Was heilt das Gehirn? “Gehirn und Geist”-Redakteur Andreas Jahn über den Kampf gegen neurodegenerative Krankheiten

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Andreas Jahn, seines Zeichens Redakteur bei “Gehirn und Geist”, ist eigentlich von Hause aus promovierter Meeresbiologe. Im Jahr 2000 kam er in die Online-Redaktion von “Spektrum der Wissenschaft”. Seit 2004 ist er Mitglied der “Gehirn und Geist”-Redaktion und betreut hier mit Vorliebe sperrige Neurothemen. Nach anstrengender Schreib- und Redigierarbeit entspannt er sich gerne beim Wandern, Radeln und Fotografieren. Gerade ist das von ihm zusammengestellte und verantwortete “Gehirn und Geist”-Dossier “Was heilt das Gehirn? Der Kampf gegen neurodegenerative Krankheiten” erschienen. Wir fragen ihn zu den Hintergründen.

 

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“Gehirn und Geist”-Redakteur Andreas Jahn ist der Spezialist für harte Neurothemen. Foto: Zinken

Wie kamst du zu “Spektrum der Wissenschaft”?
Andreas Jahn: Oh je, da muss ich etwas ausholen. Zunächst habe ich ganz normal Biologie studiert und mir dabei einen Lebenstraum erfüllt: Ich schrieb meine Diplom- und Doktorarbeit in Meeresbiologie. Nach der Promotion zog es mich aber mit Macht zum Schreiben, und ich machte eine Ausbildung zum Fachzeitschriftenredakteur. Dabei habe ich das journalistische Handwerkszeug in Redigieren, Recherchieren, Interviewen, Nachrichten schreiben und Fotografieren gelernt. Mein Praktikum zur Ausbildung habe ich beim Springer-Verlag hier in Heidelberg gemacht. Die Stadt hat mir schon damals ungeheuer gut gefallen. Aber zunächst bin ich bei einem Fachverlag in der Nähe von Augsburg gelandet. Eine Initiativbewerbung bei Holtzbrinck ermöglichte mir dann die Rückkehr nach Heidelberg und die Arbeit bei in der Online-Redaktion von “Spektrum der Wissenschaft”. Als “Gehirn und Geist” ein neues Redaktionsmitglied suchte, zog es mich schließlich Richtung Print. Ich liebe es, mich länger mit einem Thema beschäftigen zu können. Die Meeresforschung kommt bei “Gehirn und Geist” natürlich auch ein wenig kurz (lacht), deshalb war ich ganz froh, als ich letztes Jahr bei “Spektrum neo” etwas über Tintenfische (€ 1,49) schreiben durfte.
Im neuen “Gehirn und Geist”-Dossier “Was heilt das Gehirn?” schreibst du ein sehr persönliches Editorial über ein Erlebnis mit deiner an Alzheimer erkrankten Schwiegermutter. Sollten Journalisten bei solchen Themen auch mal Flagge zeigen?
Andreas Jahn: Ich finde, ein Editorial sollte kein ausformuliertes Inhaltsverzeichnis sein, sondern ein persönlicher Kommentar. Hier war es ein wenig heikel, deshalb ich habe sowohl meine Frau wie auch meinen Schwiegervater gefragt, ob das in Ordnung ist. Es war schon ein sehr bedrückendes Erlebnis, diesen Absturz eines Menschen in die Krankheit zu erleben.
Was interessiert dich an den Themen Alzheimer, Parkinson und multiple Sklerose, die den Inhalt des Dossier-Heftes bilden?
Andreas Jahn: Das alles sind neurodegenerative Krankheiten, also Krankheiten, bei denen Nerven- oder Gehirnzellen zugrunde gehen. Nahezu alle sind unheilbar, und viele Menschen sind davon betroffen. Die Krankheiten stehen somit im Fokus der medizinischen Forschung.
Den Alzheimerexperten Konrad Beyreuther zitierst du mit der Bemerkung, dass man nur alt genug werden muss, um an der Krankheit zu erkranken. Was macht Alzheimer so beängstigend?
