Stille Post mit Quellen – Praxisbeispiel

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Ein kurzes quellenkritisches Addendum zu meinen Recherchetipps vor ein paar Jahren: Heute ist mir auf Twitter eine sehr löbliche und nachahmenswerte Aktion der ZDF-Sendung “Die Anstalt” über den Weg gelaufen:

Screenshot von https://twitter.com/clausvonwagner/status/718066337818533888
Screenshot von https://twitter.com/clausvonwagner/status /718066337818533888

Die Truppe veröffentlicht jetzt ihre Quellen sauber nach Beiträgen aufgelistet in einem PDF-Dokument, sogar teilweise verlinkt. Praktisch wäre natürlich, die konkreten Aussagen aus den Beiträgen bei der jeweiligen Quelle zu haben, um das wirklich nachvollziehen zu können (und bei Büchern die Seitenzahl), aber das Leben ist kein Wunschkonzert und vielleicht kommt das ja noch.

Die Quellenauswahl selbst ist auch sehr interessant. Das ist eine bunte Mischung, die ein bisschen Einblick gibt, wie aufwendig recherchiert die einzelnen Beiträge sind und wie viel Arbeit in solchen recht kurzen Beiträgen steckt. Den Hauptteil machen allerdings Presseberichte und Sachbücher aus,[1] die sich ihrerseits wieder auf andere Quellen beziehen.

Für eine erfahrene Redaktion sollte das kein Problem sein, ich möchte die Gelegenheit aber kurz nutzen, um auf die Fallstricke einer solchen Quellenauswahl hinzuweisen. Es ist zwar aufwendig, aber lohnt sich oft, eine Aussage bis zu ihrer ursprünglichen Quelle zurückzuverfolgen – einerseits, weil man dabei oft genug auf Schrott oder blanke Behauptungen stößt, andererseits aber auch, weil gelegentlich völlig ohne böse Absicht das Stille-Post-Prinzip zuschlägt.

Ein Beispiel auf der Praxis: Neulich habe ich für einen meiner Spektrum-Artikel wissen wollen, wie sich landwirtschaftliche Erträge in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verändert haben. Dazu findet man diverse Zahlen für diverse Regionen und Zeiträume, unter anderem in der Wikipedia eine Zahl über die Getreideproduktion:

Between 1950 and 1984, as the Green Revolution transformed agriculture around the globe, world grain production increased by over 250%.

Das klingt gut, bei mir ruft das allerdings gleich Misstrauen hervor. Stünde da “increased by over 50%”, wäre die Sache völlig klar, der Endbetrag ist etwa das Anderthalbfache des Ausgangsbetrages, bei Angaben über 100 Prozent gilt das aber erfahrungsgemäß nicht notwendigerweise. Ein Blick in die angegebene Quelle – nach kleinem Umweg[2] – zeigt: auch in diesem Fall nicht. Da steht nämlich

World grain output expanded by a factor of 2.6 in this period

das ist erstens eindeutig, und zweitens was anderes als das, was in der Wikipedia steht. Der Grund ist schlicht schlampiges Englisch, das Ergebnis eine falsche Zahl in der Hauptquelle mit guter Chance, sich im Netz auszubreiten.

Aus welchen Zahlen der Faktor 2,6 ursprünglich berechnet ist, weiß ich übrigens immer noch nicht: Die beiden im Ambio-Paper angegebenen Quellen sind umfangreiche Bücher, die ich sicher nicht durchfilzen werde – selbst wenn ich an so alte Sachen digital rankäme. Ich werde die Zahl wahrscheinlich trotzdem verwenden. Irgendwann kommt in jeder Recherche der Punkt, an dem man schon aus Zeitgründen einer Quelle einfach mal glauben muss.

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[1] Ob sich hinter Titeln wie “Wem gehört Deutschland? Die wahren Machthaber und das Märchen vom Volksvermögen” brauchbare Quellen verbergen, kann ich schlicht nicht beurteilen, da muss ich mich auf die Expertise der Redaktion verlassen.

[2] Der Link im Quellenverzeichnis führt erstmal auf eine Plaintext-Seite unklarer Herkunft, die vorgeblich per Copy/Paste des Originalpapers entstand. Das Paper gibt es allerdings tatsächlich.

