Albert Einstein und Charles Darwin als Bürgerwissenschaftler

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Immer noch gibt es das Missverständnis, dass man hauptberuflich Wissenschaftler sein müsste, um Wissenschaft betreiben zu können. Dabei beklagen die meist auf halben Stellen befristet angestellten und mit Lehre und Verwaltung eingedeckten Kolleginnen und Kollegen oft zu Recht, dass ihnen kaum Zeit für eigene Forschungen bliebe – und dass deren Erträge nicht selten auch noch von anderen verniedlicht oder abgeschöpft würden.

Bürgerwissenschaftler – In einer dynamischen Wissensgesellschaft wird Wissen in der Breite geschaffen und aufgenommen

Ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte zeigt jedoch, dass die Auffassung, Wissenschaft könne nur als hauptamtlicher Beruf betrieben werden, falsch und schädlich ist. Vielmehr wurde Wissenschaft meist von Menschen betrieben, die andere, wissensnahe Berufe – etwa den des Geistlichen, Lehrers oder Schriftstellers – ausübten und daneben Zeit in die Erforschung bestimmter Fragen investierten. In Zeiten ihrer Blüte war Wissenschaft eben gerade nicht nur eine Angelegenheit abgeschotteter Hauptamtlicher, sondern Thema in Vereinen und Salons, in Zeitschriften und auf Ausstellungen, in populären Büchern und Vorträgen.

Zwei Beispiele recht bekannter Bürgerwissenschaftler möchte ich Ihnen gerne vorstellen.

1. Charles Darwin (1809 – 1882)

Charles Darwin erwarb während seines ganzen Lebens nur einen einzigen, wissenschaftlichen Abschluss: Den eines Bachelors in anglikanischer Theologie. Seine Forschungen betrieb er zeitlebens als Privatgelehrter, vernetzt mit Kolleginnen und Kollegen über Briefe und gegenseitige Besuche, Publikationen und wissenschaftliche Vereinigungen (Societies).

Charles Darwin 1868. Bild: Wikimedia commons

Der Mitentdecker der Evolutionstheorie, Alfred Russel Wallace (1823 – 1913) war übrigens gelernter Landvermesser. Und es ist tatsächlich zu fragen, ob das extrem interdisziplinäre Verständnis der Evolutionstheorie überhaupt mit vergleichbaren Freiheiten an einem Fachinstitut oder Lehrstuhl hätte entwickelt werden können.

2. Albert Einstein (1879 – 1955)

1905 war das “Wunderjahr” (Annus mirabilis) im Wirken Albert Einsteins, in dem er in einer Reihe von Veröffentlichungen die Grundlagen der Physik erschütterte und erneuerte. Sicher tat er dies bereits als promovierter Mitarbeiter von einer bezahlten Stelle an einer Universität oder einem Institut aus?

Weit gefehlt: Einstein hatte 1905 ein Diplom als “Fachlehrer für Mathematik und Physik”. Seine Bewerbungen für Assistentenstellen an Universitäten waren ausnahmslos abgelehnt worden – und so arbeitete Einstein 1905 als “technischer Experte 3. Klasse” beim Patentamt Bern…

Albert Einstein 1921 – Bild: Wikimedia Commons

Über das Internet wird Wissenschaft wieder zu einer Angelegenheit vieler

Das Internet bietet in Form von Blogs, Online-Angeboten wie Wikipedia, Netzwerken u.v.m. völlig neue Chancen der Vernetzung haupt- und ehrenamtlicher Wissenschaftler. Ernsthaft Forschende und Vermittelnde wird man auch genau an dieser dialogischen Vernetzung erkennen.

Wo auch immer Sie arbeiten – nie waren die Chancen größer, auch eigene Beiträge zur Vertiefung und Verbreiterung des Wissens zu leisten.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

40 Kommentare

  1. ich teile ja selten ihre ansichten…

    aber hier stimme ich ihnen voll und ganz zu.

    interessant ist vielleicht auch herr bayes – unverzichtbar in sachen künstlicher intelligenz – der ebenfalls hauptamtlicher theologe war.

    darüber hinaus: jeder hat heute viele möglichkeiten, sich tief in wissengebiete hineinzufuchsen…

  2. noch einer

    Noch ein berühmter Theologe den jeder kennt und das nicht wegen seiner theologischen Forschungen: Gregor Mendel

  3. @ Blume

    Sehr schön.

    Ich vermisse allerdings Arthur Schopenhauer und sein berühmtes, wider die festangestellten Universitätsphilosophen gerichtetes Bonmot, das besagt, dass er selbst (wohlhabend wie er war und anders als die Professoren)den Vorteil habe, nicht VON sondern FÜR die Philosophie leben zu können.

    Natürlich folgt dann eine lange Suada wider Hegel, den “Unsinnsschmierer” und das parasitäre Verhältnis der Universitätsprofessoren zu ihren Fachdisziplinen …

    In diesem Sinne auch:

    “Das Leben ist eine missliche Angelegenheit, und ich habe mir vorgesetzt, es damit hinzubringen, darüber nachzudenken.”

    Ach, Herr Schopenhauer, was gäb’ ich drum, mich mal mit Ihnen unterhalten zu können. Für die Aussicht würd’ ich sogar glatt auf ein Jenseits zu hoffen wagen, wobei mir allerdings nicht klar ist, ob wir uns da im Himmel, in der Hölle oder in limbo treffen werden. Aber in der selben Abteilung gewiss.

  4. Zu arm und zu reich

    Zwischen den drei von Ihnen angeführten Fällen kann ich überhaupt keinen Zusammenhang erkennen.

