Das Teehaus im Weinberg – Deidesheim 2013

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Es gibt etwas zu sehen
Denkmale

Beim Jahrestreffen der SciLogger am vergangenen Wochenende  in Deidesheim blieb kaum ein Wunsch unerfüllt (interessante Menschen, gute Anregungen, nette Diskussionen, leckeres Essen, köstlicher Wein und weiches Bett – großes Dankeschön!).

Was es nicht gab: Zugang zu dem Teehaus, das anmutig auf dem Weinberg über dem als Tagungsstätte dienenden Hofgut Ruppertsberg thront. Baufällig und der (teuren) Restaurierung harrend ließ sich das merkwürdige Bauwerk mit einem Glas Secco in der Hand nur von außen bestaunen. Der Stadtplan vermerkt lapidar: „Teehaus: Das heutige Wahrzeichen des Dorfes wurde 184o von der Familie Bürklin-Wolf oberhalb des Gutshofes erbaut“. Im Weinberg läge eine Weinlaube ja näher und es stellt sich die Frage, was denn die Erbauer in dem kleinen, so prominent platzierten Gebäude eigentlich gemacht haben.

Teehaus Ruppertsberg Wegkreuz bei DeidesheimTeehaus im Weinberg auf dem Gelände des Hofguts Ruppertsberg

Es wurde wohl tatsächlich Tee getrunken. Teegesellschaften waren damals bei den wohlhabenderen Leuten sehr en vogue und man kann sich eigentlich ganz gut vorstellen, wie die zur Mitte des 19. Jahrhunderts gerade prosperierenden Weinbauern sich – bei einem Tässchen Tee in Gesellschaft weiterer Honoratioren – am Blick über ihre Weinberge ergötzten.

Kurios ist die architektonische Form des gar nicht mal so kleinen Häuschens. Es sieht aus wie eine Kreuzung aus asiatischer Pagode und frühchristlicher Basilika. Kein Zufall, denn an Chinoiserien, also irgendwie fernöstlich aussehendem Zubehör, hatte man schon seit dem 18. Jahrhundert in Europa einen Narren gefressen. Andererseits war in der Architektur der Rundbogenstil gerade topaktuell. Nur wenige Jahre zuvor war eine Streitschrift des Architekten Heinrich Hübsch erschienen, die den Rundbogen (gegen die Ideale des Klassizismus) als einzige dem Material und der Konstruktion angemessene Bauweise anpries. Offensichtlich kombinierte der Architekt des Ruppertsberger Teehauses die verbreitete Lust am Exotischen mit dem neuesten Bautrend.

Der Winzer war eben kein rustikaler Ackerbauer,  sondern er präsentierte sich als Angehöriger der gehobenen Gesellschaft. Das Teehaus gab den Bauherrn nicht nur Gelegenheit zu vornehmer Geselligkeit, sondern auch dazu, sich innovativ und auf der Höhe der Zeit zu zeigen.

Wer weiß, vielleicht haben die Scilogger bei einem künftigen Treffen auch einmal das Vergnügen, das instandgesetzte Gebäude von innen zu bewundern. Es darf gern Riesling anstelle von Tee gereicht werden.

Teehaus Ruppertsberg Wegkreuz bei Deidesheim

Der blecherne Christus an diesem Wegkreuz in den Weinbergen bei Deidesheim war nicht so haltbar, wie man sich das um die vorletzte Jahrhundertwende wohl erhofft hatte. Ungerührt im Hintergrund: SciLogger bei der Weinverkostung.

Deidesheim Wegkreuz SciLoggerFotografischer Nachtrag: SciLogger aus der Nähe

 

Noch ein – trauriger – Nachtrag:

 

Teehaus von Ruppertsberg nach dem Brand
Das Teehaus von Ruppertsberg im November 2014 – mit ausgebranntem Dach.

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

8 Kommentare

  1. Danke…

    für die schöne Recherche, Eva! Das ist es doch, was Wissenschaft kann: Die Geschichten hinter den vermeintlich banalen Alltagsdingen ans Licht holen. Schön-traurig auch das Christusbild.

  2. Jesus am Kreuz und Weinverkostung

    Naja….eine gewisse Assoziation drängt sich beim letzten Bild ja schon auf: Beim Abendmahl nimmt Jesus den Becher mit Wein, womit auch das Mahl beendet wird, segnet diesen und sagt: „Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“ (Markus 14, 24).

  3. Vielen Dank…

    auch von mir für diesen schönen Bericht zu dem Gebäude, um das nicht nur ich neugierig herumgeschlichen bin. Hoffentlich wird das Teehaus bald restauriert!

    Apropos Abendmahl: Das passende Foto hierzu hat Stefan Oldendorf  hier geschossen.

  4. Teehaus

    wunderbarer kleiner Beitrag, Eva. Ein kleines “Histörchen” von der Kunstgeschichtlerin. Es wäre schön, wenn wir uns mal IM Teehaus treffen könnten.

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