Was bedeuten die aktuellen Grippezahlen?

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Willkommen in der nächsten Grippesaison – das Robert-Koch-Institut meldet gerade deutschlandweit stark erhöhte Influenza-Aktivität, am stärksten im Nordosten. Der Praxisindex, der den Anteil von Atemwegserkrankungen an den Arztbesuchen insgesamt misst, liegt derzeit bei etwa 200. Damit hat 2012 jetzt schon den dritthöchsten Praxisindex der letzten zehn Jahre [1]. Außerdem ist die Grippe dieses Jahr ziemlich früh dran, normalerweise geht es etwa zwei Wochen später los.

Übersetzt bedeutet die Zahl jedenfalls, dass pro Woche momentan etwa 4000 Patienten mit solchen Infekten in die Arztpraxen gehen, und ein beträchtlicher Anteil davon hat tatsächlich die Grippe: Etwa 65 Prozent aller eingesandten Proben testen positiv auf Virusgrippe. Das ist ne Ecke höher als normal und zeigt, dass die Grippewelle Fahrt aufnimmt: Eine hohe Positivenrate bedeutet oft, dass die Zahl der Kranken in naher Zukunft deutlich ansteigen wird.

Ob die Epidemie dieses Jahr allerdings tatsächlich besonders schlimm wird, kann man noch nicht sagen, dazu gibt es derzeit schlicht noch zu wenig Daten. Auch der Vergleich mit anderen Jahren hilft da nur bedingt weiter. Die aktuell kursierenden Erreger sind zwar deutlich aggressiver als die der letzten beiden Jahre, aber die Grippewellen 2010/2011 und 2011/2012 waren auch ungewöhnlich mild. Tatsächlich spricht einiges für eine moderate Epidemie in diesem Jahr, zum Beispiel dass die wöchentlichen Fallzahlen im Pandemiejahr 2009 bis zu acht mal so hoch waren. Die jetzt gezählten viertausend sind von der Größenordnung her eher durchschnittlich.

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Anteil der Atemwegsinfektionen an allen Arztbesuchen für die aktuelle und die letzten beiden Grippewellen. Quelle: Robert-Koch-Institut

Fein raus sind eh die Leute, die geimpft sind oder sich eben schnell noch eine Impfung abholen. Das RKI meldet 46 Prozent A/H1N1 und 38 Prozent A/H3N2, der dreckige Rest ist Influenza B, was auch den drei Erregern entspricht, auf die der diesjährige Impfstoff ausgerichtet ist – was im Übrigen sehr für die Qualität der weltweiten Grippeüberwachung spricht. Keine Überraschungen und so.

Ich würde auch empfehlen, schnell noch zum Impfen zu gehen. Gesunde Erwachsene überleben die Grippe zwar ohne weiteres, stecken aber gerne mal verwundbare Familienmitglieder an. Besonders in den Altersgruppen unter fünf und über fünfundsechzig fallen in nem durchschnittlichen Jahr schnell mal einige tausend Überschusshospitalisierungen an, und niemand ist gern im Krankenhaus. Schon gar nicht für länger.

Bei der Gelegenheit hat sich übrigens auch ein kleines Rätsel des Klinikindexes aufgelöst, das mich über die letzten Jahre immer mal wieder beschäftigt hat: Woher kommt jedes Jahr der deutliche Buckel in der 52. Kalenderwoche? Es hat sich herausgestellt, dass die Erklärung ganz simpel ist. In der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr geht nämlich kein Schwein zum Arzt, außer es ist wirklich notwendig, zum Beispiel weil man sich ganz furchtbar was eingefangen hat. Deswegen ist der Anteil der Atemwegsinfektionen unter den Arztbesuchen in der Woche deutlich erhöht – nicht weil von denen mehr bei den Ärzten auftauchen, sondern weil weniger andere hingehen.

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[1] Höher waren nur 2004/2005, 2006/2007 und das Pandemiejahr 2009.

8 Kommentare

  1. Kalenderwoche 52

    Die Anzahl der Arbeitstage in der 52. Kalenderwoche spielt wahrscheinlich genauso eine Rolle.

    2010 waren es 4½, 2011 4 und 2012 nur 2½. Feiertage mit feststehenden Daten und Statistik mit Kalenderwochen verträgt sich nicht gut.

  2. akzuelle Grppezahlen

    Der Impfstoff ist nicht gut! Habe mich Anfang Oktober impfen lassen und trotzdem eine Influenza bekommen. War übel, da noch eine Pneumonie hinterherkam.

  3. Grippedaten

    Interessant, aber, wie alle diese Statistiken, zu langsam.
    Google kann das schneller: http://www.google.org/flutrends/de/#DE ist um zwei Wochen aktueller (wenn man die unterschiedliche Definition der „Kalenderwoche“ berücksichtigt, bei Google beginnt die Woche am Sonntag). Auch die geografische Verteilug wird für Deutschland recht gut wiedergegeben. Da die Daten maschinenlesbar zur Verfügung gestellt werden, kann man sogar zeigen, dass man damit den Beginn der Grippewelle rechtzeitig bemerkt, um zum Beispiel Personalengpässe zu vermeiden.

  4. anderes Thema

    Gibt es einen Index für Hautkrankheiten. Haben neulich über subjektiv gestiegene Fallzahlen und Erkrankungsintensität besonders bei Neurodermitis philosophiert. Würde mich interessieren ob etwas signifikant ist (ggf. auch über Ursachen).

  5. Hmmm.

    Das ist nicht mein Fachgebiet, ich kümmer mich ausschließlich um Infektionskrankheiten. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es solche Kennzahlen gibt. Vielleicht solltest du einfach mal auf der Webseite der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft rumgucken.

  6. Pingback:Die Stärkung des Immunsystems | Arairc

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