    Während z. B. Wallace zeitlebens eine ‘arme Sau’ war, der sich u. a. mit dem Verkauf von Insekren, die er auf seinen Auslandreisen gesammelte hatte, finanzielle, mühsam über Wasser hielt und zeitlebens um eine feste Anstellung kämpfte, war Darwin ein absolut priveligierter wohlhabender Gutsbesitzer und Landedelmann.

    Zu Beginn seiner Ehe mit Emma Wedgwood erhielt er zusätzlich jährlich 1.200 Pfund von seinem Vater und seinem Schwiegevater. Nach dem Tod seines Vaters erhielt er weitere 45.000 Pfund. In den darauf folgenden Jahren stieg sein jährliches Einkommen aus Zinsen etc. auf 3.700 Pfund jährlich. Hinzu kamen Einnahmen aus dem Verkauf seiner Reiseberichte.

    Mit anderen Worten, er verfügte über ein lebenslanges hochdotiertes Stipendium, von der ein Universitätswissenschaftler, der auch noch zeitraubende Lehrverpflichtungen hat, nur träumen kann.

    Es ist also in beiden Fällen verfehlt, von Büegerwissenschaftlern zu reden: Wallace zu arm und Darwin zu reich!

  5. Weit hergeholt

    Also ich teile ihre Ansichten nicht im Geringsten. Das Wissenschaft heute in so spezialisierter Form betrieben wird und beispielsweise ein Physiker der sich mit Elementarteilchen beschäftigt, kaum hilfreiche Beiträge in der Festkörperphysik machen kann. Nicht ohne Grund sind ihre Beispiele mindestens 100 Jahre alt.

    Ein sehr naiver Artikel. Wer glaubt sich in die aktuelle Forschung mittels “Google”-Wissen einschalten zu können, dem wünsche ich viel Glück

  6. wissenschaftler

    ich sehe das tatsächlich anders. natürlich kann sich niemand einen LHC in den vorgarten stellen. (diese fälle hatte ich auch nicht im hinterkopf bei meiner zustimmung)

    aber was z.b. mathematik, künstliche intelligen und computerwissenschaften angeht, ist nach wie vor viel raum für “eigene forschungen”.

    und auch andere fächer bieten noch raum für “enthusiasten”.

  7. Biohacking, Chemomodelling, Fusion@home

    Wissenschaft als Hobby zu betreiben ist heute vor allem mit dem Einsatz des Computers, also mit frei verfügbarer Fachsoftware, möglich: Jeder kann Software zur chemischen Modellierung frei herunterladen. Auch Biohacking, also private Genengineering-Verusuche, sind scheinbar en vogue. Unentwegte wagen sich sogar an Fusionsreaktoren in der Garage.

    Hier ein paar Bereiche wo sich Hobbyforscher- und Hobbytechnologien tummeln können.
    Biohacking
    Hobbyists try genetic engineering at home
    Biopunk/biohacker

    Chemical modelling
    NWChem: Delivering High-Performance Computational Chemistry to Science
    Gaussian
    List of software for molecular mechanics modeling

    Fusionsenergie
    Build a Fusion Reactor
    Fusion at home

  8. @bruno jennrich & Carl

    Danke, Sie haben natürlich Recht: Bayes und Mendel wären weitere, hervorragende Beispiele für Theologen gewesen, die in den empirischen Wissenschaften brillierten. Wobei es mir in diesem Post aber ja eher um die Frage geht, inwiefern Wissenschaft auch außerhalb von Hauptberufen betrieben werden kann – oder sogar muss.

    Eine brillante Zusammenstellung der empirischen und technologischen Forschungsleistungen von Geistlichen leistet Roloff, das Buch ist ein Lesevergnügen (auch im Kapitel zum schlauen Abt Mendel 😉 ):
    https://scilogs.spektrum.de/…chichte-von-eckart-roloff

  9. @Helmut Wicht & BLugger

    Yo, Helmut, Schopenhauer hätte es wohl auch sehr gefallen zu kommentieren, dass Einstein kaum mehr Großes gelang, nachdem er zum Universitätsprofessor avanciert war…

    Wobei es mir gar nicht um einen Gegensatz zwischen haupt-, neben- und ehrenamtlicher Wissenschaft geht, sondern um gegenseitige Wertschätzung und Ergänzung. Die Gewinnung und Verbreitung von Wissen halte ich letztlich für einen Teamsport.

    @Beatrice
    Danke für die Blumen! Idee und Grundstock der Linkliste stammen von Wenke Bönisch und sind auch m.E. vervielfältigungsfähig. Gerade Du und Dein Blog zeigen ja, wie Vernetzung geht und was dies auch der Wissenschaft bringt. Und auf die Idee für einen kommenden Bürgerwissenschafts-Post hast Du mich auch schon gebracht! 🙂

  10. @Darwinist & Keeper

    Darwinist, das Schöne am demokratischen Bürgerkonzept ist m.E. doch gerade, dass es unabhängig vom Einkommen gilt: Ob arm oder reich, Mann oder Frau, Akademikerin oder Handwerker – Bürgerin und Bürger sind wir alle.

    Dass Darwin einen Gutteil seiner Zeit und seines Wohlstandes für Wissenschaft aufwandte spricht m.E. für ihn. Von noch einem oberflächlichen Konsum-Dandy hätte die Menschheit kaum soviel gehabt…

    Ebenso halte ich es für bemerkenswert, dass sich Alfred Russel Wallace mittels Unternehmer- und Wissenschaftlergeist aus ärmlichen Anfängen zu hohem Ruf und einigem Wohlstand im Alter empor gearbeitet hat. Der Wissenschaftsbetrieb war und ist sicher nicht gerechter als andere Lebensbereiche – aber auch nicht zwingend ungerechter.

