Warum Religionen Gebote verkünden

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Vor mehr als drei Jahren hatte ich zuletzt eine Analyse der Zehn Gebote aus evolutionärer Sicht veröffentlicht. Dank dem Team von Zwei_auf_eins Sven Oswald und Daniel Finger auf Radio RBBeins, die das Thema für das Interview morgen angefragt haben, gibt es einmal wieder ein Update. Wozu sind (oft zunächst sinnlos wirkende) religiöse Gebote da? Die Frage stellen sich nicht nur weltfremde Gelehrte, sondern auch – die Toten Hosen. Hier ihr von Schülern bebilderter Song zu den Zehn Geboten zur Einstimmung:

Gebote gibt es, weil erst durch sie Religion “funktioniert”

Bereits Charles Darwin – immerhin studierter Theologe – hatte in seiner “Abstammung des Menschen” von 1871 zu Recht vermutet, dass der Glaube an “geistige Wesenheiten” wie Ahnen oder Götter (heute auch vornehm: überempirische Akteure) Menschen zu erfolgreich kooperierenden Gemeinschaften verbinden kann. Wenn Sie und ich an die gleiche Gottheit glauben, die uns beobachtet und unser Verhalten beurteilt – dann steigt die Chance, dass wir zueinander Vertrauen fassen, nicht betrügen und also erfolgreich(er) zusammen arbeiten.

Nur: Woher können Sie eigentlich so genau wissen, ob ich den Glauben an die beobachtende Gottheit nicht nur als “reines Lippenbekenntnis” heuchele, um Sie dann über den Tisch zu ziehen? Einigermaßen sicher können Sie sich nur sein, wenn Sie es an meinem Verhalten ablesen können – wenn ich mich an Geboten orientierte, die beispielsweise meine Kleidung, mein Verhalten, meine Zeit (Gebete, Gottesdienste), mein Vermögen (Opfer) usw. betreffen.

Ich kann mich noch gut an den Thrill erinnern, als sich heraus stellte, dass sich die Zehn Gebote aus dieser evolutionären Perspektive heraus perfekt analysieren lassen! Der Artikel ist zwar schon über drei Jahre alt, aber wenn Sie gerne ein wenig schmökern:

Blume, M. (2008): Die Bio-Logik der 10 Gebote / Warum verbindlicher Glaube nützt
in: Gräb-Schmidt, E., Achtner, W.: Was ist Religion?, JLU Gießen 2008, S. 40 – 70

Und entsprechend gilt für alle religiösen Traditionen: Wenn sie erfolgreich – also zusammenhaltend und über Generationen hinweg kinderreich – sein wollen, benötigen sie Gebote, die zwischen Erlaubtem und Verbotenem unterscheiden und das Leben erfolgreich fördern. Entsprechend kennen alle Religionen die Metapher des “rechten Weges”.

Auch ist es kein Wunder, dass sich ihre Gebote im Kern oft sehr gleichen (sich verpflichten, nicht lügen, nicht morden, nicht stehlen etc.) – allzu abweichende und im Ergebnis absurde Gebotssammlungen vermögen keine über Jahrhunderte erfolgreichen Gemeinschaften zu begründen. Erfolgreiche Varianten breiten sich dagegen aus – beispielsweise die mosaische Gebotssammlung vom Sinai, die Zehn Gebote, der Dekalog.

Die Zehn Gebote auf den zwei Tafeln des Judentums

Das Schöne an der Religionswissenschaft ist freilich, dass man ein Leben lang dazu lernt – und so war ich sehr fasziniert, in einem Artikel des orthodoxen Rabbiners Andrew Steiman (Frankfurt) zu erfahren, warum das Judentum seine Zählung der zehn Gebote auf zwei Tafeln zu je fünf Geboten anordnet.

Die erste Tafel mit den Geboten 1 bis 5 bestimme demnach den “Ort” bejn Adam la-Makom zwischen dem Menschen und der göttlichen und elterlichen Autorität zu. Die zweite Tafel behandele die zwischenmenschlichen Gebote bejn Adam le-Chawero.

So steht also Gebot 1 (alle zitiert nach Exodus 20, 2 – 17) ganz oben neben Gebot 6:

1. Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.

6. Du sollst nicht morden.

Denn hier gehe es, so Rabbi Steiman, um die Anerkennung der Existenzen: Gottes und der Mitmenschen. Beides bedinge einander.

In der zweiten Reihung (II zu VII) gehe es um die Bundes-Treue sowohl in der Beziehung zu Gott wie zum Ehepartner:

2. Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. 

7. Du sollst nicht die Ehe brechen.

In der dritten Reihe gehe es um den Respekt vor dem Eigentum – den Gütern der Menschen und dem Namen (!) Gottes.

3. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.

8. Du sollst nicht stehlen.

Bei Reihe vier zuckte ich zusammen – denn die jüdische Tradition erkennt in der Paarung vom Schabbat-Gebot und dem Verbot der Falschaussage die Verbindung des Zeugnisses, also des glaubwürdigen Signals gegenüber Gott, beobachtbar für Mitmenschen. Ohne davon zu wissen, war ich damals in der evolutionären Analyse genau zu diesem Ergebnis gekommen und hatte geschrieben: “Der Sabbat hebt die Glaubenden aus den alltäglichen und auch wirtschaftlichen Verflechtungen der Umgebung heraus und verweist sie auf die je eigene Familie und Glaubensgemeinschaft. Neben und vielleicht noch vor den umfangreichen Speisegeboten dürfte das Sabbatgebot das familiäre wie gemeinschaftliche Überleben des Judentums als Minderheit gesichert haben.”

4. Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!

9. Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.

