Plagiat und Fälschung – zwei verschiedene Paar Schuhe?

BLOG: Detritus

Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Obwohl mich die Diskussion um Plagiator Guttenberg nun schon etwas nervt, weil der Fall eigentlich nicht klarer sein könnte, will ich versuchen, mich dem Thema auf etwas andere Weise zu nähern.

Sind Plagiate denn wirklich schädlich für die Wissenschaft? Immerhin schmückt man sich mit fremden Federn, mit Ideen, die einem nicht „gehören“, hintergeht das Vertrauen der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Vertrauen ist ein Wert von grundsätzlicher Bedeutung in der Wissenschaft. Aber entsteht wirklich jemandem ein Schaden? Kann man Ideen denn überhaupt „besitzen“?

Das Plagiat fälscht am ehesten den Urheber einer Idee. Die Mechanismen der Publikationspraxis greifen nicht besonders gut, wenn es um das Aufdecken von Fälschungen und fabrizierten Daten geht, das hat die jüngere Vergangenheit mit dem Photoshop-Skandal um die Arbeit in der Arbeitsgruppe der deutschen Immunologin Silvia Bulfone-Paus wieder gezeigt. Das etablierte Gutachterverfahren (peer review) dient in erster Linie dazu, Arbeiten nach Kriterien wie Validität, Relevanz, Originalität zu überprüfen. Wie Ali Arbia von den Scienceblogs es auf den Punkt bringt:

„Ungenaues arbeiten, das systematische Suchen nach statistischer Signifikanz, selektives zitieren, zur Seite schieben von negativen Resultaten oder post hoc Hypothesen bilden sind alles unschöne akademische Sünden, die aber im existierenden Kontroll-System kurze Beine haben.“

Fälschungen fliegen oftmals erst auf, wenn es anderen Forschern misslingt, die Ergebnisse zu publizieren. Negative Ergebnisse werden nicht publiziert, und dazu kommt, dass bei unbedeutenden Ergebnissen eher seltener versucht wird, diese zu reproduzieren, wodurch Fälschungen langfristig unentdeckt bleiben könnten. Einige Studien haben Besorgnis erregende Tendenzen ans Licht gebracht, was wie das Laborjournal berichtet

Vertrauen in die Ehrlichkeit der Wissenschaft ist aber äußerst wichtig – ganz ohne Vertrauen muss das System scheitern. Nicht auszudenken, es wäre die Regel, konkurrierende Forscher des wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu beschuldigen, vor allem, wenn einem die Ergebnisse nicht passen, und den eigenen Ideen entgegenstehen.

Fälschungen sind ohne Zweifel schädlich für die Wissenschaft. Kann man das Plagiat, also „abschreiben“ und „geistiger Diebstahl“ wirklich damit auf eine Stude stellen? Immerhin betrügt man nur den nicht-Zitierten um die Zitation, ein direkter materieller Schaden entsteht deshalb wohl kaum. Es ist auch unwesentlich für die Idee an sich, wer sie vorbringt, oder gegebenenfalls bekannt macht. Der Gehalt einer Hypothese ist entscheidend, und wenn eine Idee sich durchsetzt, dann am ehesten, weil sie gut ist, und geäußerter Kritik standhält.

Trotzdem: „Moralisch betrachtet sind Plagiate Katastrophen, aus dem Blickwinkel guter wissenschaftlicher Praxis und unter dem Aspekt des Erkenntnisfortschritts gleichfalls“ sagt Prof. Roland Schimmel der FH Frankfurt am Main in seiner aktuellen Anleitung „Zum erfolgreichen Plagiat in zehn einfachen Schritten“. Prüfungsrechtlich ist es selbstverständlich Betrug: „In der Prüfung geht es um die Leistung des Prüfungsteilnehmers, nicht irgendeine fremde Leistung.“

Und Schaden entsteht dem Zitierten doch: es wird ihm die gebührende Anerkennung und Aufmerksamkeit vorenthalten. Faktoren, die motivieren, und mit dem Ansehen und einem guten Ruf, wertvollen Kontakten und weiteren Zitationen bewirken können.

Den Doktoranden und anderen Wissenschaftlern stellt sich die Frage: Weshalb soll ich mir den Kopf zerbrechen, wenn ich mich einfach bei anderen bedienen kann? Wenn wir uns die Ideen nur ausborgen, anstatt selbst zu denken, whoer sollen dann die neuen Ideen kommen?

