Das Blogteleskop #34 – Raumfahrtpolitik, Technikfeindlichkeit und mehr

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Diese Woche ist das Blogteleskop wieder einmal bei mir zu Gast. Nach wie vor ist die nahende Bundestagswahl ein Thema für die Astro-Blogosphäre. Florian hat zehn Fragen zum Thema Raumfahrt zusammengestellt und an die im Bundestag vertretenen Parteien geschickt. Ergebnis: Die Linke hat große Vorbehalte, CDU und FDP sind dafür, die SPD blamiert sich und die Grünen haben besseres zu tun. Stefan Taube rezipiert derweil einen lesenswerten Artikel von Michael Miersch, der die Technikfeindlichkeit in Deutschland beklagt. Die Diagnose: Alle größeren deutschen Parteien sind bis auf die Knochen Technik- und Fortschrittsfeindlich, abgesehen vielleicht von der FDP. Und die ist traditionell ein Haufen feiger Weicheier und kriegt den Mund nicht auf, wenn es um Wissenschaft und Technik geht. Schade eigentlich. Denn:

Große Teile der sogenannten technischen Intelligenz – Ingenieure, Naturwissenschaftler, Techniker – haben sich frustriert aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Sie zappen weg, wenn politische Magazine im Fernsehen laufen, und schauen nur noch selten in die Zeitungen, weil sie dort nichts weiter zu erwarten haben als die nächste Hysterie. Sie fühlen sich fremd im eigenen Land – obwohl sie den Wohlstand dieses Landes zu einem Großteil erwirtschaften.

(Miersch)

Und wo wir grad beim Thema Technikfeindlichkeit sind: Ludmila hat einen sehr hübschen Kontrapunkt zur grassierenden Lampen-Hysterie gefunden.

Freitag fand bei ESOC in Darmstadt die Lange Nacht der Sterne statt, für die es ja unter anderem bei Florian Karten zu gewinnen gab. Das ganze entpuppte sich als eine Art Tag der Offenen Tür mit Blick in verschiedene Kontrollräume, einem Besuch bei Eumetsat und einigen Vorträgen, unter anderem von dem Astro-Blogger Markus Landgraf über die Kometensonde Rosetta und ihren Lander Philae und Michael Khan mit einem Plädoyer für eine weitere Mondmission. Zugegen waren auch Stefan Oldenburg und Helmut Dannerbauer (hier sein Bericht), so dass im Vortragsraum C von ESOC ein veritables Kosmologger-Treffen stattfand.

Was gab es sonst? Andreas Müllers Frage nach den 12 größten Durchbrüchen der Astronomie steht weiter im Raum, Jan Hattenbach stellt fest, dass es auf der Sonne momentan wirklich sehr ruhig ist, während Frank Leiter die Sonne hübsch aktiv findet. Bei Michael Khan gibt es nicht nur Fotos von der Landestelle von Apollo 12, sondern auch einen Link zum hochaufgelösten Originalbild, aufgenommen von LRO, und Carolin Liefke findet ein astronomisches Instrument mit einem ausgesprochen passenden Motto.

Der beste Beitrag der letzten zwei Wochen kommt von Ludmila. Er befasst sich ausführlich mit der Gezeitendissipationskonstante Q und der damit zusammenhängenden Frage, wieviel Zeit dem Exoplaneten WASP 18b noch bleibt, bevor er in seinen Mutterstern fällt. Außerdem scheinen die Macher von Doctor Who etwas von Planetenentstehung zu verstehen. Alexander Stirn beklagt das langsame Sterben des Ares-Projekts der NASA und der Physikblog präsentiert trotz anstehender Diplomprüfungen das Tool Moonbell, das Mondtopographie in Melodien übersetzt. Und zu guter letzt sei auch noch auf meinen Artikel über Wanderdünen auf dem Mars verwiesen.

Soweit zur Blogosphären-Aktivität der letzten zwei Wochen. Wer sich vergessen oder übergangen fühlt, kann das natürlich wie immer in den Kommentaren kundtun.

20 Kommentare

  1. Miersch

    war auch auf dem Wissenschaftsforum Chemie und hat nen Vortrag über “Chemie-Angst als Geschäftsmodell” gehalten. Ich hab’s leider verpasst, aber er dem Vernehmen nach ist er seinem Ruf als ziemlicher Schnacker mal wieder gerecht geworden. ^^

    Aber er hat seine hellen Momente, das muss man ihm lassen.