41 Kommentare

  1. Zufällig mal wieder über Dich gestolpert. Schönes Ding!

    Und sonst so? Wie schwimmt der Fisch heutzutage? Macht Ihr mal wieder eine Auslese? Ohne den Jury-Zwang komme ich leider nicht zum Blogs lesen…

    • Och, der schwimmt so vor sich hin. Und selbst? Marc hatte glaub ich wieder ne Auslese versucht, aber ich hab verpennt, mich drum zu kümmern. Aber eigentlich… Tja. Müsst mal wieder.

  2. Die Vertrauensseligkeit beim Zitieren von Quellen ist mir persönlich zu groß, auch in der Wissenschaft (ich bin Geisteswissenschaftler) wird aus der wissenschaftlichen Literatur zitiert, was das Zeug hält, ohne zu überprüfen, ob es Übermittlungs- oder Interpretationsfehler gegeben hat.

    • So ne ellenlange Litliste gehört IMO aber auch inzwischen zum guten Ton, auch in den Naturwissenschaften. Alle jammern, dass sie nie Zeit zum Lesen haben, aber dann zitieren sie im nächsten Paper wieder so ca. 30 Veröffentlichungen. Im Grunde albern.

  3. Man kann auch aus einer Originalarbeit (oder der dazugehörigen Presseerklärung der Forscher) eine Zahl übernehmen und damit auf die Nase fallen. Man vergleiche diesen Artikel im “Spiegel” mit jenem im “Standard”. Da ist bezüglich einer bestimmten Filmliste einmal von 625 und einmal von 650 Filmen die Rede. Wie kam es dazu? Der Originalartikel wurde im Juni 2014 eingereicht und Anfang Dezember 2014 angenommen, und zu diesen Zeitpunkten bestand die Liste aus 625 Filmen, wurde aber noch im selben Dezember turnusgemäß um 25 Filme erweitert. Als die Arbeit dann im Januar 2015 erschien, haben die einen Redakteure die mittlerweile überholte Zahl abgeschrieben und die anderen lieber nachgesehen (vielleicht bei Wikipedia) und die aktuelle Zahl genannt. Übrigens stand bei Spektrum.de auch der falsche Wert … :-Þ

  4. Unsaubere Recherche führt zu seltsamen Resultaten: Beispiel:

    Bischof Augustinus schrieb und begründete vor über 1600 Jahren in seinem Buch ´Bekenntnisse´(11.Buch, Kap.13-29), dass es weder Zukunft noch Vergangenheit geben kann – und dass die Gegenwart nur eine imaginäre Übergangsgrenze ohne Dauer ist.
    Diese Quelle scheint völlig unzugänglich zu sein (Reclam, ISBN: 978-3-15-002792-9) – weder für Wissenschaftler noch für Wissenschaftsjournalisten!
    Anders ist es nicht zu erklären, wieso noch immer über Zeitreisen geschrieben wird – oder die Möglichkeit einer Zeitreise über ein Wurmloch in eine andere Zeit immer noch für möglich gehalten und berechnet wird.

    Mich fasziniert an diesem Thema, dass es Wissenschaftsjournalisten offenbar nicht nötig finden, einfach zugängliche Quellen zu studieren.
    Und dann bin ich ganz begeistert von der Qualität der Mathematik in der Physik: Wer in der Lage ist, etwas nachweislich physikalisch Unmögliches zu berechnen (eine Zeitreise), hat damit den Beweis erbracht, dass man als Physiker sogar Wunder berechnen kann.

    • Kannte Augustinus schon die Eigenschaften des Lichtes? Ohne diese Kenntnisse kann man keine wissenschaftlich begründete Aussage über die Zeit machen! Da nützt eine literarische Quelle gar nichts.

      • Augustinus sagt ganz klar – dass es nur die Gegenwart gibt und dass sich die Gegenwart über keinen Zeitraum erstreckt (z.B. Kap. 15, 21). Gäbe es zugleich mit Gegenwärtigem auch etwas in Vergangenheit bzw. Zukunft – dann wäre dies ebenfalls Gegenwärtig. (Kap. 18)

        Die Eigenschaften des Lichts spielen hier keinerlei Rolle.

