Junge Muslime als Partner – nun in der Praxis!

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Geschichte und Gegenwart
Der Islam

Vor genau drei Jahren habe ich meine Tätigkeit an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Projekt „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Junge Muslime als Partner“ aufgenommen. Das Projekt war für mich eine große Herausforderung, auf die ich von Anfang an richtig Lust hatte. Die Arbeit von neun islamischen Organisationen in Baden-Württemberg sowie Jugendprojekte mit muslimischer Beteiligung in verschiedenen Regionen Deutschlands empirisch zu untersuchen, war eine große Gelegenheit viele neue Menschen kennenzulernen und einen Einblick in die Arbeit islamischer Verbände und Gemeinden zu bekommen. Das Projekt ist erfolgreich verlaufen und wir sind mit dem Resultat sehr zufrieden. Im September ist das Buch dazu erschienen und erfreulicherweise erfahren wir seit dem großes Interesse an den Ergebnissen. Die Mühe hat sich also gelohnt!
Die schönste Bestätigung unserer Arbeit habe ich am 8./9. Mai auf der Tagung „Junge Muslime im Web 2.0“ erfahren.
Als der ehemalige Akademiereferent für interreligiösen Dialog Hansjörg Schmid und ich im Juni 2012 mit dem Projekt starteten, war uns bewusst, dass es nicht bei der Untersuchung der Jugendarbeit islamischer Verbände bleiben kann. Es musste nach Projektende in einer praktischen Form weitergehen. Und so machten wir uns immer wieder Gedanken über mögliche Varianten. Letztes Jahr im Sommer einigten wir uns mit drei islamischen Jugendgruppen – Muslimische Jugend in Deutschland (MJD), DITIB Landesjugendverbände Baden und Württemberg sowie die Jugendabteilung der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG) – auf eine Kooperation in Form einer dreijährigen Tagungsreihe, in der verschiedene Themen zu jungen Muslimen in Deutschland behandelt werden sollen. Als weiteren Kooperationspartner konnten wir einmal mehr die Robert-Bosch-Stiftung gewinnen, die u.a. durch das Förderprogramm „Yallah! Junge Muslime engagieren sich“ an diesem Themenschwerpunkt arbeitet. Die Stiftung unterstützte die Tagung nicht nur finanziell; sie war auch in Person von Raphaela Schweiger als Tagungsleitung an der Durchführung aktiv beteiligt. Die Akademie war neben mir noch durch den neuen Akademiereferenten Christian Ströbele als Tagungsleitung vertreten. Christian hat zum 1. Januar 2015 die Nachfolge von Hansjörg Schmid angetreten und die geplante Zusammenarbeit mit den jungen Muslimen von Beginn an begrüßt und tatkräftig unterstützt. Er wird die Tagungsreihe in den nächsten beiden Jahren entscheidend mitgestalten und leiten.

20150509_114437Foto: Trialog

Das Thema unserer ersten Tagung war „Junge Muslime im Web 2.0“. Dabei sollten die facettenreichen Aktivitäten junger Muslime in Form von Vorträgen, Arbeitsgruppen und Podiumsdiskussionen behandelt werden. Die Tagung begann mit zwei Einführungsvorträgen, in denen u.a. auf die Anfänge der islamischen Internetpräsenz und Initiativen in Deutschland eingegangen wurde. In drei parallel laufenden Arbeitsgruppen wurden die Themen Islamfeindlichkeit im deutschen Web, die islamische Mission durch das Internet – die sogenannte Cyber Da´wa – und Trialog, eine Plattform für interreligiösen Austausch interaktiv behandelt. Der zweite Tag startete mit einem Vortrag und einer ausführlichen Diskussion zum sehr aktuellen Thema „Jihad online: Formen und Aktionsfelder der Jihad-Propaganda“. Passend zu diesem Thema möchte ich an dieser Stelle die kostenlos zur Verfügung stehende Internetpublikation „Jihad.de. Jihadistische Online-Propaganda“ von Dr. Asiem El-Difraoui empfehlen, deren Inhalte den Schwerpunkt des Vortrags bildeten.
Zum Abschluss folgten zwei Podien. Bei der ersten stellten VertretererInnen der beteiligten Jugendgruppen die Internetpräsenz ihres Verbands vor und danach durfte ich das letzte Podium mit dem Titel „Muslimische BloggerInnen in Deutschland“ moderieren und hatte drei sehr interessante Gäste da, die die muslimische Bloggerszene in Deutschland verkörpern. Wie es sich für Blogger gehört, haben sie in den letzen Tagen auf ihren Blogs über die Tagung berichtet. Zwei Beiträge zum Podium, sowie die dabei diskutierten Themen haben Hakan Turan, ein erfahrener Blogger und Autor der SWR-Kolumne „Islam in Deutschland“ und der freie Journalist, Emran Feroz gepostet. Eşim Karakuyu, die die MJD im Leitungsteam vertrat, hat auf ihrem Blog einen Bericht zur Tagung geschrieben.

