Wendelstein W7-X: Erstes Plasma erfolgreich gezündet

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Plasmen im Mittelpunkt
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Heute war es also soweit: Nach erteilter Betriebsgenehmigung wurde um 13:28 Uhr das erste Plasma in W7-X gezündet! Dieser Moment war von vielen beteiligten Wissenschaftlern & Instituten mit Spannung erwartet worden und so gab es Live-Übertragungen in ca. 40 beteiligte Partnerinstitutionen. Das gezündete Heliumplasma wurde mittels Mikrowellenheizung mit einer Leistung von 1.3 MW erzeugt und leuchtete über Zeitraum von ca. 100 ms. Nachdem die Mikrowellenheizung wieder ausgeschaltet wurde, gab es allernorts kräftig Beifall.

W7-X, Erstes Plasma
Abbildung 1: Erstes Plasma in W7-X, Blick auf die Hauptanzeigetafel im Kontrollraum in Greifswald, links 4 Kameraaufnahmen des Plasmas (Bild: Alf Köhn, CC BY-SA)

Bei Wendelstein W7-X handelt es sich um den größten Stellarator der Welt. Stellaratoren sind, genau wie Tokamaks, Konzepte zum magnetischen Einschluss von heißen Fusionsplasmen. Im Gegensatz zu Tokamaks, erzeugen Stellaratoren allerdings das Magnetfeld komplett durch externe Spulen, bei Tokamaks greift man dazu auf einen im Plasma selber fließenden Strom zurück. Der Vorteil von Stellaratoren liegt in der Möglichkeit zum Dauerbetrieb, Tokamaks sind im Prinzip auf gepulsten Betrieb angewiesen, da der im Plasma fließende Strom dort induziert werden muss. Der Nachteil von Stellaratoren liegt in der komplizierten Bauweise, die Form der Spulen kann man erst seit den 1990er Jahren zuverlässig mit Supercomputern berechnen. Deswegen war bereits der Nachweis, dass das Magnetfeld in W7-X so aussieht, wie es designt wurde, ein großer Erfolg. Das Ziel von W7-X ist es die Reaktortauglichkeit des Stellaratorkonzepts zu zeigen. Fusion selber wird in W7-X nicht gezielt erzeugt werden, es wird also kein Deuterium-Tritium Betrieb geben (im Gegensatz zu Iter, ein Tokamak der zeigen soll, dass man es schafft mehr Energie frei zusetzen, als man zum Aufheizen des Plasma benötigt hat).

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Abbildung 2: Direkte Sichtbarmachung einer Magnetfeldlinie in W7-X durch Ionisierung des Restgases entlang der Feldlinie sowie die Form einer Flussfläche im Querschnitt (Bild: IPP, Dr. Matthias Otte, mehr Details hier).

Der Aufbau von W7-X war nach 9 Jahren Bauzeit offiziell im Mai 2014 beendet. Es folgte die Vorbereitung auf den Experimentierbetrieb: Evakuierung des Vakuumgefäßes, was vor allem Suchen und Flicken von Lecks bedeutet und herunter-kühlen von einem Teil des Gefäßes auf die Temperatur, bei welcher die supraleitenden Spulen betrieben werden (4 Kelvin). Im Anschluss wurden die Magnetfeldspulen getestet und das erzeugt Magnetfeld im Detail vermessen (siehe Abb. 2). Diese Vorbereitungen waren im Spätsommer 2015 abgeschlossen und gestern wurde dann offiziell die Betriebsgenehmigung erteilt.

W7-X
Abbildung 3: Ein Teil der Magnetfeldspulen (in blau) und das Plasma (in gelb) in W7-X (Bild: IPP).

