der Zuschreibung von Bedeutung an unbekannte Dinge ist

    An ‘unbekannte Dinge’??

    Das ‘Ergebnis der Zuschreibung von Bedeutung’ scheint dem Schreiber dieser Zeilen zudem eher die Allgemeine Theoretisierung zu sein, wobei sich ein Teil als wissenschaftlich bezeichnen lässt.

    BTW: Wenn es einen unerklärlichen kurzen Schmerz im Körper gibt, wäre der dann für den Betroffenen ‘wirklich’?

    MFG
    Dr. W

  49. @ Chrys: Saubere Kommunikation

    “Die Gewissheit der Ungewissheit”

    Das ist ein Buchtitel, so wie ich ihn liebe, mittles nur vier Wörtern schon ein Selbstwiderspruch formuliert.

    “Da kommt einem Paul Watzlawick in den Sinn mit seiner These, die sogenannte Wirklichkeit sei lediglich ein Ergebnis von Kommunikation.”

    Dass Konstruktivisten zu dem Begriff “Wirklichkeit” eine ganz eigene Perspektive entwickeln, erscheint nur logisch. (Genauer müsste ich selbstverständlich sagen, jeder Konstruktivist entwickelt seine ureigenste Perspektive.)

    Das Verhältnis von Theorie zu Beobachtung hat für mich ziemlich überzeugend Ludwik Fleck in seinen Schriften dargestellt. Er bezieht seine Beispiele aber weniger aus der Physik, mehr aus der medizinischen Forschung. Der Äußerung (laut Watzlawick von Einstein), “Die Theorie bestimme, was wir beobachten können”, hätte er auf jeden Fall vollumfänglich zugestimmt. Genau dazu hat Fleck auch einige Beispiele als Beleg aufgeführt.

    Einem anderen Teil von der Einstein zugeschriebenen Äußerung, nämlich dem,
    “dass es falsch sei zu glauben, dass eine Theorie sich auf Beobachtungen aufbaut”, würden aber wohl nur wenige Physiker zustimmen, und auch ich nicht. Ich sehe hier eher – wie Fleck, falls ich mich richtig erinnere – eine Koevolution im Gange. Veränderte Beobachtungen führen zu neuen Theorien, die wiederum unsere Beobachtungen auf andere Details lenken. Diese neu entdeckten Details können nicht mehr mit den alten Theorien erklärt werden, also brauchen wir neue oder veränderte. Und das klingt dann ja auch schon wieder sehr nach Herr Honerkamp.

    Was bleibt, ist die Frage, ob wir mit diesem Verfahren zu verlässlicher Erkenntnis gelangen. Sowohl Beobachtungen, also auch Theorien sind ja bekanntermaßen unzuverlässig.

    Und das erinnert mich wiederum an ein anderes Problem, vor das sich einige Physiker einst gestellt sahen:

    “Wir haben schmutziges Spülwasser und schmutzige Küchentücher, und doch gelingt es, damit die Teller und Gläser schließlich sauberzumachen.”

    (Niels Bohr, zitiert nach: Werner Heisenberg, Der Teil und das Ganze, Gespräche im Umkreis der Physik)

    Ganz sauber?

  50. Marketing

    … offensichtlich:

    Mit dem Geschirrwaschen ist es doch genau wie mit der Sprache. Wir haben schmutziges Spülwasser und schmutzige Küchentücher, und doch gelingt es, damit die Teller und Gläser schließlich sauberzumachen. So haben wir in der Sprache unklare Begriffe und eine in ihrem Anwendungsbereich in unbekannter Weise eingeschränkte Logik, und doch gelingt es, damit Klarheit in unser Verständnis der Natur zu bringen.

    Oder ein anderer Begriff von ‘Klarheit’.

    HTH
    Dr. W

  51. Logik

    Dass Konstruktivisten zu dem Begriff “Wirklichkeit” eine ganz eigene Perspektive entwickeln, erscheint nur logisch.

    BTW, weil’s auch noch ins Auge springt: Was ist denn für Sie Logik?

