Der christlich-islamische Dialog der Azhar-Universität

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Nun ist es schon etwas länger als drei Monate her, seitdem meine Doktorarbeit veröffentlicht und mir anschließend der Doktortitel durch die Universität Tübingen verliehen wurde. Ich muss zugeben, dass ich eine Weile gebraucht habe, um zu realisieren, dass das Werk getan und das Ziel endlich erreicht ist. Meine Doktorarbeit mit dem Titel „Der christlich-islamische Dialog der Azhar-Universität“ ist als Band 13 der Schriftenreihe der George-Anawati-Stiftung im Herder Verlag erschienen.

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Um was geht es in meiner Doktorarbeit? In der Arbeit habe ich den Dialog der Azhar von 1930 bis 2011 untersucht. Al-Azhar ist die größte islamische Institution weltweit. Sie wurde 972 als Hofmoschee der schiitischen Fatimiden gegründet und hat sich Laufe der Jahrhunderte zum Zentrum des sunnitischen Islams entwickelt. Den Beginn der Untersuchung habe ich auf die dreißiger Jahre angesetzt, weil 1936 und 1939 Reden von Azhar-Vertretern bei internationalen Dialogkongressen in London und Paris gehalten wurden. Das sind die ersten nachweisbaren Dialogaktivitäten der Azhar. Außerdem wird die „Magallat al-Azhar“ (wörtl.: die Zeitschrift der Azhar), die ich als Hauptquelle verwendet habe seit Mai 1930 veröffentlicht. Diese Zeitschrift als Hauptquelle zu nehmen, hat sich angeboten, denn sie ist das älteste Medium der Azhar, das bis heute noch existiert und als Sprachrohr gilt. Sie repräsentiert die offizielle Meinung der Universität. Fünfzig Jahre lang erschienen 10 Hefte im Jahr, seit 1981 erscheint die Zeitschrift monatlich. So lag meine Hauptarbeit darin, diese Unmenge an Textmaterial auszuwerten. Ihre Bände waren mir bis auf wenige Ausnahmen bis zum Jahrgang 2007/08 zugänglich. Um Informationen über aktuelle Ereignisse zu erhalten und die Arbeit damit abrunden zu können, bin ich im Oktober 2011 nach Kairo geflogen und habe dort vier wertvolle Interviews geführt. Meine Gesprächspartner waren der damals offizielle Dialogbeauftragte der Azhar, der einstige stellvertretende Vorsitzende der Kommission für interreligiösen Dialog und der Direktor der Magallat al-Azhar sowie der deutsche Politikwissenschaftler Holger Albrecht.

Das Ziel der Arbeit war es, den Dialog der Azhar anhand ihrer eigenen Quellen und aus ihrer Perspektive heraus zu untersuchen.
In der Arbeit gehe ich hauptsächlich zwei zentralen Fragen nach. Zum einen, welches Dialogverständnis al-Azhar hat und ob es bei diesem Dialogverständnis eine klare Linie über die Jahrzehnte hinweg gibt.
Davon ausgehend habe ich das Wirken und Auftreten der Azhar in konkreten Dialogprozessen untersucht. So habe ich einige Reden von Azhar-Vertretern aus verschiedenen Kongressen, wie etwa die beiden erwähnten aus den dreißiger Jahren wiedergegeben und analysiert. Zudem wurden institutionelle Dialogprozesse mit der Anglikanischen Kirche und die Beziehungen zu den Christen in Ägypten dargestellt und diskutiert. Ein Schwerpunkt bildet aber die Untersuchung der Beziehungen zwischen Al-Azhar und Vatikan. 1998 wurde zwischen beiden Institutionen ein Dialogabkommen getroffen, das Anfang 2011 von Seiten der Azhar eingefroren wurde. Der Hauptgrund hierfür lag in mehreren Aussagen von Papst Benedikt XVI., durch die sich die Gelehrten in Kairo beleidigt gefühlt haben. Verschlechtert hatte sich das Verhältnis schon 2006 nach der Regensburger Rede. Daher habe ich mich in diesem Kapitel sehr ausführlich mit den Reaktionen der Azhar auf diese Rede auseinandergesetzt.