Die fünfte Reihe verweise schließlich auf das Recht zur Respektierung von Identität: Die eigenen Eltern sind ebenso zu ehren wie alles, was dem Mitmenschen zugehöre. Steiman: “Gott teilt seine Autorität und vererbt sie für die Ewigkeit von Generation zu Generation.” In der Tat: Evolutionärer Erfolg muss die Generationen überspannen.

5. Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.

10. Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.

Während sich die verschiedenen, christlichen Konfessionen nie auf eine gemeinsame Zählung der Zehn Gebote einigen konnten (manche zählen zum Beispiel des Bilderverbot als eigenes Gebot, andere nicht etc.) liegt hier seitens des Judentums doch eine gewachsene und überzeugende Gliederung vor.

In der Summe gibt das Ganze also den Sinai-Bund, der nach jüdischer Tradition eben den Juden gilt. Nicht nur die Toten Hosen finden diese Gebote jedoch für sich zu streng. Nun, da habe ich eine gute Nachricht.

Die sieben noachidischen Gebote für Nichtjuden

Nach jüdischem Glauben müssen sich Nichtjuden überhaupt nicht an die Zehn Gebote halten – und auch ein Übertritt zum Judentum ist unnötig. Vielmehr besteht die so oft als Arroganz mißverstandene Erwählung in der Verantwortung, diese (und weitere) Gebote zu halten – wogegen anderen Völkern und Gemeinschaften andere Verantwortungen zukäme. Die jüdische Tradition verweist auf die Sintflut-Geschichte und den Noah-Bund, der alle Menschen einschließt.

Im Talmud (Sanhedrin 56) wird die Noah-Überlieferung zu sieben Geboten ausgelegt, die Nichtjuden empfohlen werden sollte:

1. Verbot von Mord
2. Verbot von Diebstahl
3. Verbot von Götzenanbetung
4. Verbot von Unzucht
5. Verbot der Brutalität gegen Tiere
6. Verbot von Gotteslästerung
7. Einführung von Gerichten und Rechtsstaatlichkeit

Im Grundsatz stellen diese ethischen Gebote kein Problem für alle Weltreligionen und die meisten Weltanschauungen dar. Inwiefern sie sogar mit unseren moralischen Instinkten korrespondieren, werden zukünftige Forschungen zeigen. Interessant ist auf jeden Fall: Götzendienst und Gottes”lästerung” werden abgelehnt, aber nicht zwingend ein Glaube an Gott verlangt. Auch rechtschaffene Nichtglaubende können demnach die noachidischen Gebote durchaus erfüllen und ggf. “Anteil an der kommenden Welt” erlangen.

Fazit: Religionsgemeinschaften müssen zusammen halten, aber nicht intolerant oder gar heilsexklusiv sein

Wenn Sie sich also schon einmal gefragt haben, warum der Jude Jesus und seine frühen Anhänger gar keine Notwendigkeit sahen, Nichtjuden aktiv zu bekehren – mit den noachidischen Geboten haben Sie die Antwort. Die Idee, dass nur eine bestimmte Gemeinschaft gerettet und alle anderen verdammt würden (sog. Heilsexklusivismus) ist weder allgemeiner noch notwendiger Bestandteil erfolgreicher, religiöser Traditionen. Ein friedliches Miteinander der unterschiedlichen Religionen ist möglich – und während jede Gemeinschaft auch auf eigene Gebote und Identität angewiesen ist, gibt es gleichzeitig doch enorme Schätze an gemeinsamen, ethischen Werten zu entdecken.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

37 Kommentare

  1. Ich denke ganz langsam zu verstehen, in welchen Denkräumen Sie sich bewegen, Herr Blume.
    Eine Frage vorweg, bevor ich mich später Ihrem interessanten Post intensiver widme:
    “…die…..Gottheit…, die uns beobachtet und unser Verhalten beurteilt…” Was denken Sie, wie viele der Gläubigen noch an einen beobachtenden und beurteilenden Gott glauben?
    Mich interessiert Ihre persönliche Einschätzung. Wenn Sie auch Daten haben: umso besser.

  2. @Francois Pütz

    Danke, ich gebe auch gerne zu, dass die evolutionäre Perspektive in unserer Kultur noch immer recht ungewohnt ist und erst eingeübt werden muss. Finde ich gut, dass Sie sich die Mühe machen!

    Den expliziten Glauben an eine relevante und beobachtende Gottheit teilen in unserer (prompt demografisch zerfallenden) Gesellschaft nur noch starke Minderheiten. Aber der evolutionspsychologische Clou ist natürlich, dass schon ein unbewusst vorhandener Glauben ausreicht, um Ansätze entsprechenden Verhaltens und Vergemeinschaftungen beobachtbar auszulösen.

    Für Sie könnte z.B. das rituell durchgegliederten Luxemburg-Liebknecht-Gedenkens unter dem Stein mit der Aufschrift “Die Toten mahnen uns” (inwiefern tun sie das!?) interessant sein, hier mit Video:
    https://scilogs.spektrum.de/…/definition-zivilreligion

    Wissenschaftlich spannend ist auch die Verbreitung von UFO-Glauben, für den sich gerade auch Nichtreligiöse mit wissenschaftlicher Bildung durchaus begeistern…
    http://www.blume-religionswissenschaft.de/…5.pdf

    An “irgendetwas” bzw. “-jemanden” glauben also auch in wohlhabenden Gesellschaften stets sehr viel mehr als sich dann auch in verbindlichen und kinderreichen Religionsgemeinschaften orientieren.

    Eine Reihe frei verfügbarer, empirischer Daten zu Spielarten der Religiosität bietet zum Beispiel die Shell-Jugendstudien oder der Religionsmonitor, hier eine Auswertung für Deutschland:
    http://www.bertelsmann-stiftung.de/…_23408_2.pdf

    Beste Grüße!

