Semana Santa – das Finale

BLOG: Das Sabbatical

Abenteuer Auszeit
Das Sabbatical

Wohl nicht ganz zu Unrecht wird Arequipa auch das Sevilla Amerikas oder gar das Rom von Peru genannt. Doch so turbulent die Karwoche beginnt, so ruhig und fast besinnlich geht sie zu Ende. Am Samstag sind sogar die Messen mit der Lupe zu suchen. Nur in San Francisco, ohnehin unsere Lieblingskirche, wird um 8 Uhr abends die Osternacht begangen.

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Dunkel ist es da drinnen. Ein spärliches Flämmchen nur beleuchtet den Altar. Die Leute tasten sich mit ihren Kerzen in der Hand ins Gotteshaus, setzen sich und warten. Manche haben mit Wasser gefüllte Flaschen dabei, die sie vorne aufbauen. Uns fällt die Aluminiumflasche vom Camping ein, die noch gut gefüllt im Rucksack harrt. Wir stellen sie ein bisschen zögerlich zu den mit Wasser gefüllten Colaflaschen, Kanistern und Putzmittelbehältern hinzu, die schon vorne auf ihre Segnung warten. Dann wird draußen das Osterfeuer entzündet, der Pfarrer steckt Nägel in die großen Osterkerze, entzündet sie dann und alle geben von ihr aus das Licht weiter, bis auch das letzte Kerzlein brennt und alle wieder in die Kirche dürfen.

Dort findet dann nicht nur der Gottesdienst statt, in dessem Rahmen auch das Wasser gesegnet wird (gilt das eigentlich auch mit verschlossenem Stopfen?), sondern die Prozession zu Ehren der Jungfrau von Angustias trifft ebenfalls ein. Dann endlich spricht der Pfarrer seinen Segen über einen knallroten Eimer vor dem Altar und schöpft daraus das Weihwasser, mit dem er wiederum das mitgebrachte Wasser der Besucher segnet.

Der ach so aufgeklärten Mitteleuropäerin kommt das alles ein wenig wie Hokuspokus vor, doch als ich sehe, wie ein Mann, der vermutlich ein Augenleiden hat, sich sofort, nachdem das Wasser gesegnet wurde, in der Kirche die Augen spült, verstummt diese Stimme. Glauben hilft ja bekanntlich….

So ruhig und friedlich der Samstag ausklingt, so knallig fängt der Sonntag an: Um fünf Uhr morgens erschüttern Böller die ganze Stadt. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Das ist auch gut so, denn um 7 Uhr morgens findet auf dem wunderbaren Mirador von Yanahuara wohl eines der bizarrsten Schauspiele statt, die dieses Osterfest zu bieten hat.

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Da hängt sie, die Symbolfigur für den verräterischen Judas, die aber merkwüdigerweise eher aussieht wie ein peruanischer Bürgermeister oder Minister mit großem Geldsack vor der Brust. Fast eine Stunde lang glossiert ein Redner die großen und kleinen Geschichten der Politik. Er macht sich über die Polizei lustig, veralbert den Vorsteher des Stadtteils und auch der Präsident bekommt sein Fett ab. Ein wenig klingt das Ganze wie eine Fasnachtsrede bei uns.

Dann werden die Schnüre, die unheilvoll am Pappkameraden baumeln, gezündet. Wir haben uns in sicheren Abstand gebracht. Denn, so clever und geschickt die Arequipenos in vielen handwerklichen Bereichen sind, über das unheilvolle Zusammenwirken von Elektrizität und Feuerwerk haben wir üble Stories vernommen, die wir lieber nicht erleben wollen.

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Mit ein wenig Ladehemmung explodiert dann nach und nach der ganze Kerl und der letzte Rest von Morgenmüdigkeit verflüchtigt sich. Jetzt kann der fröhliche Teil von Ostern beginnen. Eier gibt es hier übrigens nur aus Schokolade oder zum Suchen in Kinderheimen unter deutscher Leitung, ansonsten wird vor allem viiiiiiiiiel gegessen. Unter anderem “Caldo de Pascua”, eine Suppe, die natürlich aus Kartoffeln und Gemüse, darüber hinaus aber auch noch aus sieben Sorten Fleisch besteht.

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Ich bin von Natur aus neugierig, will Menschen und ihre Beweggründe verstehen und ich liebe gute Geschichten über alles: Das macht mich zur Journalistin. Ich möchte aber den Dingen auch auf den Grund gehen und verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält: Das erklärt meine Faszination für Wissenschaft und Forschung. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft habe ich als Zeitungsredakteurin für viele Jahre das Schreiben zum Beruf gemacht. Später kamen dann noch Ausbildungen zur zertifizierten Mediatorin und zum Coach hinzu, die mich in meiner Auffassung bestärkt haben, dass das Menschliche und das Allzumenschliche ihre Faszination für mich wohl ein Leben lang nicht verlieren werden. Das Organisieren habe ich als Büroleiterin einer Europaabgeordneten gelernt, bevor ich im Juli 2012 als Referentin des Chefredakteurs bei Spektrum der Wissenschaft begonnen habe. Von dieser Tätigkeit bin ich nun erst einmal ab 1. Januar 2015 für ein Sabbatical beurlaubt. Und ganz gespannt, was das „Abenteuer Auszeit“ für mich bereithalten wird.

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