  2. Miersch

    Selten so ein polemisches und unausgegorenes Geschreibsel gelesen! Jeder kann sich natürlich sein Weltbild aus allen möglichen irgendwie passenden Gedankenfetzten zusammenbasteln und den ganzen Rest ignorieren. Nur hat das dabei entstehende Gebilde idR nix mit der Realität zu tun.

    Jan (weder Anhänger der Grünen noch sonst einer Partei und auch kein Technikfeind, aber dem kritischen Denken nicht ganz abgeneigt)

    (Meine natürlich Miersch und nicht Fischer!)

  3. Getrübter Blick in die Sterne

    Manchmal hat man den Eindruck, die Parteien sind so damit beschäftigt sich selber darzustellen, dass für das Wesentliche gar keine Zeit mehr bleibt. Ein kleines Beispiel: In meiner Stadt gibt es eine Volkssternwarte, welche von Hobby-Astronomen unentgeltlich betrieben wird. Im Sommer kann man einmal in der Woche, unter Anleitung, einen Blick auf die Sterne werfen. Besonders bei Familien und Jugendlichen, welche in der benachbarten Jugendherberge nächtigen, ist die Sternwarte sehr beliebt. Leider platzt sie aus allen Nähten, und so wurde von den Betreibern bei der Stadt nachgefragt, ob sie nicht einen 30 qm großen Raum, den das benachbarte Museum als Abstellkammer nutzt, als Vortragsraum haben könnten. ABGELEHNT! Auf der anderen Seite werden unsere regionalen Politiker nicht fertig über Jugendliche zu schimpfen welche, mangels Freizeitangebot, rumhängen und saufen. Es wäre aber wichtig, Kinder schon frühzeitig für wissenschaftliche Themen zu begeistern.
    Allerdings sollt man sich vor lauter Fortschrittsgläubigkeit auch nicht das Gehirn vernebeln lassen, wie Herr Miersch in seinem äußerst polemischen Artikel!

  4. Miersch polemisch? Na und?

    Es ist ein sehr durchschaubarer Kunstkniff die Position eines anderen aufgrund seinr Form zu diskreditieren. “Polemisch” ist dabei immer wieder als Totschlagbewertung zu finden.

    Ja, der Artikel ist wütend. Und? Ich bin es manchmal auch. Ich bin verdammt wütend, wenn ich mich mal wieder rechtfertigen muss, dass ich als Wissenschaftler der Gemeinschaft diene.

    Ich jedenfalls registriere äußerst verwundert, dass auf der einen Seite Faszination von meinem Feld ausgeht, andererseits man mich fragt, wozu das Ganze gut sein soll und ob man das Geld nicht anders anlegen könnte. Am besten “irgendwas” mit Afrika oder “mit der Unmwelt”. Oft kommt das von ein und denselben Personen.

    Apropos, Umwelt. Klimaforscher, die doch heutzutage angeblich so extrem wichtig sein sollen, müssen sich regelmäßig alles mögliche an Anfeidungen anhören. Unredlichkeit, Betrug, Lobbyismus, Panikmache, Profitgier, Ruhmsucht, das Streben nach Weltherrschaft…Es ist wirklich alles dabei.

    Ich verlange natürlich nicht, dass die Leute auf die Knie fallen und unkritisch alles nachbeten, was Wissenschaftler so erzählen. Aber ich bin es echt leid, als Wissenschaftler grundsätzlich als “Feind” eingestuft zu werden.

    Denn damit ist absolut keine Diskussion möglich. Schon gar keine vernünftige.

    Es muss doch verdammt noch mal eine vernünftige Mitte zwischen blindem Fortschrittsglauben und blinder Fortschrittsfeindlichkeit geben!

  5. Danke Ludmilla!

    Sehr gut dargestellt. Und solange das mit vernünftigen Mitte zwischen blindem Fortschrittsglauben und totaler Ablehnung so schwierig ist, ist es gut, dass es jemanden gibt, der ein Gegengewicht zu dem ganzen von Dir aufgezählten Unsinn in die Waagschale wirft.