Die Tagung war ein großer Erfolg. Unseren ReferentInnen ist es mit teils sehr eindrücklichen Präsentationen gelungen, uns in die nicht immer einfache Thematik einzuführen und unsere Fragen zu beantworten. Besonders spannend waren die lebendigen Diskussionen – zum Teil unter den jungen Muslimen selbst – nach den Vorträgen. Dabei hat uns so manch ein Redebeitrag ziemlich beeindruckt. Die Veranstaltung war aber nicht nur inhaltlich, sondern auch menschlich hervorragend. Es herrschte eine durchweg freundliche Atmosphäre und gute Stimmung, die auch bei kontroversen Debatten nicht verloren gegangen ist.
Während dieser Tagung haben wir etwas Neues und wie ich finde sehr spannendes ausprobiert. Das Team von Trialog hat die gesamte Veranstaltung mit Kameras begleitet und mehrere Interviews geführt. Aktuell machen sie aus dem gewonnenen Filmmaterial einen Kurzfilm zur Tagung. Wenn der Film in den nächsten Wochen fertiggestellt ist, werde ich hier darauf verweisen, damit man einen Eindruck von der Tagung gewinnen kann. Ebenfalls verlinken werde ich dann auf einen Tagungsbericht von meiner Kollegin Christina Weick, der auch die Inhalte der einzelnen Vorträge und Podien wiedergibt.
Ich persönlich bin ziemlich dankbar für diese Erfahrung, die ich nun machen durfte. Ich bin aktuell viel unterwegs und erfahre großes Lob für die Studie. In Dialogfragen macht aber nicht ein Buch den Erfolg aus. Im Dialog geht es um den Umgang der Menschen miteinander. Die Bereitschaft uns kennenzulernen, einander zu zuhören und uns gegenseitig Respekt entgegen zu bringen, das sind Voraussetzungen für das Gelingen eines Dialogprozesses.
Durch das Projekt „ Junge Muslime als Partner“ sind also junge Muslime wirklich zu Partnern geworden! Und dafür möchte ich allen Beteiligten und Verantwortlichen herzlich danken!

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Hussein Hamdan M.A., geb. 1979 studierte Islam- und Religionswissenschaft sowie Irankunde in Tübingen und schloss sein Studium 2007 mit einem Magister ab. Anschließend folgte, ebenfalls an der Universität Tübingen, die Doktorarbeit über das Wirken der Azhar-Universität im christlichen-islamischen Dialog, die im März 2013 abgeschlossen wurde. Hussein Hamdan war die ersten beiden Jahre seiner Promotion Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, ehe er 2009 für zwei Jahre Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für interkulturelle Kommunikation in Heidelberg wurde. Dort verfasste er u.a. den Band „Muslime in Deutschland. Geschichte, Gegenwart und Chancen“. Aktuell ist er an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart angestellt und für das Projekt „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Junge Muslime als Partner“ verantwortlich. Hussein Hamdan ist Autor und Sprecher der Kolumne „Islam in Deutschland“ (SWR) und Referent zu diversen Themen des Islam. Seine Schwerpunkte sind Muslime in Deutschland, Interreligiöser Dialog, Humor im Islam sowie Einführungen in die Grundlagen, Quellen und Geschichte des Islam. Zudem ist er Mitglied des Runden Tischs Islam von Integrationsministerin Bilkay Öney in Baden-Württemberg. Hamdan hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen des interreligiösen und interkulturellen Dialogs engagiert. Von 2004-2007 moderierte er in Tübingen den Arabisch-Amerikanischen Dialog. Aktuell ist er Vorstandsmitglied des Bendorfer Forums.

