Ein Mineral, das keines war, flauschige Organik (und natürlich Isotope): Der Jahresrückblick der Top 10 im planetologischen Blätterwald

BLOG: Exo-Planetar

Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
Exo-Planetar

Das Jahr war dann doch viel zu schnell vorüber. Jahresende heißt natürlich auch Jahresrückblick, hier in Form einer Presseschau: Die beliebtesten Paper aus der Planetologie 2015, basierend wie immer auf dem Blog Cosmochemistry Papers (in dem ich auch mitwerkle). Einige der Einträge sind natürlich schon bei den Monatsrückblicken behandelt worden, man vergebe mir bitte das Copy&Paste in ein paar Fällen (Ich sitze hier schließlich gerade im sagenwirmal halbverdienten Jahresendurlaub).

Dann mal ans Werk:

Auf Platz 10 Holst et al. mit Tungsten isotopes in bulk meteorites and their inclusions—Implications for processing of presolar components in the solar protoplanetary disk. Veröffentlicht in Meteoritics & Planetary Science. Leider nix ähnliches für lau zu finden (Grummel…) Hier wurden Wolfram-Isotope quer durch die Meteoritensammlung gemessen. Ergebnis: Das Isotop 180W war schon ganz früh im solaren Urnebel homogen verteilt, 183W aber nicht. Das lässt sich am ehesten mit thermischen Vorgängen erklären, bei denen die Träger des Isotops verdampft wurden. Wenn ich das so richtig verstanden habe. Mehr zu Wolfram weiter oben auf Platz 4.

Dann auf 9 High-temperature equilibrium isotope fractionation of non-traditional stable isotopes: Experiments, theory, and applications von E.D. Young (Uni Los Angeles) et al. veröffentlicht in Chemcial Geology. Da wird eigentlich eher selten planetologisches veröffentlicht, das Paper ist eine generelle Übersicht (Review) über eher selten verwendete oder neue stabile Isotopensysteme, die sowohl terrestrisch, aber auch für planetare Materialien eingesetzt werden. Es geht um Si, Mg, Fe und Ni. Die ersten drei Elemente machen zusammen mit Sauerstoff wohl einen ordentlichen Teil der Masse von Erdmantel und Erdkruste aus, weshalb das Verhalten dieser Isotope (zusammen mit dem gut untersuchten Sauerstoff) natürlich von größtem Interesse sind. Aber Übersichtsartikel sind halt generell von großem Interesse, da ein prima einstieg in den aktuellen Stand eines Gebietes.

Auf Platz 8 folgen die Moskauer Kollegen Svetsov und Shuvalov. Sie modellieren in Water delivery to the Moon by asteroidal and cometary Impacts (erscheinen in Planetary & Space Science, hier für lau ein rezenter Tagungsabstrakt), wie viel Wasser eigentlich auf einem Planeten hängen bleibt, wenn ein feuchter Himmelskörper einschlägt. Irgendwo muss das Wasser auf einem Planeten ja herkommen. Zwar war das Ausgangsmaterial wohl schon recht wasserhaltig, aber es ist fraglich, ob (oder wieviel) Wasser die gewalttätige Wachstumsphase überstanden hat. Gerade die Hitze in großen Kollisionen im Spätstadium (z.B. Mondbildung durch Kollision) sollten (könnten?) zu einem Wasserverlust geführt haben. Also wäre eine spätere Lieferung des Wassers über Impakte von Kometen und Asteroiden vielleicht nötig (siehe auch die Diskussion über das Wasser auf Kometen).

Hier aber geht es erst mal nur um den Mond, aber auf dem scheint es doch auch Wasser zu geben. Wie viel, ist etwas umstritten (siehe hier), aber irgendwo muss es ja herkommen.