    @Keeper, danke für den konstruktiven Widerspruch! Das greife ich gerne einmal gesondert auf. Vorab nur zwei Hinweise:

    1. Nur ein kleiner Teil von Wissenschaft findet in teuren Labors statt. Zum Erfassen von Daten, Ausgrabungen, das Verfassen von Biografien sowie den riesigen Gebiete der Vernetzung, Vermittlung, Deutung und Diskussion von Wissen können Neben- und Ehrenamtliche unendlich viel beitragen. Dabei halte ich es durchaus für wahrscheinlich, dass sich dabei je Unterschiede zwischen verschiedenen Natur-, Kultur- und Geisteswissenschaften ergeben werden. In der heutigen Physik sind wohl stärker Labore gefragt, zu Geschichtswissenschaften tragen Neben- und Ehrenamtliche dagegen mehr denn je bei.

    2. Hinzu kommt die absolut notwendige Unterstützung in Form von privaten Beiträgen und öffentlicher Unterstützung, ohne die keine Universität und kein Institut bestehen würden. Eine Gesellschaft, in der Wissenschaft nur noch von einer dünnen Kaste ohne Rückkoppelung zur Mehrheit betrieben würde, wäre keine Wissensgesellschaft mehr und würde wohl auch bald die Finanzierung von Wissenschaft einstellen.

    Als Beispiel für einen heutigen “Bürgerwissenschaftler” hatte ich übrigens neulich z.B. den Biologen Greg Graffin vorgestellt, der nebenberuflich forscht, lehrt und schreibt – und hauptberuflich als Sänger und Songschreiber von “Bad Religion” bekannt geworden ist.
    https://scilogs.spektrum.de/…on-anarchie-und-evolution

    Freue mich auf weitere Debatten und lege auf jeden Fall schon mal “Bürgerwissenschaft” als eigene Kategorie an!

  11. @ Wicht

    “Ach, Herr Schopenhauer, was gäb’ ich drum, mich mal mit Ihnen unterhalten zu können. Für die Aussicht würd’ ich sogar glatt auf ein Jenseits zu hoffen wagen, wobei mir allerdings nicht klar ist, ob wir uns da im Himmel, in der Hölle oder in limbo treffen werden. Aber in der selben Abteilung gewiss.”

    Das wäre so schön. Da nehmen wir noch Goethe, Beethoven, Wagner und Nietzsche mit. Das wird eine Runde. Herrlich.

  12. Vielfältige Forschungslandschaft

    Ein anderer, wertvoller Blick auf “öffentliche Wissenschaft”, der in vielen Punkten zur Diskussion anregt.
    Im Historiker-Bereich sind “Bürgerwissenschaftler” traditionell gang und gebe (man schaue sich einfach in einem Historischen Seminar in den Lehrveranstaltungen um, wieviele Seniorenstudenten und andere neben den regulären Studenten sitzen) – eben genau in den Vereinen (Heimatvereine) z. B.
    Die Frage, die sich mir beim Lesen stellte, ist, inwiefern werden solche Forschungsergebnisse von den Profi-Wissenschaftlern anerkannt? Ich mache das an einem Beispiel deutlich: der Sächsische Heimatschutz gibt regelmäßig Schriften und Kalender mit Fachbeiträgen heraus, die nicht selten von interessierten “Historiker-Laien” verfaßt werden – ohne Zweifel inputgebend, interessant und korrekt. Zugleich sträubt fast jeder “Profi-Historiker” der Gang zu den lokalen Heimatvereinen, um dort in Kontakt mit den Mitgliedern zu treten. Deren Schriften werden in der Regel nicht in den professionellen Publikationen zitiert. Warum? Was hindert den Austausch zwischen Profis und Laien? Sind wir “Profis” zu arrogant gegenüber der Forschungsleistung von “Laien”? Oder ist es ein Abgrenzungsversuch? Warum werden “Laien” nicht auf Tagungen eingeladen, wenn sie Experten auf ihrem Feld sind? Letztlich münden diese Punkte in der Frage, was ist Forschungsqualität und ist diese auch abhängig vom formalen (Abschluß-)stand in der Forschungslandschaft?

  13. @ Hilsebein

    Oh ja …

    Ein Jenseits, in dem an sich mit interessanten Leuten unterhalten kann: das hätte was. Andererseits – ich kann mir nicht so recht vorstellen, wie eine Unterhaltung über die Metaphysik und die letzten Dinge spannend sein soll, wenn man sozusagen schon in ihr drin und von ihnen umgeben ist.

    Schopenhauer – das kennst Du sicher – hat mal in diesem Sinne sehr bösartig angemerkt, dass der Christenhimmel ja ein hochgradig langweiliger Ort sein müsse. Es passiert ja nichts. Hölle, meint er, sei spannender. Wahrscheinlich treffen wir uns ja auch da.

    Zwei weitere Randbemerkungen, die Dich interessieren könnten: Der Edgar Dahl, den Du und ich vermissen, treibt sich bei “Wissen Bloggt” herum. Der Elmar Diederichs übrigens auch.

    Endlich wollt’ ich Dir noch ein Buch an’s Herz legen, das mir hier bei den SciLogs empfohlen wurde (von “Joker”) und das mich momentan ganz in seinen Bann zieht: “Nichts” von L.Lütkehaus. Es braucht aber eine stabile Gemütsverfassung, denn zumindest für den “Nihilophilen” ist es, als ob man seinem Affen Zucker gäbe..