  52. @ Dr. W

    “[…], erscheint nur logisch.”

    “Was ist denn für Sie Logik?”

    Eine Erscheinung! (Das springt doch ins Auge)

  53. @Joker, @Dr. W

    Mir ist gerade erst klar geworden, dass auch das deutsche wikipedia zwischen “Wirklichkeit” und “Realität” unterscheidet. Eine Unterscheidung, die ich wirklich (sic!) für eine originäre Errungenschaft von Gerhard Roth zu halten geneigt war. Wenn ich am konventionalistischen Charakter der “Wirklichkeit” noch Zweifel gehabt hätte, so hätte Roths Neurophilosophie diese gewiss zerstreut. Aber das alles führt, glaube ich, hier doch etwas ins off-topic.

    Die Frage nach der “wirklichen” Natur physikalischer Phänomene betreffend, hier noch einmal ein recht bekanntes Zitat, das mir sehr gefällt:

    Some readers may expect me at this stage to tell them what electricity “really is.” The fact is that I have already said what it is. It is not a thing like St. Paul’s Cathedral; it is a way in which things behave. When we have told how things behave when they are electrified, and under what circumstances they are electrified, we have told all there is to tell.

    – Bertrand Russell, ABC of Atoms

    Zitat Joker: »Und das erinnert mich wiederum an ein anderes Problem, vor das sich einige Physiker einst gestellt sahen: …«

    Das Problem besteht grundsätzlich noch immer. Richard Feynman sprach in seinem Büchlein QED im Zusammenhang mit Renormalisierung von “shell game” und “hocus-pocus”. Dessen ungeachtet ist die QED ein Paradepferd der theoret. Physik und erlaubt präzisere Vorhersagen für Messwerte als jede andere Theorie.

    Die QED liefert auch ein gutes Beispiel dafür, wie Theorie den Beobachtungen vorangeht. Nach ihrem Vorbild wurde die gesamte QFT gestaltet, obwohl die klassischen Yang-Mills Theorien, aus denen durch Quantisierung die Quantentheorien der schwachen und starken Wechselwirkung erhalten werden, künstlich eingeführt werden müssen und nicht etwa aus der Beobachtung der Natur stammen. Das ganze Standardmodell ist eigentlich ein roh gezimmertes Flickwerk, weshalb wohl auch niemand damit so richtig zufrieden sein kann. Erstaunlicherweise ist es durch die Experimente mit Beschleunigern wie dem LHC aber hervorragend bestätigt.

    Ein extremes Beispiel für die Prädominanz von Theorie wäre noch die String Theorie. Die hat noch nie irgendwas erfolgreich vorhergesagt, was jedoch in krassem Missverhältnis zu ihrer populärwiss. Rezeption steht. Leute wie Brian Greene und Michio Kaku haben sicherlich ganz gut daran verdient, aber wenn SUSY sich nicht bald am CERN blicken lässt, dann müssen die ihr Geschäftsmodell vielleicht überdenken.

  54. @Chrys + Joker

    Die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und der Welt (vs. Realität, Sachlichkeit) ist wohl halbschlau, korrekt.

    Ließe sich auch kaum nutzbringend verwalten, als philosophisches Konstrukt (der Schreiber dieser Zeilen ist ohnehin die Physiklehre, ein gewisses Standardwissen vorausgesetzt, ahnungslos) OK, aber für die Physiklehre?

    Zu: ‘it is a way in which things behave’ – ischt ja (fast) das, was Honerkamp immer sagt, die Relationen sind’s, die Sachlichkeit, auch die Dinge betreffend, als “evolutionär” möglich gewordenes Konstrukt in den mittleren Dimensionen.

    MFG
    Dr. W (der die Logik als Sprachlichkeit und am besten als in sich widerspruchsfreies Nutzen derselben versteht)

  55. Nachtragend

    Ein extremes Beispiel für die Prädominanz von Theorie wäre noch die String Theorie. Die hat noch nie irgendwas erfolgreich vorhergesagt, was jedoch in krassem Missverhältnis zu ihrer populärwiss. Rezeption steht. /blockquote>

    Die Prädominanz (vs. Dominanz, die Präfix scheint hier wichtig) nichtfalsifizierbarer Theorie und Modellierung [1] ist im Kommen.

