Köllerer liest den Koran

BLOG: Con Text

Wörter brauchen Gesellschaft.
Con Text

Im öffentlichen Diskurs spielt der Koran seit bald 14 Jahren eine grosse Rolle. Die einen berufen sich auf ihn, der einen heiligen Krieg gegen alle Ungläubigen fordert. Die anderen lehnen alles, was mit Islam zu tun hat grundsätzlich ab, selbst wenn es aus der Bibel übernommen wurde.

Wie Christian Köllerer festhält: ‘Gelesen hat ihn […] allerdings niemand’. Aber das hat er jetzt geändert – und wie fast immer, wenn er ein Buch beendet, hat er uns eine Notiz dazu gegeben, die uns den Einstieg erleichtert. Oder die eigene Lektüre erspart.

Nach dem Abitur habe ich an der Universität Hamburg Anglistik, Amerikanistik, Soziologie und Philosophie studiert. Den Magister Artium machte ich 1992/93, danach arbeitete ich an meiner Promotion, die ich aus verschiedenen Gründen aufsteckte. Ich beschäftige mich meist mit drei Aspekten der Literatur: - soziologisch [Was erzählt uns der Text über die Gesellschaft] - technisch [Wie funktioniert so ein Text eigentlich] - praktisch [Wie bringen wir Bedeutung zum Leser] Aber auch theoretische Themen liegen mir nicht fern, z.B. die Frage, inwieweit literarische Texte außerhalb von Literatur- und Kunstgeschichte verständlich sein müssen. Oder simpler: Für wen schreiben Autoren eigentlich?

9 Kommentare

  1. Der Schreiber dieser Zeilen hat vor etwas mehr als zwanzig Jahren den Koran gelesen, aus privaten wie aus politischen Gründen, weil es auch im Politischen seinerzeit einige Besonderheiten gab, und leider hat sich ein Bild, das beginnend mit München 1972, allerdings auch schon zuvor, ergeben hat, verfestigt.
    Der Mohammedanismus scheint übrigens in der bekannten Online-Enzyklopädie gut beschrieben, und ja, zumindest einige bärtige Jungs meinen alles sehr ernst.

    MFG
    Dr. W (der hier zumindest im Moment nicht direkt i.p. Erkenntnis hinzubauen konnte, vielleicht könnte auch hier ein wenig mehr aus sich herausgegangen werden, Kulturkritik und so, die nicht x-istisch sein muss)

  2. Europa kennt den Koran und Islam nicht erst seit 14 Jahren, sondern seit Jahrhunderten. In den Geschichtsbücher sind von diesen Contact‘s sowohl feindliche Begegnungen (Andalusien, Wien) übriggeblieben als auch kulturelle Bereicherungen durch die Wissenschaft und Kultur der Hochblüte des islamischen Reichs.

    Ein Buch wie den Koran wörtlich zu interpretieren kommt jedem aufgeklärten Menschen, ja sogar fast jedem mit dem christlichen Glauben Aufgewachsenen, fremd, geradezu mittelalterich exotisch vor. Und das ist wohl keine falsche Diagnose. Wer den Islam lebt oder leben will wie er im Koran dargelegt ist, der ist wahrlich nicht von dieser Zeit. Das wiederum heisst, dass 1.7 Milliarden Muslime entweder nicht in diese Zeit passen oder ein anderes Verhältnis zum Koran anstreben müssen.

  3. Der Koran ist eine friedliche Religion. Ich habe mich schon sehr oft damit beschäftigt. Terroristen die im Namen das Islams töten, sind keine Moslems sondern bezahlte Atheisten welche sich nur als solche Moslems ausgeben um des Islam in den Dreck zu ziehen und damit sich Leute von dieser Religion distanzieren.

    • Ich bin mir nicht sicher, ob sie in Ihrem Statement rhetorisch arbeiten oder ob sie tatsächlich echte logische Fehler begehen. Die blosse Wiederholung einer Aussage macht diese nicht wahr.

      Es mag sein, dass viele Moslems, vielleicht sogar die Mehrheit, ganz friedlich leben möchte. Sie kommen mir ihren Nachbarn aus, interessieren sich wenig für Menschen, die weit weg wohnen. Sie unterscheiden sich damit in Nichts von den meisten anderen Menschen, die nicht in einer islamischen, sondern z.B. einer christlichen, einer säkularen oder einer moderat atheistischen geboren wurden.

      Das ändert allerdings nichts daran, dass viele Religionen – vor allem monotheistische – sowie einige säkulare oder moderat atheistische Ideologien eine gewaltsame Missionierung zulassen, unterstützen und fordern. Wie Köllerer mit Zitaten belegt, sind im Koran entsprechende abschnitte zu finden. Wie auch in der Bibel [worauf Köllerer nicht nur in seiner aktuellen Notiz hinweist].

