Neues Klimamodell: Weniger, aber heftigere Wirbelstürme

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Drohen durch die globale Erwärmung heftigere Wirbelstürme? Eine endgültige Antwort steht noch aus, aber viele Wissenschaftler beantworten die Frage mit einem vorsichtigen Ja. Neue Modellrechnungen stützen diese Interpretation.

Das Klima der Zukunft wird wärmer – aber wie wird das Wetter? Auf diese Frage gibt es derzeit nur wenig zuverlässige Antworten, und speziell die Auswirkungen auf extreme Ereignisse wie Wirbelstürme oder Dürren sind heftig umstritten. Eng damit verknüpft ist die Frage, ob aktuelle Wetterphänomene bereits der Klimawandel in Aktion sind oder lediglich natürliche Schwankungen darstellen. Ganz oben auf der Liste stehen die Wirbelstürme des Atlantiks, weil sie nicht mur spektakulär sind und enorme Schäden anrichten, sondern auch noch regelmäßig jedes Jahr auftreten und – Zufall, Zufall – ihre Zahl sich in den letzten 25 Jahren verdoppelt hat.[1]

Das Problem ist, dass es bis heute keine Computermodelle gibt, die diese Frage zuverlässig beantworten können. Zu unterschiedlich sind die Zeit- und Größenskalen der beteiligten Phänomene. Klimasimulationen erfassen langfristige Trends über kontinentgroße Bereiche und sind schlicht zu grobkörnig, um einzelne tropische Stürme zu erfassen. Und die Wettermodelle, die heute Zugbahnen von Stürmen vorhersagen können, sind auf zeitlich und räumlich aufgelöste Messdaten angewiesen.

Sowohl der Klimawandel als auch die Entstehung von Wirbelstürmen sind für sich genommen inzwischen recht gut verstanden – kann man eine Brücke zwischen beiden Ebenen schlagen? In den USA, die an langfristigen Hurricantrends aus naheliegenden Gründen sehr interessiert sind, hat ein Team drei Modelle zusammengeführt, um die Auswirkungen des Klimawandels auf Wirbelstürme zu berechnen. Demnach werden atlantische Wirbelstürme seltener, dafür aber deutlich stärker. Und es gibt zumindest laut dieser Studie keinen Hinweis darauf, dass die Effekte des Klimawandels in den bisherigen Trends messbar sind.

Wie sind Bender und Kollegen zu dieser Aussage gekommen? Es liegt nahe, aus einem globalen Klimamodell regionale Daten wie Beispiel Luft- und Wassertemperatur auszulesen und in ein feineres Atmosphärenmodell zu übertragen, das dann die Entstehung der Hurricane im Detail simuliert. Diesen Ansatz bezeichnet man als Downscaling, und er ist nicht neu. Derartige Untersuchungen gibt es schon länger, und sie haben recht widersprüchliche Ergebnisse ausgespuckt.

Das liegt an einem grundsätzlichen Problem des Downscalings: Je größer die Unterschiede zwischen den Größenskalen beider Modelle, desto weniger sind die Daten für eine detaillierte Simulation geeignet. Eine kilometergenaue Berechnung auf der Basis über die komplette Karibik gemittelter Daten geht höchstwahrscheinlich in die Hose. Projektion zukünftiger Sturmschäden durch Kategorie-fünf-Hurricane ist so schlicht nicht möglich – zu groß sind die Unsicherheiten.

Trotzdem ist Downscaling auch ihn dieser Studie das Mittel der Wahl, um Informationen über lokales Wetter unter Klimawandel-Bedingungen zu gewinnen. Man kann nämlich die Unterschiede in den Skalen deutlich verringern. Es gibt seit ein paar Jahren Modelle mittlerer Genauigkeit, die zwar bei der genauen Vorhersage von Stürmen scheitern, dafür aber die von Jahr zu Jahr beobachteten Trends und Variationen der Wirbelsturm-Saison gut reproduzieren.

Mit solchen Modellen hat man einen Zwischenschritt mittlerer Auflösung, der aus globalen Klimadaten schon mal brauchbare Aussagen über die saisonale Dynamik unter Klimawandel-Bedingungen ableitet. In dieses Modell haben die Forscher also Atlantik-Klimadaten aus dem A1B-Emissions-Szenario des IPCC eingespeist – mit dem Ergebnis, dass die bloße Anzahl der Stürme im 21. Jahrhundert um bis zu ein Viertel abnimmt. Damit bestätigft die Studie Ergebnisse früherer Modellrechnungen.