  3. Auch rechtschaffene Nichtglaubende können demnach die noachidischen Gebote durchaus erfüllen und ggf. “Anteil an der kommenden Welt” erlangen.

    Ja, stimmt. Jesus hat das auch so gesagt:

    “Jesus spricht: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.” (Johannes 14,6)

    Ich könnte jetzt noch jede Menge weiterer Bibelstellen anführen. Belasse es aber bei der einen. Das ist mir auch viel zu kurz und oberflächlich von Dir abgehandelt, was Du vom Gottesgericht und der “kommenden Welt” schreibst. Für diese Allversöhnung gibt es im Christentum kein Platz, da ist die Bibel eindeutig. Schwieriger ist die Frage, was mit den Leuten geschah, die nie die Chance hatten von Jesus zu hören. Da kann man dann mal die Verse vom Weltgericht aus Matthäus und der Scheidung der Schafe von den Böcken hernehmen. Oder auch Römer 2,14-16. Aber eine Allversöhnung aufgrund von Werken gibt es nicht. Es gibt im Christentum keine Werkegerechtigkeit.

    Die Idee, dass nur eine bestimmte Gemeinschaft gerettet und alle anderen verdammt würden (sog. Heilsexklusivismus) ist weder allgemeiner noch notwendiger Bestandteil erfolgreicher, religiöser Traditionen.

    Wenn Du die Aussagen des Christetums kennst, verstehe ich nicht wie Du zu so einem Schluß kommst.

    Ein friedliches Miteinander der unterschiedlichen Religionen ist möglich – und während jede Gemeinschaft auch auf eigene Gebote und Identität angewiesen ist, gibt es gleichzeitig doch enorme Schätze an gemeinsamen, ethischen Werten zu entdecken.

    Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Jeder soll glauben, was er will. Ich halte die anderen Religionen für den falschen Weg, denn wenn ich den christlichen Glauben ernst nehme, kann und darf ich zu keinem anderem Schluß kommen. Aber deshalb kann ich doch den anderen ihren Glauben lassen.

    Es gibt auch noch ein paar Dinge bei denen ich bei Deinem Text gestolpert bin. Was hat der breite und der schmale Weg mit den zehn Geboten zu tun?
    Hat Abraham, der Vater des Glaubens, die zehn Gebote von Gott empfangen oder war es Mose?

    Ne, tut mir leid Michael, mit diesem Mischmasch kann ich überhaupt nichts anfangen. Das paßt hinten und vorne nicht.

  4. @Martin

    Mir scheint, wir haben einfach einen unterschiedlichen Blick auf die Phänomene. Du schaust auf den Text von christlicher Innensicht, er ist aber religionsvergleichend.

    Alle Religionen vermitteln über Gebote ihren Anhängern “Weg-weisung”, die sich weltweit oft verblüffend – aus evolutionärer Sicht aber naheliegend – ähneln.

    Die Zehn Gebote wie auch die noachidischen Gebote entstanden im jüdischen Kontext und waren zur Zeit Jesu bereits ausgeprägt. Man versteht ihn m.E. besser, wenn man die Hintergründe seiner Zeit kennt – er war schließlich zeitlebens frommer Jude.

    Auch Johannes 14,6 “Jesus spricht: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.” lässt sich (abgesehen von der sehr späten Abfassung des Johannesevangeliums) sehr gut als Mahnung eines Rabbiners an seine Jünger erfassen, der verbindlich den Weg weist, aber auch Gefolgschaft erwarten darf. Dass Jesus damit mal eben Millionen Hindus und Buddhisten zur Hölle verdammen würde, kann man glauben, muss man aber nicht.

    Ob Gott – so es Ihn gibt – dereinst alle versöhnen, nach ihren Taten beurteilen oder nur diese oder jene Gruppe (die Zeugen Jehovas? Adventisten? Ismailiten? Mormonen? Katholiken?…) zu Sich aufnehmen wird, kann und will ich Dir gar nicht beweisen. Dass aber die wenigsten Religionsgemeinschaften (und das Judentum schon gar nicht) einen solchen strikten Heilsexklusivismus vertreten, das finde ich doch schon wissenswert.

  5. Michael, Du betrachtest es aus religonswissenschaftlicher Sicht, aber mischt es dann mit Deiner persönlichen Meinung, Weltanschauung. Das ist nicht sauber getrennt. Und “Dass aber die wenigsten Religionsgemeinschaften (und das Judentum schon gar nicht) einen solchen strikten Heilsexklusivismus vertreten …” das deckt sich nicht mit den Selbstauskünften der Religionen, was ich gehört und gelesen habe.

  6. @Martin

    Ja, aus meiner Sicht sind religionswissenschaftliche bzw. evolutionäre Befunde sehr relevant – aber ich kann damit leben, dass das andere nicht so sehen. Dass man über die Religionswissenschaft weder Gottes Existenz noch die Zusammensetzung des Jüngsten Gerichtes entscheiden kann, habe ich m.E. oft genug betont.

    Und wenn ich etwas über Religion(en) schreibe, kannst Du davon ausgehen, dass ich mich damit befasst habe (was Fehler im Einzelfall natürlich nicht ausschließt). So ist der Heilsexklusivismus tatsächlich innerhalb der Religionen eine Minderheitenposition. Hinduismus und Buddhismus vertreten ihn ebenso wenig wie Judentum oder Islam (wenn es auch in allen diesen Religionen extremistische Strömungen gibt, die dieses tun) – und auch z.B. die größte, christliche Kirche – die römisch-katholische – hat im 2. Vatikanum ausdrücklich Heilsmöglichkeiten auch für Anders- und Nichtglaubende anerkannt. (Wenn Du es googeln magst, die beschlossenen Texte dazu heissen Lumen Gentium und Nostra Aetate.)