Modellieren hat in diese Zusammenhang nichts mit einem Laufsteg zu tun. Die Kollegen simulierten das Ganze mit einem Computermodell unter Nutzung der zahlreichen Messergebnisse aus der bisherigen Forschung. Ein interessantes Ergebnis der Studie (hätte es nicht gedacht): bei Einschlagsgeschwindigkeiten unter 10 Km/s würden wasserhaltige Tonminerale (wie in kohligen Chondriten) nur zum Teil ihr Wasser verlieren. Also könnte da einiges an feuchtem, meteoritischem Material herumliegen. Das hat auch interessante Konsequenzen für Asteroiden, im Gürtel liegen die Geschwindigkeiten um die 5 Km/s, und gerade auf Vesta scheint einiges an chondritischem Material herum zu liegen. Das Fazit ist, dass so durchaus viel Wasser auf den Mond gelangt sein könnte.

Ebenfalls auf Platz 8 ist Evidence for primordial water in Earth’s deep mantle von Lydia Hallis und Kollegen. In dem Science-Paper (hier ein Tagungsabstrakt für lau) geht es, wie der Titel sagt, um die Herkunft des Wassers auf unserem blauen Planeten (ein gebildeter Stern mit sehr viel Wasserspülung, Erich Kästner). Das Verhältnis der beiden Isotope D und H wird durch massenabhängige physikalische Prozesse wie Verdampfung, Kondensation, Aufschmelzen oder Diffusion beeinflusst. Das leichtere Isotop H ist etwas beweglicher – es geht z.B. eher in den verdampften Teil des Wasser, während im noch flüssigen des schwerere D angereichert wird.

Wenn man jetzt also die Herkunft des irdischen Wassers bestimmen will, liegt es zunächst nahe, einfach mal des irdische Wasser zu untersuchen, und die Ratios (also Verhältnis D/H) mit dem in extraterrestrischem Material zu vergleichen. Dummerweise ist das Wasser an der Erdoberfläche, auch in den gut durchgequirlten Ozeanen nicht alles Wasser auf unserem Planeten. Viel davon steckt weiter unten fest – in der Kruste oder gar im Erdmantel, gebunden in Mineralen. Deshalb ist zu erwarten, dass die D/H-Ratios eben durch physikalische Prozesse tief unten verändert wurden und werden.

Wo aber kriegt man das Ur-Wasser, das die Ur-Erde repräsentiert, her ? In den letzten paar Milliarden Jahren wurde leider auch das Erdinnere ordentlich umgewälzt, also keine einfache Frage. Hallis et al. entschieden sich für Gestein aus Island und von Baffin Island (Padloping Island, so ziemlich am abgelegensten Winkel des Planeten). Dieses bildete sich aus Lava, die aus tieferen Mantelregionen stammt (km).

Untersucht haben Hallis und Kollegen kleine Glaseinschlüsse in Olivin aus den schon vorher ausführlich untersuchten Basalten. Und zwar mit einer Ionensonde (SIMS). Wir erinnern uns, dabei wird die Probe mit einem feinen Ionenstrahl (in der Regel Sauerstoff oder Cäsium) abgerastert, und die freigesetzten Ionen per Massenspektrometer analysiert. Das Ergebnis zeigt extreme D/H-Verhältnisse, die sich noch am ehesten mit denen der kohligen Chondrite vergleichen lassen. Das sind die Meteorite, die sich (chemisch) wohl am wenigsten seit dem frühesten Sonnensystem verändert haben.

Wie stellen die Autoren sich das Ganze dann vor ? Das Ur-Wasser muss dann wohl mit dem Startmaterial – ähnlich dem der kohligen Chondrite – wohl in Form von Staubpartikeln akkretiert sein. Das Kunststück ist dann halt noch, einen Verlust des Wassers durch die hohen Temperaturen beim Wachstum der frühen Erde durch Impakte und Kollisionen, und vor allem der auf jeden Fall sehr energetischen Entstehung des Erdmondes, wohl in einer großen Kollision, zu erklären. Aber sehr wichtige Eckdaten für die Modellierungen der Erdentstehung sind die Ergebnisse der Studie allemal.

