Beuys-Bashing – Teil 2

BLOG: Denkmale

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Denkmale

Der Spiegel legt noch einmal nach. Vor einigen Wochen schon sollte mit der Vorstellung einer neuen Biografie der Künstler Joseph Beuys als unverbesserlicher Nazi entlarvt werden. Nun soll ein neu aufgefundener Brief des damals 22-jährigen Soldaten „Sensationelles“ enthüllen.

Feldpost Hitler BriefmarkeBriefe an die Hinterbliebenen: Im Krieg gehört dazu auch die Schilderung der letzten Minuten des Gefallenen durch die Kameraden.

 

Der Hintergrund:

Am 16. März 1944 stürzte Joseph Beuys in einem Schneesturm mit einem Sturzkampfflugzeug über der Krim ab. Der Pilot starb, Beuys wurde mit Kopfverletzungen und Knochenbrüchen geborgen. Später erzählte Beuys, dass das Flugzeug abgeschossen worden wäre und ihn Krimtartaren gefunden, seine Wunden mit  tierischem Fett  gesalbt und ihn durch Warmhalten in Filz gerettet hätten. Fett und Filz wurden zu zentralen Motiven in Beuys‘ Kunst. Dass diese Geschichte etliche Bestandteile einer Legende enthielt, ist schon länger bekannt.

Der Brief

Der nun veröffentlichte Brief  ist an die Mutter des Piloten gerichtet, der bei dem Absturz ums Leben kam. Beuys fasst die Ereignisse kurz zusammen und berichtet viel über die persönlichen Kontakte seines Kameraden, seine Freundschaften, sein Wesen und so weiter.  Es wird aus der Schilderung auch klar: Es gab keinen Abschuss, der Schneesturm allein war schuld am Absturz. Beuys war als Funker an Bord, er wurde von russischen Arbeitern und Frauen gefunden, die ihm das Blut aus dem Gesicht wischten, wie er schreibt. Keine Rede von Filz und Fett – diese Elemente kamen ganz offenbar erst bei der späteren Verarbeitung der Geschehnisse hinzu.

Interessant. Was ändert das für die Kunst? Schamanentum, private Mythologie, spirituelle, nicht der Ratio folgenden Deutungen – all das spielt bei Beuys  eine große Rolle. Ist es erheblich, ob die zugrunde liegende Story stimmt? Ist “Wahrhaftigkeit“ und Nachprüfbarkeit vielleicht ohnehin der Tod jedes Mythos? Wie wichtig sind Künstlerlegenden für uns als Konsumenten von Kunst? Da gibt es einiges zum Nachdenken, finde ich.

Die Vorwürfe

Der Autorin des Spiegel-Artikels geht es aber um etwas ganz anderes, viel Plakativeres: Beuys war ein Angeber und Heuchler, lautet die Botschaft. Im Vordergrund nun deshalb – anknüpfend an die Vorwürfe der Biografie – seine angebliche “Landser-Rhetorik“. Vor allem aber: Beuys habe gewollt, „dass sein Überleben auch von der Familie des Verstorbenen als wundersame Fügung und nicht als Ungerechtigkeit verstanden wurde“, daher habe er „einiges abgeschwächt, anderes dramatisiert“ (schon mal was vom Überlebenden-Schuldgefühl gehört?).

Nächster Vorwurf: Beuys habe den Krieg verharmlost. Die Autorin schreibt selbst einige Absätze zuvor, dass die Briefe der Soldaten an Hinterbliebene nichts hätten schreiben dürfen, was den Krieg als solchen in Frage stelle. An Beuys richtet sie den Vorwurf: „Kein Wort davon, dass ihre Mission in dem Stuka denen da unten auf dem Boden den Tod bringen sollte“. In einem Beileidsschreiben? Wirklich? Der Artikel behauptet, Beuys entwerfe pathetische, nebulöse Bilder und verzerre den Krieg. Wer sich die Mühe macht, die im Spiegel in voller Länge verkleinert reproduzierten, aber immerhin lesbaren Briefseiten zu entziffern, wird dafür keinen Anhaltspunkt finden. Man mag Zweifel haben, wenn vom  kameradschaftlichen Gesang und dem fliegerischen Können des Gefallenen die Rede ist, ob das alles nicht etwas überhöht sei. Aber was hätte Beuys denn anderes schreiben sollen? So macht man das in Kondolenzschreiben.

