Der G-Punkt und die weibliche Lust

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Wofür steht eigentlich das G beim G-Punkt? Guttenberg? Naheliegend – da es für manchen Mann schon das höchste der Gefühle ist nach sieben Jahren endlich mal Doktor spielen zu dürfen. Aber heute geht es um die Frauen. G steht für Gräfenberg (1881-1957), ein Frauenarzt der in den 50er Jahren behauptete das Zentrum der weiblichen Lust entdeckt zu haben. Daraufhin brach damals eine Goldgräberstimmung (G-Stimmung) auf und viele Frauen und Männer machten sich gemeinsam auf die Suche nach diesem verheißungsvollen Ort. Wenn auch die wenigsten Paare diesen Punkt fanden so war ihre Suche doch niemals vergeblich: Sie lernten ihre Körper besser kennen und hatten dadurch besseren Sex. Der Weg ist das Ziel! Manche Psychologen halten dagegen, dass die Suche nach der ominösen Stelle bei beiden Geschlechtern einen enormen Druck aufgebaut – und damit Versagensängste produziert hat. Heute wissen wir, dass diejenigen die in den unteren Regionen des weiblichen Körpers suchten, einer falschen Fährte folgten. Wenn es den G-Punkt gibt, was ich nicht glaube, dann liegt er  – eine Ironie des Schicksals – im Gehirn. Ja, ihr habt richtig gelesen G wie Gehirn.

Die japanische Verhaltensbiologin Sonoko Ogawa von der Universität Tsukuba in Japan und ihre Kollegen aus den USA führten dazu ein interessantes Experiment mit weiblichen Mäusen, denen vorher die Eierstöcke chirurgisch entfernt worden waren, durch: Sie benutzten das RNA Silencing um damit ein bestimmtes Gen stillzulegen und injizierten deshalb diesen Mäusen eine small hairpin RNA (shRNA) in einen bestimmten Bereichs des Gehirns: in den ventromedialen Nucleus (VMN), einer Ansammlung von Nervenzellkörpern im Hypothalamus [1]. Diese shRNA bindet spezifisch an die mRNA des Östrogenrezeptors α und leitet deren Abbau ein, so wird die Translation, der abschließende Schritt der Proteinproduktion, verhindert.  Der Östrogenrezeptor α ist ein Transkriptionsfaktor der sich im Zellkern befindet und die Expression von bestimmten Genen reguliert. Im VMN war die Produktion des Östrogenrezeptors α nun blockiert aber in anderen Organen und Hirnregionen der Maus wurde er noch weiter exprimiert. Damit die shRNA stabil und dauerhaft in den Nervenzellen exprimiert wurde, verpackten die Wissenschaftler sie in einen Adeno-assoziierten Virus (AAV).


 
Abb.:  Die Lage des Hypothalamus im menschlichen Gehirn. Der Hypothalamus ist in der Zeichnung rotgefärbt.

Schlag mich, kratz mich, beiß mich, gib mir Tiernamen 

Die Auswirkungen auf das Sexualverhalten der so behandelten Mäuse waren dramatisch: Die Weibchen verweigerten den Männchen den Sex: Sie wurden sehr aggressiv und begannen die Männchen zu beißen und zu treten sobald diese sie zum Sex besteigen wollten. Die Weibchen zeigten nicht das bei weiblichen Säugetieren übliche Lordosisverhalten, ein Verhalten das die weibliche Bereitschaft zum Sex zeigt: Das Weibchen krümmt seine Wirbelsäule bauchwärts nach unten, so dass der Kopf und die Brust unten und das Abdomen (also umgangssprachlich der Hintern) und die Geschlechtsorgane oben, dem Männchen entgegen gestreckt, sind. (Beim Menschen wird diese Stellung in den USA als „Doggie Style“ bezeichnet.)

Nein, heute nicht Schatz! Ich hab Migräne.

Wenn sich diese Mausexperimente auch nur ansatzweise auf den Menschen übertragen ließen, könnte diese Aussage nun auch biologisch Sinn machen. Aber dazu solltet ihr besser Markus A. Dahlem von Graue Substanz befragen. Der kennt sich mit Migräne aus. Tatsache ist, dass sie noch immer noch von vielen Männern als Notlüge belächelt wird die der Frau dazu dient sich den „ehelichen Pflichten“ zu entziehen. (Wo sind diese ehelichen Pflichten eigentlich nieder geschrieben?).

Warum bist Du so hysterisch?

Wo die Migräne ist, ist die Hysterie nicht weit. Hyster ist vom griechischen Wort für Gebärmutter abgeleitet. So entstand die Bezeichnung Hysterie, da man lange Zeit der Meinung war, dass die Ursache hierfür eine Erkrankung der Gebärmutter sei. Männer konnten also nicht hysterisch werden und wenn dann gab man dem Verhalten einen anderen Namen.

Vielleicht sollten manche Männer einfach aufhören mit dem Schw*** zu denken und ihr Gehirn benutzen. Wer sich durch ein ehrliches Nein zum Sex in seinem männliches Ego gekränkt fühlt und das die Frau auf unangenehme Weise spüren lässt, bekommt mit Sicherheit bald auch Orgasmen vorgespielt und bleibt auf lange Zeit Gefangener seiner Illusionen. Aber damit lässt sich bis zu einem gewissen Punkt (Ja, ihr dürft jetzt ruhig lachen!)  – besonders als Egomane – gut leben.

