Gentechnik: Können Pollen von GM-Soja ganze Felder kontaminieren?

BLOG: Detritus

Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Felix Schwenzel (@diplixwirres.net) hat heute gestern eine Techdirt-Story über den Anbau von GM-Soja in Brasilien verlinkt. Er kommentierte:

faszinierend wie man mit gen-soja milliarden verdienen kann: auch für gen-freie sojabohnen, die beispielsweise von genetisch modifizierten pflanzen bestäubt wurden, hat monsanto in brasilien lizenzzahlungen verlangt. diese praxis hat ein gericht in brasilien jetzt aber für nicht OK erklärt, was dazu führen kann, dass monsanto ein paar milliarden dollar zurückzahlen muss.

Weil ich so ein verdammter Klugscheißer bin, konnte ich das so nicht stehen lassen.

(Update: Wie Felix sehr richtig in den Kommentaren unter diesem Artikel hier anmerkt, stammt diese Aussage von Glyn Moody von Techdirt [jetzt auch oben korrekt verlinkt], der das zu der ursprünglichen Meldung in Nature News dazugedichtet hat:

One way soybeans sold as non-GM can turn out to be the Roundup Ready variety is thanks to wind-borne GM pollen landing on non-GM crops. And yet instead of being penalized for contaminating non-GM crops, Monsanto gets paid for it — a neat trick made possible by a crazy patent system in which even those who commit infringement unintentionally are still held liable

Dabei ist Soja gar nicht windbestäubt, sondern selbstbestäubend, wie man auf dem folgenden Bild sieht.

alt

Die winzigen, selbstbestäubenden Blüten der Sojabohne: keine Gefahr durch von Wind verdrifteten Pollen. (Bild: Public Domain)

Update-Ende)

Denn wenn ich mir den zugrunde liegenden Artikel von Nature News anschaue, sieht die Geschichte schon etwas anders aus:

 

  • Brasilianische Bauern haben Monsanto-Samen über Jahre hinweg ins Land geschmuggelt und angebaut, bevor das in Brasilien überhaupt zugelassen war (immer noch werden ca. 30% illegal nachgebaut)
  • Bauern müssen zwei Prozent des Gewinns aus dem Soja an Monsanto abführen (zusätzlich zu den Kosten der Samen selbst)
  • Soja aus Monsanto-Samen, der im Handel landet, aber als „konventionelle“ Ware vermarktet wird, kostet die Bauern dann gleich mal gute drei Prozent Gebühren
  • ein Gericht hat nun entschieden, dass diese Gebühren widerrechtlich erhoben wurden, weil der Patentschutz schon seit Jahren ausgelaufen ist
  • Monsanto muss nun Milliarden zurückzahlen

 

Keine Ahnung, wie das mit Lizenzzahlungen und dem auslaufenden Patentschutz funktioniert, und ob die prozentuale Gebühr nun rechtens war oder nicht. Es fiel aber kein Wort über konventionelle Pflanzen, die über ein benachbartes „Gentechnikfeld“ bestäubt wurden. Der Bauernverband behauptet zwar vage, die Bohne wäre „highly contaminating“ (was auch immer damit konkret gemeint ist), ich halte das aber für eine Ausrede.

 

Die Auskreuzung von benachbarten Pflanzen wurde nämlich mehr als nur einmal untersucht, wie zum Beispiel auch 2003 vom US-Landwirtschaftsministerium:

 

[…] 12 rows of Pace (white-flowered) flanked on each side by four rows of DP3588 (purple flowered) were sown on 10 May 2001. […] In total, 73 512 potential hybrid plants were examined and natural cross-pollination rates ranged from 0.41% at 0.9 m from the pollen source to 0.03% at 5.4 m from the pollen source. These values were consistent with values previously reported in the literature.

Bei etwa 5 Metern Abstand zwischen den Feldern liegt die Fremdbestäubung (cross-pollination) also bei 0,03% (das sind Null Komma drei Promille). Diese Werte sind auch in anderen Arbeiten so bestimmt worden. Kaum vorstellbar, dass auf diese Art und Weise ganze Felder „kontaminiert“ werden, die dann als nicht-deklariertes GM-Soja in den Handel gelangen. Es liegt viel näher, anzunehmen, dass auf diese Weise der Anbau von schwarz ausgesätem Monsanto-Saatgut gerechtfertigt werden soll.
 
