Neuartige Pilzinfektionen auf dem Vormarsch

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Unter den Erregern von Infektionskrankheiten sind Pilze eher zweite Wahl: Zum einen treten sie öfters an Stellen auf, über die man nur ungerne redet, und zum anderen gelten sie als zwar lästig, aber weitgehend harmlos. Tatsächlich aber lohnt es sich, humanpathogene Pilze im Blick zu behalten, denn dank einer Reihe von Faktoren werden sie als Krankheitserreger weiter an Bedeutung gewinnen.

ResearchBlogging.orgEin gefährlicher Vertreter ist zum Beispiel der Pilz Cryptococcus neoformans, der unter anderem mit dem Krankheitsbild AIDS assoziiert ist. Cryptococcose kann eine schwere und gelegentlich tödliche Krankheit sein, verläuft bei immunkompetenten Personen allerdings mild oder symptomlos. Das gilt auch für die allermeisten anderen Pilze. Mykosen sind meist ein Problem für Menschen mit geschwächtem Immunsystem, die für opportunistische Krankheiten generell anfällig sind.

Trotz dieser Einschränkung stellen sie für sehr viele Menschen eine reale Gefahr dar, zumal gerade in den entwickelten Ländern die Zahl der immungeschwächten Patienten durch den steigenden Altersschnitt stetig ansteigt. Inzwischen haben sich Candida-Pilze im Windschatten prominenterer Keime wie MRSA unter die wichtigsten Krankenhausinfektionen vorgearbeitet.

Ein weiteres Warnsignal kommt aus dem Tierreich, wo neuartige Pilzinfektionen in Aggressivität und Verbreitung inzwischen an die schlimmsten Alpträume von Pandemieexperten heranreichen. Der neueste Übeltäter ist der Erreger der erst 2006 erstmals entdeckten Weißnasenkrankheit bei Fledermäusen in den USA. Der Pilz namens Geomyces destructans überwuchert Nase, Ohren und Flügel der winterschlafenden Tiere und hat binnen drei Jahren weit über eine Million Fledermäuse in den nordöstlichen Bundesstaaten getötet, drei Viertel der Gesamtzahl. Ganze Populationen wurden vollständig ausgelöscht.

Das bemerkenswerte ist, dass im März letzten Jahres der Pilz auch bei einer europäischen Fledermaus gesichtet wurde (pdf). Die verführerische Schlussfolgerung ist hier, dass der aggressive Pilz übergesprungen ist und jetzt droht, eine globale Pandemie auszulösen. Tatsächlich ist es wohl umgekehrt: Geomyces destructans stammt aus Europa, und die hiesigen Fledermäuse sind weitgehend immun. Erst als er in die USA gelangte, wurde er zum vernichtenden Killer-Keim.

So ist es nach neueren Erkenntnissen wohl auch bei dem aggressivsten der neuen Killerpilze geschehen, dem Chytridpilz Batrachochytrium dendrobatidis. Der Chytrid befällt die Haut von Fröschen und anderen Amphibien und stört dort den Austausch von Gasen und Elektrolyten. Das scheint zu reichen, um die Viecher in enormen Zahlen umzubringen. Beim ersten Auftreten von B. dendrobatidis in einem Ökosystem verschwindet dort binnen eines Jahres im Schnitt die Hälfte aller Amphibienarten, und die Zahl der Individuen geht um 80 Prozent zurück.

Der Pilz breitet sich weltweit mit einer Geschwindigkeit von mehreren Dutzend bis hunderte Kilometer im Jahr aus und vernichtet besonders bei Tieren mit begrenztem Lebensraum gleich ganze Arten. Nächstes namentlich bekanntes Opfer ist wohl der Frosch Leptodactylus fallax, den der Pilz auf der Insel Dominica nahezu völlig ausgerottet hat und jetzt in seinem letzten Refugium auf der Nachbarinsel Montserrat in die Enge treibt.

Das zeigt, dass man Pilze keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen sollte, zumal wie viele andere Erreger auch einige humanpathogene Pilze Resistenzen gegen klassische Behandlungsmethoden entwickeln. Beunruhigend ist auch das relativ breite Wirtsspektrum der beiden Pilze – sie scheinen ohne Mühe zwischen verschiedenen Arten zu wechseln – und der Umstand, dass beide Epidemien binnen der letzten zwanzig Jahre aus dem nichts aufgetaucht sind. Epidemiologen fürchten schon sehr lange, dass das Vordringen des Menschen in immer abgelegenere Gegenden, der stärkere Siedlungsdruck und natürlich der globale Transport von Menschen, Tieren und Waren potentiell gefährliche Erreger mobilisiert. Speziell das Beispiel Chytridpilz zeigt: Es muss nicht immer ein Virus sein. –

Rosenblum, E., Voyles, J., Poorten, T., & Stajich, J. (2010). The Deadly Chytrid Fungus: A Story of an Emerging Pathogen PLoS Pathogens, 6 (1) DOI: 10.1371/journal.ppat.1000550

Blehert, D., Hicks, A., Behr, M., Meteyer, C., Berlowski-Zier, B., Buckles, E., Coleman, J., Darling, S., Gargas, A., Niver, R., Okoniewski, J., Rudd, R., & Stone, W. (2009). Bat White-Nose Syndrome: An Emerging Fungal Pathogen? Science, 323 (5911), 227-227 DOI: 10.1126/science.1163874

Warnock, D. (2006). Fungal diseases: an evolving public health challenge* Medical Mycology, 44 (8), 697-705 DOI: 10.1080/13693780601009493

3 Kommentare

  1. Man könnte noch erwähnen, dass Pilze zu den Eukaryonten zählen und darum biochemisch und stoffwechselphysiologisch dem Menschen viel näher stehen als Viren und Bakterien. Das erschwert die pharmakologische Bekämpfung von systemischen Pilzinfektionen.

  2. Naja

    Prinzipiell schon. Eukaryoten haben gegenüber Bakterien und Viren allerdings auch einige Nachteile, zum Beispiel geringere Fortpflanzung. Insofern gleicht sich das wieder aus.

  3. Andererseits

    bedeutet das langsame Wachstum, dass es eine ganze Weile dauert, bis eine Kultur herangewachsen ist und eine genaue Bestimmung des Pilzes erlaubt—was wiederum wichtig für die Wahl des adäquaten Antimykotikums ist

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