Vorurteile in der Physik III: Raumzeit und Materie – Folgerungen

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Ansichten eines Physikers
Die Natur der Naturwissenschaft

In Teil II dieser Folge über Vorurteile in der Physik hatte ich über die Einsichten berichtet, die wir durch die Etablierung der Speziellen Relativitätstheorie gewonnen haben. Dass es physikalische, durch “Einfühlung in die Erfahrung” gewonnene Prinzipien sind, die uns die Eigenschaften von Raum und Zeit erschließen können, wurde noch deutlicher mit der Allgemeinen Relativitätstheorie.  Hier zeigt sich, dass auch die Vorstellung von einem starren Gerüst der Raumzeit ein Spezialfall ist. Jeder materieller Körper, jedes elektromagnetische Feld, alles, was Energie trägt, führt zu einer Deformation des Gerüstes. Das Gerüst ist  nun endgültig kein Gefäß mehr, in der die Natur wirkt. Es “spielt nun mit”,  steht in Wechselwirkung mit den anderen Dingen der Welt und wird bedingt durch diese. 

Mit der Speziellen Relativitätstheorie hat man zwar Raum und Zeit zu einer vierdimensionalen Raumzeit zusammen gefügt und man betrachtet  nun Inertialsysteme in dieser Raumzeit.  Der Übergang von einem Inertialsystem zu einem anderen wird durch die so genannten Lorentz-Transformationen beschrieben, die eine Verallgemeinerung der aus der Newtonschen Physik bekannten Galilei-Transformationen sind.  Da die Naturvorgänge  in allen Inertialsystemen gleich sind, sollten die Gleichungen für die Naturgesetze unter Lorentz-Transformationen kovariant sein, d.h. ihre Form und damit ihren Inhalt  nicht ändern.

Aber es stand  immer noch die Frage im Raum, wo denn ein ideales Inertialsystem zu finden ist, ob es im Universum irgendwo wirklich ein Fundamental-Koordinatensystem gibt.  Praktisch war diese Frage nicht so dringend, sie wies aber darauf hin, dass das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit  wohl nicht falsch, aber noch nicht ganz ausreichend sein musste.

Sollte es wirklich ein ausgezeichnetes Bezugsystem geben, das so etwas wie eine absolute Ruhe und eine absolute Bewegung bestimmt?  Können Koordinatensysteme denn Eigenschaften der Natur widerspiegeln?  Sind sie sie nicht eher ein Netz von Markierungspunkten,  mit Hilfe derer man die Beziehungen in Raum und Zeit bestimmen kann, und müssen diese Beziehungen in der Natur nicht unabhängig von diesem Netz, dem Koordinatensystem sein.  Ist somit  nicht jedes Netz im Prinzip so gut wie ein anderes?  

Das Äquivalenzprinzip

In einem Bezugssystem, das sich relativ zu einem Inertialsystem beschleunigt bewegt, treten aber nun einmal andere Effekte auf.  Unsere Astronauten, die in einer  Raketenkapsel um die Erde kreisen, fühlen sich schwerelos.  Sie sind im “freien Fall um die Erde”, aber auch bei einem direkten freien Fall,  in Richtung der Erde also, ist man schwerelos, im Gegensatz zu einem Beobachter auf der Erde.  Es besteht als ein deutlicher Unterschied, aber dieser hat System:  Ein Beobachter, der sich in einer nach außen abgeschirmten  Kabine  in einer Schwerelosigkeit befindet, kann aus diesem Umstand alleine nicht entscheiden, ob er in einem Gravitationsfeld frei fällt oder ob er sich in einer gravitationsfreien Umgebung befindet.

Diese Überlegung wird auch durch die Bewegungsgleichungen für die beiden physikalischen Situationen gestützt. Und darin spielen zwei Größen eine entscheidende Rolle, die in allen Gleichungen stets mit dem gleichen Buchstaben benannt werden, die beide auch für die “Masse” eines Körpers stehen, aber eigentlich höchst unterschiedliche physikalische Bedeutungen haben.  Einmal tritt die Masse als “träge” Masse auf, da sie bestimmt, welche Beschleunigung ein Körper unter Einwirkung einer Kraft erfährt, und einmal als “schwere”  Masse, da sie in dem Ausdruck für die Kraft eingeht, die ein Körper in einem Gravitationsfeld erfährt. Die Verwischung dieses Unterschiedes  sah man darin gerechtfertigt, dass man für beide Massen auch stets den gleichen Wert misst.  Aber erklären konnte man das nicht;  diese  Gleichheit war immer eine Annahme in der Newtonschen Mechanik gewesen, die nie ernsthaft problematisiert wurde.

Die  Beziehung zwischen Beschleunigung und Gravitation machte Albert Einstein zum Ausgangspunkt der Allgemeinen Relativitätstheorie.  Später hat er diese  Idee  zu den “glücklichsten Gedanken seines Lebens”  gezählt.  Sie führten ihn zu dem, was man heute das Äquivalenzprinzip nennt.  Allgemein formuliert man es  so (z.B. [1]):  Für jeden Raumzeitpunkt in einem beliebigen Gravitationsfeld ist es möglich, ein lokales, d.h. für diesen Raumzeitpunkt spezifisches Inertialsystem zu finden, so dass in einer genügend kleinen Umgebung dieses Punktes die Gesetze der Physik mit Ausschluss der Gravitation gelten.  Dabei sind mit den Gesetze der Physik die Gesetze der speziellen Relativitätstheorie gemeint.

Ausgehend von einem Bezugssystem, dem Laborsystem z.B.,  kann man also stets zu einem Inertialsystem übergehen, in dem die Gravitation sozusagen “wegtransformiert” ist.  Das ist das Bezugssystem des frei Fallenden, der sich eben schwerelos fühlt.  Diese  Transformation ist in der Regel von Raumzeitpunkt zu Raumzeitpunkt verschieden, die dabei formulierten Inertialsysteme sind aber alle äquivalent, d.h. in ihnen gelten die Gesetze der Speziellen Relativitätstheorie.

Damit hat sich die Suche nach einem idealen Inertialsystem erledigt.  Man braucht sich nur der Gravitation zu überlassen, dann befindet man sich schon im Bezugspunkt eines idealen Inertialsystems, in dem die Naturgesetze gelten, wie sie von der Speziellen Relativitätstheorie beschrieben sind.  Allerdings, und das ist der springende Punkt,  gilt das nur in einer genügend kleinen Raumzeit-Umgebung.  Man nimmt also Abschied von der Vorstellung eines globalen Inertialsystems.

In einen erdgebundenen Labor kann man sich natürlich nicht der Gravitation überlassen, wohl aber in einem Fallturm (siehe Wikipedia)  oder als Astronaut.  Man kann aber, wie Galilei es getan hat, das Rollen einer Kugel auf einer absolut ebenen Fläche studieren, (bei  der die Gravitationskraft  durch die Unterlage kompensiert wird), und dabei das Trägheitsgesetz entdecken:  Die Kugel behielte  ihren Bewegungszustand bei, wenn man auch noch die Reibungskraft vermeiden könnte, also völlig kräftefrei wäre.

Gekrümmte Räume

Ich will mich der Idee, wie sich das Äquivalenzprinzip in einem mathematischen Modell auf natürliche Weise realisieren lässt, nähern, indem ich von einem Beispiel aus dem Alltag erzähle.  Wir kennen alle einen Globus, der in einem bestimmten Maßstab die Regionen auf der Erde darstellt.  Zur Orientierung auf der Erde hat man ein Koordinatensystem eingeführt, das heute jeder in der Schule kennen lernt:  die Längen- und die Breitengrade. Auf dem Globus sind sie auch deutlich markiert. Die Längengrade laufen in den Polen zusammen, der Kreisumfang der Breitengrade wächst zum Äquator hin.  Jeder Ort auf der Erde kann so durch seine Länge und Breite gekennzeichnet werden. 

Die Oberfläche des Globus ist eine Fläche, aber keine wie ein flaches Blatt Papier, sondern eine gekrümmte: Schneidet man einen Teil aus dem Globus aus, so kann man diesen nicht “glatt streichen”, ohne dass irgendwo Risse auftreten.  Wird dieser Teil aber genügend klein, so sind die Risse bald vernachlässigbar.  Je kleiner diese gekrümmte Fläche ist, um so eher kann man sie auch als flach bezeichnen.  Die Oberfläche des Globus bzw. der Erde (wenn man diese als ideale Kugel ansieht) kann also als zweidimensionaler gekrümmter Raum bezeichnet werden, der “im kleinen” bzw.  lokal  flach ist.

In einem flachen zweidimensionalen Raum, auf einem Blatt Papier also, haben wir gelernt, ein kartesisches Koordinatensystem einzuführen, Kreise und Dreiecke zu zeichnen und die Euklidischen Gesetze der Geometrie zu entdecken, insbesondere auch die Distanz zwischen zwei Punkten aus den Koordinaten mit dem Satz des Pythagoras zu bestimmen. 

Für größere Regionen auf dem Globus bzw. der Erde, für den Fall also, in dem die Krümmung nicht mehr vernachlässig ist,  wird die Euklidische Geometrie nicht mehr taugen. Es gibt auf dem Globus z.B. Zweiecke, das sind zwei Längengrade, die sich in den beiden Polen berühren. Man kann leicht ein Dreieck angeben, in dem die Winkelsumme größer als 180 Grad ist:  Man ziehe eine Linie vom Nordpol aus entlang eines Längengrades bis zum Äquator, laufe diesen ein Stück entlang und kehre zum Äquator zurück.  Da die Winkel zwischen Längengraden und Äquator schon jeweils 90 Grad betragen, ergibt sich auf jeden Fall eine Winkelsumme größer als 180 Grad.

Die Oberfläche des Globus ist also ein nicht-euklidischer zweidimensionaler Raum.  Die  kürzeste Linie zwischen zwei Punkten ist auch hier etwas Besonderes, nur nennt man sie nicht mehr Gerade, sondern Geodäte.  Auf dem Globus ist ein Längengrad z.B. eine Geodäte –  ein Breitengrad allerdings nicht, vom Äquator einmal abgesehen. Der kürzeste Flugroute von Europa in die USA über den Atlantik ist ja nicht die entlang eines Breitengrades sondern z.B. eine über Grönland.  Mit einer “Geraden”  im üblichen, d.h. euklidischen Sinne hat eine Geodäte also nicht mehr viel zu tun. Metrische Eigenschaften wie die Länge von Wegen werden durch die so genannte Metrik bestimmt, einem Satz von Funktionen, die vom Ort auf der Kugel abhängen, und aus der man auch ein Maß für Krümmung  an jedem Ort gewinnen kann. 