        • Das Problem bei allen Quellen, vor allem bei länger zurück liegenden und bei literarischen Quellen, ist die Bedeutung der gebrauchten Begriffe. Wurden die Begriffe damals in derselben Bedeutung gebraucht wie heute? Dazu muss man den gesamten Text untersuchen, weitere Texte des Autors oder aus der betreffenden Zeit. Man darf nicht einfach davon ausgehen, gerade bei Übersetzungen aus fremden oder toten Sprachen, dass gleiche Begriffe gleiche Bedeutungen haben oder im gleichen Sinn gebraucht wurden. Viele heutige Begriffe haben eine “wörtliche” und eine oder mehrere übertragene Bedeutungen, oder werden in sinnfremden Redeweisen und Metaphern gebraucht. Beispielsweise lieferten der menschliche Körper und die Körperteile und Organe (z.B. das Herz) in früheren Kulturen das Modell für Beschreibungen vieler Dinge, Zustände, Ereignisse oder Handlungen in der Welt.

          • Lars Fischer hat positiv vermerkt, dass ´Die Anstalt´ jetzt ihre verwendeten Quellen öffentlich zugänglich macht.
            Darauf habe ich auf ein Problem der Physik/Astrophysik hingewiesen: der rechnerische Nachweis der Möglichkeit von Zeitreisen in der Zeit als 4. Dimension.
            Die Physik liefert bisher hierzu überhaupt keine nachvollziehbare Quelle: weder ist definiert und mit Quelle belegt, was ZEIT überhaupt ist, noch ist definiert und mit Quelle belegt, ob es Zukunft/Vergangenheit in der Realität überhaupt gibt.
            Wenn die Physik mit den Schriften von Bischof Augustinus Probleme hat, muss man dies zur Kenntnis nehmen – aber dann müssen bessere Quellen genannt werden! Aber wissenschaftliche Behauptungen aufzustellen – ohne eine nachvollziehbare Grundlage, ist sehr fragwürdig.
            Wenn man eine Zeitreise berechnen kann – so die Behauptung – dann ist dies keine Theorie/Hypothese mehr. Die Glaubwürdigkeit der verwendeten Mathematik ist fragwürdig, wenn die Realität von Zukunft/Vergangenheit gleichzeitig neben der Gegenwart nicht belegt werden kann. Denn dies würde bedeuten, dass ich mit dieser Art von Mathematik alles berechnen kann – auch Wunder.
            Und damit wieder zurück zu Lars Fischer: Hätte die Astrophysik beim Thema ´Zeit/Zeitreisen´ ihre verwendeten Begriffe von Anfang an sorgfältig definiert und diese Definitionen mit Quellen belegt – dann gäbe es vermutlich diese Berechnungen nicht.

            Um die Problematik ´ZEIT´ zu zeigen, ein einfaches Beispiel:
            Für die Physik ist Zeit, was die Uhr anzeigt – aber was misst man mit einer Uhr?
            Betrachten wir ein mechanisches Uhrwerk. Das ist im Prinzip eine Maschine. Durch Aufziehen wird potentielle Energie zugefügt, welche dann im Betrieb – kontrolliert durch Unruhe/Hemmung – als kinetische Energie abgegeben wird um ein Zahnrad zu drehen.
            Diese Drehbewegung kann man z.B. nutzen um einen Drehspieß zu drehen (Wikipedia: Drehspieß), beim Grillen. Man kann aber auch ein Getriebe (Zählwerk) betreiben, mit dessen Hilfe über Zeiger eine ´Uhrzeit´ auf einer vorgehängten Skala (Zifferblatt) angezeigt wird.
            Kurz gesagt: Wenn das Uhrwerk läuft – und Zeit vergeht – dann nimmt die potentielle gespeicherte Energie des Uhrwerks ständig ab; aber ausgerechnet dies wird nicht gemessen.

        • Na, da haben wir es doch. Augustinus benutzt in Kap 18 ganz eindeutig eine naive, absolute Definition von Gleichzeitigkeit und kommt dadurch auf einen Widerspruch, den Albert Einstein gute 1600 Jahre später ausräumt.