  14. @Wenke

    Danke für die Rückmeldung – zu dem Blogpost kam es ja vor allem aufgrund Deines hervorragenden Artikels. Jetzt wird ein ganzer Faden daraus. 😉

    Nach meinem Eindruck besteht das Problem weniger in einer Aversion von “Profis” gegen “Laien” (obwohl es das auch gibt), sondern in einer gewachsenen Kultur und Strukturen, die generell auf Status durch Abgrenzung setzt. Auch zwischen deutschen Wissenschaftlern gleicher Fächer herrscht oft eher Abschottung, interdisziplinäre Ansätze müssen durch gesondert geförderte Programme oder Institute angeschoben werden. Vorherrschend ist immer noch das Ideal des einsamen Weisen, um den sich ergebene Schüler und eine andächtige Öffentlichkeit scharen. Dass moderne Forschung wie auch Kommunikation aber Teamwork erfordern und engagierte “Laien” nicht lästige Konkurrenz, sondern interessante Partner sein können, setzt sich erst langsam durch.

    Mittelfristig bin ich dabei durchaus optimistisch, der Veränderungsdruck ist längst so groß, dass Dinosaurier aussterben (nicht selten mitsamt der verkalkten Institute, was im Hinblick auf deren Potentiale oft sehr schade ist). Aber wenn ich nur daran denke, wie viele top ausgebildete Leute wir “aus der Wissenschaft” entlassen, statt sie in geeigneten Formen einzubinden, finde ich das nicht nur traurig, sondern auch für eine Wissensgesellschaft beschämend verschwenderisch. Blogs, Wikipedia, Twitter & Co. zeigen dagegen m.E. zunehmend Wege auf, wie es besser gehen kann – in Zukunft hoffe ich z.B. auch auf mehr bürgerwissenschaftliche Journale, wie sie ja auch zu Zeiten Darwins das Bürgertum beflügelt haben. Und lasse mich gerne von Beatrice’s und Deiner Begeisterung anstecken! 🙂
    https://scilogs.spektrum.de/…etzwerke-der-wissenschaft

    Beste Grüße!

  15. Werden Sie Vollzeitprediger!

    @ Michael Blume

    Sie bringen es in Ihren ‘wissenschaftlichen’ Blogpost ja nicht über triviale, sich an der Oberflächengrammatik von Begriffen orientierende Refexionen hinaus. Sobald Sie jemand durch Einwände darauf hinweist, müssen Sie kräftig nachjustieren und versuchen, dabei ein erbaulich-positive Stimmung zu verbreiten.

    Meine Empfehlung, bleiben Sie bei Ihren Begabungen und betätigen sich als Wissenschaftsseelsorger von SciiLogs oder schreiben Sie weiterhin Nachrufe.

  16. Falsche Hoffnungen

    „Ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte zeigt jedoch, dass die Auffassung, Wissenschaft könne nur als hauptamtlicher Beruf betrieben werden, falsch und schädlich ist. Vielmehr wurde Wissenschaft meist von Menschen betrieben, die andere, wissensnahe Berufe – etwa den des Geistlichen, Lehrers oder Schriftstellers – ausübten und daneben Zeit in die Erforschung bestimmter Fragen investierten.“

    Das weckt vergebliche Hoffnungen. Wir leben nicht mehr im19. Jahrhundert.

    Warum das so ist, ist sein einem halben Jahrhundert gut untersucht. Daß man zum Forschen teure Geräte braucht, ist nicht so wichtig; das spielt nur in einem relativ kleinen Teil der Wissenschaften eine – dann allerdings überragende – Rolle. Das Wichtigste ist die Zeit, die man braucht. In den „normal sciences“ (Th. Kuhn) oder „kompakten Wissenschaften“ (Toulmin) kann im allgemeinen nur mitreden, wer zur Gemeinde gehört, für einen, der außerhalb der Institutionen lebt, ist das unmöglich, und man muß mindestens 12 Stunden am Tag arbeiten, und zwar innerhalb der Disziplin und ohne Ablenkung, und es geht nicht, auch nur ein halbes Jahr auszusetzen: man ist dann draußen. Dieser Sektor der Wissenschaft nimmt immer mehr zu.

    Andererseits gibt es doch – vor allem drei – Bereiche, in denen es anders ist:

    (1) Solche, die Nischencharakter haben und oft hohe Spezialisierung verlangen, in denen es aus verschiedenen Gründen aber nicht genügend professionelle Wissenschaftler gibt (z. B. Teile der systematischen Botanik und Zoologie, „Heimatforschung“). Was da von „Amateuren“ geleistet wird, ist oft von hoher Qualität, aber so gut wie immer weit weg von der sog. Forschungsfront.

    (2) Die „diffusen“ Wissenschaften (Toulmin), die kontinuierlich entweder in den allgemeinen intellektuellen oder „gebildeten“ Diskurs übergehen (prototypisch: große Teile der historischen Wissenschaften und der Geographie, auch Teile der Sozialwissenschaften). Hier ist es oft nicht nötig, beim Fortschritt einer Wissenschaft immer am Ball zu sein, wichtiger kann ein Überblick übers Ganze der Wissenschaften sein oder gewisse philosophische Kenntnisse. So gut wie unmöglich ist es aber, hier etwas Nennenswertes zu leisten ohne die übliche wissenschaftliche Ausbildung, d. h. ohne (mindestens bis zur Promotion) im Normalbetrieb mitgearbeitet zu haben. Und: diese Art von Wissenschaften schrumpft gewaltig.

    (3) Lücken zwischen Disziplinen, die sich immer wieder auftun, und Lücken zwischen den Spezialgebieten und dem allgemeinen intellektuellen / „gebildeten“ Diskurs. Auch hier muß man nicht ständig an der Forschungsfront sein, kann mal aussetzen und muß sich in weiten Feldern umsehen. Aber ohne vorherige normale Professionalisierung geht es hier auch nicht. Die Leute, die hier etwas leisten, waren – wenn sie nicht von der Philosophie kamen – so gut wie immer zunächst lange Jahre hochspezialisierte Forscher innerhalb der Institution (Paradebeispiele aus der Evolutionsbiologie: S. Gould und Ernst Mayr, aus der Physik: Weizsäcker).