Dieses  Bild eines zweidimensionalen gekrümmten Raumes vor Augen werden wir uns nun wieder der Raumzeit zu.  Diese ist vierdimensional. Uns fehlt zwar das Anschauungsvermögen für einen solchen Raum, wir können aber nun in Analogie zu unserem Beispiel mit dem Globus verstehen, was damit gemeint ist, wenn man von einer  gekrümmten bzw. nicht-euklidischen Raumzeit ausgeht.  

Die Krümmung an jedem Punkt der Raumzeit wird auch durch eine Metrik bestimmt.  In der Speziellen Relativitätstheorie ist die Metrik euklidisch, genauer gesagt, pseudo-euklidisch, denn die Zeit spielt immer noch eine andere Rolle als die Raumkoordinaten.  Auf jeden Fall aber ist diese Raumzeit ist als flach zu bezeichnen, die Krümmung ist überall gleich Null. 

Bei Berücksichtigung der Gravitation müssen wir von einer Krümmung an jedem Punkt der Raumzeit ausgehen.  Aber so, wie es um jedem Punkt der Oberfläche einer Kugel einen genügend kleinen Bereich gibt, in dem das Gesetz von Pythagoras gilt, soll man nach dem Äquivalenzprinzip  in der allgemeinen, gekrümmten  Raumzeit um jeden Punkt einen Bereich finden können, in dem die Gesetze der Speziellen Relativitätstheorie gelten.   

Man muss also die Flachheit der Raumzeit aufgeben, um von einem globalen Inertialsystem los zu kommen. (Man darf andererseits aber auch nur solche gekrümmten Raumzeiten zulassen, für die lokale Inertialsysteme existieren können.)

Das allgemeine Relativitätsprinzip

Um nun zu Bewegungsgleichungen zu gelangen, die die unter dem Einfluss von Gravitationskräften gelten, müsste man also nur die entsprechenden Gleichungen für Inertialsysteme finden und diese auf das Bezugssystem des Beobachters  transformieren.  Die neu auftretenden Terme, die durch die Transformationsformeln hinein getragen werden, müssten dann in Terme umgedeutet werden, die von der Metrik bzw. Krümmung der Raumzeit stammen.  Das wäre ein außerordentlich schwieriges Unterfangen, zum Glück gibt es eine viel einfachere Methode, die aus zwei Aussagen resultiert, welche aus dem Äquivalenzprinzip folgen.  Diese lauten:

– Die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie gelten auch in Abwesenheit von Gravitationsfeldern. Setzt man in den Gleichungen also  als  Metrik  die der flachen Raumzeit ein, so müssen sich die Gesetze der Speziellen Relativitätstheorie ergeben.
– Die Gleichungen sind allgemein kovariant, d.h. sie behalten ihre Form unter allgemeinen Koordinatentransformationen.

Man nennt diese beiden Aussagen das Allgemeine Relativitätsprinzip (z.B. [1]), weil nun  allgemeine Koordinatentransformationen  ins Spiel  kommen  und Koordinatensysteme  nun auch wirklich nur als ein Netz von Markierungspunkten erscheinen. Die Gleichungen beschreiben so nach einer allgemeinen Koordinatentransformation  immer noch dieselben Beziehungen zwischen Messgrößen der Natur. Die Beobachtungsgrößen selbst können dabei  je nach Bezugsystem andere Werte annehmen, die gesetzmäßigen Beziehungen aber bleiben stets dieselben.

Das soll nun nicht heißen, dass alle Koordinatensystem auch die gleichen Dienste tun. Nicht umsonst steht die Idee des absoluten Raums und die der Inertialsysteme am Anfang einer Theorie der Bewegungen, und in Inertialsystemen sehen doch die Phänomene viel einfacher und übersichtlicher aus.  Es gibt eben einen  Unterschied zwischen Beziehung und Phänomen.  Ein Phänomen kann kompliziert erscheinen, aber dennoch auf einfachen Beziehungen beruhen.  Die Beziehungen zwischen Beobachtungsgrößen z.B. bei der  Bewegung der Planeten um die Sonne sind grundsätzlich immer die gleichen, weil die physikalische Situation ja immer die gleiche ist. Das Phänomen sieht aber von der Erde aus betrachtet anders aus als von der Sonne.  Von der Erde aus vollführen die Planeten komplizierte teilweise rückläufige Schleifenbahnen am Himmel, von der Sonne aus gesehen sind diese Bahnen aber, wie Kepler entdeckte, einfache Ellipsen.  Allerdings konnte man erst  in diesem Bezugssystem auf die Idee kommen, dass  die Ursache für die Bewegung der Planeten in einer einfachen Kraft liegt, die Sonne und Planeten aufgrund ihrer Masse auf einander ausüben.  Für die Beziehungen der physikalischen Größen ist das Bezugsystem also nicht entscheidend, wohl aber dafür, wie sich diese “unserem Auge” darbieten und wie sie uns zur Aufdeckung einer Regelmäßigkeit in der Natur anregen.

Nach dem Allgemeinen Relativitätsprinzip braucht man also nur von den Gesetzen der Speziellen Relativitätstheorie auszugehen und die Gleichungen für eine gekrümmte Raumzeit in kovarianter Form umzuschreiben.  Es zeigt sich, dass das in sehr übersichtlicher formaler Weise möglich ist und man erhält so z.B. die Maxwell-Gleichungen in einer gekrümmten  Raumzeit.

Bestimmung der Metrik der Raumzeit durch Massen und Felder

Es bleibt die Frage, wodurch denn die Krümmung der Raumzeit bestimmt sein soll. Irgendwie muss sie natürlich durch die Gravitationsfelder bestimmt sein, man kann somit  die Metrik als Ausdruck der  Gravitation betrachten.  Albert Einstein sah eine Parallele zur Elektrodynamik: So wie die elektromagnetischen Felder durch elektrische Ladungen und Ströme bestimmt sind, müssten die Felder der Raumzeit-Metrik durch entsprechende Quellen verursacht werden,  und da mussten die Massen materieller Körper ins Spiel kommen. Die Spezielle Relativitätstheorie legte nahe, in welcher Form diese als Quellen der Gravitation in Frage kommen;  insgesamt hatte Einstein wenig Spielraum bei der Formulierung der Fundamentalgleichung.  Das zeigt, wie mächtig die Prinzipien waren, von denen er  ausging.  Massen und auch elektromagnetische Felder bestimmen nach Maßgabe dieser Einsteinschen Feldgleichung schließlich die Metrik und damit das Gravitationsfeld.

Für einen einzelnen materiellen Körper, wie z.B. für die Sonne, kann man die Metrik bzw. das Gravitationsfeld nach Maßgabe der Einsteinschen Feldgleichung relativ leicht ausrechnen.  Die erste Prüfung für die Einsteinschen Feldgleichungen ist natürlich die Frage, ob man das Newtonsche Gravitationsgesetz als Näherung wieder findet.  Das zeigt sich leicht, und die zusätzliche Terme, die über diese Näherung hinaus gehen, lösen sogar ein altes Problem der Himmelsmechanik:  Bei den Berechnungen der Bahn des Planeten Merkur hatte sich bisher bezüglich seiner Periheldrehung  immer eine Diskrepanz mit den Beobachtungen ergeben. Berücksichtigte man nun  die zusätzlichen Terme, so verschwand diese Diskrepanz. Viele weitere Tests waren erfolgreich und sind ausführlich diskutiert worden, so dass die Allgemeine Relativitätstheorie heute als etabliert gilt.

Damit sind nun nicht mehr nur Raum und Zeit untrennbar mit einander verbunden, sondern auch die Dinge der Welt mit der Raumzeit, die sich nun als ein Feld von metrischen Verhältnissen darstellt.  Die Koordinaten stellen also nun nur noch ein Netz von Markierungspunkten da;  alle Distanzen, Zeitspannen und geometrischen Aussagen sind mit Hilfe der Metrik zu bestimmen.  Raum und Zeit existieren nur zusammen mit den Dingen und sind von diesen abhängig, und umgekehrt bewegen sich die Dinge nach Maßgabe des Gravitationsfeldes  bzw. der Metrik der Raumzeit.

Erdachte Prinzipien oder a-priori Erkenntnisse

Die Aussagen der Relativitätstheorien über Raum und Zeit haben unter denen, die diese Theorien studiert oder ihre experimentellen Folgerungen geprüft haben,  große Begeisterung hervorgerufen. Es  gab aber unter Philosophen, Theologen und selbst bei einigen Physikern auch heftigsten Widerspruch.  Die Tatsache, dass Einstein aus einem  physikalischen Prinzip etwas über  Raum und Zeit folgern konnte, das sich empirisch bewährte, stand auch im Widerspruch zu den Aussagen  von Kant, nach denen Raum und Zeit keine empirischen Begriffe sind sondern nur Formen der Anschauungen,  die “a priori, d.i. vor aller Wahrnehmung eines Gegenstandes , in uns angetroffen werden.”   Es wurden verschiedene Strategien angewandt, um damit fertig zu werden [2-4].  Darauf will ich hier nicht eingehen.  Für die Frage, wie in der Physik Erkenntnisse gewonnen werden,  lässt sich daraus nichts lernen.

An der Entwicklung der Relativitätstheorien kann man aber folgendes lernen:  Natürlich ist es so, dass eine physikalische Theorie auch nicht-empirische Annahmen verlangt.  Frei nach Einstein kann man das so formulieren [5]:  “Aus bloßer Empirie allein kann die Erkenntnis nicht erblühen, sondern nur aus dem Vergleich von Erdachtem mit dem Beobachteten.”  Im Falle der Speziellen Relativitätstheorie ist das “Erdachte”  das Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, im Falle der Allgemeinen Relativitätstheorie ist es das Äquivalenzprinzip.  Es bedurfte eines Genies, um zu sehen, dass aus dem  “Erdachten” jeweils eine logische Ordnung in der Menge der empirischen Befunde “erblüht”.  Solche  Annahmen bilden wie  a priori Urteile den nicht-empirischen Teil einer Theorie.  Sie werden aber nicht als grundsätzlich unumstößlich angesehen, sondern sind  eben “freie Erfindungen des menschlichen Geistes” (Einstein), und ihre einzige Rechtfertigung ist die, dass mit ihrer Hilfe eine Theorie begründet werden kann, d.h. dass eine große Anzahl von empirischen Aussagen aus ihnen abgeleitet werden, eben eine logische Ordnung hergestellt  werden kann.  Die Relativitätstheorien sind die übersichtlichsten Beispiele für solche Theorien.  Bei einer Konkurrenz von  Theorien stehen also auch immer  verschiedene Prinzipien oder Grundannahmen im Wettstreit.  Das Ziel  ist immer  “mit einem Mindestmaß von Hypothesen oder Axiomen ein Maximum von Erlebnisinhalten durch logische Deduktion zu umspannen” [6].

