Torus von W7-X geschlossen

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Plasmen im Mittelpunkt
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Am Mittwoch, den 16. November, ist das fünfte und letzte Torusmodul des Stellarators W7-X erfolgreich installiert worden. Damit ist der Torus nach 6 Jahren Bauzeit komplett und der wissenschaftliche Leiter Thomas Klinger gibt sich zuversichtlich, den weiteren Zeitplan einzuhalten und 2014/2015 das erste Plasma in W7-X zu zünden.

Bei Wendelstein W7-X handelt es sich um ein Grundlagenexperiment, dass zeigen soll, dass Stellaratoren das Zeug zum Fusionsreaktor haben. Bisher hat man Experimente von Typ Tokamak favorisiert, auch bei ITER handelt es sich um einen solchen. Beiden Experimenttypen gemein ist die Tatsache, dass ein magnetischer Käfig das heiße Plasma einschließt, daher spricht man auch vom magnetischen Einschluss.
  
Beim Tokamak wird ein Teil dieses Magnetfeldes durch einen starken Strom erzeugt, der entlang des Plasmas fließt. Das funktioniert wie bei einem Transformator, in dem das Plasma als Sekundärwicklung zu verstehen ist. Dieses Prinzip bedingt direkt einen der Hauptnachteile des Tokamaks: er kann nur gepulst betrieben werden kann. Allerdings gibt es Ansätze, in denen man versucht, das notwendige Magnetfeld durch andere, vom Plasma selbst generierte Ströme zu erzeugen. Durch die starken Ströme, die in jedem Falle in diesem Plasma fließen, begünstigt man zudem das Auftreten einiger Instabilitäten, die es durch geschickte Experimentkontrolle zu vermeiden gilt. Der Vorteil des Tokamaks-Konzept liegt in der vergleichsweise einfachen Bauweise.

Tokamak
Schematische Darstellung eines Tokamaks, Quelle: IPP
.

Der Stellarator hingegen erzeugt sein Magnetfeld ausschließlich durch externe Magnetfeldspulen und eignet sich daher für den Dauerbetrieb. Um das notwendige Magnetfeld exakt zu erzeugen, müssen die Spulen sehr genau berechnet und konstruiert werden. Dazu bedarf es numerischer Optimierungstools, die erst seit den 1990’er Jahren zur Verfügung stehen. Zu welcher Form das im Falle von W7-X geführt hat, kann man folgenden Skizze entnehmen.

W7-X
Schnitt durch W7-X, Quelle: FusionWiki.

In Greifswald entsteht momentan der größte Stellarator der Welt. In Deutschland haben wir damit die einmalige Möglichkeit sowohl Tokamakphysik (ASDEX-Upgrade in Garching) als auch Stellaratorphysik an großen fusionsrelevanten Experimenten zu untersuchen.

Das Projekt Wendelstein W7-X hat im wesentlichen drei Ziele: Erstens soll es zeigen, dass man in der Lage ist, einen optimierten und supraleitenden Stellarator zu bauen. Optimiert meint hier die Tatsache, dass das Design von W7-X komplett aus einer Reihe von Optimierungsprozessen heraus definiert wurde. Zweitens, dass ein solcher optimierter Stellarator fusionsrelevante Plasmaparameter erreichen kann und, drittens, dass man diese Plasmen im Dauerbetrieb betreiben kann.

Der Aufbau von W7-X ist in einem Zeitraffer festgehalten, den ich in einer älteren Version schon einmal verlinkt hatte. Hier nun die aktualisierte Version, wobei der letzte Teil, also der Ringschluss noch fehlt.

Schaut man sich das Video an, so kann man noch sehr schön den Blick auf “den Wust von Spulen, Leitungen, Rohren, Ventilen” und noch vielem mehr werfen – 2014 wird das meiste davon vom Cryostaten ummantelt sein, aus dem dann wiederum jede Menge Kabel herausführen werden.

Ich war in den letzten Jahren ein paar mal in Greifswald und damit verbunden war meist auch ein Blick auf den aktuellen Stand der W7-X Baustelle. 2007 beispielsweise sah die Torushalle selbst noch recht leer aus. Trotzdem hat sie für staunende Besucher gesorgt, angesichts der zu erahnenden Ausmaße von W7-X.

Torushalle W7-X 2007
Torushalle von W7-X im Oktober 2007 (Bild: Alf Köhn, CC BY-SA).

Die eigentlich Arbeit fand währenddessen im Raum nebenan statt. Dort wurden die bereits fertigen Magnetfeldspulen auf einzelne Segmente des Plasmagefäßes aufgefädelt. Diese Segmente wurden dort vormontiert und anschließend in der Torushalle zusammengesetzt (siehe Video).

W7-X Modul 2007
W7-X Spulenauffädelung im Oktober 2007 (
Bild: Alf Köhn, CC BY-SA).

Es bleibt also spannend und ich habe auch schon eine Einladung zu dem “first light”, also dem ersten Plasma in W7-X erhalten von dem ich dann natürlich live berichten werde 🙂

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Alf Köhn-Seemann hat in Kiel Physik studiert und in Stuttgart über Mikrowellenheizung von Plasmen promoviert. Von 2010 bis 2015 war er dort als Post-Doc tätig. Nach mehreren Forschungsaufenthalten im englisch-sprachigen Raum, arbeitet er von 2015 bis Ende 2017 am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Seit Ende 2017 forscht und lehrt Alf Köhn-Seemann wieder an der Uni Stuttgart.

9 Kommentare

  1. Aberwitz

    Ich habe von NICHTS eine Ahnung – aber die Formen, die diese Spulen haben, faszinieren mich. Irgendwie organisch und doch technoid – erinnert an Giger.