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Die Doktorarbeit war das zweite Buch, das ich nun veröffentlicht habe. Bereits im September letzten Jahres erschien das Buch „Junge Muslime als Partner. Ein empiriebasierter Kompass für die praktische Arbeit“, indem die Ergebnisse des gleichnamigen Projekts zusammengetragen und diskutiert wurden (dazu in nächster Zeit in einem anderen Beitrag mehr). Somit kann sich das Ergebnis von 2014 durchaus zeigen lassen. Die Promotionsurkunde kurz vor Weihnachten war der krönende Abschluss eines sehr anstrengenden Jahres, aber auch einer Arbeit von insgesamt sieben Jahren.

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Hussein Hamdan M.A., geb. 1979 studierte Islam- und Religionswissenschaft sowie Irankunde in Tübingen und schloss sein Studium 2007 mit einem Magister ab. Anschließend folgte, ebenfalls an der Universität Tübingen, die Doktorarbeit über das Wirken der Azhar-Universität im christlichen-islamischen Dialog, die im März 2013 abgeschlossen wurde. Hussein Hamdan war die ersten beiden Jahre seiner Promotion Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, ehe er 2009 für zwei Jahre Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für interkulturelle Kommunikation in Heidelberg wurde. Dort verfasste er u.a. den Band „Muslime in Deutschland. Geschichte, Gegenwart und Chancen“. Aktuell ist er an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart angestellt und für das Projekt „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Junge Muslime als Partner“ verantwortlich. Hussein Hamdan ist Autor und Sprecher der Kolumne „Islam in Deutschland“ (SWR) und Referent zu diversen Themen des Islam. Seine Schwerpunkte sind Muslime in Deutschland, Interreligiöser Dialog, Humor im Islam sowie Einführungen in die Grundlagen, Quellen und Geschichte des Islam. Zudem ist er Mitglied des Runden Tischs Islam von Integrationsministerin Bilkay Öney in Baden-Württemberg. Hamdan hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen des interreligiösen und interkulturellen Dialogs engagiert. Von 2004-2007 moderierte er in Tübingen den Arabisch-Amerikanischen Dialog. Aktuell ist er Vorstandsmitglied des Bendorfer Forums.

5 Kommentare

  1. Auf jeden Fall ein spannendes Thema, auch für eine Doktorarbeit, Gratulation btw, sofern nicht schon geschehen, der Dialog zwischen dem Vatikan und der islamischen Universität al-Azhar galt ja (wie auch im Artikel beschrieben, vielleicht auch: einstmals) als ‘eingefroren‘.

    MFG
    Dr. W

  2. Hab’ Deine Arbeit mit großen Gewinn gelesen. Es ist gut, einen Teil der komplexen Konfliktlagen zu kennen, in denen sich eine muslimische Institution befindet, wenn sie sich im Dialog engagiert. Auch auf diesem Wege noch einmal herzlichen Glückwunsch Dir, lieber Hussein.

  3. Erst die Verurteilung der Chistenverfolgung durch den Papst scheint den Dialog zwischen Azhar- Universität und katholischer Kirche beendet zu haben, nicht aber, was Papst Benedikt in seiner Regensburger Rede gesagt hat. Ich sehe das gerade umgekehrt. Für mich wäre die Regensburger Rede Grund genug gewesen, den Kontakt abzubrechen, doch die Verurteilung der Christenverfolgung sehe ich als legitim und auch als notwendig an. In der Regensburger Rede zitiert Papst Benedikt eine Meinung eines Beobachters aus dem 15. Jahrhundert über den Islam (die Meinung der Islam bringe nichts Gutes (nichts Humanes) und verkünde seine Botschaft mit dem Schwert), die brandaktuell ist, da hier im Westen viele auch so über den Islam denken (obwohl inzwischen 500 Jahre vergangen sind). Diese Meinung ist in der Regensburger Rede eingebettet in einen Text, der eine christian supremacy zum Audruck bringt. Ein Unding im interkonfessionellen Dialog. Die Regensburger Rede war also was die Beziehung Kirche Islam angeht, eine Katastrophe.
    Anders sehe ich es beim Thema fehlende Glaubensfreiheit im Islam
    Dass die Kirche es nicht gern hat, wenn ihre Gläubigen massakriert werden, kann ich dagegen gut nachvollziehen. Sich darüber zu beklagen scheint mir auch gerechtfertigt.

    • Besser die gemeinte päpstliche Rede selbst lesen und kommentieren, Herr Holzherr, dies hierzu:
      ‘Diese Meinung ist in der Regensburger Rede eingebettet in einen Text, der eine christian supremacy zum Audruck bringt.’

      MFG
      Dr. W

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