Wanderdünen auf dem Mars

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Wanderdünen gibt es auch auf dem Mars, wie Aufnahmen von Raumsonden wie dem Mars Express oder Mars Global Surveyor (MGS) zeigen. Neben typischen Dünenformen wie Barchanen oder Sterndünen findet man auf unserem Nachbarplaneten auch sehr fremdartige Formen, die auf der Erde nicht vorkommen. Doch so exotisch sie aussehen mögen, auch die Dünen auf dem Mars gehen auf die Wirkung des Windes zurück – die Bedingungen dafür sind dort allerdings völlig anders. Der Gasdruck dort beträgt weniger als ein Prozent des irdischen Atmosphärendrucks, und deswegen sind wesentlich stärkere Winde nötig, um die Sandkörner zu bewegen.

Die meisten Wissenschaftler sind bisher davon ausgegangen, dass die Marsdünen ein Millionen Jahre altes Relikt aus einer Zeit seien, als die Atmosphäre dort noch dichter war. Auf Fotos ist jedenfalls auch über Jahre hinweg keine Veränderung an den Dünen zu sehen. So eindrucksvoll die Staubstürme des Planeten im Teleskop aussehen mögen, sie haben nicht genug Kraft, die Oberfläche des Planeten so zu verändern, wie wir das von irdischen Stürmen gewohnt sind.

Während der gesamten sechs Jahre währenden Mission des Viking-Landers beobachtete man genau ein einziges Mal, dass ein Staubsturm sichtbare Spuren hinterließ. Tatsächlich aber sind die Dünen des Mars auch heute noch aktiv. Gerade die exotischen Bedingungen, die heute dort herrschen, ermöglichen erst das teils skurrile Aussehen dieser Sandformationen.


Dünen auf dem Mars. Aus: Parteli, Herrmann: Dune Formation on the present Mars, Physical Review Letters E, Oktober 2007 (pdf, open access)

 Wie das vonstatten geht, zeigt ein Computermodell von Eric Parteli von der Universität Stuttgart und Hans Herrmann, Gastdozent an der Uni Ceara in Brasilien. Die Windgeschwindigkeiten der stärksten Staubstürme reichen nämlich gerade eben ausaus, um die Dünen wandern zu lassen, allerdings brauchen sie nach den Berechnungen der Forscher etwa 4000 Jahre für einen Meter, denn selbst in Staubstürmen sind die Windgeschwindigkeiten nur für höchstens ein paar Sekunden groß genug, um tatsächlich Sandkörner zu bewegen. Dementsprechend entwickeln sich die Formen der Dünen nicht über Wochen oder Monate wie auf unserem Planeten, sondern über Zigtausende von Jahren.

Die Simulation berücksichtigt das turbulente Windfeld an der Oberfläche sowie – nicht ganz trivial – Flugstrecke, Geschwindigkeit, Aufprall und Impulsweitergabe des fliegenden Sandes. Die Details kann man im Paper nachlesen, das Modell führt jedenfalls zu einigen sehr interessanten Vorhersagen. Zum einen stellen die Forscher fest, dass ein fliegendes Sandkorn auf dem Mars beim Aufprall deutlich mehr weitere Sandkörner wandern lässt als eines auf der Erde. Das liegt offenbar an der höheren Fluggeschwindigkeit der Körner. Dieser Effekt bestimmt unter anderem die Mindestgröße der Dünen und wirkt dabei der geringeren Gravitation entgegen: Statt einiger Tausend Meter sind es nur ein paar Hundert.

Die Form der Dünen wiederum hängt von den vorherrschenden Windrichtungen ab, was auf der Erde oft auf jahreszeitliche Schwankungen zurückgeht, wie zum Beispiel bei Sterndünen oder Längsdünen, die entstehen, wenn sich die vorherrschende Windrichtung saisonal ändert. Auf dem Mars dagegen sind die Jahreszeiten zu kurz, um sich auf die Dünenform auszuwirken. Sattdessen sind dafür längerfristige Zyklen verantwortlich.


Dünenformen abhängig von bimodalen Windsystemen. Durch Veränderung des Winkels zwischen den Windrichtungen und der Frequenz der Richtungswechsel kommen die Dünenformen zustande. Aus: Parteli, Herrmann: Dune Formation on the present Mars, Physical Review Letters E, Oktober 2007 (pdf, open access)

Um diese Dünenformen in der Abbildung zu erhalten, simulierten die Forscher Winde wechselnder Richtung mit einem netto-Zyklus von 2,9, 5,8 und 0,7 Tagen, und verwendeten verschiedene Winkel zwischen den Windrichtungen. Weil solche Winde auf dem Mars aber so ein seltenes und kurzfristiges Ereignis sind, entspricht ein "Tag" sandbewegenden Windes aus einer Richtung dem jeweils vorherrschenden Windsystem ganzer Epochen. Das hat eine erstaunliche Konsequenz: Wie Parteli und Herrmann in der Zeitschrift Physical Review Letter E schreiben, bestimmen auf dem roten Planeten astronomische Zyklen die Dünenform.

Die Marsbahn schwankt in einem Rhythmus von etwa 50000 Jahren. Wie die Forscher demonstrieren, lassen sich die nur auf dem Mars vorkommenden Dünentypen aus den Abbildungen c, d und e auf Schwankungen der Windrichtung auf diesen Zeitskalen zurückführen. Mit den Dünen besitzt man also quasi eine Sonde für die Windsysteme vergangener Zeiten und ihrer Änderungen: Dynamisch genug, um nachhaltig von diesen langfristigen Prozessen geformt zu werden, aber auch so stabil, dass sie auch nach Äonen noch Zeugnis vom stetigen Wandel der Marsoberfläche geben.

Parteli EJ, & Herrmann HJ (2007). Dune formation on the present Mars. Physical review. E, Statistical, nonlinear, and soft matter physics, 76 (4 Pt 1) PMID: 17994981

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