      Das bringt uns zu Ihrem zweiten Fehlschluss, im englischen Sprachraum bekannt als ‘True Scotsman Fallacy’. Ob IS, Boko Haram oder Al Qaeda, deren Strukturen und Historie um einiges komplexer sind, als wir es in Nachrichten und politischen Reden hören, berufen sich alle auf den Koran. die meisten Mitglieder stammen aus islamisch geprägten Kulturen oder Familien. Sie sagen von sich selbst, dass sie im Namen Allahs morden und brandschatzen.

      Warum sprechen sie denen das ab? Wie kommen sie darauf, dass ihre Interpretation des Koran richtig ist, deren aber nicht? Wenn jemand sich im Namen einer Gruppe ]moralisch] falsch verhält, können wir nicht einfach die Gruppenzugehörigkeit ad hoc dahingehend ändern, dass wir diesen Jemand ausschliessen.

      Zu guter Letzt wehre ich mich gegen Ihre aus der Luft gegriffene Behauptung, es handele sich um verkappte Atheisten, die getarnt als Moslems einen Weltkrieg gegen Religion, speziell den Islam führen. Dafür gibt es keinerlei Hinweise.

      Bevor Sie fragen: Ja, ich bin Atheist.

      • Was Sie jedenfalls geschafft haben, lieber Herr Haasis, ist dass der Schreiber dieser Zeilen Ihnen mittlerweile ganz klar abnimmt benevolent unterwegs zu sein,
        MFG
        Dr. W (wobei dieser Zusammenhang natürlich nicht notwendig war, vielleicht ist von Ihnen hier auch zuwenig gelesen worden, sich so mögliche frühere Unpässlichkeiten (im ursprünglichen Sinne des Worts) ergebend)

  4. ISIS, Boko Haram und Al Qaeda sind gelebte Interpretationen des Koran, was mir zeigt, dass der Koran durchaus interpretiert werden muss und es unklar bleib, was es bedeutet, den Koran wörtlich zu nehmen.
    Selbst wenn man den Koran wörtlich nimmt muss man sich fragen was Aussagen, die im 7. Jahrhundert gemacht wurden, heute bedeuten können. Der Prophet war ja ein Kind seiner Zeit und Gesellschaft. Er war Kaufmann und Heerführer. Und zwar damals, nicht heute. Um das richtig einordnen zu könnnen nehmen wir einmal an, Bismarck wäre der ideale Staatsmann und sein Denken für alle Zeiten gültig. Dann hätten wir trotzdem das Problem, das Denken Bismarcks in die heutige Zeit zu übersetzen, denn die Zeit Bismarcks ist nun mal für immer und ewig vorbei.
    Ich frage mich, wie mit diesem Problem im islamischen Raum umgegangen wird.

    • Selbst wenn man den Koran wörtlich nimmt muss man sich fragen was Aussagen, die im 7. Jahrhundert gemacht wurden, heute bedeuten können.

      Der Islam wird als wörtlich und als vollständig verstanden, von einigen, die nicht wenig sind, die Ihrige Fragestellung wird von einschlägigen Klerikalen bearbeitet oder verwaltet, wobei hier das Fatwenwesen gemeint ist; klar, es gibt unterschiedliche Schulen und einige davon stellen bedarfsweise auch Takfīr fest. – Der hier bekannte Herr Hamdan, womöglich an die al-Azhar-Universität (Kairo) gebunden, bspw. nicht.

  5. Kann der Islam einen modernen Staat begründen? Nein, denn auch das Christentum kann das nicht. Ein Staat, der den Menschen gerecht werden will muss die Menschen in ihrer Religiosität annehmen ohne sich selbst in den Dienst einer Religion zu stellen. Wenn im islamischen Raum der Gottesstaat das Ideal bleibt, dann werden islamische Staaten weiterhin von Autokraten und Ajatollahs geführt. Ein Zustand unter dem selbst die meisten Moslems leiden.
    In Europa wurde die Macht der Kirchen und Fürsten, die früher die geistige und weltlliche Macht untereinander aufteilten, zurückgedrängt. Das erst hat die moderne Gesellschaft ermöglicht. Ein Zurück kann es nicht geben. Auch den Menschen unter dem Islam würde eine Entwicklung, wie sie der Westen bereits hinter sich hat, eine bessere Zukunft verschaffen.

    • Kann der Islam einen modernen Staat begründen? Nein, denn auch das Christentum kann das nicht.

      Das aktuelle Christentum, bei der Römischen Kirche könnte dies klar werden, ist theozentrisch und anthropozentisch, vermutlich ist dieser Reihenfolge, es schließt die Vernunft nicht aus, Herr Ratzinger ist bspw. nicht müde geworden dbzgl. auszuführen, insofern könnte das Christentum einen ‘modernen Staat’ begründen. [1]

      MFG
      Dr. W

      [1]
      Hat es auch, wobei das ‘Begründen’ nicht als maßgebend zu verstehen ist, sondern eher als zulassend, woanders wäre dbzgl. “modernes”, aufklärerisches Bemühen irgendwo zwischen zuverlässig und se-ehr zuverlässig unterbunden worden und ist es auch.