Labore, Impakte und Vulkane: Es kracht und knallt in allen Ecken (oder: Die beliebtesten Paper im Oktober)

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Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
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Und wir haben schon November, ich glaube es nicht. Zeit für den beliebten Monatsrückblick über einige der beliebtesten Papers aus dem Gebiet der Kosmochemie, Meteoritenforschung samt benachbarten Feldern. Basierend wie immer auf Cosmochemistry Papers.

Dann mal ans Werk –

Eindeutig am beliebtesten State shift in Deccan volcanism at the Cretaceous-Paleogene boundary, possibly induced by Impact von Paul Renne (Berkley Geochronolgy Center) und seinen Mitstreitern, veröffentlicht in Science (hier für lau ein Tagungsabstrakt, wenn auch kurz). Impakte, besonders große, gehen natürlich immer. Und hier geht es um eben den Impakt, der möglicherweise für den Abgang (unter anderem) der knuddeligen Dinos verantwortlich war. Die Theorie ist noch gar nicht so alt, so richtig dominierend wurde sie über die 80er Jahre. Natürlich gibt es auch konkurrierende Thesen über die Ursache des Massenausterbens der sympathischen Viecher.

Dazu gehört vor allem der massive Vulkanismus, der zu dieser Zeit genau auf der anderen Seite des Planeten, auf dem sich langsam nordwärts schiebenden indischen Subkontinents stattfand. Dieser schob sich wahrscheinlich über eine aufsteigende Magmablase im oberen Erdmantel, die sich gleich einem Schweißbrenner durch den Kontinent brannte. Ergebnis: gewaltige Magamamengen, die einen großen Teil des heutigen Indiens mit Schichten auf Schichten von Basalt bedeckten, dem Dekkan-Trapp. Noch heute können die Schichten 2 Kilometer dick sein, und das nach zig-Jahrmillionen an Erosion.

Renne et al. bieten eine (fast) einvernehmliche Lösung des Problems an: beide Ereignisse waren dran schuld, und, noch besser, hängen sogar direkt miteinander zusammen. So sind (fast) alle zufrieden. Wie haben die Wissenschaftler das angestellt ? Zunächst wurden Basaltproben der verschiedenen Schichten vor Ort eingesammelt, um den zeitlichen Ablauf genauer zu messen. Dafür wurde die gängige Argon-40/Argon-39-Datierung angewandt, um die Frequenz der Ausbrüche festzustellen. Ergebnis: Nach dem Chicxulub-Einschlag erhöhte sich die vulkanische Aktivität massiv – um das doppelte. Auch nahm die Menge der Lava zu. interessanterweise gab es aber auch längere Pausen zwischen den Ausbrüchen, im Gegensatz zu einem eher kontinuierlichen Ausbruch vor dem Impakt. Das ist jetzt natürlich kein direkter Beweis, deutet aber schon in die Richtung, des der massive Impakt-Schock durch den Chicxulub-Einschlag eine Rolle spielte, und das Getier es damals halt so richtig aus mehreren Richtungen abgekriegt hat.

Und Dann mal wieder was aus der Isotopenecke, High-precision sulfur isotope composition of enstatite meteorites and implications of the formation and evolution of their parent bodies. Autoren sind Celine Defouilloy (Sorbonne/Naturhistorisches Museum Paris) samt Kollegenschar. Erschienen in Geochimica et Cosmochimica Acta, und sonst nix vorhanden, auch kein Tagungsabstrakt.

Untersucht wurden die stabile Isotope vom Schwefel. Wieso stabile Isotope ? Es geht also nicht um radioaktiven Zerfall, mit dem man datieren kann. Stabile Isotope haben Verhältnisse, die z.B. durch physikalische Prozesse (Verdampfung, schmelzen etc. verändert werden. Das Interesse galt nur zwei Meteoritengruppen – den Enstatit-Chondriten und den Aubriten. Letztere sind Achondrite, und scheinen irgendwie aus den Enstatit-Chondriten durch Differenzierung (also Kern- und Mantelbildung nach Aufschmelzung) entstanden zu sein (ist aber etwas komplizierter). Die Mineralogie beider wird durch Pyroxen bestimmt, einem Eisen/Magnesiumsilikat das in der Mineralogie der Meteorite eher die zweite Geige hinter dem allgegenwärtigen Olivin spielt. Interessanterweise gibt einige Ähnlichkeiten in der Chemie und Isotopie der untersuchten Meteoritengruppen und dem silikatischen Teil der Erde (Kruste und Mantel), weshalb manche Forscher (interessanterweise vor allem in Frankreich) diese als möglichen wichtigen Bestandteil des Ausgangsmaterials für unseren Planeten sehen.