  17. Weltmeere

    Da hat der Herr Trepl es wirklich geschafft, durch seinen kritisch-differenzierten Kommentar, die naive Vorstellung von der Reaktvierung des ‘Bürgerwissenschaftler’ fundiert zu entzaubern. Aber die Evolutionsbiologen Ernst Mayr und Steven Jay Gould in einem Atemzug zu nennen, zeugt auch von Unkenntnis, die beiden trennen Weltmeere.

  18. @Darwinist

    Okay, ich verrate es Ihnen: Dieser Blog funktioniert wie ein freundlicher, sich readjustierender Spiegel. Wer konstruktiv hinein schaut, kann etwas mitnehmen. Und wer voller Wut und Neid steckt – nun, der findet auch das, ohne davon loszukommen. Und beschenkt den Blog zudem durch Zugriffe und Kommentare. So richtet sich alles selbst. 🙂

    PS: Ihr Duktus erinnert doch sehr an einen bereits gesperrten Troll. Soll ich mal die IP-Adresse kontrollieren? Oder Sie einfach selbst-entlarvend weiterwüten lassen? 😉

  19. @Ludwig Trepl: Andere Hoffnungen

    Ich denke nicht, dass z.B. die abertausenden Mitwirkenden in Wikipedia überhaupt die Hoffnung haben (können), mit ihren Klarnamen berühmt zu werden oder Neues an der “Forschungsfront” (hu…) zu leisten. Aber indem sie vorhandenes Wissen erfassen, auswählen, zugänglich machen und vernetzen (damit auch: vertiefen & erweitern) haben sie bereits tiefgreifende Veränderungen angestoßen. Erinnern Sie sich noch an den Hohn, als es hieß, “Laien” könnten niemals eine Enzyklopädie erstellen wie “Profis”? Tja, heute nutzen auch die “Profis” mehr oder weniger ehrlich das Produkt der ehrenamtlichen Arbeit Abertausender Bürgerwissenschaftler. Und das ist ja nur ein Beispiel für auch immer wieder neue Chancen und Wege, die sich auftun.

  20. Edeltroll

    Die für Ihren Blog typische Kombination von naiver, wenig bis gar nicht informierter Vereinnahmung und dreister Instrumentalisierung Darwins nervt in der Tat und provoziert (nicht nur mich) zum Widerspruch, gerade auf einem Wissenschaftsblog. Erhöhte Zugriffszahlen mögen Ihr Ego streicheln, sprechen aber nicht für die Qualität Ihres Blogs.

    Mit der Kontrolle meiner IP-Adresse können Sie es halten wie Sie wollen. Wenn Sie nix lernen wollen über Darwin, sperren Sie mich. Wenn Sie aufhören würden, jede kritische Anmerkung in einem erbaulichen Gesäusel (jeder ist hier eingeladen etc.) versumpfen zu lassen, kann ich auch freundlicher und konstruktiver argumentieren.

    Ansonsten werde ich es zukünftig mit Popper halten:

    ‘Es ist sinnlos, irgendwelchen Leuten mit gezücktem Schwert in den Sumpf nachzuspringen, in dem sie sowieso versinken.’

    Apropos ‘Troll sperren’, nach meinen Artikel über Stefanowitsch hat mich dieser auf Twitter zum Edeltroll geadelt.

  21. @Darwinist

    Also, ich fühle mich durch Ihre Einlassungen auch geehrt. Da ist ja wohl auch bei Ihnen eindeutig ein Nerv getroffen worden… 😉

    Und ein kleiner Hinweis: Nur Sie sind hier von Anfang an ausfallend und persönlich geworden. Dass Ihnen das nach eigenem Bekunden immer wieder und mit ganz verschiedenen Bloggern passiert, könnte Sie doch einmal zum Nachdenken anregen?

    Zurück zum Thema: Wussten Sie, dass sich auch Darwin in einem Brief über das Thema der relativen Bedeutung verschiedener Wissenschaftler geäußert hat? Bestimmt ist einmal Zeit, darüber in einem eigenen Blogpost zu schreiben.

  22. Gar nicht weit hergeholt

    Es wundert mich, das bislang die Astronomie nicht genannt wurde, ein Fachgebiet, auf dem Amateure auch heute noch wichtige Beiträge leisten. Kometen, Novae und andere vorübergehende Himmelserscheinungen werden häufig von Amateurastronomen entdeckt (und im Fall von Kometen auch nach ihnen benannt). Objekte wie Sakurai’s Object oder V838 Monocerotis, von Amateuren entdeckt, haben beispielsweise Theorien der Sternentwicklung auf den Kopf gestellt und geben den Berufsastronomen nach wie vor Rätsel auf. Viele Amateurastronomen besitzen eine professionelle Ausrüstung, viel Erfahrung und sind sich nicht zu schade, Nacht für Nacht in der Kälte auszuharren und oft auf gut Glück den Himmel abzusuchen – etwas, wofür ein Berufsastronom weder Zeit noch Ehrgeiz hat. Das Verhältnis zwischen Berufs- und Freizeitastronomen ist in der Regel gut, es gibt, besonders in der Öffentlichkeitsarbeit, oft gemeinsame Veranstaltungen von Amateurastronomenvereinen und wissenschaftlichen Instituten. Wenn die Qualität der Daten stimmt (und viele Amateure geben sich diesbezüglich große Mühe) werden die Ergebnisse auch, oft in Zusammenarbeit mit Berufsastronomen, in referierten Fachzeitschriften veröffentlicht.
    Ein ganz anderes Feld sind die als “citizen science” bezeichneten Projekte wie Galaxy Zoo (http://www.galaxyzoo.org/), wo jedermann beispielsweise online Galaxien klassifizieren kann (was selbst ein Laie offenbar besser kann als ein Computerprogramm).