Was würde ein wahrer Held schreiben?

Übrigens gibt eine ganze Reihe von Phrasen, die Beuys ausgelassen hat: Er redet nicht von Opfertod, Kampf für die große Sache, Pflichterfüllung oder vom Glauben an den Sieg. Daraus ließe sich bei Bedarf auch ein ganz anderes Charakterbild konstruieren. Eins zumindest ist klar: Es ist der Brief eines sehr jungen Mannes, der verzweifelt versucht, ein paar persönliche und Worte zu finden.

Ja, das wäre toll gewesen: Ein 22-jähriger Bub, der nach einer (ihm wohl kaum abzusprechenden) traumatischen, lebensbedrohenden Episode nicht nur der schweren Aufgabe gerecht wird, der Mutter des Getöteten über den Absturz zu berichten und Worte des Trostes zu finden, sondern der nebenbei und im selben Brief auch noch aus seiner historischen Rolle heraustretend das Unrecht reflektiert, mit dem der Flugeinsatz die Tötung anderer Menschen zum Ziel machte.

Der Artikel im Spiegel  endet mit den Worten, der Brief zeige „Beuys auf jeden Fall angepasster, durchschnittlicher, kleiner, als er sich selbst hat später sehen wollen.“ Das mag sein – und so ist es wohl bei vielen von uns Menschen.

Aber der Spiegel sich nun mal die Demontage von Joseph Beuys vorgenommen.

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

16 Kommentare

  1. Beuys als Vorkriegsdeutscher

    Beuys habe ich als zeitlose Figur vergleichbar mit Warhol in Erinnerung. Doch dieser Vergleich scheint angesichts der Vergangenheit Beuys abwegig. In der Beschreibung zu Warhols Bild Joseph Beuys (Warhol) liest man:
    “Zum Zeitpunkt der Entstehungsgeschichte der Beuys-Porträts, Ende der 1970er Jahre, hatte Warhol einen guten Stellenwert auf dem Kunstmarkt, als seriöser Künstler blieb er indes umstritten. Dabei genoss er in Europa ein höheres Ansehen als in Amerika, insbesondere in Deutschland pries ihn Joseph Beuys als „manchmal naiven, aber revolutionären Künstler“ an.”
    Doch diese Beschreibung Warhols durch Beuys: „manchmal naiven, aber revolutionären Künstler“ scheint doch auch zu Beuys selbst zu passen. Rein äusserlich. Nicht vom Hintergrund her, denn Beuys war Soldat, traf sich auch noch als arrivierter Künstler mit den Kriegskameraden, hatte auch Kontakt Leuten mit “Vergangenheit”. Beuys ist vom Hintergrund her also eine völlig andere Gestalt als Warhol. Warhol hat möglicherweise geahnt, dass es eine unbekannte Seit Beuys gab, malte er doch – im photgraphischen Jargon – ein Negativbild als Porträt.
    Zitat: „Durch die Vertauschung der Hell- und Dunkelwerte, wollte Warhol etwas von der Unergründlichkeit dieses geheimnisvollen deutschen Künstlers vermitteln“, meinte Warhol-Biograf David Bourdon

    Vom Alter her sind Beuys (1921 geboren) und Warhol (1928 geboren) nicht so weit auseinander. Vom Hintergrund aber sind sie meilenweit voneinander entfernt. Warhols Karriere begann (Zitat)” bereits in den 1950er Jahren als Illustrator für Mode-, Hochglanz- und Lifestylemagazine”. Später hinterfragte Warhol diese Welt und kopierte sie gleichzeitig hundertfach.