Ohne Grundvertrauen in den Wissenschaftsbetrieb ist der Bevölkerung auch recht schwer zu vermitteln, weshalb Milliarden Euro jährlich in die Forschung gesteckt werden sollten. Wer plagiiert, schreckt womöglich auch vor der Fälschung von Daten und Schlimmerem nicht zurück. So möchte man sein Geld nicht investiert sehen.

Ich denke, im aktuellen Fall ist dieser Schaden für das Ansehen der Wissenschaft wohl der größte. Dass der Vorfall auch noch bagatellisiert wird, macht die Sache noch schlimmer. So wird der Eindruck erweckt, dass Guttenbergs Vergehen nicht der Rede wert sind, und das das ja irgendwie alle so machen.

Das einzige, was wir gegen so einen Eindruck tun können: Es besser machen, also mit bestem Beispiel voran gehen. Und uns von der Praxis des Abschreisbens so weit wie möglich distanzieren.

Kleiner Hinweis: Unter Umständen ist das oben nicht ganz zu Ende gedachter „Gedankenabfall“. Umsomehr freue ich mich über Kommentare und Anregungen!

Links und Literatur

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

3 Kommentare

  1. Bagatelle

    Es wird im Falle Gutenberg nichts bagatellisiert.
    Wenn aber nur die Arbeit eines einzigen Abgeordneten untersucht wird – und die der anderen Akademiker im Bundestag nicht – dann kommt mit Recht der Eindruck auf, dass es sich hier nur um eine gezielte politische Rufmord-Kampagne handelt. Dies ist auch der Grund, warum so viele Menschen weiter zu Guttenberg halten – obwohl er eindeutig fehlerhaft gehandelt hat.

    Ein weiterer Punkt, der bei dieser aktuellen Diskussion als störend empfunden wird – ist seine unwissenschaftlichkeit. Es wird grandios über eine Arbeit geurteilt, ohne sie überhaupt gelesen zu haben – peinlicher geht´s wohl nicht. Es wird nirgendwo über den geistigen Inhalt dieser Arbeit gesprochen. Hat er nur kopiert oder hat er mit Hilfe dieser kopierten Beiträge etwas Neues geschaffen.

  2. Hallo KRichard!

    Natürlich wird bagatellisiert, Guttenberg spricht von „Fehlern“, obwohl man von „schwerem wissenschaftlichen Fehlverhalten“ sprechen müsste, und von der CSU selbst kommt kaum Kritik. Von den quasi-religiösen Jüngern will ich gar nicht erst anfangen.

    Nur weil seine Arbeit als einzige kritisiert wird (was sich momentan ja zu ändern scheint), und nur weil sie inhaltlich kaum beachtet wurde, werden die Plagiate nicht weniger schwerwiegend. Dazu kommt, dass wenn man in den Kernabschnitten, wo man selbst folgern muss (wie der Einleitung) schon absatzweise übernimmt, dann stellt sich eine inhaltliche Frage doch kaum noch – die Mindestanforderungen einer Dissertation werden nicht erfüllt.

  3. Der Schaden mit dem Abschreiben ohne Angabe des Originals ist nicht wie beim herkömmlich-materiellen Diebstahl: Bei materiellem Diebstahl wird einem etws weggenommen, das er dann also nicht mehr besitzt, während es jmd anders stattdessen unrechtmäßig besitzt.

    Bei geistigem “Diebstahl” geht die Idee dem Originalbesitzer nicht verloren ABER der Anstand gebietet es, dessen Urheberschaft zu belegen. Und zwar z.B. deshalb, damit der andere nicht um seinen Ruhm gebracht wird: Es könnte doch sein, dass jmd (A) eine Idee von Person B bekommt und das Buch oder Paper von A eben mehr gelesen wird, als B’s Original – oder dass aus irgendwelchen gesellschaftlichen Gründen A’s Veröffentlichung vor der von B erscheint (sagen wir z.B. aus finanziellen, sozialen oder politischen Gründen: A hat gute Kontakte zu irgendeinem Verlag und kriegt’s einfach schneller durch oder B wohnt in anderem Land, in dem gerade Krieg oder Ausnahmezustand die Publikation verhindern… , obwohl beide gleichzeitig darüber geredet haben und die Idee von B stammt, wäre dann B um die “Lorbeeren” gebracht, wenn A ihn nicht zitieren würde). Das wäre ungerecht – und würde vllt erst durch Historiker aufgedeckt.

    Der Schaden im Fall Guttenberg ist m.E. nicht, dass da jemand falsch zitiert hat. Vielmehr sind solche Fälle (er ist ja nicht der erste) ein Warnschuss und sollten der Wissenschaftspolitik und der gesellschaftlichen Wertigkeit Fragen aufgeben.

Schreibe einen Kommentar