Nummer 7 ist dann Lonsdaleite is faulted and twinned cubic diamond and does not exist as a discrete material von Péter Németh (Ungarische Akademie der Wissenschaften in Budapest) et al. in einem weiteren Ableger von Nature, in Nature Communications. Leider nur ein kurzer Abstrakt für lau. Es geht um Hochdruckphasen, also Minerale, die entweder tief unten in einem Planeten, oder bei Impakten oder Kollisionen entstehen. Lonsdaleit, entdeckt vor ungefähr 50 Jahren in einem Meteoriten, gilt als einer der speziellen Mineralphasen, die nur bei den hohen Drücken eines Einschlags entstehen können. Findet man das Teil (z.B. in Sedimenten), weiss man also, dass man einem Einschlag auf der Spur ist. Es ist ein Allotrop des Kohlenstoffs. Das bedeutet, er ist chemisch identisch mit Graphit oder Diamant (besteht also aus C), hat aber halt eine andere Kristallstruktur. Das Material scheint mit Diamant vergleichbare Eigenschaften zu haben, weshalb es natürlich zusätzliches Interesse auf sich zog. Nur sind solche Hochdruckphasen im Labor nur schwer und in der Regel in sehr kleinen Mengen mit speziellen Pressen in Reinstform herstellbar. Hier mit einer 5000 Tonnen-Presse, die einen Druck von 29 GPa bei über 2000°C auf eine kleine Probe aus wenigen Krümeln ausübte. Die kleine  Probenmenge machte eine Untersuchung mit TEM (Transmissionselektronenmikroskop) nötig. Dabei wird ein Elektronenstrahl durch eine sehr dünne Probe geschickt. Neben hochaufgelösten Bildern, auf denen man praktisch einzelne Atome erkennen kann, sind auch Strukturuntersuchungen (Diffraktometrie) möglich.

Dabei zeigte sich, daß Lonsdaleit wohl gar nicht als eigenes Allotrop existiert, sondern es sich lediglich um einen Diamant mit etwas beschädigter Struktur handelt.

Es folgt auf Platz 6 State shift in Deccan volcanism at the Cretaceous-Paleogene boundary, possibly induced by impact von Paul Renne (Berkley Geochronolgy Center) und seinen Mitstreitern, veröffentlicht in Science (hier für lau ein Tagungsabstrakt, wenn auch kurz). Impakte, besonders große, gehen natürlich immer. Und hier geht es um eben den Impakt, der möglicherweise für den Abgang (unter anderem) der liebenswürdigen Dinos verantwortlich war. Die Theorie ist noch gar nicht so alt, so richtig dominierend wurde sie über die 80er Jahre. Natürlich gibt es auch konkurrierende Thesen über die Ursache des Massenausterbens der sympathischen Viecher.

Dazu gehört vor allem der massive Vulkanismus, der zu dieser Zeit genau auf der anderen Seite des Planeten, auf dem sich langsam nordwärts schiebenden indischen Subkontinents stattfand. Dieser schob sich wahrscheinlich über eine aufsteigende Magmablase im oberen Erdmantel, die sich gleich einem Schweißbrenner durch den Kontinent brannte. Ergebnis: gewaltige Magmamengen, die einen großen Teil des heutigen Indiens mit Schichten auf Schichten von Basalt bedeckten, dem Dekkan-Trapp. Noch heute können die Schichten 2 Kilometer dick sein, und das nach zig-Jahrmillionen an Erosion.

Renne et al. bieten eine (fast) einvernehmliche Lösung des Problems an: beide Ereignisse waren dran schuld, und, noch besser, hängen sogar direkt miteinander zusammen. So sind (fast) alle zufrieden. Wie haben die Wissenschaftler das angestellt ? Zunächst wurden Basaltproben der verschiedenen Schichten vor Ort eingesammelt, um den zeitlichen Ablauf genauer zu messen. Dafür wurde die gängige Argon-40/Argon-39-Datierung angewandt, um die Frequenz der Ausbrüche festzustellen. Ergebnis: Nach dem Chicxulub-Einschlag erhöhte sich die vulkanische Aktivität massiv – um das doppelte. Auch nahm die Menge der Lava zu. interessanterweise gab es aber auch längere Pausen zwischen den Ausbrüchen, im Gegensatz zu einem eher kontinuierlichen Ausbruch vor dem Impakt. Das ist jetzt natürlich kein direkter Beweis, deutet aber schon in die Richtung, des der massive Impakt-Schock durch den Chicxulub-Einschlag eine Rolle spielte, und das Getier es damals halt so richtig aus mehreren Richtungen abgekriegt hat.