Nämlich bis zum P-Punkt…….P für Placebo, Phallus, Penetration, Peinlich?

Auf der Suche nach dem G-Punkt: Gräfenberg, weibliche Zwillinge und Khia

Aber zurück zu den wundersamen Entdeckungsreisen des Ernst Gräfenberg, dem Marco Polo der weiblichen Lust. Gräfenberg vermutete den G-Punkt etwa 4-6cm tief in der Vagina an der bauchzugewandten Seite hinter dem Schambein. Wenn die Frau sexuell erregt ist, lässt sich dort eine gerippte oder angeschwollene Stelle von bis 1.5cm – 2cm Durchmesser mit dem Finger ertasten. Was sich dort wirklich befindet kann uns sicher mein Nachbarblogger Helmut Wicht von Anatomisches Allerlei beantworten. Jedenfalls komisch, dass eine englische Studie mit 1800 Frauen zu einem ganz anderen Ergebnis kommt [2]:

Die Genetikerin Andrea Burri und der Epidemiologe Tim Spector vom King’s College London wollten genau wissen wo der G-Punkt liegt und fragten jeweils rund 900 weibliche eineiige und zweieiige Zwillingspaare im Alter zwischen 23 und 83 Jahren, ob sie denn einen G-Punkt hätten. 56% der befragten Frauen antworteten mit Ja. Wenn die eine Schwester dies bejahte, müsste, so die Hypothese, die eineiige Schwester stets genauso antworten, denn sie haben beide denselben genetischen Code – und damit die gleichen Körper. Doch das war nicht der Fall: Bei den eineiigen Zwillingen ging die Uneinigkeit über den G-Punkt genauso weit auseinander wie bei den zweieiigen Zwillingen, die nur etwa 50 Prozent des Genpools gemein haben. Selbst die amerikanische Rapperin Khia, die 2002 mit ihrem Lied „My neck my back“ international für Furore sorgte, weil sie darin sehr detailliert beschrieb an welchen Stellen ihres Körpers man(n) ihr wie sexuelle Freude bereiten könnte, will sich nicht festlegen. Warum auch?

Mein Fazit: Obwohl es in den wissenschaftlichen Disziplinen der Frauenheilkunde und der Sexualmedizin längst als erwiesen gilt, dass der G-Punkt nicht existiert fällt es der Hälfte der Menschen schwer sich von diesem einflussreichen Mythos zu trennen. Und mit projizierten Sehnsüchten lässt sich immer prima Kohle machen: Nächstes Jahr halte ich ein Seminar mit dem Titel „Wie finde ich meinen G-Punkt?

G wie Geld 😉

Weiterführende Literatur

[1] Musatov S, Chen W, Pfaff DW, Kaplitt MG, Ogawa S. (2006) RNAi-mediated silencing of estrogen receptor {alpha} in the ventromedial nucleus of hypothalamus abolishes female sexual behaviors. Proc Natl Acad Sci U S A. 103, (27), 10456-10460.

[2] Burri AV, Cherkas L, and Spector TD.  (2010) Genetic and environmental influences on self-reported G-spots in women: A twin study. J Sex Med, 7, 1842–1852.

Weiterführende Links

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Female Orgasm – Unlocking the Neuroscientific Mysteries

Der Duft der Frauen Teil 2

Warum gibt es den Hymen?

Bildnachweis

Abbildung: Die Lage des Hypothalamus im menschlichen Gehirn

Name: Hypothalamus image.png

Quelle: Images are from Anatomography maintained by Life Science Databases (LSDB).

Datum: 19 September 2009

Lizenz: CC-BY-SA-2.1-jp

Musatov S, Chen W, Pfaff DW, Kaplitt MG, & Ogawa S (2006). RNAi-mediated silencing of estrogen receptor {alpha} in the ventromedial nucleus of hypothalamus abolishes female sexual behaviors. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 103 (27), 10456-60 PMID: 16803960

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Veröffentlicht von

Joe Dramiga ist Neurogenetiker und hat Biologie an der Universität Köln und am King’s College London studiert. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Genexpression in einem Mausmodell für die Frontotemporale Demenz. Die Frontotemporale Demenz ist eine Erkrankung des Gehirns, die sowohl Ähnlichkeit mit Alzheimer als auch mit Parkinson hat. Kontakt: jdramiga [at] googlemail [dot] com

2 Kommentare

  1. Kant

    “(Wo sind diese ehelichen Pflichten eigentlich nieder geschrieben?).”

    Kant’s ‘Metaphysik der Sitten’; Erster Teil, 2. Hauptstück, Dritter Abschnitt:

    Des Rechts der häuslichen Gesellschaft erster Titel: Das Eherecht

    “Der Ehe-Vertrag wird nur durch eheliche Beiwohnung (copula carnalis) vollzogen. Ein Vertrag zweier Personen beiderlei Geschlechts, mit dem geheimen Einverständnis, entweder sich der fleischlichen Gemeinschaft zu enthalten, oder mit dem Bewußtsein eines, oder beider Teile, dazu unvermögend zu sein, ist ein simulierter Vertrag und stiftet keine Ehe; kann auch durch jeden von beiden nach Belieben aufgelöset werden.”

    tinyurl.com/37p4qco

    Das war doch jetzt wohl Allgemeinwissen!

    😉

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