Mit dem Fortschreiten der Physik werden die Prinzipien immer abstrakter, allgemeiner und insbesondere mächtiger in dem Sinne, dass mit ihnen immer größere Phänomenbereiche  logisch geordnet werden können.  Diese Entwicklung auf der Ebene der Prinzipien und Begriffe bedeutet aber nicht, dass mathematische Gleichungen und Berechnungen im Rahmen eines früheren Entwicklungsstandes als falsch angesehen werden müssen.  Die Newtonsche Theorie der Bewegung besitzt einen großen Gültigkeitsbereich, hat sich dort bewährt und diese Bewährung kann nicht plötzlich eine Illusion gewesen sein.  Die Newtonsche Theorie führt also auch heute noch zu verlässlichen Einsichten und ist weiterhin  Grundlage für die Technik, wenn auch ihre Prinzipien im Lichte einer Theorie, die einen größeren Phänomenbereich umspannt  wie der Allgemeinen Relativitätstheorie, als vorläufig, ja als Vorurteile erscheinen.

Lehren aus der Geschichte der Vorurteile

Lässt man die bisher besprochenen Vorurteile und deren Überwindung noch einmal vor seinem geistigen Auge Revue passieren, so fällt einen eine Gemeinsamkeit sofort auf:  Alle diese Vorurteile beruhen jeweils auf einer Annahme, deren  Anspruch auf Allgemeinheit irgendwann als ungerechtfertigt erkannt wird: “Alles ist Mechanik” –  “Für alles in der Welt haben wir ausreichendes Vorstellungsvermögen” –  “Inertialsysteme sind global” – “Raum und Zeit verhalten sich im ganzen Universum so, wie wir sie in unserer Lebenswelt erfahren .”  Dass diese Annahme so klar ausgesprochen wird wie in der Phase des mechanistischen Weltbildes, ist in der Physik wohl eher die Ausnahme. Auf Gewohnheiten muss man in der Regel aufmerksam gemacht werden, das ist bei Denkgewohnheiten nicht anders. 

 

1. Weinberg, Steven: Gravitation and Cosmology, J. Wiley & Sons, 1972

2. Hentschel, Klaus:  Interpretationen und Fehlinterpretationen der speziellen und der allgemeinen Relativitätstheorie durch Zeitgenossen Albert Einsteins,  Birkhäuser, 1990

3. Hentschel, Klaus:  Einstein, Neokantianismus und Theorienholismus’,  Kantstudien 78  (1987), 198, pp. 459-470.

4. Lyre, Holger:  Kants „Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft“: gestern und heute,    DZPhil, Berlin 54 (2006) 3, 1–16

5.  Einstein, Albert:   Johannes Kepler, 1930, in A. Einstein: Mein Weltbild”, Ullstein, Nr. 65,  1959. Dort heißt es: “Aus Keplers wunderbaren Lebenswerk erkennen wir besonders schön, dass aus bloßer Empirie allein kann die Erkenntnis nicht erblühen kann , sondern nur aus dem Vergleich von Erdachtem mit dem Beobachtetem.” 

6. Einstein, Albert:   Das Raum-, Äther- und Feldproblem der Physik,  1930, in A. Einstein: Mein Weltbild”, Ullstein, Nr. 65,  1959

 

 

 

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Josef Honerkamp war mehr als 30 Jahre als Professor für Theoretische Physik tätig, zunächst an der Universität Bonn, dann viele Jahre an der Universität Freiburg. Er hat er auf den Gebieten Quantenfeldtheorie, Statistische Mechanik und Stochastische Dynamische Systeme gearbeitet und ist Autor mehrerer Lehr- und Sachbücher. Nach seiner Emeritierung im Jahre 2006 möchte er sich noch mehr dem interdisziplinären Gespräch widmen. Er interessiert sich insbesondere für das jeweilige Selbstverständnis einer Wissenschaft, für ihre Methoden sowie für ihre grundsätzlichen Ausgangspunkte und Fragestellungen und kann berichten, zu welchen Ansichten ein Physiker angesichts der Entwicklung seines Faches gelangt. Insgesamt versteht er sich heute als Physiker und "wirklich freier Schriftsteller".

30 Kommentare

  1. Urteilsvermögen in der Physik

    > Ein Beobachter, der sich in einer nach außen abgeschirmten Kabine in einer
    Schwerelosigkeit befindet, kann aus diesem Umstand alleine nicht entscheiden, ob er in einem Gravitationsfeld frei fällt oder ob er sich in einer gravitationsfreien Umgebung befindet.

    Offenbar doch: sofern die fragliche Kabine mindestens vier unterscheidbare, und vom fraglichen Beobachter selbst verschiedene, Bestandteilen hatte (was sicherlich schon deshalb erforderlich
    ist, um “außen” von “nicht außen” zumindest begrifflich zu unterscheiden),
    können diese mindestens fünf unterscheidbaren Beteiligten wohl die “five point curvature detector”-Methode (nach Synge) anwenden, um festzustellen, ob sie zueinander gekrümmt waren (bzw. die sie enthaltende Region gekrümmt war), oder nicht.

  2. Diese ganze

    Serie über ‘Vorurteile’ wäre gemeinverständlicher, wenn der grundsätzliche Wesenszug der modernen (Natur-)Wissenschaft, nämlich anerkannterweise mit Vorurteilen zu arbeiten, um diese ggf. durch “bessere” Vorurteile zu ersetzen, einmal klar und gemeinverständlich beschrieben wäre.

    Was hiermit geschehen ist.

    Damit auch andere keinen Honig saugen können, Sie, Herr Honerkamp, haben hier eine gewisse Verantwortung die niederen Brüder betreffend, die sich auch als wissenschaftlich unterwegs schimpfen,
    MFG
    Dr. W

  3. @Frank Wappler, 17.04.2013, 10:52

    Das ist wohl richtig, aber hier noch nicht relevant. Es geht erst einmal um das Prinzip, und der Beobachter wird als Punktteilchen betrachtet.

  4. Der Rest ist Bärenfutter

    Josef Honerkamp schrieb (18.04.2013, 10:24):
    > […] der Beobachter wird als Punktteilchen betrachtet.

    Gern; aber die im Beitrag erwähnte “nach außen abgeschirmte Kabine” lässt sich ganz prinzipiell und ausdrücklich nicht als ein einziges “Punktteilchen” betrachten, oder?

  5. @Frank Wappler

    Beim Äquivalenzprinzip müssen Koordinatenallergiker ganz besonders tapfer sein. Da wird ja gesagt, dass es stets möglich ist, die Gravitation lokal durch eine Darstellung in geeigneten Koordinaten quasi wegzuzaubern. Natürlich ist die Gravitation damit nicht verschwunden, sondern nur geschickt versteckt.

    John Synge schreibt deshalb im Vorwort seines GR Buches auch, dass er gar nicht verstehen kann, wieso die Physiker hier überhaupt von Äquivalenz reden. Und dass umgekehrt die Physiker nicht verstehen, warum er nicht verstehen kann, was sie ganz toll finden. Dessen ungeachtet ist ihm der “Trick” mit den Riemannschen Normalkoordinaten ungemein wichtig. So wichtig, dass er denen im Kontext der GR sogar einen besonderen Namen verpasst, er nennt sie quasi-Cartesian.

  6. Mutprobe

    Chrys schrieb (19.04.2013, 09:45):
    > […] Darstellung in geeigneten Koordinaten

    Der obige Beitrag (Josef Honerkamp, 15. April 2013, 21:14) weist sicher nicht umsonst darauf hin, dass das, was an physikalisch bzw. geometrisch Bedeutsamen/Nachvollziehbarem darzustellen ist (d.h. “diese Beziehungen in der Natur“, “Beziehungen zwischen Messgrößen der Natur“) auch unter “allgemeinen Koordinatentransformationen” nachvollziehbar dargestellt bzw. “beschrieben” bleibt.

    Also — und jetzt heißt es wohl tapfer sein! — insbesondere auch für alle denkbaren Koordinatentransformationen, die nicht irgendwo (oder gar: “fast überall”) stetig wären, oder sogar differenzierbar, oder womöglich noch glatter.

    Koordinaten, sofern man sie überhaupt einsetzen möchte, verstehen sich demnach schlicht als Menge von “Markierungspunkten“, durch die das, was unterscheidbar ist (verschiedene Beteiligte bzw. verschiedene Anzeigen jeweils eines Beteiligten) entsprechend verschieden benannt ist. Das ist die einzige Forderung an Koordinaten; und alle Koordinatenzuordnungen, die das leisten, sind offenbar gleichermaßen “geeignet”“.

    > […] wieso die Physiker hier überhaupt von Äquivalenz reden

    Entsprechend Einsteins bekannter Forderung geht es um eine bestimmte, nachvollziehbare Messmethodik, anhand der im konkreten Fall geometrische Beziehungen zwischen (hinreichend vielen unterscheidbaren) Beteiligten festzustellen sind. Und das heißt insbesondere: ggf. vor allem von diesen Beteiligten selbst einvernehmlich festzustellen sind.

    Bestimmte geometrische Beziehungen, z.B. von Bestandteilen eines rohen Eis (einschl. “Kabine/Schale”) untereinander, wie sie durch Anwendung von Synges “five point curvature detector”-Methode festgestellt wurden, bedürfen keiner Referenz zu geometrischen Beziehungen eventueller weiterer Beteiligter; egal ob diese vielleicht “Koch” oder “Jongleur” oder “Astronaut” heißen.

  7. @Frank Wappler

    Der obige Beitrag (Josef Honerkamp, 15. April 2013, 21:14) weist sicher auch nicht ohne Grund darauf hin, dass nicht “alle Koordinatensysteme auch die gleichen Dinste tun,” sowie auf die Einsicht, dass “aus bloßer Empirie […] allein die Erkenntnis nicht erblühen [kann]”.

    Einsteins Problem, wie man die Physik vom starren Bezugskörper zur Bezugsmolluske bringt — oder populär gesagt, wie man das Eckige in das Runde kriegt — ist vorrangig keine Frage von Empirie. Und so kommt es auch, dass es die Nicht-Empiriker bereits lange gelöst hatten, als Einstein durch die Physik darauf stiess (vgl. Einstein 1916, Fussnote in §24).