    Theorien (Sichten) benötigen eigentlich als Existenzberechtigung nur die Beschreibung und/oder Erklärung und/oder das Bemühen um Vorhersage. Alle Eigenschaften optional, eine wäre aber gut.

    Wenn der letzte Punkt aber wegfällt, kann es fast Tautologie werden, korrekt.

    MFG
    Dr. W (der nach dem Verweis auf diesen Pratchett-Text [2] bei einigen Physiklehrern nicht mehr kommentieren darf)

    [1] die zeitgenössische Klimaprognostik z.B.
    [2] ‘Für eine Universität ist es immer nützlich, ein Sehr Großes Ding zu haben. Es beschäftigt die jüngeren Leute, zur Erleichterung der älteren (insbesondere dann, wenn das SGD ein Stück vom Zentrum der Bildungsstätte entfernt ist), und es verwendet viel Geld, das sonst nur herumläge und Probleme verursachte oder vond er soziologischen Fakultät ausgegeben würde, oder vielleicht beides. Es hilft auch dabei, Grenzen hinauszuschieben, und dabei spielt es keine Rolle, welche Grenzen, denn wie jeder Forscher weiß: Auf das Hinausschieben kommt es an, nicht auf die Grenzen. Es ist auch gut, wenn das Sehr Große Ding größer ist als die Sehr Großen Dinge aller anderen. In diesem besonderen Fall ging es um die Unsichtbare Universität, die größte magische Universität auf der Welt, und natürlich musste ihr SGD größer sein als jenes, das die Mistkerle an der Universität von Brasenack bauten.’ (T.Pratchett in der Brandhorst-Übersetzung)

  56. Nachtragend

    Sorry, v2, das andere gerne auch löschen:

    Ein extremes Beispiel für die Prädominanz von Theorie wäre noch die String Theorie. Die hat noch nie irgendwas erfolgreich vorhergesagt, was jedoch in krassem Missverhältnis zu ihrer populärwiss. Rezeption steht.

    Die Prädominanz (vs. Dominanz, die Präfix scheint hier wichtig) nichtfalsifizierbarer Theorie und Modellierung [1] ist im Kommen.

    Theorien (Sichten) benötigen eigentlich als Existenzberechtigung nur die Beschreibung und/oder Erklärung und/oder das Bemühen um Vorhersage. Alle Eigenschaften optional, eine wäre aber gut.

    Wenn der letzte Punkt aber wegfällt, kann es fast Tautologie werden, korrekt.

    MFG
    Dr. W (der nach dem Verweis auf diesen Pratchett-Text [2] bei einigen Physiklehrern nicht mehr kommentieren darf)

    [1] die zeitgenössische Klimaprognostik z.B.
    [2] ‘Für eine Universität ist es immer nützlich, ein Sehr Großes Ding zu haben. Es beschäftigt die jüngeren Leute, zur Erleichterung der älteren (insbesondere dann, wenn das SGD ein Stück vom Zentrum der Bildungsstätte entfernt ist), und es verwendet viel Geld, das sonst nur herumläge und Probleme verursachte oder vond er soziologischen Fakultät ausgegeben würde, oder vielleicht beides. Es hilft auch dabei, Grenzen hinauszuschieben, und dabei spielt es keine Rolle, welche Grenzen, denn wie jeder Forscher weiß: Auf das Hinausschieben kommt es an, nicht auf die Grenzen. Es ist auch gut, wenn das Sehr Große Ding größer ist als die Sehr Großen Dinge aller anderen. In diesem besonderen Fall ging es um die Unsichtbare Universität, die größte magische Universität auf der Welt, und natürlich musste ihr SGD größer sein als jenes, das die Mistkerle an der Universität von Brasenack bauten.’ (T.Pratchett in der Brandhorst-Übersetzung)

  57. @ Ludwig Trepl (19.11. 14:32)

    Ich gebe Ihnen ganz recht bei Ihrer Unterscheidung zwischen Genesis und Geltung.