Wieso Schwefel ? Ist in ordentlicher Mengen in den beiden Meteoritengruppen enthalten, so dass man einen weiteren Blickwinkel in die verschiedenen Prozesse im jungen Sonnensystem erhalten könnte. Die Isotope wurden chemisch in 42 Proben abgetrennt und per Massenspektrometer untersucht. Solche Analysen von ‘Bulk’-Material ergeben präzisere Ergebnisse denn mit den öfters erwähnten Ionensonden, mit denen man direkt in einer Probe Messungen vornimmt. Ergebnis: Neben diversen Variationen innerhalb der Gruppen sind die Isotopenverhältnisse des Schwefels der unserer Erde am ähnlichsten von allen Meteoriten. Aber halt nicht genau gleich, also muss noch einiges anderes im Mix drinnen gewesen sein.

Wir bleiben bei den Isotopen, jetzt aber bei Wasserstoff, und zwar in organischer Pampe in kohligen Chondriten:The deuterium/hydrogen distribution in chondritic organic matter attests to early ionizing irradiation von Boris Laurent (Uni Lille) und weiteren Mitkämpfern (mächtig gute Truppe übrigens). Veröffentlicht in Nature Communications. Das ist nicht das ‘richtige’ Nature, sondern ein online-Ableger. Scheint gerade zu expandieren, der Laden. Hier zwei Tagungsabstrakts. Die kohligen Chondrite bestehen gerne zu einem ordentlichen Anteil (ein paar Gewichtsprozent) aus organischem Material, vor allem dem sogenannten nicht-löslichen organischen Material (Insoluble Organic Matter, IOM). Organik ist natürlich immer interessant, hat aber, um das nochmal ausdrücklich zu sagen, hier erstmal nix mit Astrobiologie zu tun.  Aber es ist schon von Interesse, was denn so mit dem ersten organischem Material in unserem frühen Sonnensystem passiert ist, und einiges davon ist sicherlich auf unsere junge Erde geregnet. Hier kommen die Isotope ins Spiel, denn die Verhältnisse von D zu H sind deutlich unterschiedlich zum Sonnensystem-Normal. Also ist was mit der Organik passiert. Dazu wurden Laborexperimente durchgeführt, in denen vermutetes Ausgangsmaterial mit Elektronen beschossen wurde, um ionisierende Strahlung zu simulieren. Und in der Tat, die beobachtete Isotopenfraktionierung in der Natur lässt sich so reproduzieren. Was auch Sinn macht, denn das frühe Sonnensystem war eine wahre Strahlenhölle, da würde das Ganze sehr wohl Sinn machen. Wieder ein weiteres Puzzlestück im großen Gesamtbild.

Weiter mit (kurzlebigen) radiogenen Isotopen, Formation timescales of CV chondrites from component specific Hf–W systematics von Maike Becker (Uni/DLR Köln). In Earth & Planetary Science Letters, leider keine sonstigen Abstrakts etc. verfügbar. Worum geht es also ? Wieder um die kohligen Chondrite, der wohl ursprünglichsten Meteoritenklasse. Gemessen wurden die Hafnium/Wolfram Isotope der verschiedenen Bauteile von Typ 3 Chondriten, Chondren, Kalzium-Aluminium-reiche Einschlüsse (CAI) und dem feinkörnigen Gebrösel, der Matrix, zwischendrin. Bisher wurde dieses (recht neue) Isotopensystem nur an Bulk-Chondriten gemessen, also an ganzen, zerbröselten Meteoriten. Dabei gehen natürlich Details verloren.