Andreas Jahn: Man muss hier ehrlich sein. Viele Ratschläge, sich gegen Alzheimer zu schützen, klingen schön und gut, aber ob es wirklich hilft, Kaffee zu trinken, Sudokus zu lösen, Rotwein zu trinken – ich weiß es nicht. Letztlich kann man sich vor Alzheimer nicht schützen. Auch Walter Jens, der sicherlich sein Leben lang sein Gehirn wie kaum ein anderer benutzt hat, starb daran. Ich glaube, was an Alzheimer so verstört, ist die Persönlichkeitsveränderung, die damit einhergeht. Das macht es auch für die Angehörigen so belastend.
Was ist die überraschendste Erkenntnis der letzten Jahre?
Andreas Jahn: Die Frage stelle ich den Forschern auch immer. Ich habe das Gefühl, es sind eher kleine Bausteine, die die Wissenschaft weiterbringt. Jetzt wird sogar über eine Impfung spekuliert, darüber diskutiere ich auch mit Christian Haass im Heft.
Was macht eine Therapie so schwierig?
Andreas Jahn: Die Mechanismen sind so kompliziert. Das Gehirn ist das Organ, das unsere Persönlichkeit prägt, und wenn da etwas schief läuft, hat das enorme Konsequenzen.
Was wäre ein echter Durchbruch?
Andreas Jahn: Wenn es gelingen würde, die Krankheit zu stoppen.
Rechnest du damit im nächsten Jahrzehnt?
Andreas Jahn: Es gibt ja die schöne Anekdote aus der Physik mit der Kernfusion, wo es seit 50 Jahren heißt, dass in 50 Jahren der große Durchbruch käme. So ähnlich könnte das mit neurodegenerativen Krankheiten auch sein.
Richard Taylor, ein amerikanischer Psychologe, selbst Alzheimerpatient und mit einem Interview im Heft vertreten, geht sehr offensiv in die Öffentlichkeit. Brauchen wir mehr solcher mutiger Menschen, um aufzurütteln?
Andreas Jahn: Ich denke schon. Ich fand das sehr beeindruckend, dass jemand, der Demenz hat, so darüber nachdenkt und spricht.
In einem Interview mit dem Münchner Biochemiker Christian Haass sprichst du das Dilemma an, selbst wenn es möglich wäre, die Krankheit etliche Jahre vor ihrem Ausbruch zu diagnostizieren, gäbe es aber immer noch keine Heilungsmöglichkeit. Würdest du einen solchen Test machen lassen?
Andreas Jahn: Es gibt ja auch ein Recht auf Nichtwissen. Haass argumentiert natürlich richtig, dass eine frühe Diagnose auch für die Forschung wichtig wäre. Trotzdem ist und bleibt es heikel. Ich selbst bin ein neugieriger Mensch, ich glaube, ich würde lieber einem bekannten Feind gegenüber treten wollen. Aber die Möglichkeit, es nicht wissen zu wollen, muss immer gegeben sein.

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Ich bin von Natur aus neugierig, will Menschen und ihre Beweggründe verstehen und ich liebe gute Geschichten über alles: Das macht mich zur Journalistin. Ich möchte aber den Dingen auch auf den Grund gehen und verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält: Das erklärt meine Faszination für Wissenschaft und Forschung. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft habe ich als Zeitungsredakteurin für viele Jahre das Schreiben zum Beruf gemacht. Später kamen dann noch Ausbildungen zur zertifizierten Mediatorin und zum Coach hinzu, die mich in meiner Auffassung bestärkt haben, dass das Menschliche und das Allzumenschliche ihre Faszination für mich wohl ein Leben lang nicht verlieren werden. Das Organisieren habe ich als Büroleiterin einer Europaabgeordneten gelernt, bevor ich im Juli 2012 als Referentin des Chefredakteurs bei Spektrum der Wissenschaft begonnen habe. Von dieser Tätigkeit bin ich nun erst einmal ab 1. Januar 2015 für ein Sabbatical beurlaubt. Und ganz gespannt, was das „Abenteuer Auszeit“ für mich bereithalten wird.

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