Messenger überfliegt Merkur, Teil drei

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Merkur, der kleinste und sonnennächste Planet des Sonnensystems, gehört zu den am wenigsten erforschten Planeten des Sonnensystems. Mit knapp 4900 Kilometer Durchmesser ist er etwa anderthalb Mal so groß wie der Erdmond, und mit seiner felsigen, kraterübersäten Oberfläche sieht er ihm auch recht ähnlich. Bis vor kurzem wusste man kaum etwas über ihn.

Das lag natürlich an seiner Nähe zu unserem Zentralgestirn, Merkur ist etwa 0.4 Astronomische Einheiten (60 Millionen Kilometer) von der Sonne entfernt. Von der Erde aus sind Beobachtungen nur schwer möglich, denn Merkur steht so nah an der Sonne, dass er meistens von ihr überstrahlt wird. Mit Raumsonden lässt sich dieses Problem zwar umgehen, die Bedingungen in Merkurnähe sind jedoch deutlich harscher als man es von anderen Planetenmissionen gewohnt ist. Die intensive Strahlung und der Sonnenwind aus geladenen Teilchen stellen eine große Herausforderung für die Konstruktion einer Merkursonde dar.

Im Jahr 2004 startete von Cape Canaveral aus die Messenger-Mission der NASA. Dieser Satellit wird im Jahr 2011 in eine Umlaufbahn um den Merkur einschwenken und ihn ausführlich untersuchen. Doch Messenger ist bereits am Merkur vorbeigeflogen. In drei Swing-by-Manövern soll die Sonde so viel Bahnenergie verlieren, dass sie auf eine Umlaufbahn einschwenken kann. Im Januar und im Oktober 2008 näherte sich die Sonde dem Planeten auf etwa 230 Kilometer, das dritte Rendezvous findet morgen statt. Grund genug, einen Blick auf die bisherigen Erkenntnisse über Merkur zu werfen.

Bemerkenswert ist schon die Zusammensetzung des Himmelskörpers. Obwohl Merkur optisch dem Erdmond ähnelt, unterscheiden sich beide sehr stark. Der Mond hat eine mittlere Dichte von 3.3 Gramm pro Kubikzentimeter, etwa der Dichte des silikathaltigen Gesteins entsprechend, aus dem er überwiegend besteht. Merkur dagegen hat eine deutlich höhere Dichte, im Mittel etwas über 5.4 Gramm pro Kubikzentimeter.

Dieser Wert liegt deutlich über dem von Mars oder Venus und entspricht etwa der mittleren Dichte der Erde. Die mittlere Dichte ist bei allen Körpern des inneren Sonnensystems etwa Proportional zum Durchmesser, nur Merkur tanzt aus der Reihe. Er muss dementsprechend einen ungewöhnlich großen Metallkern haben. Woher, weiß man nicht.

Doch die seltsamste Eigenschaft des Merkur ist sein Magnetfeld, das etwa ein Hundertstel der Stärke des Erdmagnetfeldes hat. Messenger hat das Feld während der ersten Vorbeiflüge genauer vermessen und dabei die Ergebnisse der früheren Mariner-10-Mission weitgehend bestätigt. Eigentlich sollte Merkur ein wesentlich schwächeres Magnetfeld besitzen. Oder ein stärkeres, je nach Standpunkt.

Der Ursprung des Magnetfeldes
Planetarische Magnetfelder wie das der Erde entstehen durch Strömungen geschmolzenen Metalls im flüssigen äußeren Teil des Metallkerns. Dieser Dynamo-Effekt tritt beileibe nicht in allen Planeten auf. Die Nachbarn der Erde besitzen beide kein Magnetfeld. Im Falle der Venus liegt das an ihrer sehr geringen Rotationsgeschwindigkeit, die keinen Dynamo-Effekt zulässt, der Eisenkern des Mars dagegen ist wahrscheinlich schlicht zu klein um ein Magnetfeld zu erzeugen.

Es gibt drei prinzipielle Möglichkeiten, wie das Magnetfeld des Merkur zustande kommen kann. Denkbar wäre, dass der Metallkern wegen der geringen Größe der Merkur bereits vollkommen erstarrt ist. Er hätte dann ein sogenanntes fossiles Magnetfeld, den Überrest des dynamischen Magnetfeldes aus der Zeit, als der Kern noch flüssig war. Das ist allerdings nicht der Fall – Radarmessungen haben vor einer Weile gezeigt, dass zumindest Teile des Merkurinneren noch flüssig sein müssen.

Unregelmäßigkeiten der Planetenoberfläche verursachen durch Interferenz Schwankungen in der Intensität der zurückgeworfenen Radiowellen. Auf diese Weise kann man die Libration messen, ein scheinbares Taumeln im Laufe der Rotation. Dessen Ursache ist, dass ein Himmelskörper auf seiner elliptischen Bahn mal langsamer und mal schneller ist, seine Eigenrotation aber konstant bleibt. Die Sonne übt ein bekanntes Drehmoment auf den Merkur aus, das der Libration entgegen wirkt. Aus den Radardaten haben Wissenschaftler die Veränderung der Librationsperiode bestimmt, und daraus wiederum die träge Masse bestimmt, auf die das Drehmoment wirkt.