    Hardcore-Vertreter der evolutionären Erkenntnistheorie bekommen dieses Thema deswegen nicht in den Blick, weil sie Erzmaterialisten sind. Materialisten leben in der Illusion, über das finale Wissen der Grundstruktur der Wirklichkeit bereits zu verfügen. Wenn so jemand Erkenntnistheorie betreibt – zum Beispiel der bekannteste deutsche Vertreter der EE, Gerhard Vollmer – so wähnt sich dieser im sicheren Besitz des Wissens über das Wesen der Wirklichkeit als solcher: „der Materialismus ist die Wahrheit“. Und seine evolutionäre Perspektive ist daher vorhersehbar nichts anderes als die These, dass sich via Selektion im Gehirn des Menschen ein Apparat aufgebaut habe, der diese materielle Außenwelt bzw. ihre Struktur „rekonstruiert“.

    Der EE-Vertreter betrachtet dabei wie aus der Gottesperspektive das ihm bekannte materialistische „Ding an sich“ und die Anpassungsbemühungen des Erkenntnissuchers daran gleichzeitig von oben. Während der bescheidene Kant das Erkennen rein aus der Perspektive des Erkennenden zu erklären versuchte und das Objekt des Erkennens als unlösbares Rätsel stehen ließ, schwebt der materialistische evolutionäre Erkenntnistheoretiker vollkommen über den Dingen und kann die Wirklichkeit selbst und die mühseligen Versuche der Anpassung des Erkenntnisapparats an diese im selben Blick erfassen.

    Die Frage, wie eine Erkenntnis ihre Geltung begründet, taucht in dieser Perspektive gar nicht erst auf, sondern erledigt sich mit der These von der allmählichen Anpassung des Wahrnehmungs- und Erkenntnisapparats an die längst „erkannte“ materialistische Wirklichkeit schlechthin.

  58. @Dr. W

    Die Klimamodellierung basiert allerdings auf solider Naturwissenschaft und Mathematik, ihre Methoden sind absolut plausibel. Eine sehr gut lesbare, allgemeinverständliche Einführung in diese Thematik liefert z.B. folgendes Buch:
    http://books.google.com/books?id=HIy0YCvp5cIC

    Perfekte Modelle oder Theorien lassen sich halt nicht irgendwo vom Baum pflücken. Das kann sich als beliebig verzwickt erweisen, und die Fragen zum formalen Verständnis des Standardmodells stellen ja sogar eines der Milleniumsprobleme dar, siehe dazu auch [Die mathematische Zähmung des Standardmodells].

    Das “Human Brain Project” wäre ganz gewiss ein “Sehr Grosses Ding” … das HBP kann unmöglich einlösen, was es verspricht. Und schon gar nicht innert 10 Jahren.

  59. @Chrys

    Der Schreiber dieser Zeilen, Ihr Webbaer, der u.a. neben Herrn Honerkamps Leistung auch Ihre kommentarische Leistung und die von ‘Joker’ sehr schätzt, ohnehin i.p. Physiklehre rudimentär unterwegs ist, weist dennoch gerne darauf hin, dass mit Modellierung dieser Art [1] grundsätzlich neue Wege begangen werden, die letztlich Richtung ToE (Theory of everything gehen, was das Vorhaben nicht unbedingt dichter macht.

    Hmm, wie dem auch sei, bei der zeitgenössischen Klimaprognostik [2] könnte es hintergründig auch um ein grundsätzliches Verstehen gehen, das eher Richtung Geo-Eingineering zu gehen scheint – und ohnehin wirtschaftlich sinnvoll sein könnte.

