67 ‚natürliche Teleskope’ in COSMOS entdeckt

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In einem 1.6 Quadratgrad großen Feld fand ein Wissenschaftlerteam um Cecil Faure vom Zentrum für Astronomie in Heidelberg und Jean-Paul Kneib vom Laboratoire d'Astrophysique aus Marseille 67 Gravitationslinsen [1,2]. Für ihre Entdeckung verwendeten die Forscher Datensätze von drei Teleskopen und deren Instrumente: dem Hubble Space Telescope (HST) mit der optischen  Kamera ACS (Advanced Camera for Surveys);  der Suprime Cam am SUBARU Teleskop und der MegaCam am 3.6 CFHT (Canada-France-Hawaii Telescope).  Auf dieser Webpage befindet sich der Katalog von den neu entdeckten 67 Gravitationslinsen.

Diese Gravitationslinsen befinden sich im so genannten COSMOS Feld. Es liegt am Himmelsäquator, ist somit mit allen wichtigen bodengebundenen Teleskopen und Observatorien zu beobachten und ist im Moment eine der wichtigsten Himmelsdurchmusterungen. Die Größe von 1.6 Quadratgrad des COSMOS Feldes entspricht einer Fläche von 9 Vollmonden. Das Feld ist bei 814 Nanometern (rotes, optische Licht) vollständig mit der ACS Kamera an Bord vom HST abgedeckt und somit das größte zusammenhängende Feld am Himmel mit der einmaligen Auflösung des HST von 0.05 Bogensekunden. Um diese Abdeckung zu erreichen waren 590 Orbits mit dem HST und seiner Kamera ACS notwendig. Ein Orbit entspricht einer Beobachtungszeit von etwa 40 Minuten. Mehr zu COSMOS findet man unter diesem Link und der Skywalker lädt dazu ein, dieses Feld ausführlich auszukundschaften.

Gravitationslinsen sind astronomische Objekte die durch ihre Schwerkraft – Gravitation – das Licht von Hintergrundgalaxien ablenken und dabei bündeln (und verzerren). Da Gravitationslinsen das Licht von Hintergrundgalaxien auch verstärken (bündeln), ist es möglich Objekte zu studieren/finden die ohne eine Gravitationslinsen nicht sichtbar wären. Deshalb können Gravitationslinsen auch als ‚natürliche Teleskope’ oder ‚Vergrößerungsgläser’ bezeichnet werden.

Die Entdeckung der 67 ‚natürlichen Teleskope’ im COSMOS Feld war eine sehr mühselige Arbeit. Aus einem Katalog von fast 300.000 Galaxien fanden die Wissenschaftler 9452 Kandidaten für eine Gravitationslinse mitsamt Hintergrundgalaxie.   Fünf Astronomen aus dem Wissenschaftlerteam inspektierten dann visuell die fast 10.000 Galaxien auf der Suche nach Gravitationslinsen. Die Astrophysiker konzentrierten sich dabei auf Frühtyp-Galaxien wie elliptische Galaxien als ‚Vergrößerungsglas’. Elliptische Galaxien sind massereich und deshalb in der Lage das Licht von Hintergrundgalaxien stark abzulenken und zu bündeln. 337 Kandidaten kamen dann in die engere Auswahl und unter Hinzunahme von Aufnahmen aus anderen Bereichen des optischen Lichtes – vom SUBARU und dem CFHT Teleskop – fanden die Astrophysiker letztendlich 67 Gravitationslinsen. 20 von ihnen haben entweder multiple Bilder der ein und der selben Hintergrundgalaxie, große Bögen oder sogar Einsteinringe (mindestens vier) und liefern dabei die spektakulärsten Aufnahmen dieser Forschungsarbeit. Ein Einsteinring ist dann sichtbar, wenn der Beobachter,  die Gravitationslinse und die gelinste Hintergrundgalaxie sich exakt auf einer Linie  befinden. Die Hintergrundgalaxien, deren Licht durch die Gravitationslinse abgelenkt wird, sehen die Astronomen dann mit ihren Teleskopen als Ring.

