Andere Erfahrung–Erfahrung Anderer

BLOG: Con Text

Wörter brauchen Gesellschaft.
Con Text

Kennen Sie den?

Filmbild: ein historisches japanisches Gasthaus für einfache Leute

 

Das Bild stammt aus einem Film, dessen Titel ich noch nicht verrate. Gestern schickte ich es mal über Twitter rum – Anlass war ein Mem, dass ich nicht verstanden habe –, um mal zu sehen, wer damit was anfangen kann.

Wenige. Sehr wenige. Immerhin erkannt wurde, dass es sich um einen Film aus Asien handelt. Zufällig [?] richtig wurde er Japan zugeordnet – wobei ich hoffe, dass so viel kultureller Übersprung existiert, dass die meisten Deutschen Japaner und japanische Settings inzwischen wirklich erkennen können. Danach hört es schnell auf.

Der Schluss japanischer Film => Akira Kurosawa ist Standard. Wobei es durchaus keine Mehrheit ist, die Kurosawa und seine Filme kennt. Aber es dürfte auch nur eine Minderheit von Filmkuckern geben, die mit Alfred Hitchcock oder George Lucas oder Henri-Georges Clouzot oder Richard Lester etwas anfangen können. Auch Hayao Miyazaki ist in Deutschland eher ein Geheimtipp. Zeichentrick ist für Kinder. Denken immer noch viele. Geprägt vom westlichen Kino.

Beschäftigen sich westliche Filmemacher, vorwiegend aus dem Hollywood-/Blockbuster-System, mit fremden Kulturen, ist der Blick immer einer von aussen. Nicht nur bezogen auf die Macher, auch die interne Welt des Films bleibt extern: US Amerikaner kommen in ein für sie exotisches Land, zeigen ein amüsantes bis bedrohliches Bild fremder Kultur.1

In den letzten Jahren wurden mehr westliche Filme in China und Japan angesiedelt, meist in historischem Setting. Dabei wird eine romantisch-historisierende Welt aufgebaut, die unseren Hang zur Exotik bedient. Dazu wird ein US-amerikanischer Star prominent, sogar in der Hauptrolle besetzt, auch wenn es für die Story nicht nötig ist. Ein besonders krasses Beispiel ist Carl Rinschs Film 47 Ronin, der ein reales historisches Ereignis aufgreift und zu einer lächerlichen Messias-Geschichte mit den üblichen westlichen Zutaten macht.2

Wir könnten viel lernen, nicht nur über andere Kulturen, auch über die Art, wie Geschichten erzählt werden können. Von so genannten Independents abgesehen, sind Figuren, Plots und Handlungsentwicklung [Story und Action] im Hollywood-dominierten Kino inzwischen so weit standardisiert, dass es beginnt lächerlich zu werden. Männlicher Held mit psychischem Knacks und Unwillen, Überbösewicht in Verschwörung, love interest, 3-Akt-Struktur, Over-the-top-Action. Alternativ gibt es noch die RomCom3, die genauso abläuft, aber die Action auf etwas Slapstick und eine Verfolgung durch die Stadt herunter fährt.

 

 

PS: Das Bild oben stammt aus Zatōichi sekisho-yaburi, englischer Titel Adventures of Zatoichi aus einer japanischen Filmserie um den blinden Masseur und Yakuza Zatoichi, der im ländlichen Japan um 1845 meist gezwungenermassen unter korrupten Lokalpolitikern und Gangstern aufräumt.

Die erfolgreichste und umfangreichste japanische Realfilmreihe, vergleichbar der britischen James-Bond-Reihe.

Notes:
1. dieser Plot nennt sich fish out of water.
2. Die Geschichte um die Samurai, deren Feudalherr durch eine Intrige zum Suizid gebracht wird und die sich nun rächen wollen, wurde u.a. 1941 von Kenji Mizoguchi verfilmt. Ein episches Drama ohne viel Action, das versucht, Ehre, Loyalität, japanische Tugenden und deren Folgen auszuloten.
3. romantische Komödie

Nach dem Abitur habe ich an der Universität Hamburg Anglistik, Amerikanistik, Soziologie und Philosophie studiert. Den Magister Artium machte ich 1992/93, danach arbeitete ich an meiner Promotion, die ich aus verschiedenen Gründen aufsteckte. Ich beschäftige mich meist mit drei Aspekten der Literatur: - soziologisch [Was erzählt uns der Text über die Gesellschaft] - technisch [Wie funktioniert so ein Text eigentlich] - praktisch [Wie bringen wir Bedeutung zum Leser] Aber auch theoretische Themen liegen mir nicht fern, z.B. die Frage, inwieweit literarische Texte außerhalb von Literatur- und Kunstgeschichte verständlich sein müssen. Oder simpler: Für wen schreiben Autoren eigentlich?

4 Kommentare

  1. Pingback:Kennen Sie den? | es bleibt schwierig

  2. Da hatte ich ja jetzt wieder mit “Das wandelnde Schloss” so ein Schlüsselerlebnis. Der Film ist definitiv für Kinder – aber wesentliche Teile des Plots verstehe ich nicht, weil ich anscheinend die zugrunde liegenden Topoi nicht kenne.

    Zum Beispiel: Was hat es mit der Treppe auf sich?

  3. Die erfolgreichste und umfangreichste japanische Realfilmreihe, vergleichbar der britischen James-Bond-Reihe.

    Nicht ganz. “Zatōichi” kommt auf 26 “klassische” Filme plus die Neuauflage von Takeshi Kitano. Die Serie um “Tora-san” (offizieller Titel “Otoko wa Tsurai yo”) bringt es von 1969 bis 1995 auf 48 Filme. Die Geschichte von den 47 Ronin dürfte inzwischen um die 100 Mal verfilmt worden sein und könnte auch einen Rekord aufstellen: Den für das am häufigsten verfilmte eng gefasste historische Ereignis (womit ich sich länger hinziehende Ereignisse wie den Zweiten Weltkrieg nicht mitzähle).

    Ich wundere mich etwas über das Hakenkreuz im Bild. Das ist zwar von Indien über China auch nach Japan gelangt und dort als Manji bekannt, aber soviel ich weiß spiegelbildlich zur abgebildeten Form, also mit “Linksknick” (wenn man sich vom Zentrum entlang der Arme nach außen bewegt). Kann hier jemand für Aufklärung sorgen?

    • Guter Tipp, danke! Zum klassischen Zatoichi gehört selbstverständlich noch die TV-Serie von und mit Shintaro Katsu, die noch einmal 100 Folgen hat. Der serielle Charakter des japanischen Films – man denke auch an die Monsterfilme auf der Basis Godzillas – scheint geradezu nach TV-Verwertung.

      Die Swastika kommt m.W. im asiatischen Raum in beiden Drehrichtungen vor; die Bedeutung ausserhalb einer Darstellung des Dritten Reichs in irgendeiner Form ist unabhängig von der Richtung ‘Glück, Reichtum’.