Chemie-Nobelpreis 2011 – die Kandidaten von Thomson Reuters

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Die Nobelpreis-Saison nähert sich mit Riesenschritten, und jetzt hat Thomson Reuters seine Shortlist der möglichen Chemie-Nobelpreisträger 2011 vorgelegt. Das Unternehmen hat eine beachtliche Sammlung von Vorhersage-Erfolgen vorzuweisen. Allerdings lassen die Leute da auch alle Erwähnungen gelten und nicht nur die Prognosen für die jeweiligen Jahre, insofern ist die Liste meiner Meinung nach ein Bisschen geschönt. Wenn jemand 2008 nen Nobelpreis bekommt, kann man eine Vorhersage von 1989 nur mit sehr viel gutem Willen als Treffer bezeichnen. Finde ich jedenfalls.

Nützlich ist die Aufstellung vor allem deswegen, weil die Kandidaten plausibel sind, und das liegt am Auswahlverfahren. Thomson Reuters berücksichtigt die Zitierungen der letzten 30 Jahre und eine Reihe renommierter Forscherpreise wie den Wolf-Preis. Das sind schon ganz gute Indikatoren, ob ein Forscher für höchste Weihen in Frage kommt, wenn es dann noch um ein Thema geht, das echte Relevanz hat. Insofern lohnt es sich, da mal einen Blick drauf zu werfen.

Das heißeste Thema dieses Jahr sind demnach die dendritischen Polymere, mit Fritz Vögtle, Donald Tomalia und Jean Frechét sind gleich drei der sechs gelisteten Forscher aus diesem Gebiet. Dendrimere sind ziemlich nützlich, weil monodispers und ungiftig, können sehr verschiedene Endgruppen tragen (d.h. entsprechend viele Funktionen haben) und waren zu Anfang ausgesprochen schwer ordentlich zu synthetisieren. Diverse medizinische Anwendungen werden für die Dinger ins Auge gefasst, unter anderem in der Krebstherapie, und die eine oder andere ist in der klinischen Prüfung, so weit ich weiß. Trotzdem glaube ich nicht dass dieses Thema schon so weit ist, dass es dafür einen Nobelpreis gibt.

Mal wieder dabei ist Martin Karplus, den ich schon in den letzten Jahren als Wildcard auf der Liste hatte. Karplus ist ein Pionier der Moleküldynamik, und ohne MD-Simulationen geht gerade in der Biochemie kaum noch was. Angesichts dieses Umstandes und weil die Computermethoden schon seit Ewigkeiten übergangen werden, ist Karplus zumindest wahrscheinlicher als die drei Dendrimer-Leute. A man to watch!

Für extrem unwahrscheinlich halte ich den ersten in der Liste, Allen Bard. Das liegt einfach daran, dass er eine Methode entwickelt hat, die Elektrochemische Rastermikroskopie. Damit kann man die Reaktivität von Oberflächen auf Mikroskalen analysieren, was zum Beispiel für Festphasenkatalysatoren, Batterien oder Korrosionsstudien relevant ist. Sowohl ökonomisch als auch technisch eine bedeutende Entwicklung, aber wir wissen ja, dass die Instrumentenbauer generell wenig Chancen auf einen Platz an der Sonne haben. Ich würde mich freuen wenn das diesmal anders wäre, aber ich glaube nicht daran.

Der Letzte im Bunde ist Joseph Vacanti, ein Mediziner. Er arbeitet an Organregeneration und Tissue Engineering, auch so ein Verfahren, das seine Versprechen überwiegend erst noch halten muss. Von dem Thema habe ich vergleichsweise wenig Ahnung und kann es nicht beurteilen, aber nach meinem Dafürhalten ist Vacanti eher ein Außenseiterkandidat.

Das sind die sechs Kandidaten. Ich sage voraus: Von denen wird es niemand, am ehesten noch Karplus. Meine eigenen Tipps muss ich noch mal überarbeiten, dazu komme ich dann hoffentlich nächste Woche.

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