  8. Gimme an “f”; gimme an “r”; gimme an “e”

    Chrys schrieb (19.04.2013, 18:44):
    > Der obige Beitrag (Josef Honerkamp, 15. April 2013, 21:14) weist sicher auch nicht ohne Grund darauf hin, dass nicht “alle Koordinatensysteme auch die gleichen Di[e]nste tun,”

    Worin bestünde denn ein solcher eventueller “Dienst“?; den es z.B. als ein (im obigen Beitrag so bezeichnetes) “Netz von Markierungspunkten” anders bzw. besser erfüllen würde, als “ein Staub von Markierungspunkten” (wie ich etwas wohl eher nennen würde, dessen Dienst allein im Markieren/Benennen/Unterscheiden läge).

    Ist es dafür nicht auch notwendig, geometrische Beziehungen unter all dem in Betracht zu ziehen, was es da zu markieren/benennen/unterscheiden gäbe?
    Und lassen sich die entsprechenden geometrischen Beziehungen (“Kausalbeziehungen”, Beziehungen als “metrischer Raum” oder geeignete Verallgemeinerung, usw.) nicht sowieso ohne Referenz zu irgendwelchen Koordinaten feststellen und darstellen?

    > sowie auf die Einsicht, dass “aus bloßer Empirie […] allein die Erkenntnis nicht erblühen [kann]”.

    Da kann ich mich, auch im Sinne Einsteins, ja nur anschließen:
    man muss sich zuerst auf eine bestimmte Definition von Messgrößen (Messmethoden/Operatoren) festlegen, um im Anschluss damit (eventuell) Messwerte zu gewinnen und/oder auf dieser Grundlage bestimmte Erwartungswerte/Modelle in Betracht zu ziehen.

    > Einsteins Problem […] dass es die Nicht-Empiriker bereits lange gelöst hatten, als Einstein durch die Physik darauf stiess (vgl. Einstein 1916, Fussnote in §24).

    (Das bezieht sich offenbar nicht direkt auf die in §8 aufgeworfenen Probleme, wie denn zumindest im Prinzip festzustellen sei, ob zwei gegebene, voneinander getrennte Beteiligte (“A” und “B”; evtl. auch zusammen mit weiteren geeigneten Beteiligten, soweit erforderlich) gegenüber einander “ruhten”, oder nicht;
    und wie denn zumindest im Prinzip festzustellen sei, ob ein gegebener Beteiligter “Mitte zwischen” zwei (anderen, voneinander getrennten) geeigneten Beteiligten gewesen sei.)

    Was eventuelle Lösungen (irgendwelcher wesentlicher mit Geometrie bzw. Kinematik befasster Probleme) angeht, verweist MTW jedenfalls insbesondere auf “Ehlers, Pirani, Schild” (“EPS”), und deren Beiträge deutlich nach Einstein.

    Was dabei angeboten wird, ist allerdings kaum nachvollziehbar/brauchbar, solang nicht das (darin aufgeworfene) Problem gelöst wäre, wie denn zumindest im Prinzip festzustellen sei, ob ein gegebener Beteiligter während eines betrachteten Versuches “frei” gewesen sein, oder nicht.

    Mit diesem Problem befasste sich noch deutlich nach EPS (u.a.?) U. Schelb im Artikel “Characterizability of Free Motion in Special Relativity”, Found. Phys. 30, 6, 867 (2000). (Ich nehme an, dass ich dich nicht zum ersten Mal auf diese Referenz hinweise. &)

    Was dabei angeboten wird, ist allerdings kaum nachvollziehbar/brauchbar, solang nicht das (darin per Referenz auf einen Artikel von V. Perlick aufgeworfene) Problem gelöst wäre, wie denn zumindest im Prinzip festzustellen sei, ob irgendeine Parametrisierung der Anzeigen eines gegebenen Beteiligten,
    t : { A_ } –> R,
    “differenzierbar” bzgl. der Dauer dieses Beteiligten zwischen Paaren seiner Anzeigen wäre …

  9. @Frank Wappler

    Was Perlick als “experimentelle Methode” bezeichnet, sind geometrische Kriterien dafür, ob die Paramatrisierung einer zeitartigen Weltlinie proportional zur Bogenlänge ist. Anders gesagt, er will “experimentell testen”, ob eine ideale Uhr à la Penrose ideal ist, ohne direkt die Definition zu verwenden. Volker Perlick scheint eine sehr flexible Vorstellung davon zu haben, was man als “experimentell” bezeichnen kann. Dem NIST Optical Clock Team dürfte für seine Experimente damit nicht sonderlich gedient sein, die haben offensichtlich ganz andere Sorgen beim Zählen und Anzeigen von Oszillationen.

    Unser (möglicherweise) punktförmiger Physiker, der in seiner (möglicherweise) punktförmigen Kabine über das Äquivalenzprinzip in seinen verschiedenen Formulierungen grübelt, kommt mit Perlick und Scheib gewiss auch auf keinen grünen Zweig bei der Frage, welche Dienste hierbei bestimmte Koordinaten leisten. Mein Leihexemplar von MTW habe ich jetzt nicht mehr, aber nach meiner generischen Erinnerung reduziert sich das Äquivalenzprinzip in der MTW-Darstellung auf die, äh, “Aquivalenz” von Kommata und Semikola. Also das, was in anderen Worten auch hier gesagt wird (http://people.hofstra.edu/…/diff_geom/Sec13.html):

    A3 (Strong Equivalence Principle) All physical laws that hold in flat Minkowski space (ie. “special relativity”) are expressible in terms of vectors and tensors, and are meaningful in the manifold M, continue to hold in every frame (provided we replace derivatives by covariant derivatives).

    Na gut, damit wäre zumindest die “shut up and calculate”-Fraktion sicherlich bestens bedient. Aber was bedeutet das ganz praktisch für unseren Physiker in seiner Kabine? So ganz banal ist die Sache insgesamt nicht, wie mich auch ein eher willkürlicher Griff ins arXiv lehrt, der über meinen physikalischen Horizont weit hinausreicht:
    http://arxiv.org/abs/0707.2748

  10. Noch angemerkt

    In seinem Lehrbuch der Mathematischen Physik, Vol.1, stellt auch Walter Thirring fest, “[…] das Äquivalenzprinzip gilt nur im unendlich Kleinen.

    Soll heissen, nur ein infinitesimal kleiner Physiker in einer infinitesimal kleinen Kabine kann darinnen unmöglich herausfinden, was eigentlich los ist.

  11. just enough rope to knock yourself in

    Chrys schrieb (21.04.2013, 17:09):
    > Was Perlick als “experimentelle Methode” bezeichnet, sind geometrische Kriterien dafür, ob die Paramatrisierung einer zeitartigen Weltlinie proportional zur Bogenlänge ist.

    Schön/nachvollziehbar wär’s ja, wenn er diese fraglichen Kriterien daraus konstruieren würde, was man jedem Beteiligten zugestehen kann; nämlich die Reihenfolge (oder Koinzidenz) seiner Wahrnehmungen zu beurteilen.

    Aber ich vermute, auch Perlick verquirlte seine Kriterien mit irgendwelchen Begriffen, die zwar eventuell auf _manche_ Beteiligten (einzeln, oder zu mehreren) in _manchen_ Versuchen zutreffen sollen, aber wohl eben nicht grundsätzlich auf _jeden/alle_ Beteiligen, in _jedem_ Versuch; und die deshalb wiederum zunächst einer Definition bedürften, d.h. der Konstruktion einer “Methode zur Feststellung ob“.
    (Du hast ja scheinbar den fraglichen Perlick-Artikel insgesamt parat, während ich davon bestenfalls noch einige wenige Fotokopie-Blätter irgendwo herumliegen habe.)

    > Unser (möglicherweise) punktförmiger Physiker, der in seiner (möglicherweise) punktförmigen Kabine

    Nein! – Wer “in” schreibt, als wäre damit eine bestimmte/nachvollziehbare Beziehung zwischen Physiker/Astronaut und “Kabine” gemeint, der kann doch nicht allen Ernstes die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass (auch) die “Kabine” eventuell “punktförmig” sein könne.
    Die Beziehung zwischen zwei Punkten (oder auch zwischen zwei geordneten Mengen von Anzeigen/Punkten) ist lediglich “koinzident”, oder “nicht koinzident”; während “in” (oder “nicht in“) eine Beziehung zwischen einem bestimmten Punkt und (mindestens) vier (i.A. anderen) Punkten benennt.

    (Darüberhinaus sind wir uns ja hoffentlich darin einig, dass dieses Argument sowohl für Punkte im strikten Sinne, als auch für einzelne Beteiligte mit ihrer jeweiligen geordneten Menge von Anzeigen gilt. (Ob du damit einverstanden bist, solche geordneten Mengen der Kürze halber auch dann “Weltlinien” der einzelnen Beteiligten zu nennen, falls damit nicht unbedingt irgendeine bestimmte Zuordnung von Koordinaten verbunden wäre, habe ich übrigens immer noch nicht herausgefunden … &))

    > Strong Equivalence Principle All physical laws that hold in […]

    Na diese Sprach-Molluske hat ja gerade noch gefehlt! Was soll denn hier mit “physical law” gemeint sein: Messmethoden/-operatoren? Oder Messwerte?

    > […] in flat Minkowski space (ie. “special relativity”)

    Womit wir (wieder mal?) bei der Frage wären, durch welche Methode denn zumindest im Prinzip festgestellt/unterschieden werden sollte/könnte, ob (hinreichend viele) gegebene Beteiligte (bzw. der “space“, in dem sie enthalten waren) “flach” war, oder nicht (bzw. in wie fern nicht).

    Die schon erwähnte Box 13.1 (MTW) zeigt in diesem Zusammenhang ja einen Vorschlag von Tartaglia (in Form einer bestimmten Determinante; und ich hätte es sehr geschätzt, wenn an dieser Stelle gleich auf Cayley und Menger sowie Synge hingewiesen worden wäre, und sogar ganz allgemein auf Gram). Bleibt eben “nur” noch zu klären, woher den Versuch für Versuch die Koeffizienten-Werte kommen sollen, damit mal die jeweilige Determinante berechnen könnte.

    > Dem NIST Optical Clock Team dürfte für seine Experimente damit nicht sonderlich gedient sein, die haben offensichtlich ganz andere Sorgen beim Zählen und Anzeigen von Oszillationen.