  5. Lars Fischer schrieb (9. April 2016):

    […] expanded by a factor of 2.6 […]

    > das ist erstens eindeutig

    MBMN sind in diesem Zusammenhang (d.h. unter Angabe von Verhältnissen) allenfalls die Formulierungen

    “expanded to (the) 2.6-fold (of the initial/earlier value)”

    bzw. (gleichwertig)

    “increased by 160 %”

    eindeutig.

    p.s.
    Aber ich störe mich ja auch daran, wenn (in Zusammenhängen, die begriffliche Sorgfalt nahelegen) schlicht von “Zeit” geschrieben wird, anstatt konkreter von

    – je einer Anzeige eines bestimmten Beteiligten; im Unterschied zu

    – der geordneten Menge von Anzeigen je eines bestimmten Beteiligten; im Unterschied zu

    – der Dauer je eines bestimmten Beteiligten zwischen zwei bestimmten (i.A. verschiedenen) seiner Anzeigen; im Unterschied zu

    – einer bestimmten Menge von Anzeigen mehrerer (geeigneter) Beteiligter (d.h. von je einer bestimmten Anzeige pro Beteiligtem), die einander gleichzeitig wären; im Unterschied zu

    – der Zuordnung einer (bestimmten) Koordinatenzahl “t” zu einer bestimmten Anzeige eines Beteiligten; im Unterschied zu

    – der Zuordnung einer (bestimmten) Koordinatenzahl “t” zu einem Ereignis (mit i.A. mehreren unterscheidbaren Beteiligten); im Unterschied zu

    – der Zuordnung einer (bestimmten) Koordinatenzahl “t” zu mehreren Ereignissen; im Unterschied zu

    – der Differenz zwischen zwei bestimmten (i.A. ungleichen) Koordinatenzahlen.

  6. @KRichard Zum Thema Zeit und Quellen empfehle ich eine ältere Quelle als Augustinus: Buch Salomo Kapitel 3 Vers 15 “Was geschieht, das ist zuvor geschehen, und was geschehen wird, ist auch zuvor geschehen; und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.” Zitat Ende. Heute nennt man diesen Ansatz, freilich ohne Gott, Blockuniversum, aber die Quantenphysik stellt Fragen daran – trotzdem halte ich das nicht für mit Sicherheit überholt.

    • Danke für den Hinweis!
      Aber für mich ist diese Textstelle zu wenig aussagekräftig.
      Augustinus begründet seine Argumentation nachvollziehbar. Und bei ihm ist auch klar erkennbar, dass er zwischen der Zeit als solcher und der Wahrnehmung von Zeit klar unterscheidet. (Der Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit ist übrigens auch schon seit 2500 Jahren in der buddhistischen Philosophie bei diesem Thema erkennbar.)

      Um den Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit zu verstehen, braucht man nur in das Kino gehen: ein Kinofilm besteht nur aus Einzelfotos (= Realität), aber wir sehen bewegte Bilder (= Wirklichkeit). Dieses Beispiel zeigt, wie leicht unsere Sinneswahrnehmung getäuscht werden kann. Vergleichbares passiert mit unserem Zeit-Empfinden: wir erleben das Vergehen von Zeit (= Wirklichkeit) – obwohl die Zeit keine Dauer/Ausdehnung hat (= Realität); wie Bischof Augustinus und der Buddhismus argumentieren.

      Die Idee des ´Blockuniversums´ ist nicht besonders clever durchdacht – weil sie ein Widerspruch in sich ist: Wenn es dauerhaft beständig ist, dann wäre es ein Perpetuum Mobile. Wenn die Zeit ´vergeht´ indem man sich durch das Blockuniversum bewegt, dann wäre dies eine Veränderung und die Idee der dauerhaften Beständigkeit wäre damit unlogisch.

      • In Beziehung auf das Blockuniversum widerspreche ich. Perpetuum Mobile ist im Blockuniversum nur in 3D überprüfbar, also möglich oder unmöglich, und Veränderungen/Zeit die vergeht ist eine Illusion, die darauf basiert dass unser Bewusstsein (um mit Ihrem Kino zu argumentieren) nur ein Einzelbild ist aus einer in 4D starren, miteinander verknüpften Reihung von Bildern. Die Idee dass Veränderung eine Illusion ist, wenn man die Raumzeit von außen “betrachtet*”, ist ja wie gesagt sehr alt. Ich sehe keine Widersprüche, aber vielleicht können Sie jene die Sie sehen näher erläutern.
        *Beobachten kann man natürlich ohne Zeit gar nicht, bzw. man kann dies nur (wie vieles) als Modell