Aber dass auf diese Art und Weise argumentiert wird, kennen wir ja schon von dem Gentechnik-Kreuzzügler Percy Schmeiser. Der kanadische Raps-Bauer und -Züchter hatte Ende der Neunziger Jahre auf seinem Feld Monsanto-Raps gefunden, der gegen Monsatos Herbizid Roundup resistent war. Anschließend hat Schmeiser das gesamte Feld mit Roundup behandelt, und damit alle nicht-Monsanto-Pflanzen totgespritzt. Und die Samen der verbleibenden Pflanzen hat er dann auf letztendlich 400 Hektar Land wieder ausgesät. Die Reinheit der Sorte betrug dabei mehr als 95%! Das verstieß natürlich gegen die Lizenzbedingungen Monsantos, eine Firma, die gerne für ihre Ware bezahlt wird, um die Millioneninvestitionen für die Sortenentwicklung wieder einzuspielen. Selbst bei konventionellen Sorten muss man erst eine Nachbau-Genehmigung einholen, wenn die Sorte unter Sortenschutz steht. 
 
Links

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

16 Kommentare

  1. gut möglich dass ich da was falsch verstanden, formuliert und vor allem falsch eingeschätzt habe. aber ich möchte auch ein bisschen klugscheissen: ich habe die nature-geschichte die du oben verlinkst und von der du behauptest ich hätte sie verlinkt, nicht verlinkt. ich habe einen techdirt-artikel von glyn moody verlinkt.

    darin steht unter anderem:
    „One way soybeans sold as non-GM can turn out to be the Roundup Ready variety is thanks to wind-borne GM pollen landing on non-GM crops. And yet instead of being penalized for contaminating non-GM crops, Monsanto gets paid for it — a neat trick made possible by a crazy patent system in which even those who commit infringement unintentionally are still held liable.“

    das übersetze ich mit: nicht-GM-soja kann durch den wind mit GM-soja bestäubt und damit lizenzpflichtig werden. ob das ne ausrede ist oder nicht — keine ahnung. nach meinem sprachverständnis ist in dem techdirt-artikel also durchaus die rede von konventionellen feldern die von genmanipulierten pflanzen bestäubt wurden.

    ob das alles stimmt oder ob techdirt den artikel falsch wiedergegeben hat oder was in dem natire-artikel selbst steht, habe ich alles nicht geprüft. dafür und wegen meiner unpräzisen formulierungen lasse ich mich auch gerne kritisieren. aber kritik an glyn moody solltest du nicht ausschliesslich an mich richten.

  2. @ ix

    Das stimmt, ich habe einfach zu schnell auf den Ursprungsartikel von Nature durchgeklickt und unsauber getrennt. Ich werde das oben klarstellen.

    Danke für das Feedback.

  3. Die Anmerkungen sind jetzt in den Artikel eingearbeitet.

    Da fällt mir ein, dass Soja in erster Linie selbstbestäubend ist. Wenn man sich die Blüte anschaut, dann wird klar, dass Windbestäubung quasi auszuschließen ist: Das ist eine Blüte, die für Insekten gemacht ist.

    Also hat Glyn Moody (und nicht etwa Felix) doppelten Unsinn erzählt.

  4. Egal wie gering die Kontamination benach

    Gentechnik, nur zum Nutzen von Großkonzernen, ist eine Sünde gegen die Natur!

    Allerdings akzeptiere ich Gentechnik zur Herstellung von Medikamenten, weil dies nicht nur den Konzernen nützt, sondern uns allen!

  5. … wohingegen ausreichend [gesunde] Nahrung für alle nur wenigen nützt. Und Medikamente werden fair an alle verteilt, vor allem an die Armen, die sie am meisten benötigen.

  6. @ Mike Straub

    das kannst du als Konsument entscheiden (daher finde ich es auch sinnvoller, statt “Vorsicht-Gene”-Paranoia lieber bzgl Nachhaltigkeit zu kennzeichnen).

    Aber was die Bauern anbauen kann man nicht den Saatgutkonzernen anlasten. (Falls es sachliche Information dazu gibt, dass Bauern dazu gedrängt werden, wäre das was anderes)

  7. Große Konzerne sind böse

    Ich arbeite als Physiker in der Endlagerforschung und stelle auch hier immer wieder fest, “dass ein beliebtes Argument gegen die Kernkraft die Tatsache ist, dass die Energiekonzerne so viel Geld machen (gerne genutzte Aussage: “die verdienen Milliarden!!!”). Mhmm, Ok, das machen sie. Und nicht zu knapp. Aber was folgt daraus? Dass die Kernkraft schlecht ist nur weil die entsprechenden Konzerne wirtschaftlich erfolgreich sind (siehe hier auch die ähnlich geführte Diskussion mit der Gentechnik und Monsanto)? […]

    Prinzipiell scheint es also darauf hinauszulaufen, dass eine Firma, sobald sie einen gewissen Erfolg hat, böse wird. Oder anders gesagt: der Wille, Geld zu verdienen, ist schlecht. […]

    Gewinne zu erwirtschaften ist die erklärte Funktion von Unternehmen in der Marktwirtschaft. Man kann das beklagen- aber das ist eine Kritik an die Marktwirtschaft, nicht an die Energieversorger und schon gar nicht an die Kernenergie!”