    Dass selbst Gebildete (inner- und außerhalb der Kirchen) so etwas nicht wissen und z.B. glauben, alle Religionen würden Andersglaubende pauschal in die Hölle(n) verweisen, gehört zu den Irrtümern, gegen die ich gerne aufkläre.

  7. Exklusivitätsanspruch

    Nun ja, gerade diese Stelle aus dem Johannesevangelium wird aber beispielsweise von den Zeugen Jehovas als Exklusivitätsanspruch gedeutet und als Beleg dafür das nur Christen in den Himmel kommen können; bzw. die 144000 die in der Offenbarung Kapitel 14 erwähnt werden.
    Nun bin ich kein Zeuge Jehovas sondern liberaler Katholik, diskutiere aber hin und wieder mal mit denen. Das ist aber oftmals sehr Mühsam, weil die die Bibel i.d.R. besser kennen als ich und andere Schriften, wie beispielsweise die Apokryphen nicht akzeptieren. Die seien ja schliesslich nicht “von Gott inspiriert”, so wie die Bibel. Nur verstehe ich deren Deutung von Inspiration in dem Zusammenhang nicht. Aber das geht schon wieder völlig Off Topic.
    Die Frage wäre jedoch, wie man den angeblichen Exklusivitätsanspruch noch belegen kann?

  8. Fehler…

    Der letzt Satz sollte natülich heissen:
    Die Frage wäre jedoch, wie man den angeblichen Exklusivitätsanspruch noch _wieder_legen kann?

  9. @Hans

    In der Tat – der Exklusivitätsanspruch hat ja immer das Problem, abgrenzen zu müssen. Finden nur die Zeugen Jehovas bei Gott Gnade? Oder diese gerade nicht? Was ist mit den Baptisten, Katholiken, Juden, Muslimen, Buddhisten? Kann ein getaufter Mörder gerettet werden, sein ungetauftes Opfer aber leider, leider nicht?

    M.E. wird es wohl immer Leute geben, die davon ausgehen, dass (ihr) Gott nur Menschen mit einer ganz bestimmten Glaubenshaltung, Gruppenzugehörigkeit, Hautfarbe, politischen Meinung (o.ä.) lieben könne. Und als Religionswissenschaftler erlege ich mir Zurückhaltung bei der Bewertung theologischer Aussagen auf. Aber hinterfragen würde ich eine solche heilsexklusive Position doch mit dem religionsgeschichtlichen Hinweis, dass das Judentum schon zur Zeit Jesu Heilsmöglichkeiten auch für Nichtjuden kannte – und vieles in Wirken & Botschaft des Predigers und seiner Anhängerschar (bis hin zum ersten Apostelkonzil, das beispielsweise für Heidenchristen weniger strenge Speisegebote vorsah) vor diesem Hintergrund besser verständlich wird. Und wir sprechen hier ja auch nicht von Geheimwissen: Über die Noachidischen Gebote kann man sich z.B. in jeder jüdischen Gemeinde informieren, die Position des christlich-katholischen Lehramts findet man auf den Seiten des Vatikans etc.

  10. Noachidische Gebote etc.

    Berücksichtigen sie auch, dass diese Gebote nicht origär jüdischen Ursprungs sind, sondern sich ggf. sogar aus säkularen Quellen bedient haben?
    (Codes Hammurabi bzw. ägypt.Totenbuch)

    Oder ist es nicht relevant, wenn “religiöse Gebote” aus einer anderen Religion oder gar politischen System kommen?

  11. Zahlen und Gebote

    Ja, die zehn Gebote. Es amüsiert mich immer ein wenig, wenn sie einerseits als die großen Grundlagen der Weltmoral gehandelt werden, man sich aber dann andererseits noch nicht einmal über die Nummerierung einig werden kann. Die Versuche, diesen Katalog in eine Zehnerliste zu pressen, zeigen wenig mehr als die Magie der Zahl 10, derer man sich unbedingt versichern will. Persönlich finde ich diese vorgestellte Gruppierung eher gequält. Die Einteilung 1 bis 5 und 6 bis 10 passt eben gut auf zwei Tafeln. Die nachgeschobene Erklärung, warum die Fünf nach links zu den göttlichen Geboten gehört (“göttliche und elterliche Autorität”), na ja, ich weiß nicht.

    Es wurde schon oft auf die Zweiteilung der Gebote hingewiesen: Zu Beginn die rein religiösen und dann die sozialen Vorschriften. Was mich seit Längerem fasziniert, ist das 10te (oder, nach anderer Zählung, 9 und 10), die Sache mit “Du sollst nicht begehren”. Im Verhältnis zu den anderen Sozialgeboten ist es ziemlich lang und auch schwammig (“Du sollst nicht begehren”, was heißt das? und die Aufzählung mit Weib und Sklave und Esel und “irgendetwas” sieht auch eher nach Schrotschuss aus). Mir scheint seit Längerem, dass 5 mit 9 klare Stammesregeln darstellen und 10 der etwas hilflose Versuch, sich zu wehren gegen eine zunehmende Dynamik des Wirtschaftslebens mit den Folgen immer stärkerer sozialer Unterschiede und dementsprechend der Auflösung des egalitären Stammesverbandes.

  12. @ Blume

    Seltsame Sache, diese “10 Gebote”.

    Primo sind es ja nur neun. Denn das erste (“Ich bin…”) ist ja kein Gebot. Mehr eine Feststellung. Wie heissen denn die “Gebote” auf Hebräisch? Auch “Gebot”, in unseren Sinne (“Vorschrift”)?