        • @Wizzy. Wir brauchen uns über das Thema ´Blockuniversum´ nicht streiten – weil das eigentliche Grundproblem ein anderes ist:
          Der Buddhismus (seit 2500 Jahren) und Bischof Augustinus (seit 1600 Jahren) gehen davon aus, dass es real keine Zukunft und keine Vergangenheit gibt. Und die Gegenwart ist nur ein imaginärer Übergangszustand, ohne Dauer.
          Die Physik hat bis heute keine vernünftige und nachvollziehbare Definition für ZEIT vorgelegt – und für die reale Existenz von Zukunft und Vergangenheit auch nicht.
          Wenn also mit Hilfe der Realitivitätstheorie Reisen in der Zeit – als 4. Dimension – berechnet werden können; dann haben diese Berechnungen keine nachvollziehbare Grundlage. Ohne den Nachweis der realen Existenz der Zeit als 4. Dimension bedeutet dies, dass man mit dieser Art von Berechnung sogar etwas berechnen kann, was es gar nicht gibt !!!
          Die Naturwissenschaften müssen für Behauptungen selbst nachvollziehbare Beweise vorlegen – und dies ist für die reale Existenz der Zeit-Dauer als 4. Dimension bisher nicht erfolgt! D.h. auch für andere Modelle – wie das Blockuniversum – muss die Physik eigenständig Belege vorlegen.
          Theorien/Behauptungen ohne Belege, das ist Esoterik. Und deswegen brauchen wir das Thema ´Blockuniversum´ nicht weiter diskutieren.

          Suchen Sie per Google [einstein elektrodynamik zeit] dann sollten Sie die Arbeit von A. Einstein ´Zur Elektrodynamik bewegter Körper´ finden in I-Kinematischer Teil $1 ´Definition der Gleichzeitigkeit´ – wurde von Einstein ZEIT als die Stellung des kleinen Zeigers seiner Uhr definiert! (Für den Ort, wo sich diese Uhr befindet)
          Man muss sich einmal klar machen was diese Definition bedeutet: a) bevor diese Uhr mit Zeiger versehen wurde, gab es keine Zeit. b) Wenn diese Uhr steht, dann vergeht keine Zeit.

          • Hm, aus meiner Sicht hat die Physik sogar die einzig greifbare Definition von Zeit abgegeben 🙂 Zeit ist die Strecke in der 4. Dimension, die bei einem Photon im Vakuum 299.792.458 Metern der Raumdimensionen entspricht. Zumindest wäre das im Bild des Blockuniversums so. Und die SRT beißt sich ja wohl mit einer absoluten Gegenwart, da verschieden bewegte Beobachter (die miteinander kommunizieren können) verschiedene “Gegenwarten” beobachten – das heißt für den Einen passiert etwas gleichzeitig, für den anderen nicht. Das jedenfalls ist experimentell belegt, wie Sie (vermute ich) wissen.

          • @Wizzy: Am Beispiel des Kinofilms habe ich oben schon den Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit beschrieben. D.h. unsere beobachteten Sinneswahrnehmungen müssen nicht der Realität entsprechen.
            Und weiter oben habe ich das Beispiel mit dem mechanischen Wecker vorgestellt: In der Realität ändert sich der Energieinhalt des Federwerkes wenn Zeit vergeht – aber ausgerechnet dieser wird überhaupt nicht gemessen! Was wir ´messen´ (Sekunden, Minuten, Stunden) sind gezählte Pendelbewegungen. Und eine Atomuhr macht im Prinzip nichts anderes.

          • Zeit wird eben gemessen als Abfolge von Ereignissen. So wie Raum als räumliche Folge von Dingen gemessen wird – z.B. Strichen am Maßband. Wo ist das Problem?

          • @Wizzy: Nochmals zum Beispiel des mechanischen Weckers
            Wenn beim Betrieb des Weckers Zeit vergeht – dann nimmt dabei die im Federwerk gespeicherte potentielle Energie immer mehr ab; diese wird dabei in kinetische Energie umgewandelt und treibt über die Unruhe/Hemmung ein Zählwerk an, welches an einem Ziffernblatt die Uhrzeit anzeigt.
            D.h. die vergehende Zeit ist genau genommen diejenige Energie die dabei verbraucht/umgewandelt wird – im Sinne einer Materialkunde. Aber ausgerechnet dieser Energieunterschied wird nicht gemessen!
            Sondern ZEIT wird nur über einen Sekundäreffekt definiert – die Anzahl der Pendelbewegungen, welche als Abfolge von Ereignissen eine Uhr-Zeigeranzeige bewegt.
            Aus dieser Sichtweise ergeben sich Probleme: z.B.
            Wenn man ZEIT als Energiemenge beschreiben kann, dann kann sie keine 4. Dimension sein (Zeit-Dauer).
            Wenn Zeit keine Dimension ist, dann sind mathematische Berechnungen von Zeitreisen falsch. D.h. ein Teilbereich der Mathematik in der Physik wird damit fragwürdig. Und wenn Berechnungen schon bei der 4. Dimension fragwürdig sind – was ist dann von multidimensionalen Modellen der Physik zu halten (Stringtheorie)?
            Für Forschungen im Bereich ´Physik´ werden zum Teil erhebliche Steuermittel aufgewendet. Diese Gelder sind bei fragwürdigen Theorien verschwendet.