Ein Ziel war, genauere Auskünfte über Zusammenhänge der einzelnen Komponenten zu erhalten. Die Chondrite formten sich wohl durch die Akkretion der Bauteile in der protoplanetaren Staub- und Gasscheibe des noch sehr jungen Sonnensystems. Man kann sich das wie Sedimentation, nur halt im freien Fall vorstellen. Außerdem von Interesse: Altersdaten, in diesem Fall relative Altersunterschiede der Komponenten. Die Ergebnisse sind interessant: zum einen zeigen die Matrix und Chondren komplementäre Isotopenverhältnisse, was auf die Herkunft in derselben Ecke des jungen Sonnensystems her deutet. Das ist eine wichtige Erkenntnis, wenn man Modelle von selbigem produzieren will. Weiter entstanden Matrix und Chondren zeitgleich über 2.6 Millionen Jahre, beginnend zur Epoche der CAI-Bildung. Das wiederum bedeutet, dass der Mutterkörper des Materials (in dem Fall die große Gruppe der CV Chondrite) halt nicht ganz so alt wie das Sonnensystem ist (die 2.6 Millionen Jahre machen in der Frühphase einiges aus), eher eine zweite Generation an Körpern. Das passt zu den Ergebnissen anderer rezenter Studien, die auf ältere, bereits differenzierte Mutterkörper hin deuten. Will meinen, die CV Chondrite wären in dem Fall dann nicht ganz das absolut älteste Material, für das man sie hält.

Dann aber mal was ganz anderes, Wasser, Mars, da war doch was … genau, das Paper zur Pressekonferenz erzeugte auch ordentlich Interesse, Spectral evidence for hydrated salts in recurring slope lineae on Mars von Lujendra Ojha (Georgia Institute of Technology) und Mit-Autoren. Standesgemäß in Nature Geoscience veröffentlicht. Über die Sache wurde schon ordentlich berichtet, weshalb ich mich auf einen älteren Abstrakt beschränke. Der ist von 2013, sooo geheim war die Sache also wirklich nicht.

Und ein weiterer Kandidat für den besten Titel  eines Papers:  Great new insights from failed experiments, unanticipated results and embracing controversial observations. Von Joseph A. Nuth III, ein Veteran vom NASA’s Goddard Space Flight Center, natürlich mit ein paar Mitautoren. Veröffentlicht in Chemie der Erde, einem altehrwürdigen Journal (101 Jahre alt), das in jüngster Zeit ein Comeback erlebt.

Joe Nuth und eine Mitautorin, Natasha Johnson köcheln in ihrem Experimentallabor ganz feine Sachen zusammen. Unter anderem wird die Umwandlung organischen Materials im frühen Sonnensystem mittels Katalysatoren (Stichwort: Fischer Tropsch Prozess) simuliert. Dabei kommen ziemlich abgefahrene Sachen heraus. Darunter Proben, die sich bisher erfolgreich einer Präparation oder gar Analyse durch mich widersetzt haben. Ich weiß bis heute nicht, was das für eine Substanz war, und habe sie in einem dunklen Winkel unseres Trockenschrankes vor der hilflosen Menschheit weggesperrt.

In so einem Labor, wo organisches und volatiles Material auf hohe Temperaturen trifft, kracht und knallt es recht gerne. Und das kann den schönsten Experimentalaufbau versauen. Was sich im Nachhinein aber manchmal als Segen heraus gestellt hat. Schönes Zitat aus dem Abstrakt:

Experimental data and observations, whether telescopic or analytical, are never wrong, though data derived from such sources can be misinterpreted or applied inappropriately to derive conclusions that are incorrect. Given that nature always behaves according to the laws of physics and chemistry, rather than according to currently popular models and theories, experimental results should always be considered correct even when the results are far from those that one might initially expect.

Es ist also nicht so sehr ein reguläres Forschungs-Paper – die Ergebnisse wurden zum Teil schon vor vielen Jahren veröffentlicht. Eher ein gut geschriebener historischer Rückblick, was es umso interessanter macht.