Wäre das Merkurinnere fest, würde sich die gesamte Massenträgheit des Merkur dem Drehmoment entgegenstellen. Tatsächlich aber gehen nur Mantel und Kruste des Planeten in die Rechnung ein, und die von der Sonne verursachte Veränderung der Drehachse ist deutlich größer. Schlussfolgerung: Merkur hat mit ziemlicher Sicherheit einen flüssigen äußeren Kern.

Ist damit das Rätsel seines Magnetfeldes gelöst? Keineswegs. Wäre der Eisenkern des Merkur ganz oder teilweise flüssig, würde der Dynamo-Effekt ein Magnetfeld erzeugen, das etwa ein Drittel der Stärke des Erdmagnetfeldes hätte, und nicht nur ein mickriges Prozentchen. Deswegen vermuten Forscher, dass der Entstehungsmechanismus des Magnetfeldes sich drastisch von dem im Erdkern unterscheidet.

Numerische Rechnungen zeigen, dass ein starkes Feld im Kern durch eine stabile Außenschicht so gedämpft werden könnte, dass die beobachteten Feldstärken an der Oberfläche zustande kommen. Das sympathische an diesem (vor Messenger entwickelten) Ansatz ist, dass er eine Erklärung für die höheren Multipol-Anteile des Feldes bietet, die Messenger gemessen hat.

 


Caloris Planitia. Bild: NASA

Vulkanismus in Caloris Planitia
Neben den Magnetfeld-Messungen erbrachten die ersten Merkur-Begegnungen hochaufgelöste Bilder der Planetenoberfläche und lösten unter anderem das Rätsel um den Ursprung einiger Oberflächenformationen, die schon Mariner 10 fotografierte. Messenger lieferte hoch aufgelöste Bilder des bisher nur zur Hälfte kartierten Caloris-Beckens. Caloris Planitia ist ein etwa 3,9 Milliarden Jahre altes Einschlagbecken mit einem Durchmesser von über 1500 Kilometern, das ein bis zu 2000 Meter hoher Ringwall von der umgebenden Ebene trennt. Sein Inneres, das weiß man schon seit Mariner, ist von einer dicken Schicht eines hellen, rötlichen Gesteins bedeckt

Die Messenger-Bilder zeigen eine komplexe, von tektonischer Aktivität umgestaltete Landschaft. Schildvulkan-ähnliche Kegel mit unregelmäßig geformten Calderen, von Lava überflutete Einschlagkrater und andere eindeutig vulkanische Oberflächenformen wechseln sich mit jüngeren Kratern und Einschlagstrümmern ab. Eines der bemerkenswertesten Merkmale von Caloris ist ein System aus unzähligen, vom Zentrum radial nach außen verlaufenden Dehnungsgräben, der Pantheon Fossae. Sie entstanden wahrscheinlich, als der gesamte Kraterboden durch vulkanische Prozesse aufgewölbt wurde.

Das Caloris-Becken war im Laufe seiner Geschichte immer wieder tektonisch aktiv. Auf der Basis von Messenger-Daten haben Forscher eine Chronologie seiner Entwicklung erstellt. Zuerst entstand der Krater selbst. An seinem Boden bildete sich eine Lage aus geschmolzenen Einschlagtrümmern. In den Jahrmillionen danach schlugen kleinere Asteroiden ein und bildeten innerhalb des Beckens kleinere Krater. Erst später dann entstanden durch Vulkaneruptionen die dicken Lagen rötlichen Materials, die den Boden von Caloris heutzutage prägen. Sie entstanden nicht nur durch Lavaflüsse, sondern auch aus mächtigen Aschewolken pyroklastischer Eruptionen. Die Auswurfmassen bedeckten viele ältere Krater ganz oder teilweise.

Im Verlauf dieser Aktivitätsphase oder kurz danach bildete sich im äußeren Bereich des Beckens durch noch unbekannte Prozesse ein Netz von Pressrücken – lange Falten im Boden, die bei großflächiger Kontraktion aufgeworfen werden. Das radiale Netz von Einbruchgräben ist noch einmal jünger als die Rücken. Wo immer sich Pressrücken und Graben schneiden, ist die Wölbung durch den Graben zerschnitten. Über diesen Merkmalen wiederum liegen die Auswurfmassen der jüngsten Einschlagkrater.

Beim dritten Vorbeiflug wird Messenger unter anderem etwa fünf Prozent der Oberfläche beobachten, die noch überhaupt nicht kartiert sind, so dass nur noch die Pole als weiße Flecken auf der Landkarte verbleiben. Der größte Teil der sichtbaren Oberfläche in diesem Überflug ist allerdings von den letzten beiden Begegnungen bekannt, so dass die Forscher die Zeit nutzen, um spezifische Objekte genauer unter die Lupe zu nehmen. Mit den an Bord befindlichen Spektrometern GRNS und MASCS wird die Sonde die Zusammensetzung verschiedener Oberflächengesteine messen. Erst bei der vierten Begegnung am 18.März 2011 beginnen die eigentlichen Messreihen.

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