    MFG
    Dr. W

    [1] IT. Die IT erlaubt hier Neues.
    [2] man ist bei den Klimatologisten schon recht locker & politisch, was nicht unbedingt zur (auch: politischen) Anteilnahme einlädt, kollektivistisches Gedankengut ist hier sicherlich auch im Spiel

  60. @Dr. W

    Wegen ihrer gesellschaftlichen Implikationen lassen sich die Ergebnisse von Klimaforschung ausserhalb von Fachzirkeln praktisch gar nicht ohne einen politischen Bezug erörtern. In der öffentlichen Debatte werden die Klimaforscher einerseits immer wieder zu Stellungnahmen aufgefordert, während dies andererseits unweigerlich Widerstand provoziert bei denen, die in der Konsequenz daraus ihre profitablen Geschäfte gefährdet sehen oder sonstwie Nachteile für sich befürchten. Die Sachlichkeit bleibt dabei normalerweise rasch auf der Strecke, da geht’s eben um mehr als nur wissenschaftl. Erkenntnis.

    Was die einen als verlässliches Wissen verkünden, ist oft genug ein Stachel im Fleisch der Begehrlichkeiten von anderen. Schon in den Tagen von Galilei war es so, und ist seither eine andauernede Begleiterscheinung der modernen Wissenschaft. Auch Newton wurde wegen seiner Physik angefeindet, beispielsweise war der allseits hochgeschätzte Herr Geheimrat J.W. von Goethe ein fanatischer Newton-Widerleger. Goethes weniger ruhmreiche Kapriolen werden heutzutage wohl lieber verschwiegen. Eine richtig aufgeklärte Gesellschaft sind wir noch lange nicht, und das wird auch nur eine Utopie bleiben. Was wiederum seine Ursachen in den evolutionären Wurzeln von H. sapiens hat.

  61. @Chrys: Klimatologie

    Hierzu, um nicht zu weit vom Thema wegzugehen, nur noch einige Hinweise:

    1.) die Vorgehensweise ist neu, das Ingenieurshafte, wissenschaftsphilosophisch grob hier beschrieben: -> http://www.faz.net/…-die-sich-schlecht-benehmen/ -> http://www.faz.net/…welterkenntnis-11573418.html (besonders empfehlenswert)

    2.) die Prognosis läuft in den Höhe bei den Oberflächentemperaturen mit dem Gemessenen um einen Faktor größer 5 auseinander: auf der einen Seite die +2 bis +4K bis 2100, auf der anderen die gemessenen ca. +0,75K zwischen 1880 und 2012/11 (GISS-Daten)

    3.) politische Wissenschaftler machen die Suche nach Erkenntnis nicht leichter: -> http://www.tagesspiegel.de/…-gipfel/6760528.html -> http://en.wikipedia.org/…rms_of_My_Grandchildren (zu beachten hier das Postreligiöse: die Höllenerwartung (“Venusfikation”) und die mögliche Erlösung

    Vielleicht lässt sich so ja auch ein Artikel des hiesigen Inhaltemeisters, hmmm, …, evozieren.

    MFG
    Dr. W (“Klimaagnostiker”)

  62. Nachtrag

    Der unter dem letzten Webverweis genannte Artikel ist geändert worden, darum ein Direktzitat:

    After the ice is gone, would Earth proceed to the Venus syndrome, a runaway greenhouse effect that would destroy all life on the planet, perhaps permanently? While that is difficult to say based on present information, I’ve come to conclude that if we burn all reserves of oil, gas, and coal, there is a substantial chance we will initiate the runaway greenhouse. If we also burn the tar sands and tar shale, I believe the Venus syndrome is a dead certainty. (Quelle)

  63. Dr. Webbaer : No Runaway effect on earth

    Der von James Hansen früher einmal an die Wand gemalte Runaway effect kann es für die Erde bei Verbrennung aller fossilen Rohstoffe nicht geben, denn während der Klimaphase des PETM stieg die CO2-Konzentration während einer bereits sehr heissen Klimaphase um genau den Betrag der den gesamten fossilen Vorräten entspricht und die Temperatur stieg “nur” um 5 bis 6°C.

  64. @Holzherr

    Die historische Datenlage ist hier bekannt, erzwingt aber nicht den Schluss, dass es keinen Runaway Climate Change geben kann; die Theoretisierung sogenannter Tipping Points geht auch in diese Richtung.

    Wir bedenken zudem die Kurzfristigkeit [1] der jetzigen Umwälzung.