  6. Polemik ist Polemik, @Ludmila

    Was du für einen “Kunstgriff” hältst, nenne ich schlicht dämlich. Mierschs Artikel strotzt nur so vom mittlerweile in bestimmten Kreisen üblichen 68er und Grünen-Hass. Glaubst du ernsthaft, mit solcher Polemik (jawohl!) könne man eine ernsthafte Diskussion beginnen? Leute, die so formulieren wollen keine Diskussion, sie wollen Konfrontation. Und das ist genau das was sie bekommen. Diejenigen, die ernsthaft über Technikfeindlichkeit diskuttieren wollen sind die Leidtragenden.

    Wenn man wütend ist, ist es das Beste erst mal ein bisschen runterzukommen, bevor man sich an die Tastatur setzt. Mit aggressiven Polemiken, Pauschalisierungen und Beleidigungen produziert man nur Futter für den Gegner. Es sei denn man will genau das.

    “Es muss doch verdammt noch mal eine vernünftige Mitte zwischen blindem Fortschrittsglauben und blinder Fortschrittsfeindlichkeit geben!”

    Da hast du verdammt noch mal recht. Doch erstens geht das auch ohne “verdammt noch mal” und zweitens hat Herr Miersch einmal mehr dazu beigetragen, dass die vernünftige Mitte mal wieder im Getöse der ideologischen Grabenkämpfe untergeht.

    Tolle Leistung.

  7. Polemik und sachliche Richtigkeit

    Polemik sollte den Boulevardzeitungen etc. vorbehalten bleiben. In einem seriösen Artikel hat sie m.E. nichts zu suchen, hier sollte Sachlichkeit vorherrschen. Z.B. schreibt Miersch: “Mit Staunen berichtet Newsweek, dass in deutschen Schulbüchern noch bis vor ein paar Jahren Computer verteufelt wurden. Sie vernichten Arbeitsplätze, zerstören die zwischenmenschliche Kommunikation und degradieren Menschen zu Zahlenreihen, war da zu lesen und ist es teilweise immer noch….” Also, mir ist jetzt kein derartiges Schulbuch bekannt. Auch leben die Schulen ja nicht mehr hinter dem Mond und verlangen von ihren Schülern schon längst, dass Referate usw. als PowerPoint Präsentation dargeboten werden. Natürlich verfügen die meisten Schulen inzwischen auch über eigene Computer, die Schüler sowieso. Da fragt man sich natürlich, wie Herr Miersch so einen Mist schreiben kann.

  8. Schulbücher

    An diesem seltsamen Schulbuchthema habe ich mich auch gestoßen. Ich halte diese Aussage schlicht für ausgemachten Stuss, zumindest solange bis man mir ein solches Schulbuch zeigt.

    Aber mal ganz davon abgesehen: Könnte es nicht vielleicht sein, dass das ein oder andere, was da in diesen angeblichen Schulbüchern stand (diese Kritik hat es nämlich tatsächlich einmal gegeben) so ein ganz kleines bisschen stimmen könnte? Dass technischer Fortschritt fü manche (viele?) Menschen nicht immer mit einer Verbesserung ihrer Lebenssituation in Verbindung gebracht wird? Dass ein guter Teil der (gewiss existierenden) Technikfindlichkeit aus der Erkenntnis stammt, dass technischer Fortschritt eben *auch* mit Umweltzerstörung, Entfremdung, Arbeitslosigkeit,… einhergeht? Das passt sicher nicht in so manches Weltbild, könnte aber ein Ansatz zu einer inhaltlichen Diskussion sein. Falls die denn überhaupt gewollt sein sollte.

  9. @Jan Hattenbach Ja…

    …bleiben wir beim Thema Computer. Natürlich kostet so ein Gerät auch Geld. Manche Menschen, z.B. Harz V-Bezieher, können da nicht mithalten. Falls also ein Kind, welches aus so einer Familie stammt, eine höhere Schule besuchen möchte, kann es ohne gescheiten Computer gar nicht mehr mithalten. Denn es kann weder seine Hausaufgaben richtig machen, noch kann es am Nachmittag mit den Klassenkameraden chatten. Es wird buchstäblich abgehängt. Sicher werden dann seine Eltern sagen: “Früher war alles besser, da brauchte man so ein Gerät nicht.”

  10. Warum nicht mal verdammt?

    @Jan Hattenbach:
    Du meinst, man dürfte nicht “verdammt” sagen. Warum eigentlich? Was soll dieser ireale Anspruch an die “Wissenschaftler” immer sachlich, kühl und emotionslos zu agieren? Dürfen wir keine Menschen sein?