HST Aufnahme von 6 neu entdeckten Gravitationslinsen im COSMOS Feld. Bögen und Einsteinringe von Hintergrundgalaxien, deren Licht durch massereiche elliptische Galaxien im Vordergrund  – die als Gravitationslinsen dienen – abgelenkt und gebündelt wurden, sind zu sehen.

Basierend auf ihrer Entdeckung schließen die Astronomen, dass es mindestens 500.000 Gravitationslinsen am ganzen Himmel geben müsste. Das untere Limit kommt auch daher, dass ihre Inspektion von Gravitationslinenkandidaten visuell und nicht mit speziellen Algorithmen und Software durchgeführt wurde, so dass es durchaus möglich ist das nicht alle Gravitationslinsen, die sich in COSMOS befinden, auch gefunden wurden.

Die Entdeckung dieser Objekte erlaubt es den Astronomen die Verteilung von massereichen Galaxien im Universum besser zu verstehen und die Kennzahlen der bekannten kosmologischen Modelle zu verfeinern. Cecile Faure und ihr Team versprechen sich von ihrem Projekt – basierend auf ihrer verwendeten mühseligen Methode und den damit gefundenen Gravitationslinsen – die Entwicklung von Algorithmen und astronomischer Software um die Suche nach Gravitationslinsen zu automatisieren.

 

Bis zum nächsten Blog,

Euer Helmut Dannerbauer

 

Quelle:

[1]: HST Press Release, 19.02.2008
[2]: wissenschaftlicher Artikel von "Faure C., Kneib J.P., et al." auf astro-ph/0802.2174

 

 

Cecile Faure, Jean‐Paul Kneib, Giovanni Covone, Lidia Tasca, Alexie Leauthaud, Peter Capak, Knud Jahnke, Vernesa Smolcic, Sylvain de la Torre, Richard Ellis, Alexis Finoguenov, Anton Koekemoer, Oliver Le Fevre, Richard Massey, Yannick Mellier, Alexandre Refregier, Jason Rhodes, Nick Scoville, Eva Schinnerer, James Taylor, Ludovic Van Waerbeke, Jakob Walcher (2008). First Catalog of Strong Lens Candidates in the COSMOS Field The Astrophysical Journal Supplement Series, 176 (1), 19-38 DOI: 10.1086/526426

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Veröffentlicht von

Der promovierte Astrophysiker Helmut Dannerbauer – wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg – fokussiert sich in seinem Blog auf die Erforschung von Galaxien und deren Entwicklung im jungen Universum.

2 Kommentare

  1. Spitze des Eisbergs

    Die Schätzung: “mind. 500.000 Grav.-Linsen am ganzen Himmel” halte ich noch für untertrieben.
    Ich behaupte, dass, rein statistisch, alles, was wir jenseits z ca. 3…5 sehen können, zum überwiegendem Teil immer zufällig gravitativ, farblich (redshift-) und helligkeitsmäßig verzerrt ist.
    Dies widerspricht m.M. ernsthaft der These, dass z.B. die entfernten HDF-Galaxien angeblich noch sehr junge, unausgebildete Galaxien im Geburtsstadium sein sollen.
    Wenn dem nicht so ist, hätte das m.M. nach jetzt enorme Konsequenzen für unser Weltbild

  2. Gravitationslinsen:direkte G-EM-WW

    Es gibt einen überzeugenden Beweis dafür, dass es keine direkte Wechselwirkung zwischen Gravitation und elektromagnetischen Wellen gibt. Alle Anzeichen deuten darauf hin, das das Microlinsenkonzept nur ein Versuch ist, die fehlende Beobachtung von Macrolinsen zu erklären.

    Siehe ABSTRACT “Time resolved images from the center of the Galaxy appear to counter General Relativity”, Dowdye, Jr., E.H., http://adsabs.harvard.edu/abs/2007AN….328..186D

    Ein Thread finden Sie am http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=74832

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