  23. @zaphodd

    Sie haben Recht – das sind wirklich wunderbare Beispiele, wohin sich eine moderne Wissensgesellschaft m.E. (wieder) entwickeln kann und entwickeln sollte. Vielen Dank!

  24. Mendel geht nicht mehr

    @Darwinist

    Mayr und Gould mögen in mancher Hinsicht Weltmeere trennen, in der, um die es mir ging, aber nicht.

    @Michael Blume

    Die Wikipedia-Beiträge, die etwas taugen, dürften ganz überwiegend von Leuten geschrieben sein, die mit Wissenschaft ihr Geld verdienen. Wikipedia ist in vieler Hinsicht professioneller als eine herkömmliche Enzyklopädie, denn da sind die Autoren der einzelnen Beiträge nicht in dem Maße Spezialisten wie bei Wikipedia, das könnte kein Verlag organisieren und bezahlen. (Dennoch steht in einem Großteil der Wikipedia-Artikel jämmerlicher Unsinn, was wiederum in einer klassischen Enzyklopädie typischerweise verhindert wird.)

    Aber darum kann es doch gar nicht gehen: Natürlich können Amateurwissenschaftler irgendwas zur Wissenschaft oder zu ihrer Popularisierung beitragen, das tut jeder Heimatforscher, der eine Geschichte der Burgruine in seinem Dorf schreibt. Ihr Artikel suggeriert jedoch, daß man heutzutage wie Mendel im Hauptberuf Mönch sein könnte und nebenher die Biologie revolutionieren. – Schon die Namen, die ich genannt habe, zeigen, wie schwierig es ist, überhaupt etwas Nennenswertes außerhalb des Gebiets, in dem man sich spezialisiert hat, zu leisten. Sie waren alle drei empirische Wissenschaftler, die sich einen guten bis großen Namen gemacht hatten und sich dann als Amateure in andere Gebiete eingemischt haben, vor allem die Philosophie. Was sie da zustandegebracht haben, war, freundlich gesagt, sehr bescheiden. Fälle, wo ein solcher Wechsel gelingt und mehr bringt als nur Populärwissenschaft, scheinen mir allesamt – einen Überblick habe ich da natürlich nicht, den hat keiner – von der Art, daß jemand völlig das Fach wechselt, die empirische Wissenschaft, die er gelernt hat, aufgibt und professioneller Philosoph wird. Prominente Beispiel sind Popper und Lakatos, aber davon gibt es viele, ich kenne einige. Das hat jedoch nichts mit „Bürgerwissenschaft“ zu tun, nur damit, daß man in manchen Fällen nicht ganz eng lebenslänglich an ein Fach gebunden ist.

  25. @Ludwig Trepl: Wikipedia

    Lieber Herr Trepl,

    bei diesem Satz von Ihnen musste ich schon ganz schön schlucken: “Die Wikipedia-Beiträge, die etwas taugen, dürften ganz überwiegend von Leuten geschrieben sein, die mit Wissenschaft ihr Geld verdienen.”

    Haben Sie für diese doch – gegenüber abertausenden Ehrenamtlichen – sehr steile These auch irgendeinen Beleg?

    Natürlich können wir uns schnell darauf einigen, dass hauptamtliche Wissenschaftler ganz toll und klug und “die anderen” alle doof und niveaulos seien. Nur erschiene mir gerade das als Beleg dafür, dass wir uns eben auch nur gruppendynamisch verhalten. Ob Politiker, Journalisten oder Wissenschaftler – die Tendenz zu elitärem Selbstverständnis und Abgrenzung gegenüber anderen scheint mir sehr eng mit sinkender Leistung verbunden zu sein.

    Warum sollte ich z.B. manche “professionelle” Auftragsforschung etwa für Tabak-, Pharma- oder Waffenproduzenten von vornherein weniger Wert beimessen als der Arbeit bürgerschaftlicher Historiker, Astronomen o.ä.? Und warum sollten wir nicht einfach auch die Zeit darüber entscheiden lassen, welche Beiträge zur Wissenschaft besonders anhaltend und wertvoll waren – wie es sich bei Darwin, Einstein, Goodall u.v.m. gezeigt hat? Warum diese Vor-Abwertung von Menschen, die doch oft auch z.B. eine Universitätsausbildung durchlaufen haben und sich nun bürgerschaftlich für die Mehrung und Verbreitung von Wissen einsetzen?

  26. Hallo,

    ich finde, dass Sie recht damit haben, dass die Wissenschaft als solche auch außerhalb der dafür vorgesehenen Stätten ausgeführt werden kann.

    Was ich aber kritisieren möchte ist, dass Sie die Illusion schaffen, dass dies häufig ist, und grundsätzlich so betrieben werden sollte.

    Ein Punkt ist, dass nicht die Möglichkeit besteht jede Art von Forschung “zuhause” zu betreiben.
    Beim fall Einstein z.B. war es so, dass er hauptsächlich theoretische Physik betrieben hat, die zu seiner Zeit noch simpel genug war um Sie am Schreibtisch zu rechnen. Experimentelle Physik kann man z.B. gar nicht nebenher betreiben. Da braucht es sehr sehr spezielle Versuchsanordnungen, und Hochpräzisionsmessungen.

    Ein anderer Punkt ist, dass bei vielen Millionen Wissenschaftsstudenten, die nur nebenberuflich Wissenschaft betrieben haben, es logisch ist, dass einige exzellente dabei sind (genauso wie es manche Schul-/Studienabbrecher schaffen Millionäre zu werden), aber es sich insgesamt wohl eher so verhält, dass die meisten Forschungsbeiträge auch aus Forschungsstätten kommen.