Nummer 5 ist dann Morphological Study of Insoluble Organic Matter from Carbonaceous Chondrites: Correlation with Petrologic Grade von Hitesh G. Changela (University of New Mexico, Albuquerque) et al., veröffentlicht in Geochimica et Cosmochimica Acta. Tagungsabstrakte für lau hier und hier.

Da geht es um die IOM – Insoluble Organic Matter. Das ist organisches Material in Meteoriten, dass sich selbst in Säure nicht auflöst. Organisches Material aus den kohligen Chondriten dürfte eine zentrale Quelle für organisches Material auf diesem unserem Planeten (und wohl auch sonst im inneren Sonnensystem) gewesen sein. Das alleine macht die Thematik interessant (und nein, hat erst mal nix mit Getier oder Pflanzen zu tun). Ein Zwischenschritt zwischen dem organischen Material in den großen Molekülwolken des interstellaren Mediums, aus dem die Sonnensysteme entstehen, und eben dem hochverarbeiteten Material auf den Planeten. Die große Frage ist, ob das Material in den Meteoriten noch das primitive Material im interstellaren Medium repräsentiert (also wirklich eine Art Ur-Stoff darstellt), oder ob es schon auf dem Mutterkörper des Meteoriten prozessiert wurde (durch zirkulierndes Wasser, Hitze etc.)

In seiner Studie untersuchte Hitesh Changela eine umfangreiche Serie an Proben von den CR und CM Chondriten, da es von diesen Material über die ganze Bandbreite dieser aquatischen Alteration gibt. Also von fast gänzlich unberührt bis hin zu praktisch völlig zu Matsch verarbeitet.

Was die Studie von den zahlreichen früheren unterscheidet, ist der Versuch, die Strukturen, in denen das organische Material steckt, auf eine quantitative Weise zu beschreiben. Jetzt nicht Chemie oder Isotopenverhältnisse, sondern Form oder Struktur. Um zu beschreiben, ob eine Struktur ‘glatter’ oder ‘rauher’ ist, wurden TEM Aufnahmen der bestenfalls 1 µm (also tausendstel Millimeter) großen Strukturen mittels einer sogenannten Fraktalanalyse klassifiziert. Damit wurde die fraktale Komplexität ermittelt, und mit dem Parameter ‘fraktale Dimension’ eingeordnet. Mit zunehmender Alteration nimmt diese Dimension ab, die flauschigen organischen Teilchen werden zunehmend ‘gröber’. Eine interessante (und neue) Herangehensweise, wäre schön das mal auf weitere Strukturen gerade in Chondriten anzuwenden.

Und wieder Wolfram-Isotope auf Platz 4: Tungsten isotopic evidence for disproportional late accretion to the Earth and Moon von Mathieu Touboul et al., erschienen in Nature. Hier für lau ein paar Tagungsbeiträge.

Hier wurden (unter anderem) die Wolfram-Isotope von Mondproben untersucht, und zwar Apollo-Proben. Diese sind von irdischer Witterung nicht beeinträchtigt – Mondmeteorite hingegen lagen einige Zeit in der Gegend herum, bevor sie eingesammelt wurden.

Ergebnis: der lunare Mantel ist gegenüber dem Erdmantel an Wolfram182 um 20-30 ppm (Parts per Million) angereichert. Genauer handelt es sich um das Verhältnis der zweier Wolfram-Isotope, 182W/184W. Absolute Konzentrationen sind in der Geo- und Kosmochemie oft unhandlich, da verschiedene Minerale je nach Struktur unterschiedliche Mengen an Elementen und damit Isotopen einbauen. Deshalb werden die Verhältnisse von Isotopen zueinander verwendet, die von den absoluten Konzentrationen nicht beeinflusst sind und so handlicher für Vergleiche sind.