            Wenn man ZEIT als Parameter verwendet (z.B. um Geschwindigkeit zu berechnen), dann sind dies brauchbare Modelle – und dagegen ist nichts einzuwenden. Betrachtet man ZEIT dagegen als reale 4. Dimension – dann ist diese Sichtweise fragwürdig/falsch.

          • Die vergehende Zeit ist nicht die Energie, die bei einer Uhr aufgewendet wird. Genausowenig wie Raum eine Kinetische Energie ist. Zeit kann man ja auch mit Uhren messen, die keine Energie verbrauchen – allerdings verbraucht der Vorgang des Ablesens Energie, wie bei Raum-Messungen auch. Würden Sie deshalb behaupten, dass 1 Meter nur “ein Sekundäreffekt einer Energiemenge” ist? Und wenn man Zeit also vernünftigerweise nicht mit irgendwelchen Energien gleichsetzt, ergeben sich auch keine Widersprüche. Auch nicht mit Zeit als Dimension.

          • @Wizzy: Ich denke, wir sollten die Diskussion jetzt beenden. Denn – ob meine Anregungen sinnvoll sind oder nicht, ist nicht das Problem.

            Sondern das Problem ist, dass die Physik bisher keine nachvollziehbarn Definitionen liefert: Wenn man dort eine reale Zeitreise in der 4. Dimension (Zeit-Dauer) berechnen kann, ohne den Nachweis bringen zu können, dass es diese Zeit-Dauer in der Realität wirklich gibt – dann muss diese Berechnung mit vielen Fragezeichen oder dem Etikett ´Esoterik´ versehen werden.
            Wenn die Mathematiker der Physik eine reale Zeitreise berechnen können – dann ist entweder diese Mathematik äußerst fragwürdig – oder es müssen von der Physik nachvollziehbare Belege für die Gleichzeitigkeit von Gegenwart, Vergangenheit bzw. Zukunft erbracht werden.

            (PS: Auch eine Sonnenuhr funktioniert nicht ohne Energie (sie braucht Sonnenlicht) )

          • @KRichard;
            Das Problem liegt vielmehr darin, dass Sie die Physik nicht verstanden haben. Die Zeit als 4.Dimension ist ein mathematisches Konstrukt, das mit der Realität nichts zu tun hat. Die Mathematik insgesamt hat nichts mit der Realität zu tun, sondern ist eine idealisierte Modellierung der wahrnehmbaren Phänomene, auf der Grundlage der menschlichen Erkenntnis-, Vorstellungs- und Denkfähigkeiten.

            Zeit beruht auf der Wahrnehmung von Veränderungen, insbesondere periodisch wiederkehrender Veränderungen, allen voran des Lebens selbst. Eine regelmäßig wiederkehrende Veränderung wird daher als Maßstab für die Zeit auserwählt. In früherer Zeit waren es die Bewegungen der Sonne und der Gestirne als natürliche Uhren, später kam die mechanische Uhr und heute ist es die Atomuhr. Jede physische Veränderung verbraucht zwar Energie, aber Energie ist nicht wahrnehmbar und ist auch nur ein mathematisches Konstrukt. Energie ist als Zeitmaßstab denkbar ungeeignet. Auch der Energieerhaltungssatz spricht dagegen, denn wenn es keine Veränderung gibt, wird Zeit sinnlos.

          • Ich weiß nicht genau, was Sie unter Zeitreise verstehen – aber die SRT ist experimentell gut belegt, und damit ist Zeit relativ. Und Zeit kann man auch mit der Strecke messen, die ein Photon im Vakuum zurücklegt oder z.B. durch Rotation oder Schwingung einer Masse in einem Kraft (z.B. Schwerefeld, s. Himmelskörper) – bis auf die Messung braucht eine Propagation keine Energie.