    Beuys hat mit Warhol die äusserliche Alterslosigkeit gemeinsam (Andy Warhol kokettierte gern mit seinem Geburtsdatum und „verjüngte“ sich gelegentlich auf den Jahrgang 1930, manchmal sogar auf 1933, weshalb in Biografien oft unterschiedlichste Angaben zu finden sind). Auch Beuys gab sich äusserlich “ewig jung”. Doch diese äusserliche Ähnlichkeit verbirgt eine völlig andere geistige Welt bei Beuys. Wie die Beuys-Welt aussieht kann man dem Werk Die Aktualisierung der Alchemie im Werk von Joseph Beuys –
    Der Beuys-Block als Manifestation eines okkultistisch geprägten Weltbildes
    entnehmen. Man liest da viel über Alchemie, Rudolf Steiner, Okkultismus.
    Zitat: ” wenn wir nach den für das Beuyssche Werk maßgeblichen Quellen fragen und dabei unweigerlich auf Steiners Anthroposophie stoßen, so treffenwir ebenso unvermeidlich auf die Traditionen des Okkultismus ?. Wir gera
    ten über Steiner an Goethe und dessen alchemistisch geprägte Spekulationen. Mit anderen Worten, die Frage nach der Rolle der Alchemie im Werk von Joseph Beuys ist die Frage nach der geheimwissenschaftlichen Tradition, in der er steht. Diese aber ist die der über Goethe und Steiner vermittelten Alchemie.”

  2. Projektion?

    “Beuys auf jeden Fall angepasster, durchschnittlicher, kleiner, als er sich selbst hat später sehen wollen.“ “

    Ein sehr spannender Satz – exakt so könnte man auch den Spiegel beschreiben.

  3. Beuys

    Der Artikel im Spiegel endet mit den Worten, der Brief zeige „Beuys auf jeden Fall angepasster, durchschnittlicher, kleiner, als er sich selbst hat später sehen wollen.“ Das mag sein – und so ist es wohl bei vielen von uns Menschen.

    So wird’s wohl sein. – Pazifistische Aussagen werden heute also aus dem Ex Post vom jungen Wehrmachtssoldaten Beuys erwartet, hmm…

    Was hat man insgesamt an Material? Hitlerjugend, eine 1941 erfolgte zwölfjährige Verpflichtung bei der Luftwaffe und eine nicht ganz stimmige Geschichte zum Fluzeugabschuss oder -absturz.

    MFG
    Dr. W

  4. Scharlatan?!

    Ob der Spiegel die Person Beuys demontieren möchte, ist für mich eher unerheblich, das Werk sollte bei einem Künstler wohl im Zentrum stehen.
    Als ich als Student das erste Mal eine Beuys-Ausstellung sah, war mein spontaner Eindruck: ein Scharlatan, oder ein Satiriker! Ich fand es witzig, war mir aber nicht sicher, ob es so gemeint ist. Ich habe dann ein Seminar belegt, in dem es auch um Beuys Symbolik ging. Aha, er meinte es wohl sehr ernst.
    Einige Jahre später hatte ich rein zufällig die Gelegenheit in ein Buch von Rudolf Steiner rein zu lesen, ohne dass mir irgendeine Verbindung zu Beuys bekannt war. Steiner gehört wohl zum Wahnsinnigsten, was ich je gelesen habe. Erst später erfuhr ich von Beuys Verbindung zum Steinerschen “Werk”.
    Heute bin ich mit Rudolf Steiner auf Facebook befreundet, auf Twitter ist er auch unterwegs und es ist genauso witzig wie damals die Beuys-Ausstellung. Allerdings: Wie beide Personen so einen immensen Einfluss ausüben und eine solche Wirkung auf recht viele Menschen haben können, ist schon ein bisschen gruselig … aber nur ein bisschen. Vielleicht wollten sie nur spielen, vielleicht aber auch nicht.