    Alles in allem finde ich, dass Menschen die sich für die Wissenschaft interessieren diese betreiben sollten, auch wenn sie nicht unbedingt hauptberuflich Wissenschaftler sind. Nur wenn man als primärziel im Leben forschen will sind Universitäten und entsprechende Einrichtungen immer noch erste Wahl, und die Wahrscheinlichkeit, dass man tatsächlich was entdeckt ist dort sicherlich höher.

  27. @trak92

    Vielen Dank für Ihren Kommentar, dem ich im Grundsatz völlig zustimme.

    Mir geht es nicht darum, so zu tun, als sei überall alles möglich: Für manche Forschungen braucht man z.B. Geräte, die Ehrenamtlichen nicht zugänglich sind oder für andere Zeitspannen, die Hauptamtliche nicht einbringen können. Auch die zunehmende Komplexität sehe ich als Thema: Wichtige naturwissenschaftliche Arbeiten werden ja auch schon fast ausschließlich von Teams bearbeitet, da sie von Einzelnen (auch Hauptamtlichen) kaum mehr zu stemmen sind.

    Mir geht es schlicht darum, dass sich möglichst viele Menschen konstruktiv in die Wissenschaft(en) einbringen – und das enorme Potential jährlich zigtausender Universitätsabsolventen, fitter Pensionäre usw. besser erschlossen wird. M.E. wird das nur in Verzahnungen und Zusammenarbeiten haupt-, neben- und ehrenamtlicher Forscher gelingen, die sich gegenseitig als Chance füreinander und für “das große Ganze” begreifen.

    Nur ein kleines Beispiel: In Gebieten, in denen es viele ehrenamtliche Forscher gibt, werden auch die Publikationen der Hauptamtlichen stärker nachgefragt und angewandt werden. Oder: In Gebieten, in denen auch Neben- und Ehrenamtliche Lehraufgaben übernehmen, können Hauptamtliche stärker Hauptseminare, Dissertationen und Forschungsprojekte übernehmen usw.

  28. @Michael Blume Wikipedia

    Natürlich habe ich keinen Beleg dafür, daß die „Wikipedia-Beiträge, die etwas taugen, ganz überwiegend von Leuten geschrieben sein [dürften], die mit Wissenschaft ihr Geld verdienen“, sonst hätte ich ja nicht „dürften“ geschrieben. Es ist nur ein Eindruck aus dem Bereich, den ich einigermaßen beurteilen kann. Der größere Teil taugt nichts, und wenn ich es vergleiche mit Texten, deren Herkunft ich kenne, dann tippe ich auf Studenten als Autoren. Natürlich dürften unter den Autoren der guten Texte auch nicht-professionelle Wissenschaftler sein, aber allein schon daß es vergleichsweise davon gar nicht so viele gibt, spricht dagegen, daß ihr Anteil unter den Autoren besonders groß ist.

    Und was soll denn das: „Natürlich können wir uns schnell darauf einigen, dass hauptamtliche Wissenschaftler ganz toll und klug und “die anderen” alle doof und niveaulos seien“? Die „Hauptamtlichen“ sind einfach im allgemeinen viel besser, weil sie nichts anderes tun. Kein Amateurfußballspieler, der drei Mal in der Woche trainiert, hätte eine Chance, in einer Bundesligamannschaft aufgestellt zu werden.

    Und: wer von den „Bürgerwissenschaftlern“ die Chance sieht, „Hauptamtlicher“ zu werden, der versucht das in aller Regel doch, denn wenn im an dieser Tätigkeit etwas liegt, dann liegt ihm daran, sich ihr möglichst ausschließlich widmen zu können. Und wer es versucht und so gut kann wie die anderen besseren „Hauptamtlichen“, der schafft es im allgemeinen auch – im allgemeinen, nicht immer. Es ist aber in den meisten Fällen nicht möglich, sich außerhalb der Institutionen so weit zu qualifizieren, daß es dafür reicht.

    Wer, wie Darwin, die Mittel hat, auch ohne Amt seine ganze Zeit der Forschung zu widmen, hat natürlich schlechteren Bedingungen, eher bessere. Schlechtere hat auch so einer meist deshalb, weil ihm in der Regel der Institutszusammenhang fehlt, das macht heutzutage viel aus.

    „Warum sollte ich z.B. manche “professionelle” Auftragsforschung etwa für Tabak-, Pharma- oder Waffenproduzenten von vornherein weniger Wert beimessen als der Arbeit bürgerschaftlicher Historiker, Astronomen o.ä.?“ Erstens, nicht von vornherein, aber im Nachhinein könnte man das schon feststellen, und man wird es meist auch feststellen; die Auftragsforscher sind halt auch Profis. Allerdings taugt diese Art Auftragsforschung in der Regel auch nicht besonders viel. Die besseren Wissenschaftler haben es im allgemeinen nicht nötig, sich mit so was zu beschäftigen und tun es auch deshalb kaum, weil es zum Renommee nichts beiträgt.

    Im Übrigen: was bedeutet hier der merkwürdige Ausdruck „bürgerschaftlich“? Bürger – sowohl im Sinne von bourgeois (mehr oder weniger) als auch im Sinne von citoyen – sind doch die Berufswissenschaftler auch.

  29. @Ludwig Trepl: Vorher – Nachher

    Mit dem Plädoyer, die Qualität verschiedener Ansätze und Arbeiten im Nachhinein zu beurteilen, bin ich sehr einverstanden. Denn genau darum geht es mir ja auch. Niemand sollte von vornherein signalisiert bekommen: “Was Sie machen (wollen), hat ja eh keinen Wert, Sie haben eh nichts beizutragen.” Sondern: “Bringen Sie sich ein, es wird ggf. hart und zeitaufwändig, aber wir sind gespannt auch auf Ihre Arbeiten.”