          • anton reutlinger schrieb (20. April 2016 14:52):
            > Eine regelmäßig wiederkehrende Veränderung wird daher als Maßstab für die [Dauer von] Zeit auserwählt. In früherer Zeit waren es die Bewegungen der Sonne und der Gestirne als natürliche Uhren, später kam die mechanische Uhr und heute ist es die Atomuhr.

            Physik hat aber weniger die Aufgabe, Systeme zu entdecken bzw. deren gezielte Herstellung zu ermöglichen, die eventuell durch besonders „regelmäßig wiederkehrende Veränderung“ (ihrer auffälligen Anzeigen) charakterisiert wären;
            sondern vor allem definieren, was mit der Maßgabe „regelmäßig“ überhaupt nachvollziehbar gemeint sein soll.

            Dafür kam z.B. (seit den 1960er Jahren) die sogenannte
            “geometrodynamischen Uhr“-Konstruktion nach Marzke und Wheeler in Betracht.

            Mittlerweile wurde aber erkannt, dass der darin vorausgesetzten Begriff „free(-falling)“ ebenfalls zunächst einer Definition (als Messgröße) bedarf; und man gelangt zu einer Definition von „Regelmaßigkeit“, die ohne ihn auskommt (sondern allein auf dem Einsteinschen „Koinzidenz“-Begriff beruht).

          • @Frank Wappler;
            Selbstverständlich haben Sie recht die Physik betreffend. Aber bevor die Physik ihre Aufgaben der Forschung und Entdeckung erfüllen kann, braucht sie Instrumente, die zuerst wiederum auf den Beobachtungen und Erkenntnissen der Physik gründen. Ohne die Möglichkeit der Herstellung geeigneter Instrumente könnte keine Physik betrieben werden, angefangen bei Messinstrumenten für Raum und Zeit. Es ist also eine Spirale von Erkenntnissen, Instrumenten und Experimenten, die zunehmend raffinierter werden. Dass sie dabei nicht den Boden unter den Füßen verlieren dürfen (auch die Physiker und ihre Theorien), ist zwar einsichtig, bedarf aber immer wieder der skeptischen Reflexion oder Überprüfung. Andernfalls besteht prinzipiell die Möglichkeit, dass Theorien, Instrumente und Experimente sich verselbständigen und gegenseitig bestätigen, ohne Bezug zur Wirklichkeit oder zur etablierten Physik.

          • anton reutlinger (20. April 2016 18:14):
            > Ohne die Möglichkeit der Herstellung geeigneter Instrumente könnte keine Physik betrieben werden […]

            Also wird Physik doch (auch) beim Verfolgen der bloßen Absicht betrieben, letztlich “geeignete Instrumente herstellen” zu können;
            oder gar nur in der bloßen Hoffung, eventuell solche vorzufinden,
            nicht wahr?

            Und das schließt offenbar jeweils eine Festsetzung ein, wie denn (Versuch für Versuch) zu entschieden werden soll, ob das dabei Vorgefundene ein “geeignetes Instrument” konstituierte, oder in wie fern nicht.

            > skeptische Reflexion

            Unbedingt.

            > Überprüfung

            In Durchführung festgesetzter nachvollziehbarer Anweisungen, gewiss.

            > Bezug zur Wirklichkeit

            D.h. konkret, in der bekannten, skeptisch reflektierten und sicher nach wie vor geeigneten Formulierung aus den 1930ern:
            So dass (unmissverständlich) mitgeteilt werden kann, was getan und was gefunden wurde.

            > zur etablierten Physik

            D.h. Versuch für Versuch in Durchführung bzw. Anwendung von (ggf.) etablierten, sofern überhaupt nachvollziehbaren, (Mess-)Anweisungen/Methoden/Operationen;
            aber deshalb nicht notwendiger Weise mit Wiederholung der gleichen Ergebniswerte.

            Also in jedem Versuch ebenso wie auch im allerersten (als noch gar keine Ergebniswerte vorlagen);
            also für neu konstruierte (Mess-)Anweisungen/Methoden/Operationen nicht anders als für etablierte.

            p.s.
            > Selbstverständlich haben Sie recht die Physik betreffend.

            Da das nun (endlich! <) mal schriftlich dingfest gemacht ist, schmeckt es doch irgendwie arg nach … Bus.