Hier ein paar technische Fakten zu W7-X zusammengefasst:

  • Größe: 4.5 hoch und 16 m im Durchmesser
  • Gewicht: 735 t Gesamtgewicht, davon 435 t kalte Masse
  • 254 Zugänge (“ports”) zum Plasma für Diagnostik- und Heizzwecke
  • Magnetfeld: 70 supraleitende NbTi-Spulen, die ein Magnetfeld von bis zu 3 Tesla auf der Achse erzeugen
  • Plasma: ca. 30 m³ Plasmavolumen
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Abbildung 4: Schnitt durch das Vakuumgefäß von W7-X, zur Veranschaulichung der Größe ist der durchschnittliche Plasmaphysiker eingefügt (Bild: IPP).

Wie geht es jetzt weiter? Große Feier heute und morgen dann Kater? Nein, beziehungsweise, feiern schon, aber für den Kater morgen bleibt keine Zeit, da das Jahr schon fast vorbei ist und noch einige Plasmen geplant sind. Die erste Experimentierphase, OP1.1 genannt, wird 3-4 Monate andauern. In dieser Phase werden die Plasmentladungen alle unter 1 Sekunde lang bzw. kurz sein und es soll mit maximal 2 MW Leistung geheizt werden. Als Heizung steht in dieser Phase ausschließlich Mikrowellenheizung zur Verfügung. Sogenannte Gyrotrons erzeugen elektromagnetische Wellen bei einer Frequenz von 140 GHz und einer Leistung von jeweils bis zu 1 MW. Dieses Jahr wird es bei Heliumplasmen bleiben, die zünden leicht und dienen auch dazu, die Gefäßwände zu reinigen. Anfang nächsten Jahres wird es dann auch Wasserstoffplasmen geben um erste Erfahrungswerte in der Performance der Maschine zu sammeln. Zum Beginn des Wasserstoffbetriebs wird es Ende Januar noch ein offizielles Fest geben, an dem dann auch die Politikprominenz teilnehmen wird.

W7-X Aufbau
Abbildung 5: Photo vom Aufbau von W7-X (Bild: IPP).

Nach OP1.1 erfolgt eine längere Pause, in der Test-Divertoren in das Vakuumgefäß eingebaut werden. Divertoren sind Wandkomponenten, welche gezielt die Leistung aus dem Plasma abführen. Dazu lässt man die Magnetfeldlinien auf diesen Komponenten enden. In der anschließenden Experimentierphase OP1.2, die ca. 1 Jahr andauern soll, wird die Entladungsdauer voraussichtlich bis zu 10 s betragen und die Heizleistung auf ca. 10 MW erhöht. Als weitere Heizquelle wird die Neutralteilcheninjektion verwendet werden. Im Anschluss an OP1.2 wird es wieder eine längere Umbauphase geben, in der optimierte Divertoren eingebaut werden, die dann in OP2 den Plasmabetrieb von bis zu 30 min erlauben sollen. Die Heizleistung in OP2 wird auf ca. 20 MW ausgebaut und die Plasmen werden überwiegend in Deuterium gezündet werden.

Ich bin jetzt schon auf die nächste Konferenz gespannt auf der es dann erstmals experimentelle Resultate von W7-X gibt. In diesem Sinne herzliche Glückwünsche an die Kollegen in Greifswald!

 

Update: Hier gibt es eine Videoaufnahme aus dem Kontrollraum in Greifswald

Update 2 (15.12.2015, 8:50 Uhr): Hier ist eine verkürzte Fassung der Anmoderation der ersten Entladung von Prof. Thomas Klinger. (Achtung: die Darstellung der Plasmaentladung am Ende ist etwas irreführend, die Entladung währte nur ca. 100 ms, wie ich das auch weiter oben schreibe.)

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Alf Köhn-Seemann hat in Kiel Physik studiert und in Stuttgart über Mikrowellenheizung von Plasmen promoviert. Von 2010 bis 2015 war er dort als Post-Doc tätig. Nach mehreren Forschungsaufenthalten im englisch-sprachigen Raum, arbeitet er von 2015 bis Ende 2017 am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Seit Ende 2017 forscht und lehrt Alf Köhn-Seemann wieder an der Uni Stuttgart.