    Secundo hab’ ich mich schon immer gefragt, was es mit dem Bilderverbot – dem ALLGEMEINEN, nicht nur dem des Gottesbildes – im zweiten Gebot auf sich hat. Was hat das mit “Regulation des Zusammenlebens” zu tun? Eine Marotte? Niederringung eines religiösen Überbleibsels aus schamanischen, magischen Zeiten, als man glaubte, mit Bildern beschwören zu können?

  13. Nochidische Gebote nicht unversell

    Ich stelle fest, dass ich schon aufgrund meiner spirituellen Orientierung (Ásatrú) gegen zwei der noachidischen Gebote verstoße:

    3. Verbot von Götzenanbetung

    Aus jüdischer Sicht ist jede Verehrung einer überempirischen Wesenheit, die nicht mit dem G’tt identisch ist – also auch Ahnen, Geister, Weltseele usw. usw. von Göttern ganz zu schweigen Götzenanbetung.

    6. Verbot von Gotteslästerung
    Beziehe ich mich nicht auf den landläufigen Gotteslästerungsbegriff, also etwa einer Verächtlichmachung eines anderen Glaubens, seiner Symbole, Rituale usw. sondern auf den Lästerungsbegriff, der aus dem Tanach deutlich wird, dann verstoße ich als Heide zwangsläufig dagegen.

    Damit kann ich also kein rechtschaffender Nichtgläubiger sein, egal, wie tolerant oder wie wenig heilsexklusiv ich bin.
    Daher halte ich auch Ihre Aussage:
    >>Wenn Sie sich also schon einmal gefragt haben, warum der Jude Jesus und seine frühen Anhänger gar keine Notwendigkeit sahen, Nichtjuden aktiv zu bekehren – mit den noachidischen Geboten haben Sie die Antwort.

  14. @Helmut Wicht

    Ja, bezüglich Frage 2, so in etwa. Mit Bildern sind dezidiert Kultstatuen gemeint. Und das Gebot ist so präzise mit seiner Aufzählung, weil zu dieser Zeit eben nicht nur ein Gottesbildniss als Kultstatue “funktionieren” kann, sondern im Prinzip jede mögliche Skulptur, jede mögliche Abbildung, siehe das Goldene Lamm als Beispiel.

    Das mit dem “schamanistischen” ist auch kein Überbleibsel der Vergangenheit für die Autoren der Gebote, sondern absolut reale Gegenwart. Nach dem antiken Verständniss, sowohl in Nahost, als auch im griechisch-römischen Bereich, ist eine Kultstatue wesentlich mehr als ein Abbild, sie IST in einem gewissen Sinne der Gott, der Gott lebt in der Statue, er ist dort präsent, er, platonisch gesprochen, emaniert dorthin. Wenn ein Grieche eine Statue anbetete sprach er unmittelbar mit dem angesprochenen Gott in ihr. Deswegen versteht sich das Bilderverbot wohl als radikale Abgrenzung gegen das polytheistische Umfeld.

  15. @ Hagthorpe

    Danke.

    Aber das heisst doch nicht im Umkehrschluss, dass die Antike GAR keine “neutralen” Abbildungen kannte? (“neutral” im Sinne von: einfach nur ein Bild von irgendwas, das nicht mehr sein will, als ein Bild).

    Oder?
    Oder doch?

    Was mir da in den Sinn kommt, ist, das die antiken WISSENSCHAFTLICHEN Texte – die paar, die ich kenne, ein wenig Galen, anatomische Fragmente von Aristoteles und Herophil – stets ganz unbebildert sind. Die hätten doch – gerade wenn es um Anatomie geht – da auch ‘reinmalen können…

    Komisch.

  16. @N. Hagthorpe “Bilder”

    Gelten ihre Ausführungen den nicht auch für jüdische oder christliche Bilder?
    Die Bundelade war auch mit “Bildern” versehen.

    Und wie ist das mit dem Markuslöwen etc. heute? Sind das nicht auch Bilder “himmlischer Dinge” ?

    Wie ist das, wenn jemand vor einer Marienstatue knied und betet?

    Marie als “Stellvertreter” oder “Mittler” würde ich da nicht als relevant sehen, dass haben die Sumerer ähnlich auch schon gemacht. “Oh meine Göttin sage An, dass er …” etc.

  17. @einer

    Sie fragten (mich?): Berücksichtigen sie auch, dass diese Gebote nicht origär jüdischen Ursprungs sind, sondern sich ggf. sogar aus säkularen Quellen bedient haben?

    Wenn an mich gerichtet: Klar. Es wäre ja aus evolutionärer Sicht geradezu seltsam, wenn komplexe Formen ohne Vorläufer aufträten. Ob z.B. die sehr ähnliche Gebotssammlung auch im hinduistischen Mahabaratha auf gemeinsame Quellen, evolutionäre Konvergenz (ähnliches Ergebnis, da ähnliche Rahmenbedingungen) oder beides zurück geht, wird – so hoffe ich – die Wissenschaft noch erhellen.

  18. @Thomas

    Das hängt wohl von der Definition von “aufgeklärt” Gläubigem ab. Der Anteil der Deutschen, die an ein Leben nach dem Tod glauben, ist nicht mit den Mitgliedern von Religionsgemeinschaften identisch – es gibt Mitglieder, die nicht an ein Jenseits glauben und Nichtmitglieder, die es tun.