    Klar gibt es Professionalisierungen, im Fussball und z.B. auch in der Politik. Und hier ist auch die Unterscheidung, die in den Citizen Sciences wahrgenommen wird: Man kann als Berufspolitiker für die Gesellschaft Verantwortung übernehmen (und selbstverständlich ist z.B. Angela Merkel auch weiterhin Bürgerin) oder sich eben auch ehren- und nebenamtlich politisch “bürgerschaftlich engagieren” z.B. in Bürgerinitiativen, Kommunalparlamenten, im Web etc.

    Für die Wissenschaft gilt dies analog. Und in beiden Fällen wäre es wohl eine Katastrophe, wenn die Arbeit entweder nur durch Profis oder nur durch Ehren- und Nebenamtliche geleistet würde – die Verzahnung erhöht Qualität und Reichweite. (Übrigens auch im von Ihnen genannten Fussball – ohne die ehrenamtliche Arbeit Hunderttausender Trainer, Platzwarte, Eltern etc. gäbe es gar keine nennenswerten Profis und sehr viel weniger Zuschauer und öffentliche Unterstützung. Deswegen werden gute Fussballprofis nie über die Beiträge der Neben- und Ehrenamtlichen zu ihrem Sport höhnen.)

  30. @Michael Blume @Ludwig Trepl: Vorher –

    Die Vergleiche hinken. Die Politik ist ein ganz anderes Feld. Da können die Amateure ohne weiteres siegen, das sieht man bei jeder Revolution und auch sonst. Und den Amateurwissenschaftler entsprechen nicht die Platzwarte und Eltern im Fußball, ohne die natürlich der Profi-Fußball nicht möglich wäre, sondern die Amateurfußballer. Den Platzwarten und Eltern entsprechen die Sekretärinnen, Hausmeister und Techniker. – Natürlich tragen auch die Amateure im Fußball zum Profifußball bei: als solche starten die Profis ihre Karriere. Aber eben das geht in der Wissenschaft ganz schwer, ich habe es noch nicht erlebt. Fast gilt das Umgekehrte: Man muß Profi gewesen sein, um die Fähigkeiten zu erwerben, auch als Amateur etwas Nennenswertes leisten zu können. Sicher, es gibt auch reine lebenslängliche Amateure, aber nur in Sondergebieten.

  31. @Ludwig Trepl: Vergleiche

    Kann schon sein, dass der Vergleich Fussball – Wissenschaft hinkt – Sie hatten ihn hier eingebracht. 😉

    Und was die Politik angeht, so kann ich da tatsächlich aus jahrelanger ehren- und auch hauptamtlicher Erfahrung sprechen: Selbstverständlich gibt es jede Menge Ämter – z.B. (Minister-)Präsidenten, Außenminister, Oberbürgermeister etc. – die nur hauptamtlich zu leisten sind. Und selbstverständlich werden vor allem solche Hauptamtlichen die großen Räder drehen und später in den Geschichtsbüchern auftauchen. Nur, auch das aus Erfahrung: Die wirklich guten Berufspolitiker wissen die spezifischen Beiträge ehren- und nebenamtlicher Bürgerinnen und Bürger z.B. in Parteien und Kommunalparlamenten sehr zu schätzen – und fühlen sich durch diese auch nicht bedroht. Nur eigentlich unsichere Charaktere haben “nach unten” abgrenzende Arroganz nötig. Bei Wissenschaftlern scheint mir die Sache doch ganz ähnlich zu liegen…

  32. Michael Blume @Ludwig Trepl: Vergleiche

    Ich habe nicht geschrieben, daß der Vergleich Wissenschaft-Fußball hinkt, sondern im Gegeteil, daß der ganz gut funktioniert. Denn es geht ja darum, daß man seine ganze Zeit braucht, um etwas gut zu erlernen, und das ist hier wie da so.

    Der Vergleich Wissenschaft-Politik dagegen hinkt ganz gewaltig. Nicht nur, daß es Formen des Politikbetreibens gibt, die außerhalb “der Politik” stattfinden und die nicht weniger effektiv sein können – auch in “die Politik” kann man jederzeit einsteigen, und wenn man geschickt ist oder gar einen Beruf hat wie Anwalt oder Ökonomie studiert hat, kann man es aus dem Stand in die erste Reihe schaffen. In der Wissenschaft gibt es nicht Ähnliches.

    Sie schreiben: “Bei Wissenschaftlern scheint mir die Sache doch ganz ähnlich zu liegen” wie in der Politik, nämlich daß unsichere Charaktere eine nach unten abgrenzende Arroganz nötig haben. In der Politik beobachtet längst nicht in dem Maße wie in der Wissenschaft, hier aber nicht im Verhältnis Berufswissenschaftler-Amateure. Jedenfalls ist mir das in ziemlich vielen Jahrzehnten nicht begegnet, dagegen ständig innerhalb der Berufswissenschaftler: Habilitierte zeigen dieses Verhalten gegen Nicht-Habilitierte, C4-, gegen C3-Stelleninhaber, Universitätsprofessoren gegen FH-Professoren, Leute mit langer Publikationsliste gegen Leute mit kurzer.

  33. @Ludwig Trepl

    Wissenschaft – Fussball sei also ein toller Vergleich, Wissenschaft – Politik nicht? Als gäbe es unter Wissenschaftlern nicht auch z.B. Strategien, Allianzen, Ringen um Positionen und Stellen und natürlich direkte politische Forderungen?

    Naja, wir haben jetzt, denke ich, das Thema schon mal so vertieft, dass wir wahrscheinlich nur im direkten Gespräch weiterkämen. Ich lasse Ihre Einschätzung also gerne so stehen und hoffe, Sie können auch mit meiner leben. Das Konzept Bürgerwissenschaft wird ja immer mal wieder Thema auf diesem Blog sein. Herzliche Grüße!

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