    Die meisten Veränderungen in der Gesellschaft wurden eben nicht durch kühle sachliche Diskussion errungen, sondern indem irgendjemand mal aufstand und auf den Tisch haute. Wurde der Muff von tausend Jahren unter den Talaren überwunden, weil die Studenten sich mit den Professoren gesittet zusammen saßen? Irgendwann sicherlich. Dem voran ging aber nun mal der wütende Protest.

    Also, wo sind die wütenden Wissenschaftler, die bereit sind vor den Bundestag zu demonstrieren und für Ihre Rechte einzustehen?

    Ich finde, wer sich niemals aufregt und mal mit der Faust auf den Tisch haut, der braucht sich nicht zu wundern, wenn sich nichts aber auch gar nichts bewegt.

    Warum sollten denn Politiker oder andere Menschen an ihren eingefahrenen Einsichten ändern? Weil sie gepflegt zu Tode gequatscht werden?

    Immerhin haben wir die Möglichkeit mit den Füßen abszustimmen.

  11. Computerphobie

    @Mona & Jan Hattenbach
    Was in Schulbüchern über die deutsche Techno- und Computerphobie stand weiß ich auch nicht. Aber so falsch oder gar polemisch sind diese Unterstellungen wohl nicht.

    Hier eine Spiegel Titelgeschichte aus dem Jahre 1983

    Ein paar Höhepunkte daraus:
    -“Etwa die Hälfte aller Bundesbürger hat Angst vor dem Computer, wissen die Marketing-Strategen aus ihren Befragungen. Rund drei Viertel glauben, dass die Computer Arbeitsplätze vernichten.”
    -“Eine positive Einstellung zum Computer ist unter den Deutschen weit seltener als bei den meisten anderen Industrie-Völkern. Nur rund ein Viertel ist den Rechnern wohlgesinnt.”
    -“Deutsche Unternehmen spielen im Heimcomputer-Geschäft keine Rolle.”
    -“Manche Kritiker glauben nämlich, dass der Boom der Heimcomputer, so der amerikanische Computer-Wissenschaftler Joseph Weizenbaum, schon “in relativ kurzer Frist” vorbei sein werde.”

    Ach ja…,”die gute alte Zeit”…

    PS
    Man beachte auch die PISA – Ergebnisse 2003:
    “Bemerkenswert ist ebenfalls, dass die Schule in Deutschland offensichtlich keine nennenswerte Rolle bei der Nutzung von Computern im Unterricht und bei der Vermittlung von Computerkenntnissen spielt. Schülerinnen und Schüler, die weder im Elternhaus noch im Freundeskreis Gelegenheiten und Unterstützung erhalten, mit dem Computer vertraut zu werden, sind in Gefahr, den Anschluss zu verlieren.”
    Also wenn unsere Schulbücher nicht computerfeindlich sind, unsere Schulen sind es!

  12. @Ludmila

    “Du meinst, man dürfte nicht “verdammt” sagen.” – Nein, meine ich nicht.

    Du liebe Güte, kann es sein, dass du dich etwas vorschnell angegriffen fühlst? Ich habe *nicht* gesagt, dass man nicht auch mal “verdammt” sagen darf. Ich habe es selbst getan. Daraus konstruierst du Forderungen, die ich nie, nicht mal indirekt gestellt habe (von wegen keine Menschen sein dürfen).

    Ich meinte mit “es geht auch ohne ‘verdammt'”, dass man sich zwar auch mal aufregen darf, wenn es aber darum geht, eine vernünftige Diskussion anzustoßen, sollte man sein Gemüt lieber vorher abkühlen. Mit Polemiken und Beleidigungen überschüttete Diskusionspartner verstehen selbige nämlich meist nicht als Aufforderung zum sachlichen Diskurs, sondern als das, was sie sind: Polemiken und Beleidigungen.

    Was mich an Mierschs Artikel stört ist diese polemische Art, alles was von Seiten der “Linken” (Grüne, 68er, etc.) gekommen ist zu verteufeln und die Wissenschaft als Heilsbringer darzustellen. Das ist vereinfachend und (jetzt benutze ich das Wort zum letzten Mal) polemisch. Die Politik ist sowas von überfüllt von Vereinfachungen und Polem..(sorry) dass ich manchmal das Kotzen kriege: An echten konstruktiven Diskussionen ist kaum noch einer interessiert, es geht nur noch um das Niederhauen des Gegners. Das ist in seinem Artikel nicht anders – er ist deshalb überflüssig.