9 Kommentare

  1. Kompliment. Sehr informativ und die Vorstellung anregend. Übrigens: 30 Milligramm (Gewicht eines Reiskorns) an Plasma hat es in so einem Stellarator wie Wendelstein W7-X.

    • Danke 🙂

      Besonders interessant werden die Gewichtsangaben, wenn man den erforderlichen “input” eines Fusionskraftwerkes basierend auf der Deuterium-Tritium Reaktion mit dem eines Steinkohlekraftwerkes vergleicht: bei einer Leistung von 1 GW liegt man ungefähr bei 100 kg Tritium + 150 kg Deuterium gegenüber 2 700 000 000 kg Kohle.

        • Tja, das kommt davon, wenn man sich seine Antwort nicht noch einmal durchliest…. Ich meinte den Bedarf über ein Jahr eines Kraftwerkes mit einer Leistung von 1 GW.

          Danke für den Hinweis 🙂

        • @Kaleck: 1 GW-Steinkohlekraftwerk das ein 1 Jahr läuft benötigt 1 bis 3 Millionen Tonnen Kohle nach folgender Rechnung:
          1 Kilogramm Kohle enthält 9 Kilowattstunden Energie.
          1 GW liefert im Jahr etwa 8000 Gigawattstunden Strom (wenns rund um die Uhr läuft)
          8000 Gigwattstunden sind 8 Milliarden Kilowattstunden. Wenn man dies durch 9 teilt erhält man die benötigte Anzahl Kilogramm Kohle. Das ergibt ungefähr (Kopfrechnen) 1 Milliarde Kilogramm Kohle oder 1 Million Tonne Kohle. Allerdings ist das mit 100% Wirkungsgrad gerechnet. Die älteren Kraftwerke haben nur 33% Wirkungsgrad und benötigen deshalb bei einer Leistung von 1 Gigwatt in einem Jahr 3 Millionen Tonne Kohle.

  2. Das Torusvolumen wird leergepumpt. Es entsteht ein Ultrahochvakuum. Bis man sämtliche Lecks, vor allen an den Stutzen, beseitigt hatte, verging Zeit. Wie stellt man diese Lecks fest. Was passiert, wenn sie an schwer zugänglichen Stellen sitzen. Ich glaube, Prof. Klinger hat sich mit diesem Thema speziell auseinandergesetzt, sich damit habilitiert.

    • Herr Klinger hat sich mit einem anderen Thema habilitiert und zwar mit der Plasmadynamik. Auch wenn er sicherlich mittlerweile ein Experte für Vakuumtechnologie ist, hat er natürlich Leute für die verschiedenen Thematiken, die Vakuumgruppe wird, soweit ich weiß, von Herrn Volzke geleitet. Der ist Ingenieur, was auch mehr Sinn für diese Aufgabe macht, Herr Klinger hingegen ist Physiker.

  3. Auch die World Nuclear News haben nun unter German fusion reactor achieves first plasma den Start des Wendelstein 7X-Experiments gemeldet. Der Artikel ist ein gute Kurzfassung der vergangenen und zukünftigen Meilensteine/Betriebszustände. In Bezug auf die nächsten Wendelstein-Jahre steht dort (in Übereinstimmung mit dem Beitrag hier):

    Wendelstein 7-X is to operate for two years without active cooling, during which time it will be able to operate for about 50 seconds at 1 MWt, or at 8-10 MW for 5-10 seconds. The machine will then undergo an 18-month shutdown when it will be fitted with an actively cooled divertor for heat fluxes of up to 10 MWt per meter squared. This will bring Wendelstein 7-X to its full steady state capacity.

    • indirekt sprechen Sie da einen interessanten Punkt an (die Übereinstimmung): in einigen Artikeln findet man die Angabe von 1.8 MW Mikrowellenleistung, in anderen 1.3 MW. Ich kann momentan leider (noch) nicht auf die Originaldaten der Entladung zugreifen, bin mir aber sicher dass 1.3 MW stimmen (die Entladung wurde auch entsprechend benannt).

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