4 Kommentare

  1. Lieber Hussein,
    ich kann Eure Studie “Junge Muslime als Partner. Ein emperiebasierter Kompass für die praktische Arbeit” nur empfehlen. Ihr habt in Eurem Ansatz sowohl der Vielfalt der Jugendarbeit in islamischen Organisationen Rechnung getragen, als auch beispielshafte Projekte in der (interreligiösen) Zusammenarbeit über die Grenzen der eigenen Religion hinaus gewürdigt, was Euer Buch für die Praxis ungemein wertvoll macht. Auch auf diesem Wege noch einmal herzlichen Glückwunsch dazu.

  2. Die Natur (bzw. das Leben) ist Gott. Und es gibt Dinge in der Natur, die dem Menschen ewig verborgen sind. Gott ist nicht auf die Weise allmächtig, dass er z. B. einen unbelehrbaren Raucher, der Lungenkrebs bekommt, heilen kann. Die Welt (und der Mensch) wurde nicht “erschaffen”, sondern existiert von Natur aus (und seit ewig). Der “Sündenfall” hat sich nicht genau so ereignet, wie es in der Bibel geschildert wird. Es wurden vielmehr zu verschiedenen Zeiten viele verschiedene Fehler von Menschen gemacht, die noch heute eine negative Auswirkung haben. Christus ist ein sehr hochentwickelter Mystiker, aber nicht der “Sohn Gottes”. Christliche Mystik, (weiße) heidnische Mystik und (weiße) Esoterik sind gleichwertig.
    Es genügt, nur ab und zu Mitglied in der Kirche zu sein. Es besteht die Möglichkeit, eine Ausbildung zum Mystiker (oder zur Mystikerin; auch im folgenden sind immer auch Frauen gemeint) oder Esoteriker zu machen. Z. B. durch ein Selbststudium oder ein Studium in Psychologie mit Schwerpunkt Jungsche Psychologie. Das Beten zu einem “Vater im Himmel” ist sinnlos. Jedes Mal wenn ein Mensch u. a. eine wesentliche Steigerung seiner Willenskraft und Liebe erreicht, kann er (evtl. in Verbindung mit einer esoterischen Technik) eine – zusätzliche – göttliche Erfahrung machen. Und immer größere göttliche Erfahrungen. Ein Beispiel einer göttlichen Erfahrung, bei der keine Eso-Technik eingesetzt wird, ist eine mystische Nahtoderfahrung (Selbstmord ist abzulehnen). Die eigene Anstrengung (obwohl notwendig) und die Eso-Technik sind nicht das Wesentliche, sondern das Wirken von verborgenen Kräften in der Natur. Es ist erforderlich, gesundheitsbewusst zu leben und sich unegoistisch zu verhalten. Und man sollte versuchen, sich in jeder Hinsicht maximal weiterzuentwickeln.
    Es ist vorgekommen, dass Esoteriker durch Drogen veränderte Bewusstseinszustände herbeigeführt haben. Dies ist abzulehnen. Ebenso ist Hypnose (auch Selbsthypnose) abzulehnen. Zudem kann das Herbeiführen eines luziden Traumes gefährlich sein. Bei der seriösen Esoterik erlangt man zunächst eine größere Reife. Dadurch, dass man viel Sport macht. Dadurch, dass man berufliche Herausforderungen so gut wie möglich meistert. Dadurch, dass man immer mehr für den Naturschutz tut. Usw. Und dann muss man eine ungefährliche esoterische Technik einsetzen. Z. B. fragt man sich: “Für was ist ein Ereignis, das mir zugestoßen ist, ein Symbol?” Man soll bei dieser Ereignisdeutung nicht versuchen, in die Zukunft sehen. Es hat nicht unbedingt jedes Ereignis eine relevante Bedeutung. Diese Eso-Technik kann noch weiterentwickelt werden.
    Es ist gut, dass es einen technischen Fortschritt gibt. Aber es ist Wahnsinn, wenn z. B. ein neuer Geschwindigkeitsrekord eines Flugzeugs als Erfolg gefeiert wird. In Wahrheit werden dadurch die Gefahren immer größer. Die Technologie darf nur dann weiterentwickelt werden, wenn dadurch die Gefahren nicht größer werden. Es ist sinnvoll, Faktor-X-Technologien zu fördern. Zudem sollte es nicht mehr medizinische Operationen geben, als nötig. Z. B. können Krampfadern mit der Linsermethode ohne Operation zerstört werden. Heilen durch Liebe, Naturforschung und Eso-Mystik sollen die herkömmliche Medizin und Wissenschaft ergänzen (nicht ersetzen). Es ist sinnvoll, sich ökologisch zu verhalten (z. B. immer weniger Fleisch zu essen). Im Übrigen wirkt ein großer Teil der heutigen Musik (z. B. die Rock- und Heavy-Metal-Musik; auch ein Teil der Musik von Zaz und Raphael Haroche) wie eine Droge. Empfehlenswert sind “Eblouie par la nuit” (insbesondere die Version ohne Gesang) und “Schengen” (live in Valras Plage; bis Minute 2:45).
    Die Wissenschaft darf nicht alles erforschen. Es ist z. B. unter Umständen gefährlich, wenn ein Mensch erforscht, ob er einen freien Willen hat. Es ist denkbar, dass ein Mensch gerade durch die Erforschung des freien bzw. unfreien Willens seinen freien Willen verliert. Und es ist denkbar, dass das menschliche Gehirn durch die Hirnforschung (negativ) verändert wird. Das heißt nicht, dass es gar keine Hirnforschung geben soll. Aber es soll nicht mehr Hirnforschung geben, als unbedingt nötig ist (um diverse Krankheiten zu bekämpfen). Es soll überhaupt keine Wissenschaft aus Neugierde geben. Zudem ist es möglich, dass ein Mensch verrückt wird, wenn er sich mit bestimmten Ideen beschäftigt, wie z. B. dass das Leben nur ein Traum ist. Das Leben ist real. Und Liebe ist mehr, als Chemie, Hormone usw. Der Mensch darf nicht unbedingt in natürliche Prozesse steuernd eingreifen. Und der Mensch darf natürliche Prozesse nicht unbedingt beobachten. Wenn mystische Erfahrungen einmal nicht mehr möglich sind, werden die Menschen die Mystik kaputtgemacht haben.