    Aber bitte: schreit rum und haut mit Schuhen, Köpfen oder was auch immer auf Tische, pfeift Trillerpfeifen und schmeisst Farbbeutel, aber erwartet nicht, dadurch ernster genommen zu werden (ja das war auch pol…(verdammt!)), aber bitte:

    “Also, wo sind die wütenden Wissenschaftler, die bereit sind vor den Bundestag zu demonstrieren und für Ihre Rechte einzustehen? “

    Ist das nicht ein bisschen zu dick aufgetragen? Was für Rechte werden Wissenschaftlern bitteschön vorenthalten?

    Achso: der muss noch sein, damit ich hinterher nicht werweisswie verstanden werde: 😉

  13. @itz

    Keine Frage, die Computerphobie der 80er Jahre ist mir persönlich noch vertraut. Ich musste meine Eltern ganz schön lange nerven bis ich meinen C64 bekam 🙂

    Ich habe übrigens trotzdem Abitur und Physikstudium geschafft und würde mich als computeraffinen Menschen bezeichnen. Dennoch habe ich mir eine gesunde Distanz zu neuen Techniken und Medien bewahrt und bin damit immer ganz gut gefahren.

    Denn eines wäre ganz schlecht: Wenn die Menschen nach einer Ära des kritiklosen Fortschrittsglaubens und einem darauffolgendem Fortschrittspessimismus immer noch nicht begreifen würden, dass es eben nicht 100% in die eine oder die andere Richtung gehen kann. Beide Sichtweisen enthalten einen Teil der Wahrheit. Ohne technischen Fortschritt, ohne Wissenschaft geht es nicht. Ohne einen verantwortungsvollen Umgang und ein gelegentliches Nachdenken über die Folgen dieses Fortschritts auch nicht.

    Das von Herrn Miersch vorgetragene Gezetere lässt mich da schon an der Lernfähigkeit mancher Zeitgenossen zweifeln.

  14. Na, so weit auseinander liegen wir nicht

    @Jan Hattenbach: Ich würd sagen, so weit auseinander liegen wir nicht. Klar, wer eine vernünftige Debatte will, der sollte natürlich nicht “verdammt” gebrauchen. Ich will die ja auch nicht abwürgen, um Gottes willen.

    Du machst aber den Fehler, den viele Wissenschaftler machen. Sie versuchen die Art der Kommunikation, die sie als Wissenschaftler gewohnt sind, in die Gesellschaft zu tragen.

    Wenn Dir das gelingt, dann Hut ab!

    Andere Menschen, so wie ich, denken aber, dass die Kommunikation in Gesellschaft und Kultur grundsätzlich anders abläuft. In den USA ist gerade ein Buch zu dem Thema erschienen “Don’t be such a scientist.”

    Der Tenor dieses Buch ist es – so sehr es uns auch missfällt – so sind außerhalb des akademischen Umfeldes gute und sachliche Argumente nur ein Aspekt, nach dem eine Diskussion oder ein Gespräch bewertet wird. Die Form, die Person macht mindestens genau viel aus.

    Hast Du noch nie Bekanntschaft mit dem berühmten “Bauchgefühl” gemacht? Wir als Wissenschaftler machen den Fehler, nur den Intellekt der Leute anzusprechen, aber nicht ihre Emotionen. Und die wirst Du mit rein sachlichen Argumenten nicht erreichen.

    Ach und was für Rechte gemeint sind. Ich arbeite ja schon ein paar Jahre in Köln und was Wissenschaftler hier schulterzuckend an wirklich unwürdigen Arbeitsbedingungen hingenommen haben, ohne dass irgendjemand protestiert hätte, ging auf keine Kuhhaut.

    Hörsäle, die gespeert wurden, weil die Lampen drohten herunterzukommen. In einem Büro in meinem alten Institut ist die Decke teilweise heruntergekommen. Dann gab es vor wenigen Jahren einen Wasserskandal an der Kölner Uni, der erst dann offenbart wurde, als jemand damit an die Presse ging. Wir sprechen hier von Legionellenbefall und Schwermetallbelastung über den Grenzwert hinaus.

    Fangen wir also damit an. Haben Wissenschaftler kein Recht auf vernünftige Arbeitsbedingungen?