    Wäre in der Tat mal ein spannendes Thema für einen eigenen Beitrag… *grübel*

  19. @Helmut Wicht & Eric Djebe

    Nun, sinnigerweise heißt die Sammlung originär wohl eher “10 Worte”, die erst in der Übersetzung/Umgangssprache zu “10 Geboten” geworden sind. Daher passt m.E. die jüdische Zählung durchaus zu 1 (Verkünden der Existenz) wie ich auch die elterliche Autorität interessant finde (es hätte ja auch ein Wort zugunsten herrschaftlicher oder priesterlicher Autorität sein können…).

  20. @MartinM

    Nun, im Bezug auf die Asatru kann ich es nicht sagen, aber ich habe durchaus unterschiedliche Stellungnahmen gelesen, ob z.B. Hindus, Buddhisten oder Christen – die ja je auch mit bzw. über Bilder beten – als Götzenanbeter zu bezeichnen wären. Und es gab und gibt durchaus gewichtige, jüdische Stimmen, die dazu ganz klar sagen: Nein. Z.B. wurde mir gegenüber auch schon argumentiert, da das Bilderverbot für Nichtjuden nicht in gleicher Weise gelte, sei hier nach der ethischen Haltung zu fragen, um zwischen Götzen- und Gottesdienst zu unterscheiden.

    Der Aussage Aus jüdischer Sicht ist jede Verehrung einer überempirischen Wesenheit, die nicht mit dem G’tt identisch ist – also auch Ahnen, Geister, Weltseele usw. usw. von Göttern ganz zu schweigen Götzenanbetung. würde ich also in dieser Pauschalität widersprechen.

  21. Noah-Gebote

    Warum kam so etwas nie im Reli-Unterricht vor?? Konnte doch so eine Art Ur-Weltethos sein, oder?? Reden die Religionen wenigst in ihren Dialogen darüber?

  22. (Kult-)Statuen

    @Helmut Wicht
    Jein, es gab, vereinfacht gesagt eine Entwicklung (ich spreche v.a. von Griechenland, wo ich mich eher auskenne). In der früheren Zeit, bis in die Archaik hinein (also auch zur Zeit der Verfassung der 10 Gebote) waren wohl die meisten Statuen und Statuetten Kult- oder Votivbildnisse. Im Hellenismus (also nach 330 v. Chr.) haben wir dann schon massenweise vom Kult losgelöste Kunst, also Statuen, die man ruhig im eigenen Peristyl aufstellen kann. Aber auch die meisten historisch-kritischen Alttestamentler sehen im Bilderverbot,soweit ich weiß, eben in Kultbild, kein allgemeines Kunstverbot. Es soll einige Belege für blühende Kunsttätigkeit auch im vor- und nachexilischen Israel gegeben haben, aber da bin ich entgültig auf fremdem Terrain.

    Bei anderen Formen der bildenden Kunst ist es aber wohl auch in der griechisch-römischen Welt immer “offener” gewesen. Wir haben ja Vasen- und Wandmalerei im “säkulären” Kontext seit der Bronzezeit im gesamten Mittelmeerraum. Wobei aber, wenn man zum Beispiel nach Pompeji schaut, kann man dort gemalte Altäre samt gemalter Kultstatuen finden, offensichtlich zum Zweck des Privatkultes. Die Frage ist also spannend 🙂

    @einer
    Ja, so kann man es sehen. Ein Theologe hatte mal diesbezüglich gesagt, die ganze sakrale Kunst wäre ein “frommes Sakrileg”. Man kann soweit gehen, es hängt aber von der Definition dessen ab, was man als “Kultbild” bezeichnet.

  23. @Kasslerin

    Einige Theologen haben durchaus schon Kenntnis dieses Ansatzes, teilweise wird es auch schon diskutiert.

    Hier ist beispielsweise eine gemeinsame Erklärung einer hochrangigen jüdisch-katholischen Delegation, in der die Noachidischen Gebote nicht nur genannt, sondern auch christlicherseits auch in der Apostelgeschichte verortet werden:
    http://www.vatican.va/…ssione-bilaterale_en.html

    Trotzdem wird man wohl sagen müssen, dass die Kenntnisse und Diskussionen zu diesem Thema meist noch ganz am Anfang stehen. Persönlich finde ich die Überlieferung der Noachidischen Gebote nicht nur inhaltlich spannend, sondern auch ein wichtiges Beispiel dafür, dass erfolgreiche, religiöse Traditionen dennoch auch andere Glaubenshaltungen respektieren können.

  24. @blume Vorläufer der Gebote etc.

    Wie ich schon schrieb bezog ich mich auch auf nicht-religiöse Vorläufer.

    Die Gesetze in Mesopotamien waren in der Regel rein weltlichdurch den Herrscher und nicht religiös begründet.

    Die Gesetzte wurden Hammurabi etc. nicht von einem Gott diktiert, trotzdem wurden einige dieser “Gebote” in die Bibel übernommen – ergo weltliches kann auch zu Religiösem werden!

    (die 10 Gebote stammen allerdings vermutlich eher aus Ägypten)

  25. @einer: Codex Hammurapi

    Grundsätzlich habe ich kein Problem damit, dass auch säkulare Elemente Eingang in religiöse Traditionen finden können – vgl. z.B. moderne UFO-Kulte, die sich bei Wissenschaften, Filmen, Literatur etc. reichlich bedienen.

    Den Codex Hammurapi kann man m.E. jedoch beim besten Willen nicht als religionslosen Text deuten (ebensowenig wie die ägyptischen Totenbücher). Die Herrschaft des Königs ist ja selbstverständlich von den Göttern legitimiert, wie auch der Codex selbst.

    “Die Stele zeigt im oberen Relief, wie der König die Herrschaftssymbole aus der Hand des Sonnengottes Schamasch empfängt, womit die göttliche Herkunft der Gesetze symbolisiert wird. In dieser Säule sind in 49 Kolumnen auf 4000 engen Zeilen über 8000 Wörter in Keilschrift eingraviert.”