Allerdings ist nicht die Anzahl der Stürme wirklich interessant, sondern vor allem ihre Stärke, und die kann ein so grobkörniges Modell nicht vorhersagen. Bender und Kollegen haben dieses Problem umgangen, indem sie die einzelnen Stürme aus der dynamischen Situation einfach samt Umgebungsbedingungen in die detaillierten Hurrican-Simulationen des US-Wetterdienstes übertrugen. Und die sagen: Die Stürme werden heftiger.

Diese Ergebnisse sind – obwohl sie zuerst einmal widersprüchlich klingen – erfreulicherweise konsistent mit theoretischen Vorhersagen auf der Grundlage physikalischer Überlegungen: Die stärkere Verdunstung in einer wärmeren Welt sollte Wirbelstürme verstärken – andererseits erschweren stärkere Winde aber auch ihre Bildung. Mehr Gewitterzellen werden von Scherwinden auseinandergetrieben, bevor sie überhaupt zu einem großen Sturm werden. Nimmt ein Sturm diese Hürde allerdings, steht ihm wegen der höheren Meerestemperaturen ungleich mehr Energie zur Verfügung.

Die Modelle bestätigen außerdem einen weiteren in der Realität beobachteten Effekt, nämlich die hohe Bedeutung der Windscherung. Die Stürme wurden nämlich nicht auf der Basis eines einzelnen Klimamodells berechnet, sondern einerseits aus den Mittelwerten von 18 Modellen, andererseits auf der Basis von vier verschiedenen Simulationen, die sich unter anderem sehr stark in der Windscherung unterschieden. Das Modell mit den stärksten Winden im Entstehungsgebiet sagt dementsprechend anders als die anderen Modelle auch bei starken Stürmen eine geringere Aktivität voraus.

Der Vergleich aller Modelle zeigt, dass zumindest die Vorhersage von insgesamt weniger Wirbelstürmen inzwischen recht robust ist. Was die Intensität angeht, bin ich mir nicht so sicher. Physikalisch ist das zwar plausibel, der zweite Übertragungsschritt zwischen den Modellen erzeugt aber zusätzliche Unsicherheiten. Die Autoren weisen im Paper zusätzlich darauf hin, dass ihr Modell saisonale Aktivitätsschwankungen unterschätzt. Das letzte Wort ist mit dieser Studie sicher noch nicht gesprochen.
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[1] ES ist allerdings möglich, dass ein Teil des Anstiegs schlicht auf genauere Beobachtung zurückgeht.

Bender, M., Knutson, T., Tuleya, R., Sirutis, J., Vecchi, G., Garner, S., & Held, I. (2010). Modeled Impact of Anthropogenic Warming on the Frequency of Intense Atlantic Hurricanes Science, 327 (5964), 454-458 DOI: 10.1126/science.1180568

3 Kommentare

  1. Satellitenbeobachtung des Atlantiks

    > Das Klima der Zukunft wird wärmer –
    > aber wie wird das Wetter?

    “Climate is what you expect and weather is what you get” 🙂

    > [1] ES ist allerdings möglich, dass
    > ein Teil des Anstiegs schlicht auf
    > genauere Beobachtung zurückgeht.

    Wirklich? Seit mittlerweile 32 Jahren befinden sich Meteosat-Satelliten über dem Atlantik. Meteosat-1 wurde am 23.11.1977 gestartet un über dem Nullmeridian positioniert.

    http://www.kosmologs.de/…happy-birthday-meteosat

    Von dort aus hat man eine gute Sicht über den ganzen Atlantik bis hin zum amerikanischen Kontinent.

    http://esamultimedia.esa.int/…meteosat1first.jpg

    Dies war natürlich nicht der einzige Wettersatellit, auch die NOAA der USA betreibt und betrieb ihre Flotte aus Wetterbeobachtern, angefangen mit dem geostationären SMS-1 und seinen nachfolgern der GEOS-Serie ab 1974.

    Da will mir nicht ganz einleuchten, wie ganze Sturmsysteme in den letzten 25 Jahren unerkannt geblieben sein sollten. Worauf beruht die Theorie, dass dies so gewesen sein koennte?

  2. Aufklärung

    Die Relativierung in der Fußnote bezieht sich auf längerfristige Beobachtungen eines möglichen Zyklus der Hurrican-Aktivität, der für den 25-jährigen Anstieg verantwortlich sein soll. Das hatte ich Missverstanden.

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