    Und was ist mit der Unsitte, die wichtigsten Leute auf zeitlich befristete Verträge zu setzen? Wir haben hochqualifizierte Leute, die schon weitaus mehr Stunden reissen als bezahlt werden. Und dann können wir noch nicht mal langfristig planen. Haus kaufen? Oder gar Kinder kriegen? Wie soll das gehen, wenn man alle zwei Jahre fürchten muss, auf der Straße zu stehen?

    Und dann erdreisten sich nicht wenige Leute uns zu unterstellen, wir würden der Gemeinschaft auf der Tasche liegen und nur unnützes Zeugs praktizieren.

    Andere Menschen wären wegen solcher desolater Zustände längst auf die Straße gegangen, um mal darauf aufmerksam zu machen. Nur wir Wissenschaftler sind so *pardon* doof und meinen, dass man erst mal ein “vernünftiges” Gespräch führen müsste.

  15. Übereinstimmung

    Ja, wir liegen nicht weit auseinander, das habe ich auch nicht vermutet. Du hast ein paar wichtige Dinge angesprochen, die ich schon ein bisschen verdrängt hatte, ich arbeite schon über zwei Jahre nicht mehr als Wissenschaftler. (Wobei, zumindest die Gebäude sind in Aachen wohl etwas robuster gebaut als in Köln…)

    Das Buch kannte ich noch nicht, es klingt interessant. Ich stimme dir auch in diesem Punkt zu: Auf den Tisch hauen hilft manchmal… Ich glaube es war der alte Adeneauer der mal meinte: Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen.

    Wovor ich allerdings dringend warne, ist sich auf diese ideologisch verbrämten rechts-links-Grabenkämpfe einzulassen, die manche Berufspolemiker (der musste noch sein, sorry) für Politik halten. Das würde nur schaden.

    That’s all – ist schon spät heute!

  16. Weitere Argumente

    @Ludmilla

    Sie schmeißen da zwei verschiedene Dinge durcheinander. Ich will einmal mit letzteren anfangen: Die Zustände bezüglich unsicherer Arbeitsplätze, welche Sie beschreiben, sind auch in verschiedenen anderen Branchen gang und gäbe; und wenn Sie desolate Gebäude sehen möchten, brauchen Sie bloß in eine öffentliche Schule zu gehen. Ich kann Ihren Unmut also durchaus verstehen. Wenn Sie allerdings auf solche Zustände aufmerksam machen möchten, müssen Sie auf jeden Fall sachlich argumentieren. Sobald Sie mit dem Bauchgefühl kommen, haben Sie schon verloren. Ihre Gegner werden Sie in der Luft zerreißen.

    @Itz

    Die Argumente die Sie bringen, mögen ja vielleicht einmal gestimmt haben. Heutzutage sind sie aber nicht mehr aktuell, da hat sich in den Schulen eine Menge getan.

    @Jan Hattenbach

    Ich stimme mit Ihnen überein, dass ein Konsens gefunden werden muss. Wissenschaft soll ja letztendlich den Menschen nützen und deshalb sollte man auch mit den Risiken verantwortungsvoll umgehen.

  17. Technologie

    Es bedrückt mich, mit welcher Zielstrebigkeit das linke Lager sich leert. Reihum sieht man nur noch Konservative, mögen sie sich nun selbst als solche bezeichnen oder seien sie auch grün oder rot angemalt sein.

    Technologiefeindlichkeit grassiert in der Tat, was insbesondere deswegen verwirrt, weil es objektiv schwerfallen dürfte, alle negativen Aspekte in Deutschland ausgerechnet dem technologischen Fortschritt anzukreiden. Gerade im Umweltschutz haben sich in den vergangenen vier Jahrzehnten hierzulande große Fortschritte gezeigt, und wie sehr auch die eine oder andere Partei versucht sein mag, sich diesen Erfolg selbst zuzuschreiben, herbeigeführt wurde er weitestgehend durch *technologischen* Fortschritt, d.h., primär durch die Arbeit von Ingenieuren.

    Es ist ja nicht so, dass wir eine wirkliche Wahl haben, ob wir technologischen Fortschritt möchten oder lieber in Fundamentalopposition ablehnen und diese Ablehnung dadurch zum Ausdruck bringen, dass wir prinzipiell jedes Projekt durch alle Instanzen aufzuhalten suchen.