  3. Danke für den Bericht! Ich finde es großartig, dass die katholische Akademie und auch Ihr persönlich mutig den Dialog pflegt. Das ist der richtige Weg für eine gemeinsame, friedliche Zukunft in Vielfalt!

  4. Fragen hierzu:

    Muslime, die weltliche Regierungen wie die der Bundesrepublik Deutschland unterstützen und Verfassungstreue höher stellen als die salafistische Auslegung des muslimischen Glaubens und des islamischen Rechts, machen sich folglich der Götzenanbetung schuldig.
    Sie sind nicht nur keine wahren Muslime mehr, sondern unterliegen einer Form der Exkommunikation, dem takfir. (Quelle, Seite 8)

    Die Al-Azhar-Universität in Kairo lehnt es ab takfir festzustellen, ist sozusagen anti-takfiristisch.
    Korrekt?
    Sehen auch Sie im Takfirismus ein zentrales Problem des extremistischen Islam?
    Warum ist das webverwiesene Dokument verschlüsselt und nicht zitierfähig? [1]
    Haben Sie persönlich keine Probleme mit der Milli Görüş?

    MFG
    Dr. W

    [1]
    PDF-seitig ist dbzgl. restriktiv vorgebaut worden, auch verschlüsselt worden. – Klar, dieser “Schutz” kann umgangen werden, nichtsdestotrotz könnte ein mit Steuergeldern finanziertes Dokument dieser Art gemeinfrei sein oder zumindest der Zitation zugänglich.

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