Junge Muslime als Partner

BLOG: Der Islam

Geschichte und Gegenwart
Der Islam

Kurz vor Weihnachten und dem Jahresende wollte ich noch einen Beitrag schreiben und habe mich entschieden ein Projekt vorzustellen, an dem ich maßgeblich beteiligt bin. Seit dem 1. Juni bin ich für zwei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Rahmen des von der Robert Bosch Stiftung geförderten Projekts „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Junge Muslime als Partner“ beschäftigt. In diesem Projekt geht es darum, die Jugendarbeit von muslimischen Verbänden und Vereinigungen zu untersuchen. Wie kommt es zu diesem Projekt?
Die Akademie hat 2006-2008 mit „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Islamische Vereinigungen als Partner“ eine erste Untersuchung zu muslimischen Gemeinden in Baden-Württemberg unternommen und dabei deren Dialogarbeit mit Kirchen und Kommunen erforscht. Aus diesem Projekt ist eine Vertrauensbasis zu muslimischen Verbänden aufgebaut worden. Seit 2009 findet jeden September im Hohenheimer Tagungshaus der Akademie eine Tagung statt, in der muslimische Verbände und Einzelpersonen als Mitveranstalter integriert sind.
Dass nun islamische Jugendarbeit untersucht werden soll, hat mit der Demographie der Muslime in Deutschland zu tun, denn sie sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sehr jung. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen bis 15 Jahre liegt bei ca. 25 %, während er in der Gesamtbevölkerung nur 14,5 % beträgt. Über 40 % der in Deutschland lebenden Muslime sind unter 25 Jahre alt. Außerdem spielen Angebote im Bereich der Bildung und religiösen Unterweisung sowie soziale Aktivitäten islamischer Vereinigungen bei der Identitätssuche von vielen jungen Muslimen eine wichtige Rolle. Dennoch sind Profile und Arbeitsweisen islamischer Jugendarbeit bisher in der Öffentlichkeit wenig bekannt.
Meine Aufgabe ist es, den Strukturen, Schwerpunkten und der Ausrichtung der Jugendarbeit islamischer Vereinigungen in Baden-Württemberg nachzugehen. Um die muslimische Vielfalt so repräsentativ wie möglich zur Geltung zu bringen, werden neun verschiedene Verbände und Vereinigungen mit verschiedenen ethnischen Hintergründen und konfessioneller Zugehörigkeit unter die Lupe genommen.

Darüber hinaus werden acht Projekte in verschiedenen deutschen Städten, in denen muslimische Jugendliche mit anderen Trägern zusammenarbeiten, identifiziert und exemplarisch untersucht. Auf dem Programm stehen unter anderem Projekte in München, Münster, Düsseldorf, Berlin oder Osnabrück. Hierbei sollen Formen interkultureller und interreligiöser Jugendprojekte in Zusammenarbeit mit Muslimen in Deutschland in Erfahrung gebracht und Voraussetzungen und Bedingungen für gelingende Kooperationen eruiert werden.

Die Daten werden hauptsächlich durch Interviews mit Vertretern der Projektpartner, islamischen Vereinigungen sowie kommunalen Mitarbeitern und Verantwortlichen in der Jugendhilfe erhoben.
Die Ergebnisse sollen am Ende mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Zusammenarbeit mit muslimischen Jugendgruppen in einer anwenderorientierten Publikation zusammengetragen werden. Es geht also darum, die Zusammenarbeit mit Muslimen auf Jugendebene in der Praxis zu fördern.
Deshalb gehört zu dem Projekt auch die Entwicklung eines Seminars für islamische Akteure zur Professionalisierung und Ressourcengewinnung in der Jugendarbeit. Zudem veranstalten wir Mitte Januar eine kleine Fachtagung, die an Fachleute der interkulturellen (Jugend-) Arbeit, Vertreter von Jugendverbänden, islamische Verantwortliche der Jugendarbeit sowie Mitarbeiter von Jugendämtern und Jugendringen sowie der Integrations- und Dialogarbeit gerichtet ist. Für die Fachtagung haben uns schon viel mehr Anmeldungen erreicht als wir aufnehmen können.
In den letzten Monaten habe ich aus den zahlreichen Gesprächen mit Personen aus Wissenschaft, Jugendarbeit, Verwaltung und Politik gemerkt, dass die Erwartungshaltung an das Projekt sehr hoch ist. Alles werden wir nicht erfüllen können, aber ich denke, dass unsere Untersuchung ein erster Meilenstein für die Auseinandersetzung mit der Thematik sein kann.
Mein Bezug zur Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart besteht schon seit einigen Jahren. Ich habe Tagungen wie etwa das Theologische Forum Christentum – Islam besucht, aber hauptsächlich bin ich dort als Referent tätig gewesen.
Für mich persönlich ist die Aufgabe eine große Herausforderung und ich bin froh, dass sie mir anvertraut wurde. Das Projekt ist sehr spannend, aber auch sehr anspruchsvoll. Mittlerweile ist die Vorbereitungsphase beendet und die Interviews für das erste der acht Jugendprojekte sind geführt. 2013 stehen noch etwa 65-70 Interviews an.

Ich hoffe dennoch, dass mich der stressige Alltag im kommenden Jahr nicht davon abhalten wird, ein paar Blogartikel mehr zu schreiben als 2012.
Ich möchte meinen christlichen Lesern und Leserinnen und allen, die sich daran beteiligen frohe und gesegnete Weihnachten und uns allen eine friedliche Zeit sowie einen guten Start ins neue Jahr wünschen.