    Solange dieses Team (bzw. all jene, die sich damit identifizieren) noch nicht mal begreift, geschweige denn ernst nimmt, dass zu jedem Versuch in dem ein bestimmter Oszillator eine bestimmte positive Anzahl p von “Oszillationen” zählte, sich für _jede_ positive Zahl q ein (vom ersten unterscheidbarer) Oszillator vorstellen und eventuell sogar auffinden lässt, der währenddessen q “Oszillationen” zählte – solange haben die offensichtlich ganz andere Sorgen, als sie (Experimental-)Physiker umtreiben.

  12. @Frank Wappler

    »Na diese Sprach-Molluske hat ja gerade noch gefehlt! Was soll denn hier mit “physical law” gemeint sein: Messmethoden/-operatoren? Oder Messwerte?«

    Na worauf wollen MTW ihre “comma to semicolon”-Regel denn angewendet sehen?

    Im übrigen darf man recht gewiss sein, dass Einstein selbst nie gesagt hat, Gravitation sei Krümmung von Raumzeit. Das wird ihm zwar gerne und oft unterstellt, so auch von Roger Penrose in der Einleitung zu einer Sonderausgabe von Einsteins populärem Büchlein. Etwas Licht ins Dunkel der epigonalen Verwirrungen um das Äquivalenzprinzip hatte John Norton hier einmal zu bringen versucht: [What was Einstein’s Principle of Equivalence?]. “Gravitation = Krümmung”, das wäre demnach unvereinbar mit Einsteins vorrangigem Streben nach einer allgemein covarianten Formulierung jeglicher physikalischer Gesetzmässigkeiten.

    Eine Messmethode zur Feststellung, ob die Raumzeit nun flach ist oder nicht — nach so etwas hat Einstein folglich nie gesucht, weil die Raumzeit-Geometrie aus seiner Sicht noch gar keine Physik ist, eher nur ein nützliches Mittel zum höheren Zweck.

  13. Gültigkeitsbereich

    Es ist selbstverständlich, dass auch diese Theorie “nur” in ihrem Gültigkeitsbereich gilt.

    D.h. es ist nicht unbedingt klar, was außerhalb – z.B. bei Längen kleiner als der Planck-Länge oder bei anderen Vakuumstrukturen oder bei den Einflüssen der Dunklen Materie (alternativ MOND) passiert.

  14. Richtigstellung

    Meine Bemerkung zu Penrose (23.04.2013, 12:09) muss ich korrigieren. Der Wortlaut ist anders, als es mir in Erinnerung war.

    But it was an insight of a quite different and very powerful kind that led Einstein to realize that the key ingredient to space-time curvature was gravity.

    Da ist keine unzutreffende Unterstellung. Die hierbei angesprochene Einsicht ist gerade das Äquivalenzprinzip.

  15. Law w/o Law, Gerüst ohne Gerüst

    Chrys schrieb (23.04.2013, 12:09):
    > Na worauf wollen MTW ihre “comma to semicolon”-Regel denn angewendet sehen?

    Na offenbar auf irgendwelche Differentialgleichungen;
    wobei die Beispiele in MTW (S. 387) wohl mehr oder weniger entfernt damit zu tun haben, wie “Ströme” zu vergleichen wären bzw. wie festzustellen wäre, ob gewisse geschlossene (Hyper-)Flächen von “T-Flux” (oder von “Ladungs”-Flux) durchdrungen wurden.

    Die experimentelle Feststellung, welche Ereignismengen eine (Hyper-)Fläche bildeten, und welche nicht, ist aber bestimmt recht anspruchsvoll; sogar wenn man mit A. A. Robb davon ausgehen würde, dass “Reihenfolge”-Beziehungen zwischen allen Ereignissen von vornherein als Beobachtungsdaten gegeben wären (und nicht nur die zeitartigen “Reihenfolge”-Beziehungen und die entsprechenden “causal diamonds”).

    > [… die] epigonalen Verwirrungen um das Äquivalenzprinzip

    Was mir diesbezüglich nachvollziehbar (und geradezu selbstverständlich) erscheint, kann ich wiederholen (vgl. 19.04.2013, 12:03, sowie mehrfach vorher):
    Die Feststellung von (im weitesten Sinne) geometrischen Beziehungen betrifft in erster Linie diejenigen, die an der fraglichen Beziehúng direkt beteiligt sind; und muss (zumindest im Prinzip) insbesondere von diesen Beteiligten selbst einvernehmlich gewonnen werden. Irgendwelche “Mitläufer”, “frame”-Elemente, “Aufzugseile” und/oder “Propeller” sind dabei egal. (Ach ja — und erst recht: irgendwelche Koordinaten. Sowohl überhaupt, als auch insbesondere so weit sie im Sinne Nortons “adequate” bzgl. irgendwelcher bestimmter Mitläufer wären.)

    > Eine Messmethode zur Feststellung, ob die Raumzeit nun flach ist oder nicht — nach so etwas hat Einstein folglich nie gesucht

    Mag sein — sofern es dabei eben um die “beliebigen Mitläufer” geht.
    (Die über Einsteins Auffassungen herfielen. &)
    Aber doch unbedingt nach Definition/Messmethodik zur Feststellung geometrischer Beziehungen zwischen direkt Beteiligten; z.B. zwischen einem “Astronauten” der (möglicherweise) ohne weitere unterscheidbare Bestandteile ist, und einer “Kabine drumherum”, die (notwendiger Weise) zahlreiche unterscheidbare Bestandteile hat.

    p.s.
    Hat Einstein eigentlich jemals Robb kommentiert bzw. erklärt, warum er dessen Methodik offenbar nicht als “Ja, so geht das!” anerkannte?

  16. (Un-)Gültigkeit … kennt kein Pardon!

    Frank Wappler schrieb (24.04.2013, 00:18):
    > […] irgendwelche Koordinaten [sind egal]. Sowohl überhaupt, als auch insbesondere so weit sie im Sinne Nortons “adequate” bzgl. irgendwelcher bestimmter Mitläufer wären.

    Korrektur:
    die Charakterisierung bestimmter Koordinaten in der Hinsicht, ob dadurch bestimmte Beziehungen (zwischen Bestandteilen bestimmter “frames“) repräsentiert sind, oder nicht, nennt sich bei John Norton im oben (23.04.2013, 12:09) verlinkten Artikel ( http://www.pitt.edu/…ton/papers/ProfE_re-set.pdf ) nicht “adequate” (bzw. “not adequate”), sondern “adapted” (bzw. wie auch immer die Gegenteilige Charakterisierung genannt würde).

    Da es sich dabei offenbar insbesondere um die Repräsentation (bzw. Nicht-Repräsentation) von (geo-)metrischen Beziehungen (zwischen “frame“-Bestandteilen) handeln soll, entspricht der Nortonsche Begriff “adapted” wohl dem “good” von MTW und dem “ideal” von Penrose.

  17. @Frank Wappler

    »Na offenbar auf irgendwelche Differentialgleichungen; wobei die Beispiele in MTW …«

    Ein Beipiel dazu wird ja auch im Blogtext genannt: “Es zeigt sich, dass das in sehr übersichtlicher formaler Weise möglich ist und man erhält so z.B. die Maxwell-Gleichungen in einer gekrümmten Raumzeit.«

    Für Synge ist das eher nur eine komfortable Art und Weise, Differentialausdrücke in einer gekrümmten Raumzeit zu definieren. Einen tieferen physikalischen Sinn, der die Bezeichnung Äquivalenz rechtfertigen würde, kann er darin nicht erkennen. Anders für Einstein, den Norton wie folgt zitiert (aus der Antwort an Friedrich Kottler):

    The requirement of general covariance of equations embraces the principle of equivalence as a quite special case.

    Zur Kontroverse um Einsteins Vorstellung von allgemeiner Covarianz hat John Norton noch einiges zu bieten. Unter anderem dieses: [Did Einstein stumble? The debate over general covariance].

    Keine Ahnung, ob sich Einstein jemals über Robb geäussert hat. Umgekehrt hat Robb die Relativität der Gleichzeitigkeit entschieden abgelehnt, anscheinend hielt er deutlich mehr von Lorentz als von Einstein.

    Wie ich Norton verstehe nennt er ein Koordinatensystem “adapted to a given frame of reference” wenn die x⁴-Koordinatenlinien gerade die Weltlininien der durch (x¹,x²,x³) markierten Punkte des gegebenen Bezugskörpers (“frame of reference”) sind. Mehr scheint da noch nicht gefordert.

  18. Apropos Babypopo

    Chrys schrieb (25.04.2013, 07:20):
    > […] im Blogtext genannt: “Es zeigt sich, dass das in sehr übersichtlicher formaler Weise möglich ist und man erhält so z.B. die Maxwell-Gleichungen in einer gekrümmten Raumzeit.

    Deshalb fragt sich einmal mehr, worin denn die Methode bestehen soll, um im konkreten Fall (im konkreten Versuch, mit konkreten Beteiligten) festzustellen, ob dieser konkrete Versuch “in einer gekrümmten Raumzeit” stattgefunden habe, oder nicht.
    Falls es für diese scheinbare begriffliche Unterscheidung gar keine nachvollziehbare Definition/Methode gäbe, sollte man den Begriff, der die vermeintliche Unterscheidbarkeit suggeriert, ganz weglassen (oder anders gesagt: sich mit Ockhams Klinge abrasieren). Und zwar insbesondere auch beim Versuch der Fomulierung bzw. Diskussion des “Äquivalenzprinzips
    (sofern ein solcher Versuch dann überhaupt noch denkbar wäre).

    > Keine Ahnung, ob sich Einstein jemals über Robb geäussert hat.

    Anlass genug dafür wäre im Zusammenhang mit Einsteins Gleichzeitigkeitsdefinition ja gewesen
    (d.h. der zumindest einigermaßen nachvollziehbaren, aus “Relativitätstheorie. Gemeinverständlich”, §8, 1917). Vielleicht ist ja der 1. weltkrieg dazwischengekommen.

    > Umgekehrt hat Robb die Relativität der Gleichzeitigkeit entschieden abgelehnt

    Das ist aber (auch) interessant! (Hast du vielleicht eine Quellenempfehlung, bitte?)
    Hat Robb etwa die in §8 dargelegte Methode abgelehnt oder kritisiert?
    Oder “nur” die sprachlich unbeholfene Darstellung, die sich in §9 usw. auswirkt;
    also (dann sicherlich) dass Einstein nicht nur die Zeiten/Zeigerstellungen/Anzeigen jeweils
    eines Paares von bestimmten Beteiligten einander “gleichzeitig” oder “nicht gleichzeitig” nennt (z.B. von einer bestimmten Bahndammschwelle und einer anderen bestimmten Bahndammschwelle; oder von einer bestimmten Lokomotive und einem bestimmten Bremserkabäuschen), sondern sich immer auf Paare von ganzen Ereignissen bezieht, die natürlich i.A. alle möglichen verschiedenen Beteiligten haben (nämlich sowohl eine bestimmte Bahndammschwelle, als auch ein bestimmtes “Stück Zug”, u.v.a.m.)?