  5. @Detlef Piepke – Schön gruselig

    Ich glaube auch nicht, dass sie nur spielen wollten. Was uns aber ja nicht hindern muss, es als Spiel zu betrachten. Die sorgfältige Selbstinszenierung ist bei Beuys von seiner Kunst nicht zu trennen. In internationalen Rankings moderner Kunst liegt Beuys mit Warhol gleich auf. Einen Nerv scheint er also getroffen zu haben. Reaktionen wie die des Spiegels bestärken den Verdacht, dass das mehr am Künstlermythos liegt als zum Beispiel an den interessanten Ansätzen des erweiterten Kunstbegriffs.

  6. @Eva Bambach

    Einen Nerv hat er offensichtlich getroffen. Im Prinzip ist es ja auch gut, dass in der Kunst-Szene praktisch alles geht. Nervig finde ich es nur, wenn das dann mit angeblichen Bedeutungen aufgeladen wird, die für den Betrachter überhaupt nicht einsehbar sind. Und da war Beuys Weltmeister. Er hat irgend etwas dahin gestellt, ob Fett, Filz, Honig oder Hasen und dem Ganzen dann wortreich eine Bedeutung “eingehaucht”. Bei mir hat das nie funktioniert, meinen Nerv traf er damit nicht, obwohl ich mich damit beschäftigt habe.
    Später habe ich dann erkannt, dass das genau das Prinzip war, mit dem Rudolf Steiner so einen verblüffenden Erfolg hatte. Schon unser Deutschlehrer hatte uns immer davor gewarnt, “etwas in den Text hineinzuinterpretieren, was da gar nicht stand”. Der Erfolg von Steiner und auch Beuys beruhte genau auf dem Gegenteil: Inerpretiere in Materialien und Gegenstände “der Natur” soviel hinein, wie du kannst und “die Leute” werden dich für ein Genie halten. Und das hat geklappt. Wäre auch nicht weiter tragisch, wenn das keine größeren gesellschaftlichen Auswirkungen hat. Der Kunstbegriff “jeder Mensch ein Künstler” ist gesellschaftlich irrelevant. Dann sage ich “niemand ein Künstler” oder Herr Meese ruft die Diktatur der Kunst aus … Das ist Spielerei. Wenn ich aber solche “Konzepte” in eine politische Partei trage, ist das schon … nun ja, irritierend.
    Das gilt besonders für Steiners wahnwitzige “Thesen”, die eigentlich sehr lustig sind. Wenn sich aber Schulkonzepte daran orientieren usw. … wie soll man damit umgehen?
    In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen Herrn Steiner auf Facebook und Twitter nur empfehlen: Er ist als Aufklärer unterwegs.

  7. So funktioniert

    halt die Kunst:

    Er hat irgend etwas dahin gestellt, ob Fett, Filz, Honig oder Hasen und dem Ganzen dann wortreich eine Bedeutung “eingehaucht”. Bei mir hat das nie funktioniert, meinen Nerv traf er damit nicht, obwohl ich mich damit beschäftigt habe.
    Später habe ich dann erkannt, dass das genau das Prinzip war, mit dem Rudolf Steiner so einen verblüffenden Erfolg hatte.

    Steiner ist sicherlich aus bestimmter Sicht ein Minusleister, nichtsdestotrotz ist es so, dass Kunstschaffende, also auch Warhol, Kunstwerke schufen, um dann regelmäßig und richtigerweise zu postulieren, dass die Kunst im Auge des Beobachters entsteht.

    Kunst ist -technisch betrachtet- die Kodierung eines Sachverhalts eben in Kunst um dann eine bestimmte Abstraktion oder Dekodierung zu Information beim Konsumierenden zu schaffen.

    Kunst ist also ein Daten- oder Informationsträger.

    Andy Warhol hat einmal, ein leichtes Grunzen beim beobachtenden Schreiber dieser Zeilen evozierend, auf die Frage, was denn nun dieses oder jenes genau bedeuten soll geantwortet:

    ‘(Dieses oder jenes) ist (dieses oder jenes) in you!’