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Hussein Hamdan M.A., geb. 1979 studierte Islam- und Religionswissenschaft sowie Irankunde in Tübingen und schloss sein Studium 2007 mit einem Magister ab. Anschließend folgte, ebenfalls an der Universität Tübingen, die Doktorarbeit über das Wirken der Azhar-Universität im christlichen-islamischen Dialog, die im März 2013 abgeschlossen wurde. Hussein Hamdan war die ersten beiden Jahre seiner Promotion Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, ehe er 2009 für zwei Jahre Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für interkulturelle Kommunikation in Heidelberg wurde. Dort verfasste er u.a. den Band „Muslime in Deutschland. Geschichte, Gegenwart und Chancen“. Aktuell ist er an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart angestellt und für das Projekt „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Junge Muslime als Partner“ verantwortlich. Hussein Hamdan ist Autor und Sprecher der Kolumne „Islam in Deutschland“ (SWR) und Referent zu diversen Themen des Islam. Seine Schwerpunkte sind Muslime in Deutschland, Interreligiöser Dialog, Humor im Islam sowie Einführungen in die Grundlagen, Quellen und Geschichte des Islam. Zudem ist er Mitglied des Runden Tischs Islam von Integrationsministerin Bilkay Öney in Baden-Württemberg. Hamdan hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen des interreligiösen und interkulturellen Dialogs engagiert. Von 2004-2007 moderierte er in Tübingen den Arabisch-Amerikanischen Dialog. Aktuell ist er Vorstandsmitglied des Bendorfer Forums.

15 Kommentare

  1. Viel Erfolg!

    Lieber Hussein,

    danke für Deine Weihnachtsgrüsse, auch Dir und Euch schöne Feiertage!

    Es wäre natürlich großartig, wenn Du hier immer mal wieder von dem spannenden Projekt berichten könntest – Islamwissenschaft at its best!

    Beste Grüße

  2. Danke,

    lieber Hussein. Dies Projekt ist gut und notwendig: Untersuchen, veröffentlichen, drüber reden… , aus welchen Bausteinen sich das Zusammenleben in Deutschland und anderswo in Zukunft zusammen puzzelt. Reden so viele bloß „aus dem Bauch raus“ und lassen sich durch Stimmungen einfangen und verführen. Da sind solche Untersuchungen gut, mit denen Behauptungen genauer belegt oder auch hinterfragt werden können. Und gut, dass man nicht bloß über „euch Moslems“ redet und euch zum bloßen Objekt macht, sondern dass man drauf hört, was ihr selber zu sagen habt. Freut mich, dass die Erwartungshaltung an das Projekt sehr hoch ist. Ich kenne auch ein paar Leute, denen ich gerne davon weiter erzähle.

  3. @ H-Kord

    Schön, dass das Projekt und die Tagung auch Interesse in Hamburg finden. Es haben sich auch Personen aus anderen Bundesländern zur Tagung angemeldet. Wie ich aber schon im Text erwähnt habe, haben wir mittlerweile schon viel mehr Anmeldungen als wir überhaupt aufnehmen können. Außerdem ist die Tagung für Fachleute aus den genannten Arbeitsbereichen gedacht. Tut mir sehr leid! Nach Projektende ist eine weitere, größere Tagung geplant, in der die Ergebnisse vorgestellt werden sollen. Vielleicht ist das auch eine Option für Sie. Ich werde auf diese und andere Veranstaltungen noch aufmerksam machen.

    Ich wünsche Ihnen ein frohes neues Jahr.

  4. @ Michael

    Hallo Michael,
    ich werde schauen, was sich machen lässt. Vielleicht stelle ich im Laufe des Jahres das eine oder andere Jugendprojekt vor. 😉

    Dir und deiner Familie ein frohes neues Jahr und alles erdenklich Gute.

    Ps.: Dein aktueller Artikel ist prima! Habe ihn sehr gerne gelesen. 😉

  5. @ Dr. W.

    Oh Dr. W., das ist aber nett, dass Sie nach meiner Doktorarbeit fragen. Sie brauchen sich keine Sorgen machen. Die Arbeit ist soweit fertig und wird in absehbarer Zeit abgegeben. Nicht der christlich-islamische Dialog im Allgemeinen, sondern der Dialog mit dem Vatikan wurde vor etwa zwei Jahren eingefroren. Ich habe ein kleines Kapitel darüber geschrieben. Bei Gelegenheit gibt es dann mehr zu diesem Thema. Und vielleicht können Sie die Arbeit noch dieses Jahr lesen, wenn es Sie interessiert.

    Frohes neues Jahr Dr. W.

  6. @ Hermann

    Vielen Dank Hermann für deine Rückmeldung und die Werbung. 😉 Ich denke, dass die Stärke des Projekts (wie auch schon beim ersten Projekt) unter anderem darin liegt, dass viele Muslime aus verschiedenen Vereinigungen zu Wort kommen und so die Möglichkeit haben über Ihre Arbeit und die damit verbundenen Erfahrungen und Probleme zu berichten.

    Dir alles Gute im neuen Jahr!

  7. @Hamdan

    Danke für Ihre Nachricht. Verweisen Sie bitte bei Gelegenheit entsprechend.

    Auch Ihnen ein frohes und vor allem gesundes und erfolgreiches Neues!

    MFG
    Dr. W

  8. Muslime als Partner

    NSU-Opfer erhielten eine Million Euro

    Osnabrück. Kurz vor Beginn des Prozesses gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) hat die Bundesregierung nach Informationen unserer Zeitung bisher rund eine Million Euro an die Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe und an ihre Angehörigen gezahlt.
    „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Islamische Vereinigungen als Partner“
    Solange derdeutsche Steuerzahler zahlt, das is ja wohl klar.

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