    > Wie ich Norton verstehe nennt er ein Koordinatensystem “adapted to a given frame of reference” wenn die [x^4]-Koordinatenlinien gerade die Weltlininien der durch [( x^1, x^2, x^3 )] markierten Punkte des gegebenen Bezugskörpers (“frame of reference”) sind.

    Norton schreibt ja von “curves of the frame“.
    Du beschreibst nur ein (zweifellos sehr gutes) Beispiel dafür;
    aber nur eines von offenbar vier verschiedenen.
    Du beschreibst damit nur einen (zweifellos sehr wichtigen) “Aspekt der Adaption (oder Nicht-Adaption)” von mehreren; nämlich (im Umkehrschluss) etwa:
    “ein Koordinatensystem heißt zu einem gegebenen Bezugskörper nicht adaptert, falls nicht jeder seiner Punkte durch ein bestimmtes, konstantes Tripel ( x^1, x^2, x^3 ) markiert ist”.

    Aber es lassen sich ja offenbar z.B. auch die Mengen von “Elementen des gegebenen Bezugskörpers” betrachten, die durch ein bestimmtes, konstantes Tripel ( x^1, x^2, x^4 ) markiert sind; für alle in Betracht kommenden Werte von x^3.
    Durch Anwendung welche Methode wäre denn festzustellen, ob die so markierte Menge eine “curve of the frame” bildete, oder nicht?;
    (im konkreten Fall eines bestimmten “gegebenen Bezugskörpers“, dessen Elemente in
    bestimmter Weise mit den Zahlentupeln ( x^1, x^2, x^3, x^4 ) markiert sind, und sogar ausdrücklich so, dass die Bedingung deines Beispiels erfüllt ist).

    Anders ausgedrückt:
    im Wort “Bezugskörper” scheint ein (un-?-)gewisses Vorurteil mitzuschwingen, dessen möglicherweise einschneidenden Folgen man wohl ausweichen könnte, wenn man stattdessen “Bezugspuder” oder noch besser “Bezugsgestöber” sagen/denken würde.

  19. @Frank Wappler

    »Deshalb fragt sich einmal mehr, worin denn die Methode bestehen soll, …«

    Krümmung der Raumzeit ist hier zu verstehen als eine geometrische Beschreibung der Feldstärke eines Schwerefeldes. Was physikalisch zu messen ist, wäre die Gravitation. Wie misst der Physiker so etwas? Normalerweise vermutlich nicht mit Ockhams Klinge.

    Einstein sah auch die Scheinkräfte bei einem rotierenden Zylinder als Gravitation an. Wenn schwere und träge Masse dasselbe sein sollen, erscheint das konsequent. Zwar ist die Raumzeit für ein “rotierendes zylindrisches Vakuum” flach, da lokal isometrisch zu Minkowski. Die Raumgeometrie des Zylinders ist in co-rotierenden Koordinaten aber nicht flach, und Kreisschnitte orthogonal zur Drehachse haben negative Gausssche Krümmung an allen Punkten mit Radius r > 0. Physikalisch wäre das gerade die Zentrifugalkraft.

    Der rotierende Zylinder zeigt gewisse Schwierigkeiten auf. Zentrifugalkräfte sind physikalisch messbar, und im Falle eines “rotierenden zylindrischen Vakuums” hätte man diese allein durch Koordinatentransformation erzeugt. Das ist offensichtlicher Unsinn! Die Konsequenz wäre, dass ein “rotierendes zylindrisches Vakuum” physikalisch unsinnig ist. Das heisst aber auch, dass sich mit stumpfsinnigem Transformieren von Koordinaten sehr schnell physikalischer Nonsense erhalten lässt. Sinnvoll ist das alles hingegen noch als Näherung für einen rotierenden massiven Zylinder, wenn dessen Energie-Impuls als vernachlässigbar klein gilt.

    Robb schreibt zur Relativität der Gleichzeitigkeit in Geometry of Time and Space (CUP, 1936). Das beginnt dort auf p. 11:

    The view which was put forward by Einstein was that events could be simultaneous for one observer but not simultaneous for another moving with respect to the first.
    This view, in my opinion, gives an air of unreality to the external world which cannot be justified; since the events might be the impacts of particles moving with respect to one another, and therefore associated with different “local times”, although an impact necessarily involves both particles which impinge and cannot be described without mention of both.

    Und geht dann weiter bis p. 13:

    It is perhaps desirable to point out that it is Einstein’s philosophy which I am here attacking and not his mathematics.
    This is all the more justifiable, in that the conception of “local time” as a mathematical quantity was introduced, not by Einstein, but by others who did not hold his views.

    Zum Bezugskörper. Die vierte Koordinate ist bei Norton zeitartig, während die anderen raumartig sind. Ein Koordinatensystem “adapted to a given frame of reference” ist ein Ruhesystem für diesen “given frame of reference”. Die Vokabel “Bezugskörper” entstammt ja Einsteins Terminologie, Norton will daran gewiss nichts sinnentstellend ändern.

  20. Hat-tricks

    Chrys schrieb (26.04.2013, 11:04):
    > Zum Bezugskörper. Die vierte Koordinate ist bei Norton zeitartig, während die anderen raumartig sind. […]

    Na gut — erst nachdem ich den vorausgehenden Kommentar (25.04.2013, 11:23) abschickt hatte, war mir aufgefallen, dass ich Norton etwas “quergelesen” hatte, und dort wirklich nur diese eine der denkbaren vier Koordinatenbedingungen für “Adaption” ausdrücklich gezeigt ist.

    Jede Teilmenge der Elemente eines “gegebenen Bezugssystems“, deren Elemente durch ein bestimmtes Tripel ( x^1, x^2, x^3 ) markiert sind, soll also “identifizierbarer Punkt” bzw. “timelike curve of the frame” heißen. So weit, so schön.

    Aber Norton verwendet (“gleich daneben”) auch den Begriff “spacelike curve (of the frame)“.
    Ist das nicht vielleicht auch relevant für “Adaption”?

    Sind Zuordnungen von Koordinaten-Quadrupeln ( x^1, x^2, x^3, x^4 ) zu den Elementen eines “gegebenen Bezugssystems” denkbar, bei denen zwar jede “timelike curve of the frame” durch ein bestimmtes Tripel ( x^1, x^2, x^3 ) markiert ist, aber die trotzdem “nicht adaptiert“ wären (nämlich hinsichtlich “spacelike curves (of the frame)” bzw. “Raumartigkeit”)?

    Bzw.: Durch welche Methode stellt sich Norton vor, dass “spacelike curve (of the frame)” von irgendwelchem (anderen) “spacelike dust (of the frame)” unterschieden werden sollte?

    (Denn: allein irgendeine Zuordnung von Koordinaten reicht dafür ja nicht aus, weil ja auch eine Grundlage benötigt wird, um alle möglichen Koordinaten-Zuordnungen in “adaptierte” und „alle anderen“ zu unterscheiden. (Ob wohl Begriffe aus der Kategorie-Theorie geeignet wären, solche Zusammenhänge unmissverständlich auszudrücken? &))

    > Die Vokabel “Bezugskörper” entstammt ja Einsteins Terminologie

    Aber in §8 (mit Vorwort vom Dez. 1916!) bringt er doch recht deutlich zum Ausdruck:
    solange sich irgendein Wort, das er mal gebraucht haben mag, nicht auf eine nachvollziehbare “Methode zur Feststellung ob” gründet, ist es als Makulatur zu betrachten.
    (Gewiss: diese, meine Lesart ist recht unhistorisch … aber didaktisch! 😉

    > Krümmung der Raumzeit […] Feldstärke eines Schwerefeldes […] Gravitation. Wie misst der Physiker so etwas?

    Jedenfalls nicht indem man nach Dynamik/Variationsrechnung zu haschen versucht, bevor man Geometrie/Kinematik im Griff hätte.

    Zunächst wäre doch zu fragen: was hat der Physiker (allerdings: auch der Nichtphysiker!) denn überhaupt im Baukasten, um Messmethoden daraus zu konstruieren? Was kann als axiomatisch gelten (und müsste/könnte demnach gar nicht durch eine “Methode zur Feststellung ob” begründet sein)?
    Offensichtlich nicht weniger als Verständnis des Begriffs “Methode zur Feststellung ob” an sich; aber, nach Einsteins Forderung, auch nicht mehr.
    Und dazu gehört sicherlich die Fähigkeit, andere Beteiligte als sich selbst in Betracht zu ziehen und ggf. zu unterscheiden (sonst wäre z.B. nicht von “Methode” sondern vielleicht von “Eigenart”), und die Fähigkeit, die Reihenfolge (oder Koinzidenz) seiner Wahrnehmungen zu beurteilen (sonst wäre z.B. nicht von “Feststellung, ob” die Rede, sondern vielleicht von “Anweisung, dass”) und eine Vorstellung von mathematischen Begriffen, angefangen mit Booleschen Werten (sonst wäre z.B. nicht von “ob” die Rede, sondern vielleicht von “wozu”, oder “lsmf”.)

    Welche Methoden also hat/hätte Einstein konstruiert, unter Annahme von (hinreichend vielen) Beteiligten, die zumindest im Prinzip sich gegenseitig beobachten, unterschieden und wiedererkennen können, und von denen jeder einzelne die Reihenfolge (oder Koinzidenz) seiner Wahrnehmungen bzw. Anzeigen beurteilen kann?

    Na, als denkbar einfachstes Beispiel: nehmen wir fünf … nein … sechs Beteiligte und fragen (jeden dieser Beteiligten), ob für jede Anzeige er/sie/es die Wahrnehmungen der anderen fünf koinzident wahrgenommen hatte, oder nicht.

    Falls ja (für alle sechs): dann waren sie dabei jedenfalls zueinander krumm bzw. “im Krummen” (und keinesfalls “im Flachen, aber rotierend”; so wie es eventuell fünf Beteiligte sein könnten, die die beschriebene Bedingung/Versuchsanordnung/Zustandsbeschreibung untereinander erfüllen).

    Sicherlich sind noch erheblich kompliziertere Konstruktionen/Messmethoden vorstellbar (s. Robb &).

    > Zentrifugalkräfte sind physikalisch messbar

    Müsste man dazu nicht zuerst “Masse”, “Ladung”, “usw.” der verschiedenen Beteiligten kennen?
    Stolpert da nicht schon wieder die Dynamik der Kinematik voraus !?