Der Unterschied mag sich jetzt nicht nach sonderlich viel anhören, und die moderne Geo-und Kosmochemie kann reproduzierbare Ergebnisse mit solch hoher Genauigkeit erst jetzt messen. Dazu werden erst die Elemente chemisch von den Gesteinsproben abgetrennt, um dann die Isotope per Massenspektrometer zu untersuchen. Die Abtrennung ist nicht ganz ohne, da kommen Säuren wie HF zum Einsatz. Das ist sehr fieses Zeug, die Forscher riskieren ihr Leben für die Wissenschaft (schon irgendwie).

Als wahrscheinlichste Erklärung für den Unterschied wird von beiden Gruppen der Late Veneer oder Accretion betrachtet. Nach dem großen Einschlag, in dem der Mond entstand, wurden die Isotopen-Verhältnisse wohl so durchmischt, dass sie fast identisch waren. Erst durch weiteres Material, das durch spätere Impakte auf dem Mond und der Erde einschlug, änderte sich das Verhältnis – die Erde bekam aufgrund ihrer höheren Masse mehr meteoritisches Material ab, als der kleinere Nachbar. Was dann die Verhältnisse der Isotope veränderte.

Dann sind wir schon bei Nummer 3, Petrology of igneous clasts in Northwest Africa 7034: Implications for the petrologic diversity of the martian crust von Alison R. Santos (University of New Mexico, Albuquerque): erschienen in der guten, alten Geochimica et Cosmochimica Acta. Diverse, verwandte Tagungsabstracts hier, hier und hier.

Marsmeteorit NWA 7034 ist eine polymikte Breckzie. Das bedeutet, er besteht nicht aus einem Gesteinstyp, sondern enthält Teile aus verschiedenen Quellen, die hier wohl durch verschiedene Impakte auf dem Mond verquirlt wurden. Zwar sind die meisten Fragmente die üblichen Verdächtigen (Basalte im Wesentlichen), aber zwei neue Gesteinstypen, die man bisher noch nicht auf dem Mars gesichtet hat, sind auch dabei: Trachyandesit und ein etwas holprig als FTP-reiche Lithologie bezeichnetes Gestein.

Außerdem ist NWA 7034 bisher von allen Marsmeteoriten derjenige, der sich mit Ergebnissen für die Marsoberfläche aus der Fernerkundung (also Daten von Orbitern) deckt.

So was macht die Probe natürlich interessant, und so wurde dem in der Sahara eingesammelten Meteoriten mit einer ganzen Flotilla an Mikroanalystik zu Leibe gerückt. Also eine Konsortiumstudie, wo jeder sein Scherflein beitragen kann, mit einer entsprechend umfangreichen Autorenliste (obwohl es da noch weit längere Fälle gibt).

Das Paper ist eine umfangreiche Sammlung an petrographischen und chemischen Daten, mit langen Tabellen und so. Eben halt die grundlegenden Daten, um erst einmal eine Idee von der Probe zu bekommen. Ergebnis ist dann halt erstmal, dass der Mars ein deutlich komplizierter Körper war, als lange angenommen. Das lag an der relativen geringen petrologischen Bandbreite der normalen Marsmeteorite.  Die z.T. ‘exotischen’ Gesteine deuten auf umfangreiche, komplexe magmatische Vorgänge in der Frühzeit hin. Hört sich erstmal vage an, die Probe sollte sich aber in Zukunft eines großen Interesse erfreuen.

