Nobelpreis für Chemie 2012 – die Kandidaten und meine Prognose

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Es ist mal wieder die fünfte Jahreszeit der Wissenschaft, Nobelpreis-Zeit. Nächsten Montag geht es los mit den Medizinern, Dienstag reden dann alle über’s CERN und über Higgs, entweder weil sie ihn bekommen, oder weil sie ihn nicht bekommen, den Physik-Preis. Und Mittwoch viertel vor zwölf schlägt dann die große Stunde, dann ist der Chemie-Nobelpreis dran. Wer den kriegen könnte, habe ich hier schon mal zusammengestellt, und wie üblich kommt am Ende mein eigener Tipp.

Mein Herz schlägt ganz klar für Harry Barkus Gray und Stephen J. Lippard, die Begründer der Bioanorganischen Chemie, aber die werden es wohl leider nicht, auch wenn Chembark sie wieder recht weit oben führt. Da gibt es andere mit wesentlich besseren Chancen. So’n klassischer Tipp ist jedes Jahr W.E. Moerner, der für die Entwicklung der Einzelmolekülspektroskopie verantwortlich zeichnet. Mit ihm könnten Richard Zare und/oder Michel Orrit geehrt werden. Wäre mal wieder Zeit für was spektroskopisches, die Methode ist etabliert und definitiv preiswürdig. Außerdem finden fast alle, dass die mal dran wären.

Wobei ja nach den letzten Preisen die Kurse für ein Bio-Thema wieder stark gestiegen sind. Man redet sogar von synthetischer Biologie, aber das ist wohl noch zu früh. Das Gebiet hat noch ne Strecke zu gehen, genau wie Nano oder MOFs. Kandidaten für die Zukunft. Ich sehe eine ganz reale Chance, dass Franz-Ulrich Hartl und Arthur Horwich dieses Jahr dran sind. Sie würden für die Entdeckung der Chaperone und wesentlicher Beiträge zur Erforschung der Proteinfaltung geehrt, eigentlich das zentrale Proteinchemie-Thema, das bis jetzt ohne Nobelpreis geblieben ist – die Ribosomen hatten wir auf der einen Seite, auf der anderen das Proteasom.

Ganz, ganz oben auf der Kandidatenliste stehen Pierre Chambon, Elwood Jensen und Ronald Evans mit ihren Kernrezeptoren. Ist ein Bio-Thema, unfassbar spannend, unfassbar wichtig für Grundlagenforschung und Medizin. Sowohl ChemBark als auch Ashutosh haben die ganz oben auf ihren Listen, und es fällt schwer, da zu widersprechen.

Thomson Reuters hat natürlich auch wieder interessante Prognosen für den Chemie-Nobelpreis rausgehauen. Das erste Thema sind Quantenpunkte, für deren Entdeckung Louis Brus verantwortlich zeichnet. Ich habe aber meine Zweifel, dass nach Shechtman letztes Jahr wieder so ein festkörperiges Thema drankommt. Ich bin überhaupt nicht überzeugt von deren Kandidat Nummer zwei, Akira Fujishima, dem Entdecker der Photokatalyse an Titandioxid. Verglichen mit den anderen Sachen, die so auf den Kandidatenlisten stehen, ist Titandioxid eher… meh.

Da reicht schon der Vergleich mit den letzten beiden Kandidaten, Masatake Haruta und Graham Hutchings für die Gold-Katalyse. Wenn es einen Preis für Katalyse gibt, dann für sowas hier, schon weil katalytische Reaktionen mit Gold in diversen unterschiedlichen Synthesezusammenhängen praktisch relevant sind. Was man außerdem nicht unterschätzen darf: Das Nobelkomitee dürfte nicht abgeneigt sein, mal wieder einen Preis mit ein bisschen Glamour-Potenzial zu vergeben. Ist in der Chemie selten genug, und die Damen und Herren in Stockholm wissen, wie sie den eigenen Marktwert hoch halten. Also von den Thomson-Reuters-Kandidaten am ehesten die hier.

Könnte natürlich auch sein, dass diesmal wieder Stoffchemie dran ist, und da ist der Dauerbrenner ja Kohlenstoff. Zufällig gibt es da etwas, was ziemlich cool ist und erhebliche praktische Relevanz hat: Stabile Carbene. Ist zwar keine Kohlenstoffmodifikation, aber ne schöne weitere Kuriosität in C, die bei ihrer Entdeckung beträchtliche Wellen geschlagen hat. Die Kandidaten wären Anthony Arduengo und Guy Bertrand.

In der Summe würde ich sagen, Hartl und Horwich werden es. Die Zeit ist reif. Und wenn nicht sie, dann Chambon, Jensen und Evans.

8 Kommentare

  1. Prognosen

    Ich packe gewagte Prognosen anderer Leute in Scheduled Posts auf wordpress.com, so dass sie zum voraussichtlichen Zeitpunkt ihrer Überprüfbarkeit wieder auftauchen. Manche stimmen ja auch, Sonnen- und Mondfinsternisse sowie das Wetter können wir recht gut vorhersagen.

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