    Es ist jedenfalls einfach genug (vgl. 15.04.2013, 11:32) für drei Beteiligte (“K”, “M” und “Q”) rein geometrisch/kinematisch zu unterscheiden bzw. festzustellen, ob sie (untereinander) “rotierten”, oder nicht.
    (Ich bin in diesem Zusammenhang gerade auf einen Artikel von Pirani aufmerksam geworden: “A note on bouncing photons”, 1965. Aber das steckt ja sicher alles schon in Einsteins Begriff “Mitte” von §8, 1916/17, den er dort ja erst nach seiner schon zitierten eloquenten und eindringlichen Forderung benutzt hat.)

    > Robb schreibt zur Relativität der Gleichzeitigkeit in Geometry of Time and Space (CUP, 1936). Das beginnt dort auf p. 11:
    > The view which was put forward by Einstein was that events could be simultaneous for one observer but not simultaneous for another moving with respect to the first. […]

    Stimmt zwar, aber diese Auffassung Einsteins kommt eben erst in §9 usw. zum Tragen. (Und, historisch betrachtet, hat Einstein sich ja auch schon so geäußert, bevor er jenen §8 schrieb.) Dagegen kann man §8 weitgehend mit der Auffassung vereinbaren, dass “Gleichzeitigkeit” (oder “Ungleichzeitigkeit”, oder “keiner dieser Eigenzustände”) gar keine Beziehung zwischen zwei Ereignissen darstellen sollte, sondern “nur” eine Beziehung zwischen den Anzeigen zweier bestimmter Beteiligter; und dass Einsteins zitierte Auffassung folglich einen Kategoriefehler darstellt.

    > Und geht dann weiter bis p. 13:
    > […] that the conception of “local time” as a mathematical quantity was introduced, not by
    Einstein, but by others who did not hold his views.

    Wer hätte denn vor Einstein (Ann. Phys.17 891, 1905), und so gründlich wie Einstein dort, darauf hingewiesen, dass begrifflich zuallererst einmal

    […] an Stelle des Wortes „Zeit” die [Phrase] „Stellung des kleinen Zeigers meiner Uhr”

    bzw. “Anzeige jeweils eines bestimmten Beteiligten” zu setzen sei
    ?
    p.s.
    To do:
    “A geometric formulation of the equivalence principle”. R. A. Coleman, H.-J. Schmidt, 1993.

  21. @Frank Wappler

    Als Beispiel für einem Bezugskörper lässt sich ein Zylinder C denken, dessen Punkte im Raum durch Koordinaten (x,y,z) mit x = r cos φ und y = r sin φ beschrieben seien. Legt man C in den Minkowski Raum mit den Standard-Koordinaten (x,y,z,t), vermittels der Inklusionsabb. (x,y,z) → (x,y,z,0), dann ist die Weltlinie des Zylinderpunktes (x,y,z) durch die t-Koordinatenlinie γ(t) = (x,y,z,t) gegeben, falls der Zylinder ruht. Die Minkowski Standard-Koordinaten sind dann adaptiert an C.

    Rotiert jedoch der Zylinder im Minkowski Raum mit Winkelgeschwindigkeit ω > 0 um die z-Achse, so wird die Weltlinie von (x,y,z) beschrieben durch
    (x cos ωt − y sin ωt, x sin ωt + y cos ωt, z, t).

    Die Minkowski Standard-Koordinaten wären in diesem Fall nicht adaptiert an C, denn die Weltlinie des Punktes (x,y,z) ist hier keine t-Koordinatenlinie. Immer vorausgesetzt, dass ich Norton korrekt verstanden habe.

    Hat Einstein je irgendwo eine Methode benannt, nach der zu entscheiden wäre, ob ein gegebenes Objekt als “Bezugskörper” taugt oder nicht? In seinem Büchlein von 1916 nennt er diverse Beispiele (starrer Körper, Bahnwagen, Erdboden, Fahrdamm), und alles läuft offenbar darauf hinaus, was er in §3 schreibt:

    Indem wir statt „Bezugskörper“ den für die mathematische Beschreibung nützlichen Begriff „Koordinatensystem“ einführen, können wir sagen: […]

    Ob damit alle möglicherweise strittigen Fälle schon aus der Welt geschafft sind, bleibt fraglich. Aber soweit ich sehe ist das der beste Anhaltspunkt, den er dem lieben Leser an die Hand gibt um zu verstehen, was mit “Bezugskörper” gemeint ist. Natürlich ein gewisses Problem für Leute, die keine Koordinaten mögen.

  22. Sofern du das nicht befolgst, lieber E.,

    Chrys schrieb (27.04.2013, 14:56):
    > […] Koordinaten (x,y,z) mit x = r cos φ und y = r sin &phi
    > dann ist die Weltlinie des Zylinderpunktes (x,y,z) durch die t-Koordinatenlinie γ(t) = (x,y,z,t) gegeben, falls der Zylinder ruht. Die Minkowski Standard-Koordinaten sind dann adaptiert an C.

    Transformiere diese Koordinaten z.B. folgendermaßen:

    x → r Cos[ φ – Floor[ φ / π ] ],

    alles andere unverändert.
    (Oder falls irgendetwas außer dem “neuen x” dabei nicht unverändert bleiben könnte, dann: warum nicht?.)

    Sind die so gebildeten “neuen Koordinaten” ebenfalls “adaptiert an C“?

    > Legt man C in den Minkowski Raum mit den Standard-Koordinaten (x,y,z,t)

    Da liegt wohl mal wieder eine bloße Transformation der Wortwahl zugrunde (Ockham lässt grüßen! ;).

    Durch Anwendung welcher Methode wäre denn festzustellen, ob reelle Quadrupel aus R^4
    (oder meinentwegen auch aus dem Bereich
    { r } × { 0 ≤ φ < 2 π } × R × R
    )

    Standard-Koordinaten des Minkowski Raums” wären, oder nicht
    ??

    (Wobei ich natürlich — wieder einmal — nicht deshalb frage, weil ich mich für irgendwelche Koordinaten interessieren würde; sondern dafür, ob du nicht doch zugeben musst, irgendetwas Bestmmtes, Nachvollziehbares, Physisches außer irgendwelchen reellen Tupeln in Betracht zu ziehen.)

    > Hat Einstein je irgendwo eine Methode benannt, nach der zu entscheiden wäre, ob ein gegebenes Objekt als “Bezugskörper” taugt oder nicht?

    Nirgendwo ausdrücklich, so weit ich weiß.
    Allerdings ist naheliegend, was er als (axiomatische) Grundlage dafür vertretbar fand, irgendeine Methode für die Feststellung zu konstruieren, welche Bezüge ein gegebenes Objekt auszeichnen, und welche nicht;
    nämlich gerade diejenigen Fähigkeiten dem fraglichen Objekt insgesamt, oder jedem seiner (unterscheidbaren) Bestandteile zuzugestehen, die in [E02, §8] M zugestanden wurden (und die sich auch weitgehend mit denjenigen Fähigkeiten decken, die in [E01, Kinematischer Teil] A zugestanden wurden).

  23. @Frank Wappler

    Der Zylinder kam als eine Entgegnung auf die zuvor (26.04.2013, 15:17) gestellte Frage nach einem Beispiel mit nicht adaptierten Koordinaten.

    Die Formeln mit dem φ dienten nur der Verdeutlichung, dass mit der z-Achse, um die später rotiert werden soll, die Symmetrieachse des Zylinders gemeint war. Der Winkel φ spielt hier keine weitere Rolle. No red herrings, please!

    Standard Minkowski: http://en.wikipedia.org/…ki_space#Standard_basis

    Wo es um den Vergleich von Erdachtem mit Beobachtetem geht — was dem Einstein-Zitat aus dem Blogtext zufolge hier der Fall ist — da gehören Koordinaten ganz klar zum Erdachten. Die generelle und mutmasslich von Einstein empfohlene Methode, nach der zu beurteilt wäre, ob bestimmte Koordinaten passend oder unpassend zu einem in Betracht stehenden Problem gewählt sind, dürfte also Denken sein. Tut mir leid, eine bessere Idee fällt mir dazu nicht ein.

  24. Schwarz auf Weiß

    Chrys schrieb (27.04.2013, 23:26):
    > […] eine Entgegnung auf die zuvor (26.04.2013, 15:17) gestellte Frage

    Offenbar habe ich die Frage, die mich hinsichtlich John Nortons oben (23.04.2013, 12:09) verlinktem Artikel ( http://www.pitt.edu/…ton/papers/ProfE_re-set.pdf ) beschäftigt, und die ich spätestens seit 24.04.2013, 12:13, versucht habe, in (Suchmaschienen-lesbaren) Text zu fassen, immer noch nicht so formuliert, dass ich in dieser Entgegnung eine anständige Antwort auf meine Frage anerkennen könnte.

    Hiermit versuche ich nochmals, meine Frage(n) möglichst sorgfältig und selbstständig zu stellen:

    Norton beschäftigt sich offenbar mit Koordinatensystemen als (Teilmengen der) Menge R^4, durch deren Elemente, die Quadrupel “{ x_1, x_2, x_3, x_4 }”, die Elemente von “frames” eindeutig markiert sind, und er schreibt (S. 10, vorletzter Absatz), von bestimmten Koordinatensystemen, für die

    […] coordinates along curves, for which all but one coordinate is held fixed […]

    .

    Offenbar sind nicht alle beliebigen Teilmengen aller Elemente eines jeden bestimmten “frame“s von vornherein “curves” (sondern nur manche dieser Teilmengen).
    Demnach steht das Problem, wie festgestellt werden soll, ob die Elemente eines bestimmten, gegebenen “frame“s, die durch eine bestimmte Quadrupel-Ménge markiert wurden “for which all but one coordinate is held fixed” eine “curve” bilden, oder nicht.

    Weiterhein ist dabei nach Norton (S. 10, vorletzter Absatz) zu unterscheiden,

    […] whether the curve is time-like or space-like.

    Was “time-like curves” betrifft, ist das genannte Problem durch Nortons Betrachtungen (S. 10, Mitte) weitgehend gelöst:
    Falls die Elemente eines (jeden) bestimmten, gegebenen “frame“s, die durch eine bestimmte Quadrupel-Ménge mit konstantem x_1, x_2, x_3 (für beliebige x_4-Werte) markiert wurden, eine “[time-like] curve of the frame” bilden, dann bildet die so markierte Menge zwangsläufig eine “time-like curve“.