    HTH
    Dr. W

  8. Eindeutigkeit und Relevanz

    @ Detlef Piepke: „Der Kunstbegriff “jeder Mensch ein Künstler” ist gesellschaftlich irrelevant.“
    Damit meint Beuys nicht, dass jeder ein guter Maler sei. Er sagte „Gerade das war ja nicht gemeint, sondern es war ja die Fähigkeit einer Krankenschwester oder die Fähigkeit eines Landwirtes als gestalterische Potenz und sie zu erkennen als zugehörig einer künstlerischen Aufgabenstellung“.
    Für ihn war das ein „Freiheitsbegriff“, ein Ziel zum Beispiel die Selbstverwaltung und „direkte Demokratie“. Irrelevant würde ich das nicht nennen, aber die Tragkraft der Vision kann man natürlich hinterfragen.
    Und Steiner? Tja, ich staune auch immer, dass sich so viele Menschen davon angesprochen fühlen. Und da ist es mir lieber, das Bedürfnis nach Spiritualität lässt sich durch Kunstgenuss befriedigen, statt durch den Verzicht auf die Masernimpfung.
    @ Webbaer: „Kunst ist also ein Daten- oder Informationsträger.“
    Ja, der Punkt ist doch wirklich nur die Entschlüsselung durch den Betrachter. Ist es nicht gerade die Deutungsbedürftigkeit, die die Kunst ausmacht, während Informationsaustausch, zum Beispiel in der Wissenschaft oder in der technischen Kommunikation, sonst auf Unmissverständlichkeit und Eindeutigkeit ausgerichtet ist?

  9. Sie

    Ist es nicht gerade die Deutungsbedürftigkeit, die die Kunst ausmacht, während Informationsaustausch, zum Beispiel in der Wissenschaft oder in der technischen Kommunikation, sonst auf Unmissverständlichkeit und Eindeutigkeit ausgerichtet ist?

    …sagen es. Allerdings ist eine unmissverständliche Eindeutigkeit nie gegebenen, insofern schließt sich der Kreis.

    Dank für Ihre Artikel zu Beuys!
    MFG
    Dr. W

  10. Da haben Sie mich wohl falsch verstanden. Ich habe Beuys Kunstbegriff schon richtig verstanden, spiele aber auf seine Mitgründerschaft in der Partei “Die Grünen” an, in der einige, inkl. Beuys, Steiners Wahn positiv gegenüber standen.
    Einiges davon kann man auch heute noch bei Partei-Günen wieder finden, ob das biologisch-dynamischer Landbau ist, oder die Einstellung zur Waldorf-Pädagogik, auch wenn das jeweils Light-Varianten der Steinerschen Eskapaden sind. Hier beginnen die merkwürdigen Ideen eine wirkliche gesellschaftliche Relevanz zu entwickeln.
    Und was “Kunstbegriffe” angeht … also bitte: Da kommt dann ein Jonathan Meese und erklärt aber, dass Kunst absolut eindeutig zu sein hat. Kunstgenuss? Das hätte Sie mal Herrn Adorno sagen sollen, da wären Sie sofort unten durch gewesen. Und mein damaliger “Deutschlehrer” wiederum, hielt das “objektivierende Moment” für unabdingbar. Das sind Dinge, die vielleicht in einem ziemlich abgeschlossen Kunst-Zirkel diskutiert werden, aber darüber hinaus praktisch keine Bedeutung haben.

  11. Herr Piepke

    Und was “Kunstbegriffe” angeht … also bitte: Da kommt dann ein Jonathan Meese und erklärt aber, dass Kunst absolut eindeutig zu sein hat. Kunstgenuss? Das hätte Sie mal Herrn Adorno sagen sollen, da wären Sie sofort unten durch gewesen. Und mein damaliger “Deutschlehrer” wiederum, hielt das “objektivierende Moment” für unabdingbar. Das sind Dinge, die vielleicht in einem ziemlich abgeschlossen Kunst-Zirkel diskutiert werden, aber darüber hinaus praktisch keine Bedeutung haben.

