Bedrohte Lebensgrundlage: Bodenzerstörung als globales Problem

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Als Boden bezeichnet man ein sehr komplexes Gemenge aus Lebewesen, abgestorbener organischer Materie und anorganischen Mineralien. Die wichtigste Komponente hierbei sind die im Boden lebenden Organismen, das sogenannte Edaphon. Sie machen die Entstehung von Boden erst möglich, indem sie organisches Material zersetzen und ausscheiden. Je ein Viertel des Bodenvolumens werden von Wasser und Luft eingenommen, sind also nicht mit festem Material verfüllt. Diesen Teil des Bodens bezeichnet man als Porenraum. Dieser ist für den Gas- und Wasseraustausch, also letztendlich für das Gedeihen des Bodenlebens, von herausragender Bedeutung.

Boden ist also im Gegensatz zu dem was man meinen sollte, keinesfalls nur verwittertes Gestein, sondern ein hochkomplexes und empfindliches System mineralischer und biologischer Komponenten, die zu seiner Fruchtbarkeit beiträgt. Er sammelt sich auch nicht einfach an, sondern er wächst wie ein lebender Organismus.

Die Fruchtbarkeit dieses dynamisches Ökosystems hängt erheblich von Artenzusammensetzung, Struktur und Wasserhaushalt ab. Wie alle Ökosysteme kann auch dieses durch äußere Eingriffe schwer geschädigt werden. Und wenn Boden erst einmal weg ist, wird es sehr schwer, ihn wiederzubekommen.

Gegenwart…

Vor diesem Hintergrund ist das Ausmaß, in dem der Mensch in dieses Gefüge eingreift, extrem besorgniserregend. Denn ohne Boden gibt es keine Landwirtschaft. Und die Böden dieser Welt sind durch eine ganze Reihe menschlicher Eingriffe massiv bedroht

Bodenversiegelung
Bewachsener Boden nimmt ungeheure Mengen regenwasser auf und gibt sie nach und nach an Atmosphäre und Grundwasser wieder ab. Wegen seines großen Porenraumes speichert unversiegelter Boden je nach Bewuchs bis zu 5 Liter Wasser pro Quadratmeter[1], die für das Pflanzenwachstum zur Verfügung stehen, und durch Verdunstung die untere Atmosphäre kühlen und befeuchten. Auf jedem Hektar Boden entstehen in Mitteleuropa zusätzlich jährlich eine Million Liter Grundwasser[1], die von den oberen Erdschichten nicht nur aufgefangen sondern zusätzlich auch gefiltert werden.

Dichte Bebauung mit Gebäuden und Straßen, aber auch Bodenverdichtung durch Landwirtschaft, verhindert, dass Wasser in den Boden einsickert. Stattdessen fließt es in die Oberflächengewässer ab und geht so Boden und Grundwasser verloren. Schlimmstenfalls erodiert dieses Wasser wertvollen Ackerboden oder verursacht Überschwemmungen. Die Hochwasser der letzten Jahre sind überwiegend auf den schädlichen Einfluss der Bodenversiegelung zurückzuführen.

Bodenbearbeitung
In der Landwirtschaft wird – abhängig von der Feldfrucht – überwiegend die sogenannte wendende Bodenbearbeitung durch Pflügen betrieben. Dabei wird der Oberboden bis in 30 Zentimeter Tiefe aufgerissen und umgepflügt. Dieser gravierende Eingriff in das Bodengefüge schadet den dort lebenden mehrzelligen Organismen erheblich, besonders den Regenwürmern, denen in der Bodenökologie eine besondere Rolle zukommt.[2] In regelmäßig gepflügten Böden verändert sich jedoch auch die Zusammensetzung der Mikroorganismen zugunsten der Bakterien.

Gepflügter Boden ist außerdem wegen des zerstörten Bodenaufbaus anfälliger für Erosion und Bodenverdichtung. Letztere ist möglicherweise das größte Problem der industriellen Landwirtschaft: Bewirtschaftung mit schwerem Gerät presst die Bodenschichten unterhalb der Pflugsohle stark zusammen, so dass der Porenraum dort drastisch abnimmt. Flüssigkeiten, Gase und Lebewesen können die verdichtete Schicht deswegen nur schwer durchdringen. Die Folge: Bei Regen kann das Wasser nicht mehr versickern und verursacht Staunässe und Erosion, während bei Trockenheit weniger Wasser aus tiefen Bodenschichten aufsteigt und die Austrocknung des Bodens verhindert.