    Das selbe scheint auch in Gentechnik-Debatte stattzufinden: Monsanto betreibt einen gigantischen Aufwand um gentechnische Forschung zu betreiben, die Ergebnisse sollen dann aber für lau an die Verbraucher weitergegeben werden. Wehe, die verlangen da Geld für. Und dass damit natürlich auch die Gentechnik selber Mist ist, versteht sich ja von selber …

    (Zitat ist aus einem Artikel von meinem Blog: http://www.kerngedanken.de/…hes-recht-fuer-alle/)

  8. @JanG

    Richtig, und mit der Arzneimittelindustrie sieht es auch nicht anders aus. Dort erwartet man auch, dass die ein Medikament, das mehrere Millionen Euro Entwicklungskosten gekostet hat, auch für lau abgegeben wird. Es wird auch immer kritisiert, dass nur GMO-Merkmale bzw. Medikamente entwickelt werden, die viel Profit versprechen. Medikamente für seltene Krankheiten etwa möchte keiner entwickeln, weil Kosten und Profit in keinem Verhältnis stehen.

    Der „Fehler“ liegt also im System.

    Ich sehe aber keine Alternative zu dem marktwirtschaftlichen Modell der Medikamenten- und Pflanzenentwicklung: In direkter Konkurrenz können staatliche Einrichtungen nicht bestehen, und auch ganz vom Steuerzahler getragen ist diese Aufgabe finanziell einfach zu aufwändig.

    Das „Geld verdienen“ war übrigens auch ein Argument der Tierversuchsgegner vor dem Institut vor ein paar Tagen (dort ist es aber komplett absurd, weil praktisch keiner finanziell von Tierversuchen profitiert).

  9. Geld+Macht müssen böse sein!

    @Martin B., @JanG

    Dass gross gewordene, gut verdienende Firmen böse sind und ihre Konkurrenten mit unfairen, gar kriminellen Mitteln unten halten wollen ist ein weit verbreitetes Klischee. Es baut auf dem Bild von David gegen Goliath auf. Der David, das sind dann die Biobauern oder Solarpanelbesitzer in ihrem Eigenheim und der Goliath, das sind die Konzerne mit ihren Grosskraftwerken (gross wird im David-Goliath-Bild als an und für sich schlecht betrachtet) oder dem Patent auf eine gentechnisch erzeugten Samen.

    Dazu lässt sich folgendes sagen:

    1) Vielleicht sind kleine, dezentrale Strukturen in vielerlei Hinsicht besser als solche, die auf strategischen Knotenpunkten und geschütztem Wissen beruhen, doch nicht jede Technik lässt sich dezentralisieren. Selbst Solarpanel benötigen heute ein grossräumiges Stromnetz, damit ein zuverlässiges System entsteht.
    2) Dezentrale Lösungen können auch Umweltbeeinträchtigungen dezentralisieren. Man stelle sich nur vor, man ersetze einige grosse Flughäfen durch sehr viele kleine, womit man die Immissionen gerecht verteilt dezentralisiert.
    Im Extremfall könnte man ja fordern: Jedem seinen PC, sein Handy, sein UAV (für Privatspionage), sein Solarpanel und seine persönliche Atombombe.

  10. Warum ich gegen die Gentechnik bei Planz

    Normalerweise nützt sie den Konzernen (Monsanto), die Bauern kaufen die Saat für teures Geld ein und die Verbraucher baden das Riskio, das nicht unerheblich UND nicht erforscht ist, aus.
    Dieser Milliardenmarkt nützt NUR Monsanto!
    Weg mit dem Scheiß!

    Gentechnik, um neue Medikamente herzustellen KÖNNTE eventuell für ALLE nützlich sein, also kann man darüber nachdenken.

  11. Danke.

    Normalerweise nützt sie den Konzernen (Monsanto), die Bauern kaufen die Saat für teures Geld ein und die Verbraucher baden das Riskio, das nicht unerheblich UND nicht erforscht ist, aus.

