AG Tagung 2010: ALMA am Horizont

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Spurensuche im jungen Universum
Galaxienentwicklung

Bald ist es nun soweit: im kommenden Jahr sind die ersten Beobachtungen mit ALMA geplant. Zunächst "nur" mit 16 Antennen (Durchmesser von 12m), aber schon mit dieser Anzahl von Antennen wird  dieses Teleskop das leistungsstärkste im Millimeterbereich sein. Im Rahmen des Mottos "Zooming In: The Cosmos at high resolution" der diesjährigen Herbsttagung der AG (siehe auch die Posts von Jan Hattenbach über die diesjährige AG Tagung und den Besuch von Carolin Liefke am Effelsberger Radioteleskop) gab es auch einen zweitägigen Splinter über interferometrische Beobachtungen im (sub)mm und cm-Bereich: Sub-mm Interferometry: the ALMA horizon (incl. EVLA, eMERLIN). Die Wissenschaftler Frank Bertoldi (Uni Bonn), Vernesa Smolcic (Uni Bonn) und Chris Carilli (NRAO) organisierten diesen Zusammentreffen, an dem auch ich teilnahm.

Der Grossteil der Vorträge war auf Galaxien im jungen Universum fokussiert. Allgemeinere Vorträge über gegenwärtige und zukünftige mm-Teleskope, ihre Instrumente und Technologien rundeten das Programm ab. Sehr gut gefiel mir, dass die Organisatoren auch Experten aus dem Ausland einluden. Der ESO Wissenschaftler Dr. Leonardo Testi eröffnete dieses Meeting mit einem Vortrag über den Status von ALMA. Dabei erfuhr ich, dass 7 Antennen schon einsatzbereit seien und es tatsächlich im nächsten Jahr mit den ersten wissenschaftlichen Beobachtungen losgehen sollte.

Mit am meisten beeindruckte mich der Vortrag von dem britischen Astronom Tom Muxlow (Jodrell Bank Center for Astronomy, Manchester) über ein mehrere hundert Stunden umfassendes Beobachtungsprogramm eMERGE (e-MERLIN Galaxy Evolution Survey) mit dem Radiointerferometer e-MERLIN. Dieses Interferometer stellt sich aus mehreren in ganz England verteilten Radioteleskopen zusammen und wird in der Nähe von Manchester, von Jodrell Banks aus gesteuert. Das vorgestellte und auch schon akzeptierte ehrgeizige Beobachtungsprogramm von 918 Stunden umfasst einige bekannte extragalaktische Deep Fields, siehe auch Post von Carolin Liefke zum Thema Deep Fields, wie zum Beispiel das Hubble Deep Field North (HDF-N) und den Galaxienhaufen Abell2218. Eines der Hauptziele ist es einen ziemlich kompletten Zensus der Sternenstehung von (normalen) Galaxien bis zu Rotverschiebungen von 5 durchzuführen. Aufgrund der stark verbesserten Empfindlichkeiten erwarten die Wissenschaftler zum Beispiel im HDF-N die Anzahl der Anfang 2000 bekannter Radioquellen von 90 auf 5000 zu erhöhen.

Gewisse Galaxienpopulation sind in bestimmten Wellenlängenbereichen individuel nachweisbar. In den vergangenen Jahren hat sich in der extragalaktischen Astronomie, vor allem im jungen Universum, die so genannte Stacking Technik durchgesetzt. In einem Band werden für jedes Mitglied des zu untersuchenden Galaxiensample auf dessen Position Signal und Rauschen gemessen. Diese werden dann für das gesamte Sample aufaddiert. Somit ist es dann möglich für die gesamte untersuchte Population tiefer als das Rauschen zu kommen und möglicherweise dann doch die Population in dem untersuchten Wellenlängenbereich nachzuweisen. Robert Decarli (MPIA) wendete diese Methode nun zum ersten Mal auf interferometrische Daten im Millimeterbereich, vom Plateau de Bure Interferometer stammend, an und präsentierte uns einige erste, vielversprechende Ergebnisse. 

Auch ich hatte wieder die Gelegenheit meine Forschung vorzustellen und anschliessend (kontrovers) zu diskutieren. Ähnlich zu meinem Vortrag in Oxford (Link zu Kosmologs) sprach ich wieder über unsere Beobachtungen mit dem PdBI und VLA (Very Large Array) von gewöhnlichen Galaxien mit intensiver Sternentstehung im jungen Universum. 

Der Direktor von IRAM, Pierre Cox, schloss diese Veranstaltung mit einem hochinteressanten Vortrag über die Zukunft von IRAM (Institut de Radioastronomie Millimétrique) ab. Dabei stellte er Pläne vor, wie auch in der ALMA-Ära das millimeter-Interferometer Plateau de Bure konkurrenzfähig gemacht werden kann. Im Moment besteht dieses Teleskop aus 6 Antennen mit einem Durchmesser von 15 Metern und eine Erweiterung auf 15 in den nächsten Jahren ist geplant. NOEMA nennt sich diese ambitionierte Projekt. Aufgrund der kurzen Amtswege bei IRAM sollte es möglich sein immer wieder die aktuellste Empfängertechnologie an den Antennen zu haben. Das Milliardenprojekt ALMA wird dagegen die ersten Beobachtungen mit Empfänger basiered auf einer ein wenig "älteren" Technologie durchführen und könnte in diesem Punkt möglicherweise, aufgrund einer gewissen "Entscheidungsträgheit" von Projekten in dieser Grössenklasse, ein klein wenig hinterher hinken. 

Dieses zweitägige Meeting gefiel mir sehr gut, auch Dank der Organisatoren denen es gelang weltweit anerkannte Experten auf diesem spannenden Gebiet der Astronomie zusammenzuführen, die wichtige Themen im Hinblick auf ALMA vorstellten und darüber diskutierten. 

 

Bis zum nächsten Blog,

Euer Helmut Dannerbauer

 

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Der promovierte Astrophysiker Helmut Dannerbauer – wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg – fokussiert sich in seinem Blog auf die Erforschung von Galaxien und deren Entwicklung im jungen Universum.

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