Dann schon die Silbermedallie. Flüssiges Wasser, und zwar auf dem Mars. Geht immer, auch wenn sich da auch Alternativen anbieten. Es geht um Wasser nicht irgendwann in den letzten paar Milliarden Jahren, sondern in der Gegenwart. Francisco Javier Martín-Torres (und sehr viele Mit-Autoren) vom spanischen Instituto Andaluz de Ciencias de la Tierra beschäftigten sich in Transient liquid water and water activity at Gale crater on Mars (veröffentlicht im Nature Ableger Nature Geoscience) zwar nicht mit dem Wasser direkt, sondern den Perchloraten. Diese wurden vom Rover Curiosity im Gale Krater gemessen. Zusammen mit weiteren Daten (Luftfeuchtigkeit, Temperatur) modellierten die Autoren die Stabilität von Wasser mit gelösten Perchloraten, und der Schmelzpunkt könnte genug herabgesetzt werden, um eine Sole (Brine), eine Brühe mit sehr hohem Salzgehalt im Marsboden zu erlauben. Aber nur während der Nacht, am Tag verdampft alles wieder. Allerdings sind die Bedingungen für Leben wohl doch nicht so geeignet.

Und dann endlich die Nummer 1: Origin of the lunar highlands Mg-suite: An integrated petrology, geochemistry, chronology, and remote sensing perspective von Charles Shearer et al., erschienen im American Mineralogist. Der Mann ist ein echter Veteran, veröffentlicht schon seit den späten 70ern, vor allem über den Mond. Um dann geht es auch in dem Paper, es ist ein Review Paper (die sind offensichtlich sehr beliebt) über die magnesiumreichen Hochlandgesteine auf dem Mond. Die sind deshalb von Interesse, weil sie wohl die früheste Kruste des Mondes darstellen. Im Paper werden dann die bekannten Daten über die Gesteine zusammengefasst, und damit ein wenig herummodelliert. Hier ein schöner, genereller Link zum Thema vom immer zuverlässigen PSRD.

Hört sich jetzt zunächst mal nicht wie eine Nummer Eins an – aber der Mond ist wieder das große Thema in der Planetologie, und da sind solche Reviews für viele Forscher sehr hilfreich. Sicher mehr als oft doch etwas gehypte Paper in Science oder Nature (wobei die auf der Liste alle solide sind).

 

Fazit. Ich bin etwas überrascht, daß die großen Raummissionen, die einen recht direkten Bezug zur Planetologie hatten, nicht in den Top 10 auftauchten – besonders Rosetta und Dawn (Ceres&Vesta) hätten doch einen Abdruck hinterlassen sollen. Kann aber noch werden, gerade für Rosetta ist viel noch in Arbeit oder erst kürzlich veröffentlicht worden, und auch bei Ceres ist noch viel Work in Progress. Ansonsten: thematisch breit gefächert, ist für Jeden was dabei.

Die Platzhirsche (Science, Nature samt Ableger) machen nur die Hälfte aus (5 von 10), gutes Zeichen dass man auch in ‘konventionellen’ Journals sein Publikum erreicht.

 

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

1 Kommentar

  1. EXO-PLANETAR könnten auch ENDO-SOLAR heissen und Cosmochemistry könnte ebenso gut SolarSystemChemistry heissen, denn es geht scheinbar (fast) immer um unser Sonnensystem. Bei den Top-10 beziehen sich die Themen Wolfram in Meteoriten, Si, Mg, Fe und Ni-Verteilung terrestrisch+planetar, Wasser auf dem Mond, Wasser im Erdmantel, Diamanten+Co., Vulkanismus in Indien (Dekkan-Traps), organisches Material in Meteoriten, Wolframisotope auf dem Mond im Vergleich zur Erde, ein in die Sahara eingeschlagener Marsmeteorit, flüssiges Wasser (transient) auf dem Mars, Magnesium auf den lunaren Hochebenen
    durchwegs auf Materialen aus unserem Sonnensystem und bevorzugt geht es um Meteoriten und Gesteine vom Mond, Mars und der Erde. Das ergibt sich aber wohl von selbst, wenn man sich mit extraterrestrischer Chemie und extraterrestrischen Materialen beschäftigt, denn für die Chemie und die Materialien ausserhalb unserers Sonnensystems haben wir nur spektroskopische Daten.

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