    Nein.

    Dieser Milliardenmarkt nützt NUR Monsanto!

    Nein.

    Weg mit dem Scheiß!

    Hm. Warum?

    Gentechnik, um neue Medikamente herzustellen KÖNNTE eventuell für ALLE nützlich sein, also kann man darüber nachdenken.

    Gut, dass sich auch mal echte ® Experten hier in den Kommentaren melden. So muss ich nicht ganz dumm sterben. Danke für den qualifizierten Kommentar!

  12. Mike Straub

    Diese Argumente sind einfach nur pure Ideologie und falsch. Gegen die Umsätze von Pharmafirmen mit Biopharmaceuticals und Biosimilars (also gentechnisch hergestellt) ist das Saatgutgeschäft von Monsanto lächerlich. Mit dieser “Argumentation” müssten der Pharmamarkt erst recht abgelehnt werden. Da der Saatgutmarkt so lächerlich in der Wertschöpfung ist, überlässt die Politik den Ideologen das Feld oder schlimmer macht aus purem Populismus sogar noch mit, wie unsere bayerische Agrarministerin.
    Falsch ist die Argumentation, da in altgrüner Tradition Tatsachen, die nicht zum Weltbild passen, einfach ausgeblendet und ignoriert werden: hier die 200 Mio. Euro der EU für Sicherheitsforschung http://ec.europa.eu/…eu-funded_gmo_research.pdf.
    Lass mich mal raten, jetzt kommt bestimmt die Mär von den Industrie-bestochenen Wissenschaftlern.
    Gegen die gentechnische Herstellung von Medikamenten ist man vor reichlich 20 Jahren mit ähnlichen “Argumenten” vorgegangen. Manche lernen eben nie und recyceln nur ihre Antikapitalismus – Kritik, suchen sich nur neue Sündenböcke. Origineller wird die dadurch nicht.

  13. Die Ahnung der Ahnungslosen

    Was mich immer besonders nervt, dass diese vorgeblichen Besserwisser immer von “genfreien Pflanzen” sprechen. Schon mal gemerkt, dass alle Pflanzen Gene haben? Aber hier zeigt sich eben, mit welcher Vorbildung diese Leute an das Thema gehen. Vermutlich wird die Sicht vom Schaum vor dem Mund vernebelt. 😉

  14. Besserwisser

    Mich nerven ja mehr und mehr die Besserwisser, die immer wieder darauf herumreiten, dass “genfrei” falsch sei. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Gentechnikgegner wissen, was sie meinen, wenn sie “genfrei” sagen. Es ist eben kürzer als “nicht genetisch modifiziert”.

  15. Ich sehe das ähnlich wie Joachim und die Wortwahl war auch nicht Gegenstand meiner Kritik. Denn jeder weiß, was gemeint ist.

    Natürlich bleibt ein Nachgeschmack, wenn wir uns auf Begriffe wie „radioaktive Strahlung“, „genfrei“ oder „chemiefrei“ einlassen. Wenn jemand „genfreie Pflanzen“ fordert, wird ihm/ihr sicher nicht der gleiche Grad an ernstgenommen-werden zuteil, als wenn der nicht-missverständliche Begriff verwendet worden wäre.

    Für „genfrei“ gibt es etwa einen kurzen, unmissverständlichen Begriff: gentechnikfrei oder gentechfrei. „Genfrei“ ist doch schon recht irreführend.

    Wenn man das Thema ernsthaft diskutieren möchte, sollte man möglichst exakt bleiben und die „besseren“ Begriffe verwenden, einfach auch, um Missverständnisse zu vermeiden. So ist „genetisch modifiziert“ etwas anderes als „gentechnisch modifiziert“, weil man so Züchtung und biotechnologische Eingriffe begrifflich voneinander abgrenzt.

    In der Alltagssprache kann ich solche Ungenauigkeiten aber gut tolerieren.

  16. genfrei

    Ob die, die solche unpräzisen Begriffe verwenden, wissen, dass sie nicht richtig sind, ist irrelevant. Ich bin gegen solche Wortwahl, weil sie Methode hat: atomfrei, genfrei, Decarbonisierung, CO2-frei etc. Es sind Schlagworte, die in erster Linie Kampagnen dienen und Emotionen schüren sollen. Sie tragen nicht zur Aufklärung bei, sondern bewirken das Gegenteil: Das Abschalten des Gehirns.

Schreibe einen Kommentar