    Und schon in der Einleitung erscheint der König von den Überempirischen eingesetzt – und auch selbst als Gottheit!
    “Als Anu, König der Anunnaku, und Enlil Hammurapi, dem Hirten, Sohn des Sin-muballit, die Embleme des Königtums übereigneten, damals haben Anu und Enlil mich ernannt, dass ich gleich dem Schamasch das Land erleuchten soll. Ich, Hammurapi, Sonnengott von Babylonien, der Licht aufgehen ließ über Sumer und Akkad, als mich Enlil beauftragte, die Menschen zu lenken, gab ich folgende Gesetze:”
    http://de.wikipedia.org/wiki/Codex_Hammurapi

    Eher wird man wohl sagen können, dass die Zehn Gebote selbst einen “Säkularisierungsschritt” (im Sinne einer Unterscheidung religiöser und weltlicher Mächte) darstellen, da sie sich auf nur noch einen Gott beziehen, auch dem Überbringer Moses keinen göttlichen Status zuweisen und in sich auch keine Gefolgschaft für weltliche oder geistliche Autoritäten einfordern, sondern “nur” für Gott und Eltern.

  26. @ Blume,Themenfremd: Buchtipp

    Falls Sie irgendwann einen Beitrag über Jenseitsvorstellungen machen wollen – ein Buchtipp: Hans-Jürg Braun, Das Leben nach dem Tod – Jenseitsvorstellungen der Menschen.
    Im Buch werden Jenseitsvorstellungen unterschiedlicher Völker und Kulturen vorgestellt; grobe Einteilung:
    Stammesreligionen
    Antike Kulturen
    Völkerübergreifende Religionen (Weltreligionen)
    Fernöstliche Religionen
    Neuere Strömungen

  27. @Blume Codex HM

    “Den Codex Hammurapi kann man m.E. jedoch beim besten Willen nicht als religionslosen Text deuten Die Herrschaft des Königs ist ja selbstverständlich von den Göttern legitimiert, wie auch der Codex selbst.”
    Der König ja, aber damit ist der Gesetzestest ihm noch nicht von den göttern “eingegebne ” worden.

    “Die Stele zeigt im oberen Relief, wie der König die Herrschaftssymbole aus der Hand des Sonnengottes Schamasch empfängt, womit die göttliche Herkunft der Gesetze symbolisiert wird.”
    Das ist nur ein Bild und nicht der Text.

    “Und schon in der Einleitung erscheint der König von den Überempirischen eingesetzt – und auch selbst als Gottheit!
    “Als Anu, König der Anunnaku, und Enlil Hammurapi, dem Hirten, Sohn des Sin-muballit, die Embleme des Königtums übereigneten, damals haben Anu und Enlil mich ernannt, dass ich gleich dem Schamasch das Land erleuchten soll. Ich, Hammurapi, Sonnengott von Babylonien, der Licht aufgehen ließ über Sumer und Akkad, als mich Enlil beauftragte, die Menschen zu lenken, gab ich folgende Gesetze:”

    ! GENAU “gab ICH folgende Gesetze” nicht “Gab Gott soundso mir folgende Gesetze”

    Oder wenn ich aus einem Buch zitieren darf:
    “Die von Hammurabi um 1760 v. Chr. veranlaßte Kodifizierung des Rechts zeichnet sich durch Klarheit und Prägnanz aus. Zwar beruft sich Hammurabi zur Legitimation seiner gesetzgeberischen Macht auf den polytheistischen Götterhimmel. Doch es ist kein Gott, der stellvertretend für die herrschende Kaste, die einzelnen Strafbestimmungen ausspricht. Vielmehr durchdringt das Gesetzeswerk eine innere Logik. … Ihre Anwendung ermöglichte erstmals in der Rechtsgeschichte eine Verdrängung der Berufung auf religöse Autorität. Die Urteilsregeln des Kodex Hammurabi sind säkular-funktional bestimmt mit dem Ziel, den sozialen Ausgleich zwischen Konfliktparteien im Rahmen der gegebenen Ständeordnung und
    patriarchalen Familienherrschaft zu unterstützen.”
    Aus “Hammurabi – Die Gesetze” Viktor Kalinke, Leipziger Literaturverlag 2008

  28. einer Hammurapi – Gott

    Aber da steht doch, dass sich Hammurapi selbst als (Sonnen)Gott versteht. Der von anderen Göttern eingesetzt wurde. Religiöser geht’s doch nimmer, oder!? Heute würde man das eine Theokratie nennen… ^_^

    Logisch können religiös bekleidete Gebote auch ‘säkular-funktional’ sein. Das ist doch gerade der Clou an der Evolutionsforschung, dass sie diese Funktionalitäten erklärt. Zumindest habe ich es so verstanden.

  29. @kasslerin zu CH

    “Aber da steht doch, dass sich Hammurapi selbst als (Sonnen)Gott versteht.”

    Bitte?

    Da steht, dass Hammurabi sich von den Göttern als zum König ernannt sieht, nicht das er sich für einen Gott hält.
    Gerade der Sonnengott ist ganz sicher nicht Hammurabi 😉

    Ich übersetzt mal aus dem engl. aus
    http://www.general-intelligence.com/library/hr.pdf

    “… dann riefen mich Anu und Bel beim Namen, Hammurabi, den erhabenen Prinzen, der die Götter fürchtet, um Gerechtigkeit über das Land zu bringen, das Böse und die, die schlechtes tun, zu zerstören, so dass der Starke nicht den Schwachen verletzen möge – so dass ich über das Volk herrschen möge, wie Shamash und das Land erleuchten, für das Wohlbefinden der Menschheit.”