    Kann man einem blutigen Laien wie mir erklären, warum die Spulen so bizarr und asymmetrisch aussehen müssen?

  2. bizarres Greifswald

    @Helmut
    ein wesentlicher Grund liegt in der Tatsache, dass man sich vom klassischen Stellarator verabschiedet hat, das Design dort sah noch folgendermaßen aus:
    http://www.kernfragen.de/…exikon/Stellarator.jpg
    Man hatte also helikale Spulen, die sich um das Vakuumgefäß helikal herum gewunden haben.

    Geht man zu modularen Spulen, müssen diese entsprechend kompliziert geformt sein, um dem Magnetfeld des vorherigen Konzeptes zu entsprechen.
    http://www.physics.ucla.edu/…/w7x_with_coils.JPG

    Modulare Spulen haben einige Vorteile, so kann man im Grunde nach dem Aufbau des ganzen System noch Änderungen vornehmen, was bei den helikalen Spulen nicht geht, die sind ja fest um das Vakuumgefäß herum gewickelt. Außerdem können helikal gewickelte Spulen im Störungsfall eventuell das Vakuumgefäß schädigen, da dieses im Zweifelsfall die entsprechenden Kräfte aufnehmen muss.

    @Joachim:
    dabei ist Greifswald doch von Hamburg gar nicht sooo weit weg^^

  3. Fusion braucht “quod erat demonstrandum”

    Der Greifswalder Stellarator W7-X könnte durchaus das erste Fusionskraftwerk sein, das mehr Energie liefert, als hineingesteckt wird. Solch einen Meilenstein zu erreichen ist entscheidend, auch wenn Stellaratoren nach dem W7-X Bauprinzip wahrscheinlich nie Strom zu konkurrenzfähigen Preisen liefern können.
    Mir selber scheinen Laserfusionsanlagen wie das NIF oder Kombinationen von Inertial- und Magneteinschluss wie bei der Plasma Jet driven Magnetoinertail fusion zukunftsträchtiger. Allerdings hat das NIF, das 2009 fertiggestellt wurde bis jetzt noch nicht ignition und burn erreicht. Solange keine Anlage existiert, die quasi-kontinuierlich Fusionsenergie erzeugt bleibt Fusion ein Konzept ohne Nachweis der Realitätstauglichkeit.

  4. @Martin Holzherr

    W7-X selber wird noch keine Energie liefern.
    Dieses bleibt zunächst ITER vorbehalten, dass als erstes Fusionsexperiment zeigen soll, dass man mehr ‘rausholen kann, als man ‘reingesteckt hat.

    Von den Ergebnissen von W7-X und ITER wird es unter anderem abhängen, ob man den Tokamak oder den Stellarator als kraftwerkstauglicher einstuft – wobei neuartige Hybridlösungen auch denkbar sind.

  5. @Alf: 50 Jahre + kein Durchbruch

    W7-X selber wird noch keine Energie liefern.

    Forschungsprojekte, die sich über Jahrzehnte dahinziehen und man weiss immer noch nicht ob etwas dabei herausschaut. Macht das Sinn? Wäre es nicht besser, mehr im Stil des Manhattan-Projekts zu arbeiten, also viel Geld und humanes Kapital in etwas interessantes zu investieren und das möglichtst schnell durchzuziehen um nach einem Misserfolg wieder ein paar Jahre oder Jahrzehnte zu warten und umgekehrt bei einem Erfolg Zeit zu haben den nächsten Schritt vorzubereiten.

  6. @Martin Holzherr

    Der Vergleich mit dem Manhatten-Projekt ist vielleicht etwas unpassend, ich würde eher das Apollo-Programm heranziehen.
    Ein vergleichbares Programm wurde bereits ein paar mal für die Fusion gefordert, siehe http://et-energie-online.de/…ichte&Itemid=20
    Denn das die Fusion funktioniert steht außer Frage, die Sonne führt es uns seit einigen Milliarden Jahren vor. Und wenn dann die Anwendung dieser Technologie noch dazu beitragen könnte, ein Teil unser zukünftigen Energieprobleme zu lösen, dann ist das doch an sich schon sehr interessant, oder?

  7. Gibt es eigentlich Synergieeffekte zwischen Wendelstein X-7 und ITER? Anders gefragt, könnten im Stellerator gewonnene Erfahrungen noch zu Modifikationen im ITER führen,
    oder wäre ein sehr erfolgreicher Stellerator eher ein Argument für Kritiker des Tokamak-Konzepts?

    Prof. Haslinger nennt finanzielle Engpässe als Hauptgrund für die langwierige Entwicklung der Fusionstechnologie.
    Wenn ich es richtig verstanden habe sind momentan 16 Milliarden Euro für ITER veranschlagt. Es mag – wie bei solchen Projekten üblich – am Ende ein mehrfaches werden.
    Verteilt auf 20 Jahre, für ein Gemeinschaftsprojekt von Europa, Russland, USA, Japan, China, Indien und Südkorea sollte das, angesichts der CO2 Problematik nicht viel sein.

  8. @RD

    ja, es gibt diese Synergieeffekte, da geht es beispielsweise um Wandmaterialien, die in direktem Kontakt mit dem Plasma sind oder die Mikrowellenheizsysteme.

    Nach den ersten Jahren Betrieb von W7-X und ITER wird man auch Ihre zweite Frage beantworten können, wie das Nachfolgeexperiment auschauen könnte, ob es eher ein Tokamak oder ein Stellarator wird oder eine Art Hybridlösung

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