          • anton reutlinger (20. April 2016 18:14):
            > Ohne die Möglichkeit der Herstellung geeigneter Instrumente könnte keine Physik betrieben werden […]

            Also wird Physik doch (auch) beim Verfolgen der bloßen Absicht betrieben, letztlich “geeignete Instrumente herstellen” zu können;
            oder gar nur in der bloßen Hoffung, eventuell solche vorzufinden,
            nicht wahr?

            Und das schließt offenbar jeweils eine Festsetzung ein, wie denn (Versuch für Versuch) zu entschieden werden soll, ob das dabei Vorgefundene ein “geeignetes Instrument” konstituierte, oder in wie fern nicht.

            > skeptische Reflexion

            Unbedingt.

            > Überprüfung

            In Durchführung festgesetzter nachvollziehbarer Anweisungen, gewiss.

            > Bezug zur Wirklichkeit

            D.h. konkret, in der bekannten, skeptisch reflektierten und sicher nach wie vor geeigneten Formulierung aus den 1930ern:
            So dass (unmissverständlich) mitgeteilt werden kann, was getan und was gefunden wurde.

            > zur etablierten Physik

            D.h. Versuch für Versuch in Durchführung bzw. Anwendung von (ggf.) etablierten, sofern überhaupt nachvollziehbaren, (Mess-)Anweisungen/Methoden/Operationen;
            aber deshalb nicht notwendiger Weise mit Wiederholung der gleichen Ergebniswerte.

            Also in jedem Versuch ebenso wie auch im allerersten (als noch gar keine Ergebniswerte vorlagen);
            also für neu konstruierte (Mess-)Anweisungen/Methoden/Operationen nicht anders als für etablierte.

            p.s.
            > Selbstverständlich haben Sie recht die Physik betreffend.

            Da das nun (endlich! <) mal schriftlich dingfest gemacht ist, schmeckt es doch irgendwie arg nach … Bus.

          • Scilogs Redaktion schrieb (22. April 2016 11:01):
            > Ich werf dann mal zum Abschluss unser Kompakt ‘Zeit’ in den Raum…

            (Vermutlich insbesondere diese Ausgabe.)

            Wenn damit (abschließend) die Möglichkeit eröffnet ist, nicht nur “50 Seiten Lesevergnügen” zu erwerben, sondern dazu auch (hier) auffindbare, verantwortliche Kommentare oder Fragen zu äußern, dann ist (mir) das seinen Preis wert.

            (Als erstes nehme ich mir vor zu zählen, wie oft denn der Begriff “Dauer” in dieser Ausgabe zum Thema “Zeit” vorkommt.
            Sicherlich mindestens einmal, falls nämlich die SI-Sekunden-Definition darin zitiert wurde …)

  7. @Scilogs-Reddaktion: Danke für den Hinweis – aber damit dreht sich die Diskussion nur im Kreis.

    Das Thema in Lars Fischer´s Beitrag sind ´Quellen´: Die buddhistische Philosophie bzw. Bischof Augustinus wiesen schon vor Jahrhunderten darauf hin, dass es weder Zukunft noch Vergangenheit geben kann – und die Gegenwart nur ein imaginärer/gedachter Übergang ohne Dauer ist.
    Wenn man mit der Mathematik der Physik sogar Zeitreisen (in Vergangenheit bzw. Zukunft, direkt oder über Wurmlöcher) berechnen kann – dann zeigt dies nur, dass diese Mathematik eine solche Qualität hat, dass man damit sogar etwas beliebiges berechnen kann, etwas was überhaupt nicht existiert. Es sei denn – bitte Quellen nennen – die Physik kann die reale Existenz von Vergangenheit/Zukunft beweisen. Ist dieser Beweis aber nicht möglich – dann sind Ideen wie z.B. ´Zeitreise´ bzw. ´Wurmloch´ fragwürdige Begriffe.

    Die bisherige Sichweise
    Zeitreisen sind laut Relativitätstheorie möglich, weil man sie mit Hilfe von Formeln der Relativitätstheorie berechnen kann – sind im logischen Sinne ein ´Zirkelschluss´: eine fragwürdige Argumentation.

  8. @KRichard
    “Die buddhistische Philosophie bzw. Bischof Augustinus wiesen schon vor Jahrhunderten darauf hin, dass es weder Zukunft noch Vergangenheit geben kann”
    Und die haben latürnich absolut recht bzw Vorrang vor allen (v.a.?) neueren Erkenntnissen, wie kann man nur SOLCHEN Autoritäten widersprechen wollen? Die wußten doch per Definition schon alles!1!!einself!

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