    MFG
    Dr. W (dem es aber mehr um die fortlaufende, jeweils ingenieurshaft angepasste Modellierung geht, die unfalsifizierbar wird und somit immer “richtig” bleibt)

    [1] ‘kurzfristig’ ist natürlich auch so eine Sache, es ist schwierig vorherzusagen wie lange es dauern wird bis es ohnehin (!) wirtschaftlich wird die Erde in Teilen bedarfsweise abzuschatten – BTW: Geo-Engineering geht für die Herren Hansen und Rahmstorf auch nicht, wg. zu großer Risiken (wo hier die Konsistenz bleibt, wenn die Venusfikation drohen soll, bleibt natürlich unklar).

  65. @Dr. Webbaer: GeoengineeringImmerOption

    Hansen und Rahmstorf wollen nur nicht, dass man Geoengineering als Ersatz für Verzicht auf CO2-Emissionen einsetzt.

    Geoengineering wird wohl – wenn überhaupt – frühestens in 50 Jahren zum Zug kommen.

  66. @Holzherr

    Ein Workaround ist auch eine ingenieursmäßige Lösung, eigentlich ist es DIE ingenieursmäßige Lösung.

    Warum es hier zur Oppositionshaltung bekannter Klimatologisten kommt? Weil ihnen etwas weggenommen wird?

    Ergänzend der O-Ton:
    Falls Ihre Vision scheitert, sehen Sie technologische Möglichkeiten, den Klimawandel zu bekämpfen?

    Es gibt in der Wissenschaft eine Diskussion über Geo-Engineering-Maßnahmen. Aus meiner Sicht gibt es aber noch keine silberne Kugel, mit der man den Klimawandel erschießen könnte. Im Gegenteil: Viele Dinge halte ich für hochgefährlich, wie beispielsweise die Sonne mit riesigen Schirmen im Orbit abzuschatten.

    Warum?

    Weil die CO2-Konzentration trotzdem ansteigt, wodurch unsere Meere versauern. Außerdem schafft man ein instabiles Klima, bei dem man jahrhundertelang eingreifen müsste, weil sich CO2 so lange in der Atmosphäre hält. Wir würden viele Generationen dazu verdammen, das Klima aktiv zu regeln. (Quelle)

    ‘geo-engineering is not a long term solution.’ (Quelle)

    Kommentar:
    Es ist anmaßend sich jetzt über Präferenzen und Möglichkeiten zukünftiger Generationen einzulassen. Gerade auch, wenn die jetzige Prognostik nicht stabil ist, wie sich bspw. auch Schellnhuber mit einer eingeräumten Irrtumswahrscheinlichkeit im Prozentbereich verlautbart: ‘Nun, die Chance, dass das gesamte Wissenschaftssystem hier irrt, liegt wohl unter einem Prozent.’ (Quelle, Seite 5-6)

    MFG
    Dr. W (der nun aber wirklich… 😉

  67. @Dr. W : Klima:Was können wir wissen?

    Über komplexe Systeme wie das Klima können wir viel wissen und dennoch sind Projektionen typischerweise mit grosser Unsicherheit behaftet. Dass CO2 ein Treibhausgas ist und für sich allein genommen bei einer Verdoppelung in der Atmosphäre zu einem primären Temperaturanstieg von 1°C führt, zu 2.5 bis 4°C aber, wenn man die gestiegene Luftfeuchtigkeit und die Rückbildung der Kryosphäre berücksichtigt, wissen wir sicher. Was wir nicht sicher wissen ist, wie das Klimasystem insgesamt reagiert. Mehr Wolken könnten der Erwärmung entgegenwirken. Die meisten Klimamodelle sehen aber eher weniger Gesamt-Bewölkung in einer erwärmten Welt.
    Ihr Satz “Es ist anmaßend sich jetzt über Präferenzen und Möglichkeiten zukünftiger Generationen einzulassen.” kann unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips nur bedeuten: Es ist anmaßend die zukünftige Generationen der Gefahr einer unlimitierten Erderwärmung auszusetzen, selbst wenn wir das genaue Ausmass der Erderwärmung nicht kennen.

