Pluto, Ceres und die üblichen Verdächtigen: Nachschlag LPSC 2016

BLOG: Exo-Planetar

Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
Exo-Planetar

Schnell ist die Zeit verstrichen, und wieder eine LPSC (Lunar and Planetary Science Conference) abgehakt. Dieses Mal wegen Ostern etwas verkürzt. Wohl ein Grund, weshalb die Tagung (zumindest gefühlt) deutlich ruhiger war als normalerweise. Aber immer noch ordentlich groß, es sollten wohl knapp zweitausend Teilnehmer gewesen sein.

Wie schon im letzten Eintrag beschrieben, ist die LPSC die große Tagung in den Planetaren Wissenschaften. Es wird so ziemlich alles abgedeckt, von analytischer Planetologie (also der direkten Laboruntersuchung von Meteoriten etc.) bis hin zur Fernerkundung durch Raumsonden. Von den großen Gaskugeln abgesehen werden auch die meisten Körper im Sonnensystem abgedeckt – wenn auch mit einer deutlichen Betonung des inneren Sonnensystems.

Also eine prima Gelegenheit, sich selber auf den neuesten Stand zu bringen, nicht nur in den eigenen Jagdgründen. Dieses Mal gab es zwei eindeutig dominierende Themen, die sich auch gut ergänzten – Ceres und natürlich Pluto. In beiden Fällen wurde die erste Runde an Daten inzwischen ordentlich verarbeitet, so dass sich allmählich ein Gesamtbild ergibt.

Ceres ist die Endstation der Dawn-Sonde, nach dem außerordentlich erfolgreichen Besuch von Vesta. Also die erste echte interplanetare Raumsonde, die in eine Umlaufbahn um mehrere planetaren Körper ging.

Was die Zusammensetzung des Kleinplaneten angeht, so scheint man sich auf einen Matsch aus ammoniakhaltigen Tonmineralen, Eisenoxiden, Karbonaten plus kohlenstoffhaltigen Zeug geeinigt zu haben. Ein zentraler Punkt bei der Mission war die Verbindung von Vesta und Ceres mit Meteoriten. Bei Vesta ist der schon zuvor vermutete Link zu den häufigen HED-Meteoriten (Howardite, Eukrite, Diogenite) dank Dawn wohl gesichert. Bei Ceres war es schon schwammiger, es gab zuvor viel Spekulation in Richtung kohlige Chondrite.

Der Vergleich von Infrarotspektren ergab jetzt zwar keine direkte Verbindung zu einer speziellen Meteoritengruppe. Das ist aber aufgrund der sich abzeichnenden Entstehungsgeschichte von Ceres gar nicht zu erwarten. Wie es aussieht, waren kohlige Chondrite wohl in etwa das Ausgangsmaterial. Dieses wurde in der Frühzeit durch Hitze aus kurzlebigen Isotopensystemen aufgeheizt, und regelrecht durchgeköchelt. Es wird davon ausgegangen, dass Ceres etwas spät gebildet wurde, weshalb er nur vergleichsweise wenig radioaktives Material abbekommen hat.

So sammelte sich das meiste flüchtige und flüssige Material in den oberen Schichten an, wo auch Silikate ordentlich in die Tonminerale umgewandelt (alteriert) wurden. Die inneren Schichten sind dann wohl deutlich Gesteinsreicher. Die Hypothese ist, dass es sich beim Material an der Oberfläche um noch höher alteriertes Material handelt, als in den Meteoritensammlungen Verfügbar – wo die CI-Chondrite vom Typ 1 bisher das Ende der Fahnenstange darstellen. Vielleicht das erste Vorkommen vom Typ 0?

Außerdem ist das Vorkommen von Wassereis auf Ceres jetzt wohl gesichert. Ceres ist wohl ein Zwischenglied zwischen Gesteinskörpern des inneren Sonnensystems und den Eiskugeln weiter außen. Eine interessante Idee ist, dass Ceres vielleicht selber etwas weiter außen gebildet wurde, um die Stabilität von Ammoniak zu erklären.

Die Reaktion Wheels, notwendig um die Sonde für die hohe räumliche Auflösung zu stabilisieren, werden voraussichtlich bis 2017 durchhalten, also ist noch einiges an weiteren Daten zu erwarten. Was auch auffiel war das einige der Vortragenden bei den Fragen etwas ausweichend waren, einige Ergebnisse sind wohl unter Embargo bis zur Veröffentlichung.

Bester Kommentar von Thomas McCord vom Bear Fight institute (zum weißen Fleck im Occator-Krater): „The dome looks like Mount St.Helens before it blew up“. Und in der Tat gibt es Hinweise, dass Ceres durchaus noch geologisch aktiv sein könnte.

 

Und dann Pluto. Von einer traurigen Anordnung an Pixeln zu einem kartographierten Körper innerhalb von knapp einem Jahr, dank der spektakulären New Horizons-Mission. Dass Team Pluto verdienter weise in außerordentlich ekstatischer Stimmung war, braucht wohl nicht extra betont zu werden. Entsprechend groß war auch der Andrang zu den Sessions, der Saal war in der Regel rammelvoll.

Die Ergebnisse wurden in der Presse wohl schon ausführlich behandelt – die Oberfläche wird durch Methan und Stickstoff dominiert, Wassereis spielt ein wenig die Rolle von Gestein.
Teile der Oberfläche sind jung, sehr jung – Teile der Sputnik Planum sind wohl jünger als 10 Millionen Jahre. Das erlaubt Spekulationen über heutige Aktivität auf Pluto.

Noch besser, selbst die sehr dünne Atmosphäre des nicht mehr ganz-Planeten scheint regelrechte Zirkulationsmuster zu zeigen.

Eine weiteres spektakuläres Ergebnis, das passender weise auch zeitgleich mit der Tagung veröffentlicht wurde, ist die Entdeckung eines mutmasslichen True Polar Wander (TPW) Ereignisses auf dem Mond. TPW bedeutet, dass der Mantel eines Körpers auf dem Eisenkern verrutscht, so dass die Pole (nicht aber die Rotationsachsen!) sich verschoben haben. TPW ist ein echtes Hot Topic zur Zeit. Auch für Pluto wurde ein solches Ereignis auf der LPSC vorgeschlagen, sowie auch für Merkur, und gerade erst wurde ein Paper über ein ähnliches Ereignis auf dem Mars veröffentlicht.

Ansonsten gab es natürlich auch in all den anderen Forschungsrichtungen interessantes, aber darüber zu berichten dazu reicht die Zeit (bei 5 parallelen Sessions) nicht. Ein Eindruck ist, dass sich lunare Themen so langsam in den Vordergrund schieben, während Mars auf dem absteigenden Mars ist.

Ach ja, einen eigenen Vortrag hatte ich auch, lief ganz gut, danke.

Einige Poster gibt es hier online, und auch Twitter war sehr aktiv, besonders ein Kollege aus Arizona hier.  Einige generelle visuelle Eindrücke hier.

Insgesamt also eine durchaus ergiebige Tagung. Und neben der Präsentation von Forschungsergebnissen ist so eine Tagung natürlich auch dazu da, Kontakt mit alten Kollegen zu halten, neue Leute kennen zu lernen. Horizonte wurden in der Tat erweitert, der Kugelschreiberbestand aufgestockt, und sogar Ehen geschlossen.

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

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