    Nun machen Sie sich hier bitte keinen Brei.

    Wichtich ist die gesellschaftliche Funktion von Kunst zu verstehen, also sozusagen was A für B bedeutet, Sie können aber gerne auch die oben skizzierte Kunsttheorie bemühen, die Kunstobjekte als Nachricht mit dem Entschlüsseln dieser Nachricht zusammenbringen zu vermag.

    Dbzgl. müssen Sie sich fitten.

    Ansonsten kann zu Beuys und seiner Geschichte nix kommen,
    MFG
    Dr. W

  12. Beuys Bashing?

    Warum sollte der SPIEGEL eine Beuys-Demontage beabsichtigen? Folgt man den vielen Reaktionen auf Riegels Buch, ist der deutlich überwiegende Teil der Rezensenten der Auffassung, Beuys habe sich ein Stück weit selbst demontiert, mit “Frisierten Daten, geflunkerten Anekdoten, skandalösem Geschwätz” wie die SZ zum Beispiel bemerkt und weiter: “Von Beuys sind – gelinde gesagt – befremdliche Äußerungen in großer Zahl dokumentiert. Im heutigen Medienfuror würden sie sich gleichsam von selbst skandalisieren.”

    Dass unzählige Autoren, so genannte Kunst-Experten, das “Geschwätz” von Beuys ungefiltert verbreiteten und heute noch verbreiten, ist die eigentliche Pointe in Riegels Buch: “Riegel räumt mit vielen falschen Idealisierungen und Verbrämungen auf. Seine Recherchen machen große Teile einer apologetischen oder schwärmerischen Beuys-Literatur zur Makulatur.” So Eduard Beaucamp in der FAZ.

    Letztlich fragt sich warum es nicht statthaft sein soll, Beuys an seinen diffusen gesellschaftlichen Ideen, seiner mangelnden Distanz zur eigenen Vergangenheit im NS-Regime ebenso seine unkritische Nähe zu seiner braun befleckten Entourage
    zu messen.

    Wie ich soeben auf dem Ticker lese, hat der SPIEGEL neue Erkenntnisse über Beuys-Mäzen Karl Ströher. Dem Mann, der Beuys über Jahre hinweg regelrecht durchgefüttert hat.
    Ich bin gespannt auf die Story. Wenn man nur schon die Vorankündigung liest, fällt mir nur das Wort “widerlich” ein.

    Den Künstler Beuys würdigt Riegel in seinem Buch überaus lobend, den Menschen betrachtet er feinfühlig.

    Vielleicht sollte man Riegel danken, dass er endlich einmal den braunen und den Esoterik Müll von Beuys benannt hat, damit dieser beiseite geräumt werden kann. Womit der Blick auf die zweifelsohne herausragenden künstlerischen Aspekte des Werks klarer werden könnte.

    Ich habe das Buch gerade zu Ende gelesen. Es ist großartig und wird zu recht überwiegend hoch gelobt.

  13. @Anna Loepfe

    Ja, dafür bin ich sehr zu haben, wie Sie es formulieren: “… endlich einmal den braunen und den Esoterik Müll” besiete räumen und den “Blick auf die zweifelsohne herausragenden künstlerischen Aspekte des Werks” richten. Die Identifikation faschistischer Ideen und esoterischer Ansätze ist mit Sicherheit sehr wichtig zum Verständnis des Beuysschen Werks.
    Der übereifrige, in vieler Hinsicht unangemessene Verriss dieses Briefes trägt dazu nicht bei.

  14. @ Eva Bambach

    Welchen Verriss meinen Sie? Dass ich mir erlaube ihre These in Frage zu stellen, der SPIEGEL habe sich nun mal die Demontage von Joseph Beuys vorgenommen?