    Realistischerweise müssen wir aber die Handlungsoptionen gegeneinander abwägen. Auch die materiellen und nicht-materiellen Kosten für die Dämpfung der Erderwärmung könnten die zukünftigen Generationen belasten, im ungünstigsten Fall sogar mehr als die Vermeidung der Erderwärmung. Bjorn Lomborg etwa schätzt im Artikel “Weniger zahlen und viel mehr erreichen”, folgendes bezüglich negativen Auswirkungen des Klimawandels: “Die pessimistischen Prognosen sehen einen wirtschaftlichen Schaden von 20 Prozent am Ende des Jahrhunderts, die meisten Ökonomen erwarten nur Schäden von ein bis fünf Prozent. Auch das wäre viel. Aber wenn wir andere Umweltprobleme lösen, dann bringt das der Welt einen Wachstumsschub von 100 bis 200 Prozent.”

    Hier kann man von der Pro-Massnahmen-Seite sofort einwenden, dass die Erderwärmung ja am Ende des Jahrhunderts nicht vorbei ist. Von der Contra-Massnahmen-Seite würde man antworten, dass die Menschheit bis zum nächsten Jahrhundert sicher noch völlig neue und billige Energien finden wird die die fossilen Rohstoffe ersetzen.

    Was Lomborg auch nicht berücksichtigt ist, dass die Erderwärmung die Menschheit sehr ungleichmässig trifft. Der Norden profitiert sogar oft in Bezug auf die Landwirtschaft, der Süden dagegen trägt fast den ganzen Schaden. Das kann man nicht mit einer globalen Kosten-/Nutzenrechnung erledigen.

    Bezüglich Geoengineering: Es gibt ein Geoengineering-Verfahren, das die Schäden, die mit erhöhten CO2-Konzentrationen verbunden sind, vermeidet: Die Entfernung von CO2 aus der Luft. Kein mir bekannter Klimatologe hat etwas dagegen einzuwenden. CO2-Entferung aus der Luft ist aber sehr teuer. Zudem müsste das CO2 schliesslich irgendwo endgelagert werden.

    Fazit: Wenn es um komplexe Handlungsoptionen geht, ist das Wissen um die Grenzen der verlässlichen Erkenntnis zwar sehr wichtig, aber es genügt selten um zu einer Entscheidung zu kommen, was oft damit endet, dass gar nichts entschieden wird.
    Wenn man sich nicht entscheidet, dann läuft alles so weiter wie bisher. Wenn man sich für das Abbremsen der Erderwärmung entscheidet aber nicht die richtigen Massnahmen ergreift, wäre am Schluss ausser Spesen nichts gewesen.

  68. @Dr. W

    Niemand wird bestreiten wollen, dass Klimamodelle noch verbessert werden können und sollten. Gerade hinsichtlich der Rolle von Wolkenbildung sind noch viele offene Fragen zu beantworten. Immerhin ist klar, dass man hier mit mehr betriebenem Aufwand tatsächlich etwas erreichen kann, und zum Glück hängen wir nicht davon ab, dass irgendwer eine geniale Idee hat.

    Dem Kommentar von Martin Holzherr (27.11.2012, 09:35) kann ich mich nur vorbehaltlos anschliessen.

  69. @Chrys

    Es gibt halt einige Spezifika, wie ja auch bereits beschrieben, unter anderem: 1.) das neue ingenieurshafte Element nicht mehr falsifizierbarer IT-unterstützter Modellierung 2.) das Auseinanderlaufen von Prognosis und Datenlage um einen Faktor größer fünf 3.) das offene und anscheinend gewollte/unterstützte Politisch-Werden von Wissenschaftlern 4.) das postreligiöse Element, inklusive Höllen- und Erlösungserwartung [1] 5.) das für zukünftige Generationen Redende, was manche für unzulässig halten 6.) die geradezu unglaubliche politische Relevanz inklusive großformatiger wenig transparenter Kosten-Nutzen-Rechnungen mögliche Maßnahmen betreffend