Inzwischen wird, gerade in den USA, aber auch in Deutschland, soweit möglich auf bodenschonendere Verfahren zurückgegriffen. Einige Bedeutende Feldfrüchte wie Kartoffeln und Mais erfordern jedoch nach wie vor den Pflug.

Nutzpflanzenanbau, Pestizide und Düngung
Durch den Bewuchs mit nur einer Pflanzensorte verarmt der Boden ökologisch. Da die Feldfrüchte jedes Jahr geerntet werden, gelangt deutlich weniger organische Materie zurück in den Boden. Dieser Verlust muss durch Eintrag von Gülle oder Dünger ausgeglichen werden, wenn der Boden nicht auslaugen und unfruchtbar werden soll, wie es in Teilen der Welt durch Übernutzung oft schon geschieht.

Die Bodenfauna und – flora verschiebt sich Durch die Düngung hin zu Arten, die Nährstoffe direkt verwerten, während organische Überreste verzehrende Lebewesen unter Druck geraten. Das sind hauptsächlich mehrzellige Organismen wie Würmer, Arthropoden oder Pilze, die für einen gesunden Boden wichtig sind.

Düngemittel, Pestizide und Herbizide beeinflussen die Bodenökologie ebenfalls negativ. Außerdem landen sie in Oberflächen- und Grundwasser.

Bewässerung
Moderne Hochleistungspflanzen haben eines gemeinsam: Sie verbrauchen alle ungeheuer viel Wasser. Das ist vor allem in trockenen Regionen ein Problem, dort müssen Felder intensiv bewässert werden. Wegen der hohen Verdunstung dort reichern sich die im Wasser gelösten Salze im Boden an. Als Reaktion müssen Landwirte vor der Bewässerung das Salz mit Wasser aus den Feldern spülen, bevor sie wie gehabt Pflanzen können. Doch dadurch reichert sich das Salz bestenfalls nur etwas langsamer an. Schlimmstenfalls landet es in Wasser, das der nächste Landwirt zur Bewässerung seiner Felder benötigt und verschärft dort das Salzproblem. Durch diesen Teufelskreis sind zum Beispiel die Baumwollplantagen rund um den Aralsee verödet (pdf). Jetzt ist das Wasser weg und der Boden zu salzig um dort etwas anzubauen.

… und Zukunft
Derzeit verschwinden durch Erosion, Versalzung, Austrocknung oder Versiegelung jährlich zwischen fünf und sieben Millionen Hektar[3] Ackerland weltweit. Das entspricht etwa der Fläche Bayerns. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung und damit der Nahrungsbedarf weiter an und erhöht den Druck auf die verbleibenden Ackerflächen. Das Risiko von Missernten steigt.

Auch hierzulande ist die Verschlechterung des Bodens ein Problem. Durch Erosion geht Ackerland verloren und durch die Verschlechterung der Böden sinken die Erträge. Für uns in Deutschland bedeutet das erst mal höhere Lebensmittelpreise; viel bedeutender ist für uns der Zusammenhang zwischen Boden und Wasser. Zum einen stammt rund 70 % des in Deutschland verbrauchten Trinkwassers aus Grundwasser, an dessen Bildung Böden erheblich beteiligt sind. Das Regenwasser, das durch die Kanalisation in die Flüsse geleitet wird, füllt die Grundwasserspeicher nicht auf.

Problematisch ist vor allem das langfristige Schadenspotential dieser Entwicklung: Ruinierte Böden sind auf Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte hinaus für die Bewirtschaftung ungeeignet. Völlig erodierte Böden brauchen sogar noch länger, um sich nachhaltig zu erholen. Der Verlust von Ackerboden könnte die Menschheit in den nächsten Jahrhunderten wesentlich teurer zu stehen kommen als der Klimawandel.

[1] Quelle: Land Oberösterreich

[2] Im Detail auseinanderklamüsert in
Heisler, C. & Brunotte, J.: Beurteilung der Bodenbearbeitung mit Pflug und
der konservierenden Bodenbearbeitung hinsichtlich der biologischen Aktivität mittels
des Köderstreifen-Tests nach von Törne sowie der Populationsdichten von
Collembolen und Raubmilben. Landbauforschung Volkenrode, 48 (1998), 78-85.

[2] Quelle: Welthungerhilfe

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