Um, zum Beispiel, die Ursachen der großen Variationen in der Isotope des Sauerstoffs in extraterrestrischen Materialen festzustellen, wurden über Jahre diverse mögliche Ausgangsmischungen mit diversen Gasgemischen in einem Spezialofen verdampft. Bei der Analyse der Isotopie der Kondensate kam lange Zeit überhaupt nix rüber.

Bis es dann eines Tages wegen einer kaputten Zuleitung zu ‘oszilliernden Mikro-Detonationen’ kam. So was hört man gerne bei der Arbeit mit gefährlichen Gasgemischen. Der Versuchsaufbau überlebte zwar, aber es wurde davon ausgegangen das die Ergebnisse dieses Versuches unbrauchbar waren, aber man schickte sie dennoch mit den anderen Proben zur Analyse. Und ausgerechnet im gescheiterten Experiment kam es zu Änderungen der Isotopie.

Diese waren aber sehr klein, weshalb man dem Ganzen nicht viel Bedeutung beimaß. Die Jahre zogen ins Land, und über 15 Jahre später waren die analytischen Techniken weit genug, um sich das Ganze nochmal genauer anzuschauen. Und tatsächlich, die Fraktionierung der Isotope ließ sich mit einem neuen Versuchsaufbau  reproduzieren. Nur war immer noch nicht klar, was eigentlich der Prozess war (und daran war man ja eigentlich interessiert). Eine Möglichkeit war, das die Explosionen ein Analog Schockwellen in der Gas- und Staubscheibe des jungen Sonnensystems sein könnten.

Am Ende stellte sich heraus, das nicht mal die Detonationen selbst verantwortlich waren sondern Plasma, das durch Entladungen einer Elektrode produziert wurde, mit der man die Explosionen eigentlich nur zündete. Also ein Nebeneffekt in einem Versuchsaufbau zum Nachvollziehen eines misslungenen Experiments.

Ein weiteres Beispiel war eine winzige Kontamination, die bei Experimenten zur Herstellung organischen Materials mit dem Fischer-Tropsch Prozess auftauchte. Die gesamte Anlage wurde mehrfach zerlegt (“We spent more time than we should publicly admit”) und gereinigt, aber die Kontamination tauchte immer wieder auf. Am Ende (nach viel Experimentieren) stellte sich heraus, dass es sich gar nicht um Kontamination, sondern um eben den gesuchten Katalysator handelte, anstelle des eigentlich erwarteten Materials.

Aber das ist halt auch Wissenschaft, es muss nicht immer alles geradlinig und vorhersehbar verlaufen.

 

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

1 Kommentar

  1. Der gewaltige Chicxulub-Einschlag hat also den Vulkanismus in Indien angefacht und erst dieser hat die Dinos ausgelöscht. Diese nicht ganz neue These habe ich sogar mitbekommen.
    Wie es auch sei, jedenfalls zeigt das, dass es in der geologisch jüngeren Erdgeschichte – vor 65 Millionen Jahren nämlich und damit geologisch gesehen nur einen Wimpernschlag vor unserer Zeit -, recht gewalttätig zuging. Nein, der Einschlag eines 180 km grossen Asteroiden in den Golf von Mexiko war nicht genug. Gleichzeitig spukten Megavulkane giftige Gase in die Atmosphäre.

    4.5 Milliarden Jahre nach Geburt der Erde scheint ihre Plattentektonik noch so ungestüm zu sein wie eh und je. Der Erdmond und wohl auch der Mars sind dagegen heute wohl geologisch tot.
    Die Plattentektonik gestaltet die Erdoberfläche immer wieder radikal um. Doch ohne sie wäre wohl unsere Atmosphäre anders zusammengesetzt und der Kohlenstoffkreislauf, an dem das ganze Leben hängt wäre in Gefahr, denn ohne Vulkanismus gäbe es keinen CO2-Nachschub mehr für die Atmosphäre. Statt dessen würde das CO2 in Senken wie Erdöl- und Erdgaslagern verschwinden und das CO2 in der Atmosphäre auf für das Leben gefährlich niedrige Werte abssinken. Seit der Mensch mitspielt hat sich das Bild allerdings geändert. Er befreit das fossile CO2 wieder, erhöht die CO2-Konzentration in der Atmosphäre und stösst damit sogar klimatische und geologische Prozesse an.

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