Physik-Nobelpreis 2009: Was hat Kao eigentlich gemacht?

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Normales Glas ist praktisch undurchsichtig: Wir können nur deswegen aus dem Fenster gucken, weil die Scheibe so dünn ist. Schon wenige Meter dickes Glas lässt praktisch kein Licht mehr durch. Moderne optische Fasern gehören dagegen zu den durchsichtigsten Dingen der Welt. Auf einem Kilometer Weglänge verlieren sie gerade mal fünf Prozent des hindurchgesandten Lichtes, und das obwohl sie ebenfalls aus Glas bestehen.

Diese Glasfasern, die heute das Rückgrat der modernen elektronischen Kommunikation darstellen, sind das Ergebnis einer schrittweisen Entwicklung, an der sehr viele Wissenschaftler und Techniker überall auf der Welt beteiligt waren. Der diesjährige Physik-Nobelpreisträger Charles K. Kao ist einer von ihnen. Seine Arbeit ist kein unerwarteter Geniestreich, sondern die gründliche Untersuchung des lange bekannten fundamentalen Problems der bisherigen Lichtleiter, samt seiner abschließenden Lösung.  Vor Kao war die Faseroptische Kommunikation eine theoretische Möglichkeit, nach ihm eine Frage der Verfahrenstechnik.

Die eigentliche Geschichte ist schnell erzählt (mehr Details zu Kao und der anderen Hälfte des Preises gibt’s bei Jörg). Als Kao in den 60er Jahren anfing, sich mit dem Thema zu befassen, existierte das grundsätzliche Design bereits: Ein Glaskern, umgeben von einem Mantel aus einem Material mit niedrigerem Brechungsindex. An der Grenzfläche zwischen den beiden Stoffen wird das Licht Reflektiert wie von einer Wasseroberfläche und kann deswegen aus dem leitenden Kern nicht entkommen.

Die Konstrukteure hatten allerdings noch mit der starken Dämpfung des Lichtes durch das Glas zu kämpfen, in einem typischen damaligen Lichtleiter blieb nach 20 Metern Wegstrecke gerade mal ein Prozent des Lichtes übrig. Kao und sein  Kollege Hockham untersuchten die Ursachen und kamen zu dem Schluss, dass der Grund nicht in der Physik des Lichtleiters lag, sondern in seiner Chemie. Die Lichtverluste hingen von der chemischen Zusammensetzung des Glases ab, zum Beispiel von Eisenionen, die das Licht streuten.

Gute Lichtleitfasern bekommt man dementsprechend, indem man schlicht das richtige Glas benutzt, in diesem Fall hochreines Silikat. Das wiederum bekommt man durch chemische Gasphasenabscheidung (die zufällig auch beim diesjährigen Ig Nobel-Preis für Chemie prämiert wurde) – aber da fangen schon wieder die Beiträge anderer Forscher an.

Kao ist hier quasi der Prototyp des modernen Wissenschaftlers: Nicht das einsame Genie, das die Welt quasi im Alleingang verändert, sondern als Forscher, der in einer Reihe mit anderen Kollegen ein Problem systematisch untersucht, bis sich eine Lösung herauskristallisiert.

8 Kommentare

  1. “An der Grenzfläche zwischen den beiden Stoffen wird das Licht Reflektiert wie von einer Wasseroberfläche und kann deswegen aus dem leitenden Kern nicht entkommen.”

    Naja, aber nur wenn man unter Wasser steht und schräg gegen die Oberfläche guckt.

  2. Brechzahlgradient

    “An der Grenzfläche zwischen den beiden Stoffen wird das Licht reflektiert” trifft nicht ganz zu.

    Die beiden Glassorten diffundieren ein wenig ineinander, so dass ein Brechzahlgradient entsteht.

    Dadurch beschreibt das Licht keinen Knick an einer Grenzfläche, sondern einen sanften Bogen im Grenzbereich.

    Weil das Licht aber aussen, bei niedriger Brechzahl, schneller ist, als innen, bei höherer Brechzahl, und weil der Weg aussen länger ist als innen, kommen äussere Lichtstrahlen und innere Lichtstrahlen praktisch gleichzeitig am Ziel an, was sie durch Interferenz verstärkt.

  3. @Bednarik

    Das ist natürlich auch noch ein Aspekt. Die Interaktion von Licht mit Grenzflächen ist bei näherer Betrachtung absolut nicht trivial. Stichwort Oberflächenplasmonen und evaneszente Felder.

    Zumal es hier ja in dem Sinne keine scharfe Grenzfläche gibt, sondern einen Übergang zwischen Reinstsilikat und dotiertem Silikat. Aber das ist noch mal ne ganz andere Geschichte.

  4. Hallo Lars Fischer,

    da habe ich noch einige Fragen:

    Welche Art von Gasphasenabscheidung hat Charles Kao gemacht?

    SiF4, SiH4, oder andere Gase, und wie hat er die Dotierungsatome abgeschieden?

    Mit Dank für die Antworten im Voraus,
    und mit freundlichen Grüssen,
    Karl Bednarik.

  5. Kao selbst

    hat gar keine Gasphasenabscheidung gemacht. Ich vermute die ersten hochreinen Gläser mit denen Kao gearbeitet hat, wurden gesintert oder so.

    Die CVD-Methode haben dann amerikanische Techniker entwickelt. Das Nobel-Komitee gibt ne Lit-Stelle an, wo es genauer drinstehen müsste (Appl. Phys. Lett. 17 (1970), 423).

    Ich hab grad wenig Zeit das nachzuschlagen, wenn Sie so lange warten können guck ich aber die Tage mal da rein.

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