    (Dabei gelten “[time-like] curves of the frame“, bzw. (per 25.04.2013, 07:20) auch “Punkte des gegebenen Bezugskörpers” bzw. (in MTW, Box 13.1) auch “principal identifiables” bzw. (wie ich mehrfach verwendet habe) auch “bestimmte unterscheidbare Beteiligte” natürlich als unmittelbar und grundsätzlich nachvollziehbarer Begriff.)

    Dazu zwei Fragen:
    (1) Unter Berücksichtigung der beschriebenen Lösung des o.g. Problem hinsichtlich “time-like curves“, ist das o.g. Problem auch schon hinsichtlich “space-like curves” gelöst (da sich damit Norton offenbar nicht ausdrücklich beschäftigt)? D.h.
    Ist es hinreichend, Elemente eines bestimmten, gegebenen “frame“s, so zu markieren, dass jede “time-like curve of the frame” mit konstantem x_1, x_2, x_3 (für beliebige x_4-Werte) markiert ist, um (z.B.) zu garantieren, dass jede Teilmenge von so markierten Elementen des betrachteten Frames, die mit konstantem x_1, x_2, x_4 (für beliebige x_3-Werte) eine “space-like curve” bildet?
    (Das in (27.04.2013, 17:21) angegebene Beispiel hätte das zumindest indirekt darauf hindeuten sollen, dass das nicht so ist.)

    Und falls nicht, dann
    (2) Wie ist das o.g. Problem auch hinsichtlich “space-like curves” zu lösen?, D.h.
    Durch welche Methode ist im konkreten Fall festzustellen, ob eine Teilmenge von paarweise “space-like” Elementen eines gegebenen “frame“s eine “curve” bilden, oder nicht?
    (Die entsprechende Methode darüberhinaus in Koordinaten abzubilden, interessiert mich allerdings nicht unbedingt; und wäre ggf. sicher nicht besonders kompliziert.)

    > Standard Minkowski:

    Daran ist möglicherweise sogar noch mehr fragwürdig, als ich in meine obige (zwei-teilige) Frage zu Nortons Artikel zu fassen versucht habe. (Im entsprechenden Wikipedia-Artikel taucht z.B. der Begriff “conformal” auch nicht auf. Trägt das zur Vereinfachung bei? &)

    > Die generelle und mutmasslich von Einstein empfohlene Methode, nach der zu beurteilt wäre, ob bestimmte Koordinaten passend oder unpassend zu einem in Betracht stehenden Problem gewählt sind, dürfte also Denken sein.

    Denken, gewiss; aber was??
    Sicherlich nicht “jeder für sich, ins Blaue”;
    sondern Nachdenken darüber, welche Urteile hinsichtlich (gegenseitiger) Beobachtungen jedem (“wie du und ich und Honerkamp”) zugestanden werden müssen, und wie die Beteiligten auf dieser Grundlage Einvernehmen über ihre gegenseitigen Beziehungen erzielen können.

  25. @Frank Wappler

    Wahrscheinlich verstehe ich mal wieder nicht, wo das Problem ist.

    Bei seiner Def. von Koordinaten, die adapted to a given frame of reference sind, fordert Norton x¹, x², x³ explizit als “spatial“, also raumartig, und die vierte Koordinate als zeitartig.

    In dem Absatz weiter unten, wo dann von “Galilean” reference systems die Rede ist, wird spezieller auf die Minkowski Metrik in Standardform bezug genommen. Bezüglich dieser Darstellung sind die x¹-, x²-, und x³-Koordinatenlinien raumartig, denn sie sind orthogonal zur Koordinaten-Zeitachse, und das scheint auch die einzige Stelle im gesamten Dokument zu sein, wo Norton von raumartigen Kurven spricht. Sinn und Zweck der Übung besteht darin, das zu konkretisieren, was Einstein, wie im Sec. 2 beschrieben, mit Meterstäben und Uhren gefordert hat:

    Coordinates are measured directly in the well-known way with unit measuring rods, times with unit clocks, as is customarily assumed in the special theory of relativity.

    Kann sein, dass Norton unter “frame of reference” stets etwas 4-dimensionales versteht, was auf Einsteins “Bezugskörper” nicht für mich offensichtlich zutrifft. In diesem Fall wäre mein Beispiel mit dem Zylinder entsprechend umzuformulieren. Nicht C sondern C × R wäre dann der Bezugskörper, der als “ruhend” oder als “rotierend” in den Minkowski Raum eingebettet werden kann. Details erspare ich mir, die Formeln sind oben im wesentichen schon gegeben.

  26. Maß und Ziel

    Chrys schrieb (29.04.2013, 13:12):
    > […] das scheint auch die einzige Stelle im gesamten Dokument zu sein, wo Norton von raumartigen Kurven spricht.

    Es soll ja nicht bestritten werden, dass Norton selber an der Frage, die ich im vorausgegangenen Kommentar nochmals zu stellen versuchte, offenbar wenig interessiert ist. (Er stellt eben nur ausreichend begriffliches Material zur Verfügung, um sie zu stellen; und ich hätte seine Darstellungen respektabler gefunden, wenn er sie ausdrücklich in Betracht gezogen hätte.)

    > Sinn und Zweck der Übung besteht darin, das zu konkretisieren, was Einstein, wie im Sec. 2 beschrieben, mit Meterstäben und Uhren gefordert hat:

    Coordinates are measured directly in the well-known way with unit measuring rods, times with unit clocks, as is customarily assumed in the special theory of relativity.

    Ganz unabhängig von irgendwelchen Koordinaten entspräche es ja Einsteins Forderung (§8, 1917), konkrete, nachvollziehbare Methoden dafür anzugeben, wie festzustellen sei, welche Paare von unterscheidbaren Beteiligten (bzw. “time-like curves of the frame” usw.) zueinander (während eines Versuchs dauerhaft) “measuring rods” wären, und welche nicht;
    und welche Paare davon einander gleich wären, und welche nicht.
    (Welche dieser Äquivalenzklassen von Paaren man dann “unit” nennt, ist ja sicherlich genau so egal wie irgendwelche Koordinaten insgesamt.)

    Und ganz unabhängig von irgendwelchen Koordinaten entspräche es ja Einsteins Forderung, eine konkrete, nachvollziehbare Methode dafür anzugeben, wie festzustellen sei, zwischen welchen Paaren seiner Anzeigen ein bestimmter Beteiligter gleiche Dauer hatte, und für welche Paare nicht.
    (Welche dieser Äquivalenzklassen von Paaren man dann “unit” nennt, ist ja sicherlich genau so egal wie irgendwelche Koordinaten insgesamt.)

    Und aus Einsteins Forderung (und so, wie er es in den bekannten Gedankenexperimenten skizziert) ergibt sich, dass die gefragten “konkreten, nachvollziehbaren Methoden” aus Urteilen einzelner Beteiligter hinsichtlich der Reihenfolge (oder Koinzidenz) der eighenen Wahrnehmungen zu konstruieren sind.

    Und ganz unabhängig von den Bräuchen irgendwelcher Gilden, oder von irgendwelchen gerade vorliegenden einzigartigen Artefakten, soll die RT ja ein nachvollziehbares Instrument der Forschung und der angewandten (Experimental-)Physik sein, mit dem jeder Versuch so unvoreingenommen ausgewertet werden kann, als wäre es der allererste und einzige.

    Also — leistet Norton das etwa? Oder wer?

    > […] mein Beispiel mit dem Zylinder

    Im Beispiel (27.04.2013, 14:56) stehen doch nur irgendwelche Koordinaten, denen ich (27.04.2013, 17:21) durch eine (ziemlich einfache) Transformation gewisse andere Koordinaten gegenüberstellte, um etwas zu demonstrieren.
    (Auch diese beispielhafte Transformation ließe sich verallgemeinern; und es ginge natürlich “noch viel schlimmer”.)

    Es fehlt aber bisher, nicht zuletzt hinsichtlich des oben beschriebenen “Sinns und Zwecks der Übung“, dass du ganz unabhängig von irgendwelchen Koordinaten, sondern als einen (bis auf einen konstanten Faktor) bestimmten metrischen Raum (oder dessen Verallgemeinerung) mal definierst, was du mit “Zylinder” bzw. “C” oder der Verallgemeinerung, die dir offenbar vorschwebt, oder ganz allgemein mit einem “Bezugssystem” überhaupt meinst.

    p.s.
    Frank Wappler schrieb (26.04.2013, 15:17):
    > To do: “A geometric formulation of the equivalence principle”. R. A. Coleman, H.-J. Schmidt, 1993.

    Das konnte ich mir heute per (de facto öffentlicher) Uni-Bibliothek ansehen.
    Die dort angegebene Formulierung des (eines?) “Äquivalenzprinzips” ist aber gar nicht geometrisch-kinematisch, sondern eher dynamisch: als Definition des ansonsten rätselhaften Begriffs des “freien Beteiligten” bzw. der “freien Bewegung”, vermittels bestimmter geometrisch-kinematischer Messwerte.

  27. @Frank Wappler

    Na ist doch super, wenn Coleman und Schmidt alle verbleibenden Fragen zum Äquivalenzprinzip klären können. Da haben wir Glück gehabt.

  28. Ping is King

    Chrys schrieb (30.04.2013, 07:27):
    > Na ist doch super, wenn Coleman und Schmidt alle verbleibenden Fragen zum Äquivalenzprinzip klären können. Da haben wir Glück gehabt.

    Ja, ganz riesiges —
    denn nun können wir uns endlich wieder den grundlegenderen, geometrisch-kinematischen Fragen zuwenden.

    Insbesondere wieder der Frage (die schon 18.04.2013, 12:34 gestellt wurde) zu den von Josef Honerkamp im obigen SciLog-Artikel eingesetzten (geometrischen) Begriffen:

    Aus wie vielen unterscheidbaren Beteiligten muss ein System mindestens bestehen, um feststellen zu können, ob sich ein weiterer Beteiligter (oben auch “Beobachter” und per J. Honerkamps Kommentar (18.04.2013, 10:24) “Punktteilchen” genannt) “darin befindet“, oder nicht?

    Wer sich nicht anders zu helfen weiß, als die entsprechenden unterscheidbaren Beteiligten mit irgendwelchen verschiedenen Koordinatentupeln zu markieren (bestreuseln!), mag das zwar tun.

    Die Antwort auf die gestellte Frage (nämlich: eine bestimmte natürliche Zahl) ist sicher unabhängig und gleich, bzw. der damit verbundene Begriff des “in-[einem-System]-Befind-lichseins” äquivalent, für beliebige solche Koordinaten-Zahlenspielereien.

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