    MFG
    Dr. W (der gerne einen Text des hiesigen Inhaltemeisters zum Thema hätte und – sollte ein derartiger Text bereits vorliegen – um diesbezügliche Nachricht bittet)

    [1] auch zur Rechtfertigung von Kollektivismen geeignet

  70. Vorläufige Arbeitsübersetzung

    641. Menschliches Denken ist sinnlos, wenn ihr versucht, das Ewige Leben zu definieren.
    Dienstag, 11. Dezember 2012, 21:16 Uhr

    Meine innig geliebte Tochter, während Advent gefeiert wird, rufe Ich Meine treuen Jünger auf, andere Menschen an die Wichtigkeit Meiner Geburt auf Erden zu erinnern.

    Meine Geburt demonstrierte die unergründliche Liebe, die Mein Vater für Seine Kinder hat. Er opferte Mich, das Lamm Gottes, bereitwillig auf, damit jeder von euch ewiges Leben haben kann. Dieses Geschenk, das für all diejenigen, die Mir nahe standen, schrecklichen Schmerz und Leiden verursachte, wurde der Menschheit mit Freude gegeben.

    Das war die einzige Weise, die Menschheit von der Trostlosigkeit zu erlösen, der sie ausgeliefert war. Mein Name, Meine Gegenwart ist allen bekannt, aber nur wenige Menschen in der Welt glauben wirklich an Meine Existenz. Mein Tod am Kreuz, eine brutale und grausame Kreuzigung — sogar nach den Maßstäben der damaligen Zeit in Bezug auf Verbrechen —, bringt euch Frieden — sogar heute.

    Jedem von euch ist aufgrund eurer Geburt der Schlüssel zur Freiheit, der Schlüssel zum Ewigen Leben in Meinem herrlichen Paradies gegeben worden. Viele von euch begreifen nicht, was das bedeutet. Das ist auf den Druck zurückzuführen, unter dem ihr steht, Mich öffentlich abzulehnen. Wie viele von euch haben Angst zu sagen, dass sie an Mich glauben? Wenn ihr gebeten würdet, euren Glauben offen zu bekennen, würdet ihr dann zu Mir stehen und eure Treue zu Mir zeigen?

    Viele von euch sagen, dass sie Mich nicht kennen würden, aber dass sie glauben würden, dass Ich existiere. Ihr glaubt, dass es ein Leben nach der Zeit auf Erden gibt, die euch von Meinem Vater gewährt worden ist. Wisst ihr denn nicht, dass ihr, wenn ihr Mir den Rücken gekehrt habt, euch das Recht auf Mein Königreich selbst aberkennt?

    Menschliches Denken ist sinnlos, wenn ihr versucht, das Ewige Leben zu definieren, denn euch ist nicht das notwendige Wissen gegeben worden, um die Mysterien der Schöpfung Meines Vaters zu verstehen. Doch euch ist durch Meine Lehren Mein Wort gegeben worden, das alles ist, was ihr braucht, um von Mir in ein Leben des ewigen Friedens, der Liebe und der Glückseligkeit aufgenommen zu werden. Dieses neue Leben gehört euch, und aufgrund der Liebe Gottes erwartet es euch, wenn ihr nur auf Meinen Ruf antworten würdet.

    Ich, euer geliebter Jesus, euer Erlöser und König, bereite Mich jetzt darauf vor, Mich euch zu präsentieren, dann, wenn Ich komme, um euch alle zurückzugewinnen.

    Meine Liebe ist in jedem von euch gegenwärtig. Schaut in euer Inneres und bittet Mich, das Feuer der Liebe zu entzünden, das ihr nötig habt — genauso wie Sauerstoff —, um in diesem Neuen Paradies zu leben. Man braucht keine Angst davor zu haben. Ihr müsst Mich willkommen heißen, denn Ich komme, um euch ewige Glückseligkeit zu bringen. Ich rufe euch auf, Mein Zweites Kommen mit Freude in eurem Herzen anzunehmen.

    Euer Jesus

    Quelle: http://www.diewarnung.net

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