    Abgesehen davon, dass es zunehmend weniger wichtig ist, was man in Deutschland denkt oder tut (wobei sich die Herbeiführung unserer Bedeutungslosigkeit bei weiterem sturem Aufhalten technologischer Entwicklung eher beschleunigen wird), habe ich noch keinen realistischen Vorschlag gesehen, wie denn die Bedürfnisse von 6, oder bald 8 oder 10 Milliarden Menschen gestillt werden sollen, wenn nicht konsequent die Möglichkeiten genutzt werden, die der technologische Fortschritt uns bietet.

    Ob es uns Deutschen passt oder nicht, niemand in der Welt wird sich in Verzicht üben, nur damit einige hierzulande Recht behalten. Es geht nur noch darum, ob wir die Entwicklung mitgestalten oder nicht, und wenn wir uns dagegen entscheiden, dann wird das die grundsätzliche Entwicklung nicht aufhalten.

    Ich füge gleich hinzu, es ist mir völlig gleichgültig, ob sich jemand an meiner Meinung stört. Ich bin auch von keinem Drang nach Harmonie erfüllt, der mich dazu veranlassen würde, zwanghaft nach Punkten oder akzeptablen Formulierungen zu suchen, in denen meine Position sich etwa mit der anderer in Einklang bringen ließe.

  18. Newsweek

    Ein Nachtrag:

    Es ziert den Artikel Michael Mierschs allerdings nicht, dass er sich nun gerade auf das Magazin Newsweek beruft. Ich hatte jahrelang Newsweek abonniert, mein Abo aber schließlich entnervt gekündigt, weil ich feststellen musste, dass man dort offenbar jegliche Recherche komplett eingestellt hatte, insbesondere, wenn es um Artikel über das Ausland ging.

    Die Folge war eine journalistische Qualität, die an so manches Usenet-Posting erinnert, und bei der man sich fragen musste, ob überhaupt irgendein Hintergrundwissen in die Texterstellung eingeflossen war, wie bei einem Artikel über einen Wahlkampf in Deutschland, bei denen Bremen als “kleine Stadt an der Ostsee” beschrieben wurde oder einem anderen Artikel, in dem Unverständnis darüber ausgedrückt wurde, warum die Stadt Berlin einen höheren Personaletat als die Stadt Hamburg hat – beide seien ja schließlich gleich groß. Und so weiter, und so fort.

    Dass Miersch sich ausgerechnet auf dieses Käseblatt beruft, bei dessen Behauptungen höchste Vorsicht angeraten erscheint, ist vollkommen unverständlich, zumal diese Zitate gar nicht einmal zentrale Punkte des Artikels sein müssten. Der eigentliche Sachverhalt lässt sich auch konstatieren, ohne die “Schützenhilfe” Newsweeks in Anspruch zu nehmen.

    Wir haben hier ein Problem, das Technologiefeindlichkeit heißt und atavistische Züge annimmt. Die unzureichende Investition in Forschung und Entwicklung ist nur ein Symptom dieses Grundproblems.

  19. @ Hattenbach

    “Ohne technischen Fortschritt, ohne Wissenschaft geht es nicht. Ohne einen verantwortungsvollen Umgang und ein gelegentliches Nachdenken über die Folgen dieses Fortschritts auch nicht.”

    Absolut richtig. Wer aus Fehlern nicht lernt ist dumm. Wir hatten genug Gelegenheit zu lernen. Und einige Sachen sind auf einem guten Weg, wenn ich mir das Thema Umweltschutz ansehe. Aber das ist nur auf einem guten Weg mit dem technischen Fortschritt, wie Michael Khan schrieb. Sauberes Wasser beispielsweise ist eine Frage der Abwasserbehandlung. Und auch eine kritische Sicht dem Fortschritt gegenüber muß nach den Fehlentwicklungen gestattet sein. Aber meist lassen sich die Probleme nicht im Vorhinein erahnen. Man weiß ja oft nicht, wohin die Reise geht, wenn etwas Neues eingeführt wird. Wichtig ist dann wie schnell und gut korrigiert wird.

    Der Artikel von Miersch sagt mir nicht zu. Der hat schon von Anfang an verloren. Ich kann doch nicht die Einführung des Farbfernseher mit Gentechnologie, Kernenergie und Stammzellenforschung auf eine Stufe stellen. Was habe ich schon von einem Farbfernseher zu fürchten? Bei der Gentechnologie, Kernenergie und Stammzellenforschung sieht das jedoch “etwas” anders aus. Da fühle ich mich als Leser nicht ernst genommen, wenn er mir so eine Schote unterjubeln will.

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