    Shamash, der Sonnengott, galt als Gott der Gerechtigkeit. Erfo er will gerecht herrschen – mehr nicht.

  30. @einer

    Abgesehen von Eurer Debatte um die deutsche Übersetzung: Danke für den Link, der ja sehr eindeutig ist. M.E. ist eine Einleitung schwer vorstellbar, die stärker auf empirische Akteure bezogen ist als diese!

    “When Anu the Sublime, King of the Anunaki, and Bel, the lord of Heaven and earth, who decreed the fate of the land, assigned to Marduk, the over-ruling son of Ea, God of righteousness, dominion over earthly man, and made him great among the Igigi, they called Babylon by his illustrious name, made it great on earth, and founded an everlasting kingdom in it, whose foundations are laid so solidly as those of heaven and earth; then Anu and Bel called by name me, Hammurabi, the exalted prince, who feared God, to bring about the rule of righteousness in the land, to de-
    stroy the wicked and the evil-doers; so that the strong should not harm the weak; so that I should rule over the black-headed people like Shamash, and enlighten the land, to further the well-being of mankind.”

    (Seltsamerweise wird hier “God” übersetzt, wo die deutsche Version Hammurabi meint und Sie, @einer, “Götter” setzen. Könnten Sie dazu etwas schreiben?)

    Auch die einleitende Abbildung auf der Stele zeigt die Gottheit und Hammurabi betend (!) ihm zugewandt.

    http://www.thomasgransow.de/Biographien/Hammurabi.htm

    Wenn man da keine Religion sieht, kann ich auch nicht mehr helfen… 😉

  31. Hammurabi

    Es ging mir nicht darum, ob Hammurabi gläubig war oder nicht, sondern ob ihm die Gesetze von einem Gott “eingegeben” wurden oder nicht. Und das ist offensichtlich _nicht_ der Fall.
    Das “Bild” kann man sehr gut auch als Übergabe der Königsrechte interpretieren.

    Im Epilog wird das auch nocheinmal klargestellt, wo die Herrschaft über das Volk von den Göttern an Hammurabi ging, er aber die Gesetze erliess.

    Zum Prolog. In neueren Büchern findet man am ehesten die Übersetzung “worshiper of the gods” oder “der die Götter ehrt” wobei “der die Götter fürchtet” oder “götterfürchtig” das selbe bedeutet.

    Die Übersetzung mit Gott ist anachronistisch .. welcher sollte das gewesen sein?

    Auf der Tafel / Stele steht:
    inumishu
    Hammurabi
    rubam na’dam
    palih ili

    Das ist allerdings sehr kompakt und muß für unsere ausschweifende Sprache “lesbar “gemacht werden.
    So kommt man dann auf “… ordained Hammurabi, a devout prince who fears the gods…” (“Hammurabi’s Laws: text, translation and glossary” M.E.J. Richardson 2000)

    Ich selber kann das hier nicht sauber übersetzen, ich würde es eher mit Sumerisch denn mit Akkadisch aufnehmen wollen.

  32. @einer

    Okay. Der eine (Hammurabi) legitimiert seine Herrschaft durch die Götter, der andere (Moses) verkündet direkt (des) Gottes Wort. Und das Ganze kann jeweils “säkular-funktional” sein.

    Völlig einverstanden.

  33. göötlich oder nicht …

    Ich finde es macht schon einen erheblichen Unterschied aus, ob

    – Gesetze “nur” von einem Menschen kommen
    – oder die (angeblich) direkt von einem Gott sind, obwohl sie offensichtlich nur aus anderen Religionen bzw. Kultur übernommen wurden.

    Im Codex Hammurabi z.B. findet sich kein Gesetz wie “lass das uns das, denn es ist dem Gott soundso ein Greul”

  34. @einer

    Klar macht das einen Unterschied. Eine dritte Variante haben wir ja z.B. in unserem deutschen Grundgesetz, dessen Präambel “Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen…” einleitet.

    Halten wir also fest: Von den frühesten Schriftkulturen bis heute wurden Gesetzes- und Gebotssammlungen wie der Codex Hammurabi, die Zehn Gebote odert das deutsche Grundgesetz immer wieder mit ganz unterschiedlichen Bezügen auf überempirische Akteure legitimiert. Fallstudien lohnen hier sehr.

  35. @einer: Fachliche Frage

    Lieber @einer,

    die Debatte(n) rund um die noachidischen und mosaischen Gebote haben mir so viel Freude gemacht, dass ich mich mit dem Gedanken trage, das Thema in den kommenden Jahren weiter zu vertiefen. Da ich Sie als Experten in Sachen babylonisch-sumerischer Geschichte & Kultur kennen gelernt habe, wollte ich Sie fragen, ob Sie mir ein bestimmtes, wissenschaftliches Buch empfehlen könnten, in dem die Beziehungen zwischen mesopotamischen und biblischen Mythologien (etwa im Bezug auf die Sintflut etc.) dargestellt werden. Gäbe es da ein oder zwei Werke, die Sie mir empfehlen könnten?

    Vielen Dank für Ihre Bemühungen!

  36. 10 Gebote NICHT für Christen !!!

    Diese GEBOTE gelten NICHT(!) für Christen!

    Ich bin DEIN (hebräischer) Gott, der NUR DICH (mein Israel) aus Ägypt. geführt hat. Somit NICHT gültig für Nichtjuden

    Du sollst nicht töten/stehlen/betrügen deinen NÄCHSTEN(Juden)/ Andere kann man unbeschadet morden etc.

    Du sollst den SABBAT heiligen – NICHT den Tag des Sonnengottes Mithra – den SONNTAG.

    Ehebruch ist nur unter Juden verboten usw.

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