    Das ist, liebe Frau Bambach, eine sehr schliche Sicht, die eigentlich weniger auf den SPIEGEL, als auf das Buch von Herrn Riegel zielt, das wohl Ausgangspunkt ihrer Kritik ist. “Wen oder was entlarvt die neue Beuys Biografie?” Mich erstaunt noch heute, wie schnell sie seinerzeit das 600 Seiten Buch gelesen haben und zu einem Urteil gelangten.

    Wenn ich den SPIEGEL von heute lese, kann ich nur zu der Feststellung kommen, dass Riegel zu danken ist, die richtigen Fragen zu stellen und den braunen Sumpf um Beuys ans Licht zu bringen. Offenkundig war Ströher, der Mann, der Beuys nachweislich über viele Jahre alimentierte ein bigotter Faschist und Antisemit.

    Und Beuys, dessen Schwiegervater Herrmann Wurmbach ein Nazi der schlimmsten Sorte, der ein Antisemit und Eugeniker war. Beuys, dessen Adlatus ein ehemaliger SA und SS-Mann war, der sich bei Kameradschaftstreffen ewig gestriger einfand, der Hitler als einen fehlgeleiteten Künstler sah und völkische Parolen verbreitete. So man das alles unter den Tisch kehren. Soll man das nicht “entlarven”?

    Ich bin froh in einer Gesellschaft zu leben, in der das nicht so ohne weiteres möglich ist, in der couragierte Leute wie Riegel zu Wort kommen, in der es eine freie Presse gibt.

  15. @Anna Loepfe

    Es geht um den “Verriss” des Beuys-Briefes durch den “Spiegel”. Mit Ihnen oder Herrn Riegel hat das nichts zu tun. Auch mein erster Blogpost handelte nicht von Herrn Riegel und seinem Buch (das ich damals natürlich noch gar nicht gelesen haben konnte – war ja noch nicht erschienen), sondern von der reißerischen Ankündigung im “Spiegel”.

  16. Problematische Rezeption @ Eva Bambach

    Die “Kunstborn”-Story des SPIEGEL, ist tatsächlich zum Teil ein wenig reißerisch und damit allzu plakativ verkürzend Da gebe ich Ihnen recht. Mit Ihrer Kritik trafen sie jedoch weniger den SPIEGEL, als das Buch von Herrn Riegel.

    Inzwischen scheint deutlich geworden zu sein, wie wichtig die Arbeit von Riegel ist. Selbst die wenigen Kritiker in den Leitmedien, mussten einräumen wie überfällig eine neue Sicht auf Beuys ist. Dass es natürlich Beuys Apologeten gibt, Anthroposophen oft, die sich in Blogs mit übelster Polemik gegen Riegel wenden, zeigt einmal mehr wie fatal sich die unreflektierte Verehrung vermeintlicher Genies auswirken kann.

    Leider sind ihrer Beiträge hier Wasser auf die Mühlen dieser Fanatiker.

    Ich habe bereits Riegels Immendorff-Buch für einen wichtigen Beitrag gehalten und verfolge seine Arbeit seit dem mit großem Interesse.

    Es wäre vielleicht an der Zeit, dass sie die Beuys Biographie von Herrn Riegel einmal lesen. Es ist eine erkenntnisreiche Lektüre. Ein Zitat von Eduard Beaucamp, dem Doyen der deutschen Kunstkritik aus der FAZ hierzu: “Riegel räumt mit vielen falschen Idealisierungen und Verbrämungen auf. Seine Recherchen machen große Teile einer apologetischen oder schwärmerischen Beuys-Literatur zur Makulatur.”

    Und vielleicht lesen sie einmal die SPIEGEL Story über Beuys-Mäzen Ströher etwas unvoreingenommener. Dass Beuys nichts von der Weltanschauung von Akteuren in seiner nächsten Umgebung gewusst, ja nichts einmal geahnt haben soll, scheint mir doch ein wenig zu optimistisch.

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